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6.3 Ermittlung von Überflutungswahrscheinlichkeiten während der Brutzeit

6.3.1 MThw-Schwankungen im Ist-Zustand

Die vorhabensbedingt zu erwartende Erhöhung des MThw beträgt oberhalb von Elbe-km 680 aufge-rundet 1 - 3 cm (Unterlage H.1a, Anlage 2, Bild 2, Seite 4). Um diese Veränderung einordnen zu kön-nen, sind zunächst die Änderungen des MThw in der Vergangenheit zu betrachten. Das MThw ist keine feste Größe, sondern schwankt zwischen den Jahren erheblich. Abbildung 6-8 zeigt die interan-nuellen Schwankungen des MThw am Pegel Glückstadt im Zeitraum 1960 bis 2013. Abbildung 6-8 (grüne Quadrate) zeigt den ermittelten MThw-Stand eines Jahres (Gewässerkundliches Jahr: 01.11.

des Vorjahres bis 31.10., beispielsweise Gewässerkundliches Jahr 2014 = 01.11.2013 - 31.10.2014).

Deutlich wird, dass sich das MThw von Jahr zu Jahr ändert; so z.B. um bis zu 29 cm im Vergleich der Jahre 1995 und 1996 (MThw 1995: 168 cm ü. NHN; 1996: 139 cm ü. NHN). Die mittlere interannuelle Differenz des MThw beträgt im betrachteten Zeitraum 8,4 cm (Mittelwert aller Differenzen zwischen dem MThw eines Jahres und dem des Folgejahres). Die Anhangsabbildung 9-15 zeigt die beachtli-chen interannuellen Schwankungen des MThw.

Abgesehen von diesen Schwankungen stieg das MThw im UG in dem betrachteten Zeitraum seit 1960 kontinuierlich an. Den dabei beobachteten Trend im negativen Wirkbereich des Vorhabens zeigt ebenfalls die Anhangsabbildung 9-15. Bezogen auf den 25 Jahres-Zeitraum 1989 – 2014 wurde am Pegel Glückstadt eine Erhöhung des MThw von 0,18 cm/Jahr ermittelt. Bezogen auf den 25 Jahres-Zeitraum 1989 – 2014 wurde am Pegel Lühort eine Erhöhung des MThw von 0,39 cm/Jahr ermittelt.

Es wird davon ausgegangen, dass dieser Trend sich in den kommenden Jahren fortsetzen wird. Zu beachten ist zudem der Einfluss der Nodaltide. Dazu wird in Kapitel 6.3.3 ausgeführt.

Grünland Röhrichte Grünland Röhrichte Grünland Röhrichte Grünland Röhrichte Grünland Röhrichte

< 1,7 m ü. NHN 5 60 3 70 3 20 2 20 5 60

WSA HH - Geschäftsstelle weitere FAP Rev.-Nr. Brutvögel

FAP Unter- und Außenelbe, Planergänzung II 5-0 IBL Umweltplanung GmbH

Die Ermittlung des MThw bezieht sich i.d.R. auf ein Kalenderjahr. Für die relevanten Brutvogelarten sind hingegen die Wasserstände in der Brutzeit von Anfang April bis Ende Juli entscheidend. Wäh-rend der Brutzeit sind Schwankungen des MThw kleiner (Abbildung 6-9) als bei Betrachtung gesamter Jahre. Im Zeitraum Anfang April bis Ende Juli liegen die maximalen interannuellen Schwankungen der Jahre 2012 und 2013 z.B. bei 12 cm (MThw April bis Juli 2012: 156 cm ü. NHN. 2013:

168 cm ü. NHN). Die mittlere interannuelle Differenz des MThw während der Brutzeit beträgt 4,8 cm (Mittelwert aller Differenzen zwischen dem „Brutzeit-MThw“ eines Jahres und dem des Folgejahres).

Wenn es so wäre, wie Cimiotti et al. (S. 42) nahelegen, nämlich dass ein vorhabensbedingter MThw-Anstieg im niedrigen einstelligen Zentimeterbereich zu „einer starken Abnahme bis hin zum lokalen Verschwinden der betroffenen Bodenbrüter in Teilen der Unterelbe“ führen könnte (oder logischerwei-se vice versa ein entsprechender Absunk zu einer starken Zunahme), dann hätten die Schwankungen des MThw in der Vergangenheit teils zu einer überlokalen Zunahme ebenso wie zu einem überlokalen Verschwinden von Bodenbrütern an der Tideelbe führen müssen. Eine entsprechende Abhängigkeit ist jedoch bislang nicht bekannt geworden. Relevant für die Bestände sind die für den Reproduktions-erfolg auschlaggebenden Ereignisse in Form von Wind- und Sturmfluten während der Brutzeit – oder deren Ausbleiben.

Abbildung 6-8: Interannuelle Schwankungen und Anstieg des MThw am Pegel Glückstadt im Zeitraum 1960 bis 2014

Erläuterung: GWKJ: Gewässerkundliches Jahr (01.11. bis 31.10. des Folgejahres)

GLM: Gleitendes Mittel wird jährlich bestimmt, aneinander gereihte Punkte bilden in der Abbildung daher eine Kurve

Nodalzyklus: Ein Nodalzyklus ist durch unterschiedliche Tidenstände bestimmt, dies durch die Kons-tellation von Sonne, Mond und Erde. Er beträgt 18,6 Jahre; mit ihm wird die Modulation des Tidehubs aus der Nodaltide eliminiert.

lin. Trend (25 Jahre): ein linearer Trend der Wasserstände über 25 Jahre (1989 bis 2013) Trend = 0,18 cm/a

1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020

[cm NN]

Entwicklung des mittleren Tidehochwassers am Pegel Glückstadt

Jahresmittel (GWKJ) GLM über Nodalzyklus lin. Trend (25 Jahre)

Abbildung 6-9: Interannuelle Schwankungen des MThw in Glückstadt während der Brutzeit (01.04. bis 31.07.) im Zeitraum 1960 bis 2013

Erläuterung: Zur Berechnung des MThw wurden hier nur die Zeiträume von April bis Juli eines jeden Jahres heran-gezogen.

Die Schwankungen des MThw im Ist-Zustand sind in Relation zu dem vorhabensbedingt zu erwarten-den MThw-Anstieg zu betrachten. Um dies zu illustrieren, wird in einem Rechenbeispiel die statisti-sche Nachweisbarkeit eines MThw-Anstieges von 3 cm dargestellt.

Exkurs

Um Unterschiede in der Natur zu detektieren und von Zufallsänderungen zu unterscheiden, werden in der Wis-senschaft statistische Tests durchgeführt. Dabei wird ermittelt, ob zwei Zahlenkolonnen von zwei verschiedenen Grundgesamtheiten stammen, also Unterschiede auf Zufallseffekten beruhen oder ob den Vergleichsdaten ein tatsächlicher Unterschied zu Grunde liegt. Im Fall einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % oder weniger wird davon ausgegangen, dass die Gruppen sicher aus zwei Grundgesamtheiten stammen, also die Gruppen signifi-kant unterschiedlich sind und somit ein tatsächlicher Unterschied besteht. Um eine solche statistische Analyse bezüglich der MThw-Schwankungen hier durchzuführen, werden die trendbereinigten MThw-Stände des Pegels Lühort aus dem Brutzeitraum (April bis Juli) von 25 Jahren (1989 - 2013) verwendet.

Angenommen, diese Stände würden sich in den nächsten 25 Jahren mit dem vorhabensbedingten MThw-Anstieg von 3 cm wiederholen, so wäre dieser MThw-MThw-Anstieg statistisch nicht sicher belegbar. Ein statistischer Test, der verwendet wird, um solche Unterschiede nachzuweisen, ist ein einseitiger t-Test. Dieser ergäbe eine Irrtumswahrscheinlichkeit von 6 %, also höher als der wissenschaftlich gesetzte Wert von maximal 5%.

Als Rechenbeispiel wird geprüft, wie viele Jahre Vergleichsdaten notwendig sind, um einen MThw-Anstieg von 3 cm nachzuweisen. Da ältere MThw-Daten nicht durch einen linearen Trend bereinigt werden können, wurden einige Werte der 25jährigen Zeitreihe verdoppelt. Diese wurden durch eine Zufallsziehung (ohne Zurücklegen gezogener Werte) ermittelt. Erst nachdem zwei weitere Jahre hinzugefügt und eine 27-jährige Zeitreihe gebildet wurde, konnte ein signifikanter Unterschied zwischen der Zeitreihe ohne MThw-Anstieg und der Zeitreihe, bei der ein MThw-Anstieg von 3 cm addiert wurde, festgestellt werden.

Die statistische Nachweisbarkeit von Unterschieden zweier Stichproben (MThw im Ist-Zustand und MThw nach einem Anstieg von 3 cm) wird beeinflusst von der Varianz innerhalb einer Stichprobe (MThw-Schwankungen) der Effektgröße (Anstieg 3 cm) und der Datenmenge (Länge der Zeitreihe).

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1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010 2015 2020

[cm NN]

Entwicklung des mittleren Tidehochwassers am Pegel Glückstadt während der Brutzeit

MThw*(01.04.-31.07.)

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Der Effekt eines MThw-Anstieges von 3 cm ist im Verhältnis zu den Schwankungen des MThw im Ist-Zustand derart gering, dass ein Nachweis in diesem Gedankenbeispiel erst nach 27 Jahren gelingen würde. Selbst dieser Nachweis wäre in der Praxis schwer zu erbringen. Denn in einem derart langen Zeitintervall sind Faktoren zu erwarten, die das MThw teils deutlich beeinflussen würden, z.B. beson-ders abflussarme oder reiche Jahre, Hochwasserereignisse im Binnenland etc.. Tatsächlich – in der Praxis – ist davon auszugehen, dass auch nach 27 Jahren ein Anstieg des MThw von 3 cm nicht kau-sal auf die Fahrrinnenanpassung bezogen werden könnte. Zu beachten ist zudem, dass ein auf 3 cm (aufgerundeter) MThw-Anstieg tatsächlich nur in einem kleinen Teil des UG zu erwarten ist (Unterlage H.1a, Seite 69ff.): Abbildung 2 in Anlage 2 zu Unterlage H.1a zeigt, dass der tatsächlich prognostizier-te Anstieg von maximal 2,5 cm nur von Elbe-km 655 - 640 zu erwarprognostizier-ten ist.

Dementsprechend konnte auch nach der Fahrrinnenanpassung 1998/1999, obwohl vorher prognosti-ziert, kein genereller Anstieg des MThw in der Tideelbe nachgewiesen werden (WSV & HPA, 2012, Seite 20, Abb. III.1.2-5). Das Verfahren zur Bewertung der Tidescheitelwasserstände war dabei ein anderes als im obigen Gedankenbeispiel dargestellt. Es wurde das sog. Niemeyer-Verfahren genutzt, welches nicht nur die Schwankungen vor Ort berücksichtigt, sondern diese auch im Zusammenhang mit dem Oberwasserabfluss und Wasserstandsschwankungen an einem Referenzpegel (hier: Helgo-land) betrachtet. Dabei wurden die Tidescheitelwasserstände einer fünfjährigen Zeitreihe nach der Fahrrinnenanpassung (2006 - 2010) mit den Tidescheitelwasserständen einer dreijährigen Zeitreihe vor der Fahrrinnenanpassung (Oktober 1996 bis November 1999) verglichen. Danach waren die Tide-scheitelwasserstände nur in wenigen Flussabschnitten geringfügig gestiegen, in den meisten jedoch gefallen. Dies bedeutet, dass der prognostizierte Anstieg entweder nicht stattgefunden hat oder der stattgefundene Anstieg nicht nachweisbar war, weil der Effekt nicht von der natürlichen Variabilität separiert werden konnte.

6.3.2 Auswertung hydrologischer Daten