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2. Kultur – Zeit – Führung

2.3 Führung: Der unsichtbare Vertrag

2.3.2 Motiviert oder manipuliert? Der bewegte Mensch

Über Motivation lässt sich streiten. Ihre Existenz scheint zwar unzweifelhaft, ihre genauere Betrachtung jedoch weitaus schwieriger. Dementsprechend weit ist das Feld der Motivations-forschung. Ihren Horizont abzuschreiten würde diesen Rahmen sprengen.121 Dennoch seien hier einige wesentliche Charakterzüge von Motivation betrachtet, die eben der Motivation und den inneren Werten von MENTOR.I entsprechen.

120 Interessant wäre hier eine Untersuchung zum Zusammenhang von Talent und der gleichnamigen Währung.

121 An dieser Stelle ließe sich ein eigenes Buch nur in Fußnoten formulieren. Dies würde im Übrigen der intrinsischen Motivation von Fußnoten entsprechen, deren Sinn es ja im Allgemeinen ist, den Ring der Wissenschaft zu küssen oder Gelehrsamkeit zu fingieren ...

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MENTOR I

Grundsätzlich ließe sich sagen: Es stellt sich weniger die Frage, ob der Mensch motiviert ist, sondern eher, wie er motiviert ist.122 In der neueren Literatur wird gemeinhin davon ausge-gangen, dass Motivation die Quelle jeglichen menschlichen Handelns darstellt und damit jeder Mensch per se motiviert ist: „Die Motivation jedes Einzelnen ist die natürliche Ordnung der Dinge.“123

Als einer der bekanntesten Autoren zu diesem Thema gilt Reinhard Sprenger, der zwi-schen Motivation und Motivierung differenziert:124 Jeder Mensch ist grundsätzlich motiviert, von Motivation erfüllt. Der Versuch, ihn aktiv von außen zu motivieren – eben dies ist bei Sprenger Motivierung – muss jedoch fehlschlagen, da sich dieser Drang auf einem zutiefst misstrauischen Menschenbild gründet. Daraus schließt Sprenger: „Alle Motivierung zerstört die Motivation.“125

Motivation wird also als Ursprung menschlichen Handelns begriffen, die jedoch verschiede-nen Quellen entspringen kann. Im Allgemeiverschiede-nen unterscheidet man grundsätzlich zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation.126 Ihre Abgrenzung ist klar: Intrinsische Moti-vation bedeutet „von innen heraus“, lässt eine Tätigkeit um ihrer selbst willen geschehen, entsteht aus einer Identifikation mit einer Handlung, einem Ziel, einer Vision. Extrinsisch

122 Vgl. Niermeyer, Motivation, S. 11; Kogel, Motivationsmanagement, S. 11–17; Sprenger, Motivation, S. 24.

123 Sprenger, Motivation, S. 189.

124 Vgl. Sprenger, Motivation, S. 21–23. Zur kritischen Betrachtung von Sprenger siehe Kogel, Motivationsmanagement, S. 102–105.

125 Sprenger, Motivation, S. 73.

126 Diese grundsätzliche Unterscheidung wird in der Literatur wiederum unterschiedlich differenziert: Barbuto und Scholl etwa fassen „Fünf Quellen der Motivation“, darüber hinaus gibt es die sogenannten „Drei Großen“ Motive (“Big Three”) von David McClelland, der ein Macht-, ein Zugehörigkeits- und Leistungsmotiv ausmacht. All diese Aufspal-tungen entstammen jedoch im Wesentlichen einer weiteren Ausdifferenzierung von intrinsischen und extrinsischen Motivationen. Vgl. hierzu Kogel, Motivationsmanagement, S. 43–57.

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wiederum verlangt immer eine von außen zugeführte Belohnung, da sie sich nicht aus der Sache heraus ableitet, sondern eine Leistung erbracht wird, um etwas zu erreichen. Gerade dieses „um ... zu“ bildet das wesentliche Unterscheidungsmerkmal zwischen intrinsischen und extrinsischen Motiven.

Wie verhalten sich nun intrinsische und extrinsische Motivation zueinander? Was passiert, wenn man sie gegeneinander in den Ring schickt? Lassen sie sich gegeneinander ausspielen?

Oder vermögen sie sich auch gegenseitig zu steigern? Die Antworten sind vielfältig. Einigkeit herrscht nur in dieser Ansicht: Intrinsische Motivation lässt sich nicht durch extrinsische erzwingen, oder sanfter: generieren.127

Die Beschreibung und Betrachtung der extrinsischen und intrinsischen Motivation ist in ökonomischen wie auch sozialwissenschaftlichen Bereichen gern gesehen. Schließlich ver-spricht sie den Schlüssel zum Erfolg, denn erst die Erweckung intrinsischer Motivation bei den Mitarbeitern erschließt ja deren inneres Kapital.

Hier liegt auch der Grund für den Erfolg von Maslows Bedürfnispyramide: Denn natürlich lässt sich das Modell sehr schön, da direkt und plakativ, von Führungskräften anwenden.

Das Modell forciert ja geradezu die immer wieder gern gestellte Frage: Wie kann man seine Mitarbeiter motivieren? Wie kann man sie gar zur höchsten Stufe bringen, zu der Ebene ge-leiten, die Selbstverwirklichung, Kreativität und damit die wichtigste Ressource verspricht?

Nur zu offensichtlich liegt in der Spitze der Bedürfnispyramide auch für den Arbeitgeber das größte Potenzial, und die Vorstellung, seine Mitarbeiter auf dem Weg dorthin zu führen und zu unterstützen, verspricht ihm letztendlich nicht nur den Gewinn zufriedener Mitarbeiter, sondern zusätzlich auch noch deren Kreativität. Die dahinterliegende Auffassung ist

eindeu-127 Mit Sprenger etwas rigoros: „Belohnung zerstört Kreativität.“ Sprenger, Motivation, S. 124. Ob und wie sich intrin-sische Motivation durch extrinintrin-sische intensivieren lässt, sei dahingestellt und kann an dieser Stelle nicht diskutiert werden.

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tig und einfach: Wer in seinem Job nur eine Möglichkeit sieht, seine Grundbedürfnisse zu be-friedigen, ist nicht so engagiert wie derjenige, der sich in seiner Arbeit, seinen Werken selbst verwirklicht – das lehrt die alltägliche Erfahrung.

Die Illusion liegt jedoch im Allgemeinen darin, diese höchste Stufe der Motivation gleich-sam von außen initiieren, forcieren oder gar erzwingen zu können: Kreativität lässt sich nicht kaufen. Und Selbstverwirklichung nicht von außen erzwingen.

An eben dieser Stelle liegt die Herausforderung für eine zeitgemäße Führung. Die Frage, die sie sich stellen muss, lautet: Wenn das Vermögen der Menschen in inneren Werten gesucht und gefunden wird, wie können die Instrumente aussehen, mit denen sich dieses Vermögen bergen lässt? Denn eines scheint klar: Von außen erzwingen, aufbrechen, wie eine Ressource abgraben oder anzapfen lassen sich die inneren menschlichen Werte nicht. Denn eben diese Herangehensweise würde dem Wesen innerer Werte widersprechen: Schließlich „gehören“

sie dem einzelnen Menschen insofern, als dass sie ihn gerade in seiner Individualität prägen und bestimmen. Und damit hängt es natürlicherweise von dem jeweiligen Menschen ab, ob er seine Werte, sein Kapital, sein Vermögen zur Verfügung stellt – es liegt in seiner Macht, unterliegt allein seiner Entscheidung.

Genau hier scheint der Paradigmenwechsel begründet zu sein, dem sich eine zeitgemäße Führung stellen muss: Ihre Ausgangsposition ist nicht länger die der Einforderung von außen – die Kuh lässt sich nicht länger melken! –, sondern sie hat als Aufgabe, Rahmenbedingungen zu stellen, ein Feld zu bereiten, um den freien Fluss inneren Wissens zu ermöglichen.

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