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6.3 Ermittlung von Überflutungswahrscheinlichkeiten während der Brutzeit

6.3.2 Auswertung hydrologischer Daten

Um die im negativen Wirkbereich erhöhte Überflutungswahrscheinlichkeit der Gelege relevanter Brut-vogelarten im Ist-Zustand und in der Auswirkungsprognose ermitteln zu können, sind die Wirkungs-weisen erhöhter Wasserstände auf Brutvögel zu betrachten. Ein Bodenbrüter kann sich nur dann er-folgreich vermehren, wenn die gesamte Zeit der Eiablage bis zum Schlupf überflutungsfrei bleibt und auch die Jungvögel nicht ertrinken oder infolge einer Überflutung unterkühlen. Es wird nachfolgend davon ausgegangen, dass es keinen Bruterfolg gibt, wenn ein Neststandort mit Eiern oder jungen Küken überflutet wird. Weitere Hochwasserereignisse folgender Tiden sind nicht relevant, da das Nest zu dem Zeitpunkt bereits zerstört ist.

Somit stellt sich die Frage, ob eine Geländehöhe bzw. ein Brutplatz überflutet wird. Die Zeitdauer der Überflutung spielt hier keine Rolle.

In der Unterlage K27 (Cimiotti et al. 2014, Kapitel 2.3.2, Seite 24 f.) wird zunächst die Überflutungs-häufigkeit je Tide aus den ausgewählten Daten (der Stichprobe) ermittelt und von dieser dann auf Grundlage der Binomialverteilung auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten für längere Zeiträume ge-schlossen. Dieses Vorgehen setzt implizit voraus, dass es sich bei den Daten (Stichprobe) um statis-tisch unabhängige Größen handelt und ist für solche Daten auch prinzipiell korrekt. Für die Anwen-dung des Verfahrens zur Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten von Tidehochwasserständen müssten aufeinanderfolgende Tidehochwasserstände, wie beispielsweise aufeinanderfolgende Wür-felversuche, voneinander unabhängig sein, d.h. nicht korrelieren. Dies ist für aufeinanderfolgende Tidehochwasserstände in der Elbe nicht gegeben: aufeinanderfolgende Tidehochwasserstände

korre-lieren mit einem Korrelationskoeffizienten nahe r=0,8. Der tatsächlich eintretende Wasserstand resul-tiert aus der astronomischen Tide in Kombination mit dem von der Wetterlage abhängigen Windstau.

Dauert beispielsweise eine Nordwestwind-Wetterlage über mehrere Tage an, bedeutet dies, dass der Windstau über mehrere Tiden andauert und somit die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass nach einem erhöhten Tidehochwasser ein weiteres erhöhtes Tidehochwasser folgt. Hieraus resultiert die Korrelati-on aufeinanderfolgender Tidehochwasserstände.

Zudem wird in der Unterlage K27 (Cimiotti et al. 2014, Kapitel 2.3.2, Seite 24 f.) die Wahrscheinlichkeit des Gelegeverlusts auf Grundlage der Eintrittswahrscheinlichkeit von erhöhten Tidehochwasserstän-den im gesamten Brutzeitraum ermittelt. Dies ist im statistischen Sinn korrekt, spielt aber für die Be-wertung des Bruterfolgs keine Rolle. Denn nachdem ein Gelege durch ein erstes Hochwasser zerstört wurde, wird ein zweites oder drittes Hochwasser der gleichen Höhenstufe (d.h. solange das Hoch-wasser nicht höher aufläuft als das erste HochHoch-wasser und somit weitere Gelege zerstört werden) im gleichen Brutzeitraum keine weiteren Verluste verursachen. Weitergehende Erläuterungen zu den statistischen Auswertungen der Überflutungshäufigkeiten in Brutzeiträumen können dem Kapitel 9.3 im Anhang entnommen werden.

Bei der Untersuchung von der Überflutungswahrscheinlichkeit in Bezug auf Brutvögel sind drei Fragen relevant:

1. Zu welcher Jahreszeit ist eine Vogelart überflutungsgefährdet?

2. Wie lange (wie viele Tage) besteht die Hochwassergefährdung?

3. Auf welchen Höhenstufen brütet die betreffende Vogelart?

Der Einfluss der Jahreszeit wird in Abbildung 6-10 und Abbildung 6-11 erläutert, indem die Monate Mai und Juli dargestellt werden. Der Einfluss der Dauer der Hochwassergefährdung wird in Abbil-dung 6-12 und AbbilAbbil-dung 6-13 gezeigt, indem zuerst eine monatliche Zeitspanne analysiert wird, da-nach eine 14-tägige Zeitspanne.

Jahreszeit und Dauer der Hochwassergefährdung

Für die beispielhafte Darstellung wird der Flussabschnitt Stadersand gewählt. Dort wird ein MThw-Anstieg von aufgerundet 3 cm prognostiziert (tatsächlich prognostiziert sind dort 2,2 - 2,5 cm, s. Kapi-tel KapiKapi-tel 4.1, Exkurs). Die Unterschiede zwischen dem Ist-Zustand und der Prognose sind hier somit deutlicher zu erkennen als beispielsweise im Flussabschnitt Glückstadt mit einem prognostizierten MThw-Anstieg von aufgerundet 1 cm. Die Vorgehensweise ist für alle Flussabschnitte bzw. Pegel identisch. Im Exkurs Datenanalyse wurde vorangehend dargestellt, wie die Häufigkeitsverteilung von erhöhten Wasserständen bezüglich des jetzigen MThw-Niveaus (10-jähriges Mittel zwischen 2004 und 2013) ermittelt wurde. Die blauen Punkte in Abbildung 6-10 bis Abbildung 6-13 stellen die ermittelten Überflutungshäufigkeiten dar, basierend auf der Analyse der Hochwasserstände der letzten 63 Jahre.

Umgerechnet als prozentualer Wert ergeben sie die Überflutungswahrscheinlichkeit im Ist-Zustand.

Der Verlauf der gedachten Linie zwischen den blauen Punkten beinhaltet Stufen. Um eine gleichför-mige Verteilung zu ermitteln, wurde anhand der Messwerte eine Ausgleichsfunktion (sogenannte Fit-ting-Funktion) gebildet, mit der die Überflutungswahrscheinlichkeit im Ist-Zustand beschrieben wird (durchgezogene Linie). Durch Addition von 3 cm (aufgerundeter vorhabensbedingter MThw-Anstieg) zu den Tidescheitelwasserständen im Ist-Zustand (blaue Punkte in der Abbildung) ergibt sich die Prognose (rote Punkte). Die Fitting-Funktion für die Prognose (gestrichelte Linie) ist verschoben ge-genüber der Fitting-Funktion des Ist-Zustandes.

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Für jede Vogelart wurde ein artspezifischer Zeitraum gewählt, in dem eine Gefährdung der Brut durch Hochwasser möglich ist. Für jeden dieser Zeiträume ist eine separate Analyse der Hochwasserereig-nisse durchzuführen. Zeiträume können nicht einfach kombiniert werden, um eine Überflutungswahr-scheinlichkeit für weitere Zeiträume zu ermitteln. Das heißt: Hat man beispielsweise eine Überflu-tungswahrscheinlichkeit in der ersten Maihälfte und der zweiten Maihälfte unabhängig ermittelt, kann man nicht konkret vorhersagen, wie hoch die Überflutungswahrscheinlichkeit im gesamten Mai ist. Es liegen keine Kenntnisse darüber vor, ob die zugrunde liegenden erhöhten Tidewasserstände in den Maihälften in unterschiedlichen Jahren lagen und somit addiert werden müssten oder ob sie im selben Jahr stattfanden und somit eine rechnerische Addition unzulässig wäre, da ein einmaliges Ereignis bereits entscheidend ist.

Im Mai wurde am Pegel Stadersand ein Pegelstand von 250 cm ü. NHN in 24 von 63 Jahren (38 % der Jahre) erreicht (Abbildung 6-10). Im Juli wurde dieser Pegelstand in 31 von 63 Jahren (49 % der Jahre) erreicht (Abbildung 6-11). Dies illustriert die jahreszeitlichen Unterschiede der Überflutungs-wahrscheinlichkeit in der Brutzeit und bestätigt, dass der Brutzeitpunkt artspezifisch berücksichtigt werden muss.

Abbildung 6-10: Überschreitungshäufigkeiten eines Pegelstandes im Ist-Zustand und nach einer prognostizierten MThw-Erhöhung von aufgerundet 3 cm im Mai (ba-sierend auf der Analyse einer 63-jährigen Zeitreihe) am Pegel Stadersand Erläuterung: Kote: Höhenstufe, bei der hier die Überflutungshäufigkeit betrachtet wird

Abbildung 6-11: Überschreitungshäufigkeiten eines Pegelstandes im Ist-Zustand und nach einer prognostizierten MThw-Erhöhung von aufgerundet 3 cm im Juli (ba-sierend auf der Analyse einer 63-jährigen Zeitreihe) am Pegel Stadersand Erläuterung: Kote: Höhenstufe, bei der hier die Überflutungshäufigkeit betrachtet wird

Neben der Frage des Zeitpunkts ist die Zeitdauer der Hochwassergefährdung ausschlaggebend. Be-trachtet man die gesamte Brutzeit vom 01.04. bis 31.07., so kommt es auf einer Geländehöhe von 230 cm ü. NHN bei Stadersand in jedem Jahr zu mindestens einer Überflutung (Abbildung 6-12). Der Bereich mit 100%iger Überflutungswahrscheinlichkeit umfasst Höhenlagen bis 239 cm ü. NHN. Wer-den nur die ersten beiWer-den Wochen im Mai betrachtet, so liegt die Überflutungswahrscheinlichkeit auf derselben Geländehöhe bei rund 30 % (Abbildung 6-13). Die Überflutungswahrscheinlichkeit sinkt also, wenn ein kleinerer Zeitraum betrachtet wird. Vogelarten, die eine längere Phase der Hochwas-sergefährdung haben, sind somit stärker gefährdet.

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Abbildung 6-12: Überschreitungshäufigkeiten eines Pegelstandes im Ist-Zustand und nach einer prognostizierten MThw-Erhöhung von aufgerundet 3 cm während der gesamten Brutzeit (Mai bis Juli, basierend auf der Analyse einer 63-jährigen Zeitreihe) am Pegel Stadersand

Erläuterung: Kote: Höhenstufe, bei der hier die Überflutungshäufigkeit betrachtet wird

Abbildung 6-13: Überschreitungshäufigkeiten eines Pegelstandes im Ist-Zustand und nach einer prognostizierten MThw-Erhöhung von aufgerundet 3 cm während der ersten Maihälfte (basierend auf der Analyse einer 63-jährigen Zeitreihe) am Pegel Stadersand

Erläuterung: Kote: Höhenstufe, bei der hier die Überflutungshäufigkeit betrachtet wird

Höhenstufen

Im Folgenden wird die Überflutungswahrscheinlichkeit höhenspezifisch betrachtet. Die Überflutungs-wahrscheinlichkeit der zu 100 % vorbelasteten Bereiche ist im Ist-Zustand und in der Prognose =1.

Daher beschränkt sich die weitere Ermittlung einer vorhabensbedingt veränderten Überflutungswahr-scheinlichkeit auf die graduell vorbelasteten Flächen unter 350 cm ü. NHN.

Bereiche über dieser Höhenlage werden nur noch von hoch auflaufenden Sturmfluten erreicht. Der maximale vorhabensbedingte Anstieg der Sturmflutscheitelwasserstände wird mit <1 cm prognostiziert (BAW, 2007, Unterlage H.1 b, Seite 40, Bild 25) und ist daher nicht bewertungsrelevant. Sturmfluten mit einem Scheitelwasserstand > NHN +350 cm sind generell und besonders in der Brutzeit seltene Ereignisse. Zudem sind die Änderungen der Sturmflutscheitelwasserstände geringer als die Änderun-gen der mittleren Tidescheitelwasserstände. Erhöhte Scheitelwasserstände treten (abhängig von dem gewählten Sturmflutszenario) etwa von Elbe-km 630 bis 670 auf.

Es werden Höhenstufen gebildet, für welche die mittlere Überflutungswahrscheinlichkeit im Ist-Zustand und für die Prognose ermittelt werden. Die betrachteten Höhenstufen sind für tiefer liegende Bereiche feiner gewählt. Dies erfolgte, um die häufiger überfluteten Bereiche detailgenauer abbilden zu können. Darüber hinaus wurde darauf geachtet, dass die für Bodenbrüter geeigneten Lebensräu-me Röhrichte und Grünländer (Tabelle 6-7, Seite 40) sich in geeigneter Weise in den Höhenstufen wiederfinden. Die ermittelte Einteilung wurde dann flussabschnittsdifferenziert verändert. Die Höhen-stufen sind in Tabelle 6-9 dargestellt. Die Vorbelastung wurde mit einer Genauigkeit von 5 cm be-stimmt. Die Intervallgrenzen der Höhenstufen werden in 10 cm-Schritten angegeben. Da die Unter-grenze der ersten Höhenstufe von dem Kriterium der 100%igen Vorbelastung stammt, kann die erste Höhenstufe 10 oder 15 cm groß sein, um dann einen glatten Dezimalschritt zu erreichen.

Tabelle 6-9: Betrachtete Höhenstufen zur Überflutungswahrscheinlichkeit

Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße [cm] Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße [cm]

175-190 15 185-200 15

190-210 20 200-220 20

210-240 30 220-250 30

240-280 40 250-290 40

280-350 70 290-350 60

Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße [cm] Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße [cm]

180-190 10 190-200 10

190-210 20 200-220 20

210-240 30 220-250 30

240-280 40 250-290 40

280-350 70 290-350 60

Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße [cm] Geländehöhe [cm ü. NHN] Intervallgröße

180-190 10 200-210 10

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6.3.3 Einfluss von vorhabensunabhängigem MThw-Anstieg, Nodaltide und