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2. 4 Multienzymprodukte tierischen Ursprungs mit einem fixen Verhältnis von Amylase,Lipase und Protease

2. 4. 1 Darreichungsformen und Eigenschaften kommerzieller Multienzymprodukte

Die Therapie der exokrinen Pankreasinsuffizienz sollte idealerweise die physiologischen Verhältnisse im Verdauungstrakt imitieren bzw. wiederherstellen (LAYER et al. 1994).

Gefordert wird eine maximale Verdauung im vorderen Bereich des Darmtraktes verbunden mit einem entsprechend raschen Verlust der enzymatischen Aktivitäten während der Chymuspassage.

Therapeutisch spielen bisher die kommerziell erhältlichen Pankreasenzympräparate mit fixem, im Schweinepankreas vorhandenen Verhältnis der Aktivitäten von Lipase, Amylase und Proteasen die herausragende Rolle (LÖSER u. FÖLSCH 1995).

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Ungecoatete Enzympräparate

Bei Einnahme ungeschützter Enzympräparate tierischen Ursprungs wird nahezu die gesamte lipolytische Aktivität durch Magensäure zerstört, die stabileren Proteasen überleben die Magenpassage hingegen signifikant besser (HEIZER et al. 1965; DIMAGNO et al. 1977).

Zusätzlich werden die im Falle einer exokrinen Pankreasinsuffizienz exogen zugeführten Lipasen - analog den im gesunden Individuum endogen sezernierten Lipasen - im Dünndarmlumen durch Proteasen inaktiviert (LAYER et al. 1990 a; LAYER et al. 1992 a).

Die schnelle, im Magen beginnende und im Dünndarm fortgesetzte Inaktivierung oral applizierter, ungeschützter Lipasen ist somit nach DIMAGNO et al. (1977) die Ursache für den geringen therapeutischen Effekt dieser Produkte.

Durch die parallele Applikation von Magensäureinhibitoren wie H2-Rezeptor- oder Protonenpumpenblockern kann die Effizienz von ungecoateten Pankreatinpräparaten beim Menschen gesteigert werden (REGAN et al. 1977; HEIJERMAN et al. 1991; CARROCCIO et al. 1992; BRUNO et al. 1994).

Gecoatete Tabletten oder Kapseln

Durch Coating (säurefester Überzug) gelingt ein effizienter Schutz dieser Präparate vor saurer Inaktivierung (LAYER u. KELLER 1999). Da diese säureresistenten Partikel aufgrund ihrer Größe während der digestiven Periode aber im Magen zurückgehalten, und erst in der interdigestiven Phase in das Duodenum abgegeben werden, sind sie den ungeschützten Präparaten in ihrer Wirkung - trotz Schutz der Enzyme durch Ummantelung - nicht überlegen (CODE u. SCHLEGEL 1973; SCHLEGEL u. CODE 1975; GOEBELL et al. 1993). Die säurefesten Präparate erreichen das Duodenum nicht zeitgleich mit der zu verdauenden Mahlzeit, sondern erst einige Stunden später (LAYER et al. 1992 b). Der Vorteil des minimierten Enzymabbaus durch Pepsin und Magensäure wird durch den nicht parallelen/zeitgleichen Fluss von Präparat und Nahrung im Gastrointestinaltrakt relativiert.

Gecoatete Pankreatinmikrosphären

Aufgrund der bei gecoateten Kapseln oder Tabletten auftretenden verlängerten Verweildauer im Magen wurden Mikrosphären-Konfektionierungen entwickelt, die den Vorteil des Coatings (Schutz der Enzyme) bieten, aber als Mikropartikel auch eine parallele Passage mit

der Nahrung ermöglichen. Der entscheidende Faktor ist dabei die Partikelgröße: Die optimale Größe der Pankreatinmikrosphären entspricht in etwa jener der den Magen verlassenden Nahrungspartikel (LEBENTHAL et al. 1994). In einer Studie mit gesunden Personen verließen mit einer standardisierten Mahlzeit verabreichte Kunststoffmikrosphären mit einem Durchmesser von 1mm den Magen signifikant schneller als Mikrosphären größeren Durchmessers (MEYER et al. 1988). Eine weitere Reduktion des Durchmessers scheint nicht notwendig zu sein, in neueren Untersuchungen zeigte sich ein identischer therapeutischer Effekt von Pankreatinmikrosphären (Ø 1,0-2,0mm) und Pankreatinminimikrosphären mit einem Durchmesser von 0,7-1,25mm (HALM et al. 1999).

Bezüglich ihrer Wirksamkeit sind diese Präparate ungecoateten Pankreatinpräparaten sowie gecoateten Tabletten oder Kapseln überlegen (LANKISCH et al. 1983; KÖLBEL et al. 1986).

Nachdem sich diese Präparate im Magen mit der Mahlzeit vermischt und gemeinsam mit dieser den Dünndarm erreicht haben, setzen sie erst hier ihre enzymatische Aktivität frei. Ihre therapeutische Effizienz manifestiert sich in einer Reduzierung der Fettexkretion und Stuhlgangfrequenz sowie in einer Verbesserung der Stuhlqualität (SAFDI et al. 2006). 60%

der in diesen Präparaten enthaltenen lipolytischen Aktivität bleiben über die Magenpassage hinaus erhalten (LAYER et al. 1992 a). Dosis-Wirkungsstudien zeigen, dass bereits durch Applikation von 20.000 bis 30.000 U lipolytischer Aktivität pro Mahlzeit eine deutliche Besserung der Steatorrhoe erzielt werden kann (KÖLBEL et al. 1986).

Durch die nach Exposition im intestinalen Milieu einige Minuten beanspruchende Enzymfreisetzung aus Mikropräparaten kommt es allerdings zu einer zeitlich verzögert einsetzenden Verdauung (DIMAGNO et al. 1975), welche zu einer Verlagerung des Ortes maximaler Verdauung in weiter distal gelegene Abschnitte des Dünndarms führt (DUTTA et al. 1983). Die im Präparat enthaltene Lipase wird nicht vollständig im Duodenum (LAYER et al. 1992 a), sondern bis in den Bereich des mittleren Jejunums hinein freigesetzt.

Die erfolgreiche Anwendung der gecoateten, säuregeschützten Enzympräparate ist an zwei Bedingungen geknüpft (LÖSER u. FÖLSCH 1995): Zum einen darf der intragastrale pH-Wert nicht über 5 ansteigen. Die Enzyme werden sonst bereits im Magen freigesetzt und können bei einer erneuten Reazidifizierung inaktiviert werden. Zum anderen muss der intraduodenale pH-Wert über 5,5 ansteigen, um die Enzyme aus ihrer säuregeschützten Ummantelung freizusetzen. Aufgrund der mit schwerer exokriner Pankreasinsuffizienz einhergehenden

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Azidierung des Duodenuminhaltes kann diese Bedingung häufig nicht erfüllt werden. Eine Kombination von gecoateten Pankreatinmikrosphären mit H2-Rezeptorantagonisten oder Protonenpumpenblockern erwies sich bei der Behandlung von CF-vergesellschafteter EPI als effizient (CARROCIO et al. 1992; PROESMANS u. DE BOECK 2003). Neuere Studien zeigen, dass sich die Fettverdauung bei Patienten, die unzureichend auf die alleinige Therapie mit Pankreatinmikrosphären ansprechen, durch die zusätzliche Applikation eines Protonenpumpenblockers deutlich verbessern, und teils sogar normalisieren lässt (DOMINGUEZ- MUNOZ et al. 2006). Im pankreasgangligierten Miniaturschwein hingegen führte zwar die isolierte Gabe des Protonenpumpenblockers Omeprazol zu einer signifikanten Erhöhung der praecaecalen Verdaulichkeit von Rohfett, unter den Bedingungen einer Enzymsubstitution mit gecoateten Pankreatinmikrosphären (Kreon®) hatte die zusätzliche Applikation von Omeprazol jedoch keine erhöhte Enzymwirksamkeit zur Folge (KAMMLOTT 2003).

Einen weiteren Ansatz stellt die Entwicklung gepufferter, säurefester Pankreatinmikrosphären dar, welche 1,5 bis 2,5 mEq Bikarbonat enthalten (KALNINS et al. 2006; BRADY et al.

2006). Erste Resultate bereits vorliegender Studien mit diesen Neuentwicklungen sind jedoch wenig aussagekräftig (KALNINS et al. 2006; BRADY et al. 2006).

2. 4. 2 Nachteile von Multienzymprodukten porcinen und bovinen Ursprungs

Mangelnde Akzeptanz porciner Produkte aus religiösen Gründen/ Nachteile boviner Produkte

Ein Nachteil porciner Pankreatinprodukte liegt in ihrer mangelnden Akzeptanz aufgrund religiöser oder anderweitiger ethischer Gründe. So verbieten sowohl islamische als auch jüdische Religion ihren Einsatz zu medizinischen Zwecken (LAYER u. KELLER 2003).

Bovines Pankreatin stellt daher eine potentielle Alternative für Personen dar, für welche die Einnahme porciner Produkte aus religiösen oder ethischen Gründen nicht in Frage kommt (LAYER u. KELLER 2003). Die Verwendung boviner Produkte ist aus folgendem Grund eine unbefriedigende Alternative (LAYER u. KELLER 2003): Mit der herbivoren Ernährungsweise von Rindern gehen diverse Unterschiede in der Enzymzusammensetzung boviner Pankreatinprodukte gegenüber dem humanen und porcinen Enzymmuster einher. So

erreicht die lipolytische Aktivität nur etwa 25% der Aktivität porcinen Pankreatins (persönliche Mitteilung Dr. F. Henniges, Solvay Pharmaceuticals, Hannover, Deutschland).

Die mögliche Kontamination mit übertragbaren Pathogenen (TSE, MKS) stellt einen weiteren Nachteil dar (LAYER u. KELLER 2003), der allerdings grundsätzlich auch bei porcinen Produkten besteht.

Nachteile des fixen Amylase-, Lipase- und Proteasenverhältnisses tierischer Pankreatinpräparate

Porcine Pankreatinpräparate und fibrosierende Colonopathie

Der längerfristige Einsatz sehr hoher Dosen porciner Pankreatinpräparate steht im Verdacht, eine fibrosierende Colonopathie bei an cystischer Fibrose erkrankten Kindern auszulösen (MACSWEENEY et al. 1995; SMYTH et al. 1995; FITZSIMMONS et al. 1997; BANSI et al.

2000). Es wurde zunächst angenommen, dass bei sehr hoher Dosierung porciner Pankreatinpräparate die darin enthaltenen Proteasen zu einer fibrosierenden Entzündung bei prädisponierten Personen führen. Um die erforderliche Menge pankreatischer Lipase zuzuführen, muss der hohe Gehalt an Proteasen aufgrund des fixen Lipase-Protease-Amylasenverhältnis in porcinen Pankreatinpräparaten die hohe Gesamtdosis an Proteasen in Kauf genommen werden. Neuere Studien hingegen implizieren, dass hohe Dosen des bei manchen Pankreatinprodukten als säureresistentes Coating verwendeten „methacrylic acid copolymer“ das Auftreten einer fibrosierender Colonopathie begünstigen (VAN VELZEN et al. 1996; PRESCOTT u. BAKOWSKI 1999). Im Zusammenhang mit chronischen Pankreatitiden anderer Genese wurde das Auftreten fibrosierender Colonopathien nicht beobachtet (LAYER u. KELLER 2003).

Nachteile bezüglich der Wirksamkeit

Bei Einsatz von säureresistenten Pankreatinmicrosphären oder bei begleitender Inhibition der Magensäuresekretion (DIMAGNO et al. 1977; HEIJERMAN et al. 1991) gelingt bei entsprechender Dosierung der das Duodenum erreichenden lipolytischen Aktivität porcinen Ursprungs eine effektive Reduktion der Steatorrhoe (KÖLBEL et al. 1986); eine vollständige Normalisierung der Fettverdauung lässt sich allerdings in den meisten Fällen nicht erreichen

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(DOMINGUEZ-MUNOZ et al. 2006). Die Proteinverdauung hingegen kann durch Applikation von Trypsin vollständig normalisiert werden (REGAN et al. 1977).

Die Beobachtung, dass nach Einnahme von Pankreatintabletten in zwei verschiedenen Dosierungen in beiden Fällen nur 7% der Lipase- und 20% der Proteaseaktivität das Duodenum erreichen (DIMAGNO et al. (1977), lässt folgende Schlüsse zu:

• Der sowohl bei behandelter EPI als auch im gesunden Individuum höhere Gehalt an proteolytischer gegenüber lipolytischer Aktivität im Duodenum erklärt zumindest teilweise das frühere Auftreten einer Steatorrhoe im Vergleich zur Azotorrhoe und ist mitverantwortlich für die häufig beschriebene Schwierigkeit einer erfolgreichen Behandlung der Steatorrhoe

• Möglicherweise wären Enzymprodukte mit höheren Gehalten an lipolytischer Aktivität und entsprechend geringeren Gehalten an proteolytischer Aktivität (insbesondere an Chymotrypsin) in der Behandlung einer durch exokrine Pankreasinsuffizienz bedingten Steatorrhoe effektiver.

Diese Thesen werden durch verschiedene Studien belegt (PAP u. VARRO 1984, 1986, 1988;

LAYER et al. 1992 c). Im Rahmen der oralen Applikation von Pankreatinpräparaten ist das Vorliegen einer verminderten luminalen proteolytischen Aktivität mit einem Anstieg der luminalen lipolytischen Aktivität sowie einer verminderten Malabsorption von Fett verbunden. Die Steatorrhoe wird vermindert, die Effektivität gecoateter Pankreatinprodukte korreliert mit dem Lipase/ Proteasen-Verhältnis im Präparat.

Im Gegenzug kann die Einnahme von Pankreatinformulierungen mit erhöhten Gehalten an Proteasen, wie sie im Rahmen der Schmerzbekämpfung bei chronischen Pankreatitiden Anwendung finden (DIMAGNO et al. 1977), durch Inaktivierung der residualen lipolytischen Aktivität bei diesen Patienten eine Steatorrhoe verstärken oder hervorrufen, sofern bereits eine moderate oder schwere exokrine Pankreasinsuffizienz vorliegt (SLAFF et al. 1984).

Die in den genannten Studien gemachten Beobachtungen lassen eine Senkung der proteolytischen Aktivität in Pankreatinpräparaten als geeignete Möglichkeit erscheinen, zumindest die durch Proteolyse bedingte Einbuße der lipolytischen Aktivität zu vermindern und somit ihre Effektivität bezüglich der Fettverdauung zu erhöhen.

Für eine individuelle, bedarfsgerechte Therapie wäre die Entwicklung von Präparaten mit definierten, unterschiedlichen Aktivitäten der verschiedenen Enzymgruppen sinnvoll (LÖSER u. FÖLSCH 1995).

Da die in Pankreatinpräparaten enthaltene Lipase auch durch die gleichfalls enthaltenen Proteasen inaktiviert werden kann, sollten galenische Zubereitungen entwickelt werden, die eine örtlich getrennte Freisetzung von Trypsin und Lipase im Dünndarm ermöglichen. Zudem könnte in Zukunft auch das Hinzufügen einer bedarfsgerechten Menge Colipase zum Enzympräparat als wichtiger Cofaktor die Bindung von Lipase an die Triglyceride verbessern und damit die lipolytische Aktivität erhöhen (LÖSER u. FÖLSCH 1995).