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2 Mergers & Acquisitions

2.3 Motive von M&A-Transaktionen

Europa zu beobachten.76 Es wird erwartet, dass in den kommenden Jahren insbesondere die Technologiebranche sowie die Branche ‚Healthcare/Life Sciences‘ an Bedeutung am M&A-Markt gewinnen werden.77 Schlussendlich spielt auch die Globalisierung weiterhin eine tra-gende Rolle,78 dahingehend als dass Unternehmen in Emerging Markets (zB Südostasien oder der äußerste Südosten Europas) aufgrund des höheren Wachstumspotentials interessante Zielobjekte darstellen,79 andererseits aber auch Unternehmen aus Emerging Markets (zB BRIC) in steigendem Ausmaß als akquirierende Unternehmen am M&A-Markt auftreten.80

Werden Mergers & Acquisitions durchgeführt, weil das akquirierende Unternehmen davon ausgeht, dass dadurch ein größerer Unternehmenserfolg (im Sinne einer Unternehmenswert-steigerung) möglich ist, so spricht man von realen Motiven84.85 Am häufigsten werden dabei aus M&A-Transaktionen resultierende Kosteneffekte diskutiert, insbesondere eine sich aus Economies of Scale86 und Scope87 ergebende verbesserte Kostenstruktur größerer Unterneh-men.88 Durch die steigende Unternehmensgröße können auch Economies of Learning/Expe-rience eintreten, dh. es kann zu Kosteneinsparungen aufgrund einer effizienteren Arbeitsweise oder zu Qualitätssteigerungen aufgrund der erhöhten Wissens- und Erfahrungsakkumulation kommen.89 Eine Kostenreduktion kann aber auch dahingehend stattfinden, dass sich ein auf-grund eines M&A-Deals nun größeres (möglicherweise auch diversifizierteres) Unternehmen zu günstigeren Konditionen Kapital beschaffen kann.90

Mergers & Acquisitions können aber auch dazu dienen, dass das Unternehmen seine Markt-macht91 beibehält oder/und ausbaut.92 Anschließend kann diese Macht eingesetzt werden, um für Güter/Dienstleistungen Preise zu verlangen, welche höher sind als sie auf einem Wettbe-werbsmarkt wären93 oder die Kostenstruktur zu verbessern indem bei Lieferanten Preise ver-langt werden, welche geringer sind als sie in einem Wettbewerbsmarkt wären.94 Diese Macht kann aber auch anderweitig eingesetzt werden, bspw. zur Schaffung von (Markt)Standards95

84 Ravenscraft/Scherer, 1987, 3 spricht im Zusammenhang mit realen Motiven auch vom Begriff ‚Synergien‘.

85 Vgl. Bühner, 1990, 6; Hughes/Mueller/Singh, 1980, 29; Jansen, 2004, 84.

86 Economies of Scale, auch Skalenerträge genannt, bezeichnen Kostenvorteile (in Bezug auf Stückkosten) aufgrund steigender Produktionsmengen, bspw. aufgrund einer Fixkostendegression oder durch eine bes-sere Arbeitsteilung/Spezialisierung (vgl. Gabler, 2013, 108; Yablonsky, 2016, 46; Jansen, 2016, 194; Oehl-rich, 2016, 17 ff.; Pindyck/Rubinfeld, 2018, 263 ff.; Besanko et al., 2017, 55 ff.).

87 Economies of Scope, auch Verbundvorteile genannt, sind Kostenvorteile welche entstehen können, wenn ein Unternehmen mehrere verschiedene Produkte bzw. Dienstleistungen gemeinsam produziert, bspw. in-dem Werkshallen/Abteilungen/Inputfaktoren gemeinsam genützt werden oder inin-dem Cross-Selling Potenti-ale gehoben werden (vgl. Yablonsky, 2016, 46; Jansen, 2016, 174; Pindyck/Rubinfeld, 2018, 267 ff.; Seth, 1990, 102 ff.; Besanko et al., 2017, 57).

88 Vgl. DePamphilis, 2018, 8; Jansen, 2016, 173 f.; Copeland/Weston/Shastri, 2008, 954 ff.; Seth, 1990, 101 ff.; Hughes/Mueller/Singh, 1980, 29.

89 Vgl. Besanko et al., 2017, 74; Ray, 2010, 337.

90 Vgl. DePamphilis, 2018, 11.

91 Gabler, 2013, 293 definiert Marktmacht als „die Fähigkeit eines Marktteilnehmers, innerhalb einer Marktbe-ziehung seine Interessen gegenüber Teilnehmern der gleichen Marktseite oder der Marktgegenseite auch gegen deren Widerstreben durchzusetzen.“

92 Vgl. Bühner, 1990, 7; Trautwein, 1990, 285 f.; DePamphilis, 2018, 9; Jansen, 2016, 171 f.; Wirtz, 2017, 64;

Fraunhoffer/Freytag/Schiereck, 2013, 29 ff.; Ahammad et al., 2017, 18 f.; Hughes/Mueller/Singh, 1980, 29;

Jansen, 2004, 85 ff.; Haleblian et al., 2009, 472.

Trautwein, 1990, 285 spricht in diesem Zusammenhang von der Monopol-Theorie, nachdem Unternehmen versuchen durch den Ausbau von Marktmacht einen Monopolmarkt zu erreichen. Eine Diskussion der Er-gebnisse empirischer Studien zur Gültigkeit dieses Motives findet sich bei Haleblian et al., 2009, 472 f.

93 Vgl. Pindyck/Rubinfeld, 2018, 369.

94 Vgl. Güida, 2009, 121 f.; Pindyck/Rubinfeld, 2018, 369 f.

95 Vgl. Jansen, 2016, 301.

oder zum Aufbau von Markteintrittsbarrieren gegenüber potentiellen MitbewerberInnen.96 Viele Staaten versuchen allerdings eine zu hohe Marktkonzentration einzelner MarktteilnehmerIn-nen in Form einer Zusammenschluss- bzw. Fusionskontrolle zu verhindern und so eiMarktteilnehmerIn-nen funk-tionierenden Wettbewerb zu gewährleisten.97

Mergers & Acquisitions können auch als Mechanismus des Marktes zum Ersetzen eines inef-fizienten Managements im Zielunternehmen betrachtet werden. Demnach werden schlecht geführte Unternehmen übernommen (und das Management ausgetauscht), weil das akquirie-rende Unternehmen das Zielunternehmen besser führen kann.98

Eine andere Intention von M&A-Transaktionen könnte ein verbesserter Zugang zu (neuen) Technologien oder Ressourcen (zB Rohstoffen, MitarbeiterInnen, etc.) im Zielunternehmen oder Zielland sein um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und ggf. Zeitvorteile gegenüber den MitbewerberInnen zu erreichen.99

Eng damit verbunden ist auch das Motiv, Mergers & Acquisitions als Möglichkeit eines Unter-nehmens zu verstehen in neue Märkte oder in neue Produkte/Dienstleistungen einzusteigen und damit auch das innerbetriebliche Risiko zu diversifizieren. Diese Diversifizierung kann ei-nerseits zu der bereits thematisierten Kostenreduktion (Economies of Scale/Scope/Learning) führen, könnte aber auch Wachstumspotentiale bieten, welche höher sind als in bestehenden Märkten oder Produkten.100 Manchmal ist es so auch möglich, einen First-Mover-Advantage101 zu erlangen102 und so langfristig einen Marktanteil zu erlangen, welcher über jenem der Mitbe-werberInnen liegt.103

96 Vgl. Trautwein, 1990, 286; Bühner, 1990, 8.

97 Vgl. Kapp, 2018, 149 ff.; Guserl/Pernsteiner, 2015, 590. Neben nationalen rechtlichen Regelungen ist hier in der Europäischen Union insbesondere die Fusionskontrollverordnung (FKVO) zu nennen, weiterführend siehe bspw. Frenz, 2015, 1003 ff.

98 Vgl. Vazirani, 2015, 6 bzw. die Überlegungen von Jensen/Ruback, 1983, 5 ff.

99 Vgl. Dheini, 2015, 22; Vyas/Narayanan, 2017, 92; Lee, 2017, 20 ff.; Anwar/Mughal, 2015, 2382 ff.; Ahammad et al., 2017, 19 ff.

100 Vgl. DePamphilis, 2018, 12 ff.; Wirtz, 2017, 68 f.; Müller-Stewens, 2016a, 13; Ahammad et al., 2017, 21.

In diesem Zusammenhang muss auf die Portfolio-Theorie hingewiesen werden, demnach eine Diversifika-tion (hier in Produkte/Märkte mit einem unterschiedlichen Risiko) mit einer RisikoredukDiversifika-tion für das Gesamt-unternehmen einhergeht (vgl. Jansen, 2016, 178 ff.; Markowitz, 1952, 77 ff.). Die Risikodiversifikation im Zusammenhang mit dem Risiko der Insolvenz eines Unternehmens wird in der Literatur auch unter dem Begriff ‚Coinsurance-Effekt‘ diskutiert, weil die unterschiedlichen Zahlungsströme von KäuferInnen und Ziel-unternehmen nicht vollständig miteinander korrelieren und somit Risiko diversifiziert werden kann (vgl. Seth, 1990, 104 f.).

101 Damit werden Vorteile beschrieben, welche ein Unternehmen erzielen kann, wenn es das erste am Markt ist (zB Kundenpotential können genutzt werden; vgl. Folsom/Boulware, 2004, 199). Weiterführend vgl. zB Lieberman/Montgomery, 1988, 41 ff.; VanderWerf/Mahon, 1997, 1510 ff.

102 Vgl. Ahern/Weston, 2007, 6 f.

103 Für eine diesbezügliche Diskussion siehe Dorenkamp, 2010, 93.

Ein weiteres Motiv zum Erwerb eines Unternehmens ist die Möglichkeit, durch den Kauf die Steuerlast zu reduzieren. Beispiele dafür sind die Übernahme nicht ausgenützter Verlustvor-träge der Zielgesellschaft, eine Reduzierung der Gewinnsteuer, wenn die Transaktion mit zu-sätzlichem Fremdkapital finanziert wird oder indem (bei Cross-Border-Transaktionen) die un-terschiedlichen Steuerregeln verschiedener Länder effizient genutzt werden.104

Zu den realen Motiven kann auch ein verbesserter Zugang zu Eigen- und Fremdkapital gezählt werden, bspw. durch neue InvestorInnen bzw. durch das Überschreiten kritischer Größengren-zen, welche den Zugang zum Kapitalmarkt sowie die Verwendung spezifischer Kapitalmarktin-strumente erleichtern.105 Gleichzeitig wird durch den Firmenverbund auch ein interner Kapital-markt aufgebaut, welcher aufgrund der Möglichkeit liquide Mittel innerhalb der Unternehmens-gruppe zu transferieren eine höhere finanzielle Flexibilität zur Folge hat.106

Schließlich ist es möglich, dass Mergers & Acquisitions durchgeführt werden um das Bilanzbild zu verbessern, bspw. indem durch eine Transaktion zu hohe Cashbestände reduziert wer-den.107

Spekulative Motive beschreiben Beweggründe, bei denen das akquirierende Unternehmen M&A-Transaktionen aus spekulativen Gründen initiiert, dh. wenn es glaubt, dass der Wert des (alleinstehenden) Zielunternehmens größer ist als dessen Marktpreis.108 Die Raider-Theorie geht dabei davon aus, dass es InvestorInnen (sogenannte ‚Raider‘)109 gibt, welche M&A-Transaktionen durchführen um gezielt persönlichen Profit auf Kosten der EigentümerInnen des Zielunternehmens zu schlagen. Dies gelingt beispielsweise, indem ein Raider einen gro-ßen Anteil an einem Unternehmen erwirbt und sodann mit einer feindlichen Übernahme110 droht. Anschließend bietet der Raider der Unternehmensführung an, dass das Zielunterneh-men selbst die Anteile des Raiders (zu deutlich über dem Marktpreis liegenden Preisen) zurück

104 Vgl. Hayn, 1989, 121 ff.; Auerbach/Reishus, 1987, 69 ff.; Jansen, 2016, 176; DePamphilis, 2018, 15; Cope-land/Weston/Shastri, 2008, 962; Jansen, 2004, 90 f.; Gaughan, 2015, 180 f.

105 Vgl. Wirtz, 2017, 70.

106 Vgl. Mathews/Robinson, 2008, 2704.

107 Vgl. Wirtz, 2017, 73 f.

108 Vgl. Bühner, 1990, 16; Hughes/Mueller/Singh, 1980, 31; Jansen, 2004, 95.

109 Trautwein, 1990, 289 spricht von einem ‚Raider‘, was nach der Definition von Holderness/Sheehan, 1985, 556 InvestorInnen entspricht, „who reduce the wealth of their fellow stockholders.”

110 Eine Übernahme bezeichnet in diesem Zusammenhang eine M&A-Transaktion, bei der auch wirklich eine Kontrolle über das Unternehmen erlangt wird und unternehmerische Entscheidungen in Folge durchgesetzt werden können (vgl. Guserl/Pernsteiner, 2015, 568).

erwerben kann, was schließlich auf Kosten der anderen EigentümerInnen passiert.111 Der Rai-der hat damit eine rein spekulative Motivation und kein langfristiges Interesse an einer strate-gischen Beteiligung am Zielunternehmen.112

Die Bewertungstheorie (valuation theory) basiert auf der Annahme, dass das akquirierende Unternehmen (bzw. dessen Management) spezifische/einzigartige (‚unique‘) Informationen über das Zielunternehmen hat, welche der Kapitalmarkt nicht besitzt. Diese Informationsas-ymmetrien113 führen dazu, dass der/die KäuferIn eine M&A-Transaktion initiiert, weil das Ziel-unternehmen aus seiner Sicht unterbewertet ist.114 Welche Informationen zu dieser Unterbe-wertung aus Sicht des akquirierenden Unternehmens führen, wird in der BeUnterbe-wertungstheorie offen gelassen.115 Ähnlich argumentiert auch die Market-Myopie-Hypothese, in der die Unter-bewertung des Zielunternehmens aber daraus resultiert, dass der/die KäuferIn langfristig denkt und langfristige Erträge und Risiken in seine Bewertungen einfließen lässt. Der Kapitalmarkt, so die Hypothese, ist hingegen unzulänglich, weil die InvestorInnen tendenziell kurzfristig den-ken und langfristige Perspektiven vernachlässigen.116

Die Wellentheorie wiederum basiert auf den in Kapitel 2.2 thematisierten M&A-Wellen, dem-nach Mergers & Acquisitions ein zyklisches Phänomen sind und Unternehmen in Zeiten dyna-mischer M&A-Märkte auch angeregt werden selbst Unternehmen zu erwerben.117

111 Man spricht vom sogenannten ‚Greenmail‘; vgl. Lukomnik, 2016, 454.

112 Vgl. Trautwein, 1990, 289 f.; Godbole, 2013, 54.

Die Raider-Theorie hat allerdings inhaltlich-logische Mängel, siehe diesbezüglich Trautwein, 1990, 289 f.

113 Es wird dahingehend die Effizienz der Kapitalmärkte in Frage gestellt. Im Zusammenhang mit dieser Prä-misse muss der Begriff der Informationseffizienz von Kapitalmärkten kurz thematisiert werden. Einer der bedeutendsten ForscherInnen in diesem Zusammenhang ist Nobelpreisträger Eugene Fama. Märkte sind nach seinem Verständnis effizient, wenn sie in der Lage sind vorhandene Informationen ‚vollständig‘ in den Preisen zu berücksichtigen. Bei der Analyse bestehender Forschungsarbeiten kommt er zum Schluss, dass es drei Formen der Informationseffizienz gibt: eine strenge Informationseffizienz, nach der alle Informationen (auch jene von Insidern) eingepreist sind; eine halbstrenge Kapitalmarkteffizienz, bei welcher alle öffentlich verfügbaren aktuellen und vergangenen Informationen in den Kursen enthalten sind sowie eine schwache Form der Kapitalmarkteffizienz, bei welcher lediglich Informationen aus historischen Kursen enthalten sind (vgl. Fama, 1970, 383 ff.; Fama, 1991, 1575 ff. Eine ausführliche Darstellung findet sich auch bei Ross et al., 2016, 436 ff.). Die vorliegende Literatur kommt in vielfachen empirischen Studien zum Schluss, dass Kapitalmärkte industrialisierter Länder (insbesondere der US-amerikanische Markt steht dabei häufig im Fo-kus) schwach oder halbstreng informationseffizient sind, die strenge Form aber abgelehnt werden kann (vgl.

Chandra, 2008, 424; Ho/Lee, 2004, 24; Krämer, 2001, 1142).

114 Vgl. Farschtschian, 2012, 22 f.; Trautwein, 1990, 286 f.; Godbole, 2013, 53; Ravenscraft/Scherer, 1987, 3.

115 Beispiele dafür sind Informationen zu potentiellen Synergien, welche vom akquirierenden Unternehmen hö-her eingeschätzt werden als vom Markt oder Informationen, welche den/die KäuferIn erkennen lassen, dass das Zielunternehmen ein höheres Potential besitzt, wenn es sich nicht mehr im Einfluss des Verkäufers/der Verkäuferin befindet (vgl. Trautwein, 1990, 286).

116 Vgl. Jansen, 2004, 95.

117 Vgl. Müller-Stewens, 2016a, 14.

Die Economic Disturbance Theory von Gort (1969) wiederum geht davon aus, dass Mergers

& Acquisitions unter anderem dann durchgeführt werden, wenn jemand der einen Vermögens-gegenstand nicht besitzt ihn höher bewertet als derjenige, der ihn besitzt. Diese unterschied-lichen Bewertungsvorstellungen entstehen aber, im Gegensatz zur Bewertungstheorie, nicht durch Informationsasymmetrien, sondern sind das Ergebnis von „economic disturbances“, also gesamtwirtschaftlicher Störungen (zB der technologische Wandel). Diese führen zu einer grö-ßeren Unsicherheit und unterschiedlichen individuellen Erwartungen an die Zukunft eines Un-ternehmens.118

Die Market-timing-Theorie von Shleifer/Vishny (2003) nimmt an, dass Kapitalmärkte ineffizient sind,119 während die ManagerInnen rational agieren und sich die Ineffizienzen auf den Kapi-talmärkten zu Nutze machen. Mit ihrem Modell können sie erklären, dass (akquirierende) Un-ternehmen eine eigene Überbewertung (auf unUn-ternehmensindividueller Ebene oder auf Bran-chenebene) nutzen können bzw. sogar einen Anreiz haben ggf. eine Überbewertung der eige-nen Aktien zu fördern. Diese (eigeeige-nen, überbewerteten) Anteilsscheine köneige-nen anschließend als Transaktionswährung herangezogen werden, um die EigentümerInnen des (unterbewerte-ten oder zumindest weniger stark überbewerte(unterbewerte-ten) Zielunternehmens damit ‚günstig‘ zu be-zahlen.120

Schließlich gibt es noch die Management-Motive, welche auf dem Prinzipal-Agenten-Kon-flikt121 abstellen, opportunistisches Verhalten unterstellen und implizieren, dass Mergers & Ac-quisitions aufgrund persönlicher Motive und Interessen des Managements durchgeführt wer-den, auch wenn sie möglicherweise nicht im besten Sinne der EigentümerInnen des akquirie-renden Unternehmens sind.122 So ist es möglich, dass Mergers & Acquisitions realisiert wer-den, weil das Management sein ‚Reich‘ (Empire-Building-Theorie), dh. seine Macht vergrößern möchte, unabhängig davon ob diese Transaktion auch mit einer Wertsteigerung für die Aktio-närInnen einhergeht.123

118 Vgl. Gort, 1969, 624 ff.; Trautwein, 1990, 290.

119 Vgl. diesbezüglich Fußnote 113.

120 Vgl. Shleifer/Vishny, 2003, 295 ff.; Tebourbi, 2012, 87 ff. Eine empirische Bestätigung dieser Überlegungen findet sich beispielsweise in den Arbeiten von Rhodes-Kropf/Robinson/Viswanathan, 2005, 561 ff. und Dong et al., 2006, 725 ff. Für eine ausführliche Analyse der bestehenden Literatur siehe Baker/Ruback/Wurgler, 2004, 16 ff.

121 Siehe diesbezüglich im Detail Kapitel 3.2.1.1.

122 Vgl. Bühner, 1990, 19; Hughes/Mueller/Singh, 1980, 38.

123 Vgl. Trautwein, 1990, 287 f.; Godbole, 2013, 54; Jensen, 1986, 323.

Ähnlich argumentiert auch die Managerialismus-Hypothese, demnach eine steigende Unter-nehmensgröße auch eine Steigerung der Management-Vergütung mit sich bringt, was wiede-rum ein Anreiz für die Initiierung und Durchführung von Mergers & Acquisitions aus Sicht des Managements sein kann.124

Die Free Cashflow-Hypothese nimmt das Motiv, dass das Management nach Macht strebt, zur Prämisse125 und diskutiert die Konsequenzen auf die Ausschüttungen. Demnach haben Ma-nagerInnen ein Interesse daran Ausschüttungen so klein wie möglich zu halten und liquide Mittel zu thesaurieren, wenngleich die EigentümerInnen eine Ausschüttung bevorzugen wür-den. Mit diesen Mitteln können nun M&A-Transaktionen finanziert und realisiert werden, wel-che mit einem Größenwachstum verbunden sind, mögliwel-cherweise aber nicht die erforderliwel-che Rendite erwirtschaften.126

Eine weiteres persönliches Motiv des Managements ist in der Hubris-Hypothese von Roll (1986) zu finden. Sie geht davon aus, dass Mergers & Acquisitions durchgeführt werden, weil das Management des akquirierenden Unternehmens der Meinung ist, das Zielunternehmen besser zu führen als das bestehende Management. Die Hubris-Hypothese basiert somit auf dem bereits diskutierten realen Motiv, ein ineffizientes Zielmanagement zu ersetzen, geht aber davon aus, dass sich das Management des akquirierenden Unternehmens häufig selbst über-schätzt,127 was ein Erklärungsansatz dafür sein kann, warum viele Mergers & Acquisitions langfristig nicht erfolgreich sind.128

Die Diversifikationshypothese129 berücksichtigt die individuelle Risikosituation eines/einer Ma-nagers/Managerin. Diese/r bindet sein/ihr gesamtes Humankapital an einen Arbeitgeber und ist von diesem abhängig, einerseits von der unternehmerischen Performance in Bezug auf die Höhe variabler Gehaltsbestandteile, andererseits hinsichtlich des Risikos arbeitslos zu wer-den, sollte das Unternehmen in Konkurs gehen. Die Hypothese geht nun davon aus, dass

124 Vgl. Wirtz, 2017, 75; Copeland/Weston/Shastri, 2008, 960; Mueller, 1969, 644.

125 „Managers have incentives to cause their firms to grow beyond the optimal size.” Jensen, 1986, 323.

126 Vgl. Jensen, 1986, 323 ff.; Wirtz, 2017, 75 f.

127 Diese Tendenz zur Selbstüberschätzung von Menschen wurde in der Psychologie festgestellt und wird in der Literatur als ‚overconfidence effect‘ oder ‚overconfidence-Bias‘ diskutiert. Dabei konnte man feststellen, dass Menschen häufig selbstsicherer und von sich selbst überzeugter sind, als eigentlich ‚richtig‘ bzw. an-gemessen wäre (vgl. Blanton et al., 2001, 373 ff.; Fischhoff/Slovic/Lichtenstein, 1977, 552 ff.; Ehrlinger/Mit-chum/Dweck, 2016, 94 ff.). Die Finanzwirtschaft hat den overconfidence-Bias (und seine Auswirkungen) auf finanzwirtschaftliche Fragestellungen bereits mehrfach untersucht und bestätigt (vgl. bspw. Barber/Odean, 2001, 261 ff.; Malmendier/Tate/Yan, 2011, 1687 ff.; Schrand/Zechman, 2012, 311 ff.; Huang/Kisgen, 2013, 822 ff.; Daniel/Hirshleifer/Subrahmanyam, 1998, 1839 ff.).

128 Vgl. Roll, 1986, 197 ff.; Wirtz, 2017, 74 f.

129 Auch unter dem Begriff ‚Absicherungshypothese‘ diskutiert (vgl. Jansen, 2004, 101).

ManagerInnen versuchen diese Risiken zu reduzieren, indem das Unternehmen einen mög-lichst hohen Diversifikationsgrad anstrebt, was beispielsweise durch Mergers & Acquisitions erreicht werden kann.130

Die Ablenkungshypothese geht davon aus, dass das Management akquirierender Unterneh-men versucht vor oder während wirtschaftlich schlechter Zeiten M&A-Transaktionen durchzu-führen. So kann von eigenen operativen Schwierigkeiten abgelenkt werden oder/und ggf. das Zielunternehmen später als Anlass für etwaige unternehmerische Probleme beschuldigt wer-den.131

Schließlich zeigt die Prozesstheorie auf, dass M&A-Transaktionen oftmals nicht aufgrund rati-onaler Gründe durchgeführt werden, sondern durch den Prozess der Entscheidungsfindung an sich beeinflusst werden.132 So können Entscheidungen auch das Ergebnis ‚politischer Spiele‘ von unternehmensinternen und -externen Personen sein133 oder Mergers & Acquisiti-ons trotz einer geringen Sinnhaftigkeit durchgeführt werden, weil bspw. Verhandlungen schon so weit fortgeschritten sind, dass eine Beendigung/Nichtdurchführung mit einem Gesichtsver-lust der Beteiligten verbunden wäre.134

Die genannten Motive sind weder als eine taxativ vollständig Liste zu verstehen, noch schlie-ßen sie sich gegenseitig aus. Sie können vielmehr als ein sich gegenseitig ergänzendes Pot-pourri verschiedener Erklärungsansätze betrachtet werden.135 Nguyen/Yung/Sun (2012) stel-len in ihrer Analyse beispielsweise fest, dass in 78 % der von ihnen analysierten M&A-Deals zumindest zwei unterschiedliche Motive eine tragende Rolle in der Entscheidungsfindung spie-len.136 Eisenbarth (2013) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass sich M&A-Motive im Zeitablauf auch ändern und die Bedeutung einzelner Motive unter anderem abhängig ist von gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen.137138

130 Vgl. Jensen/Meckling, 1976, 305 ff.; Wirtz, 2017, 76.

131 Vgl. Jansen, 2004, 103.

132 Vgl. Trautwein, 1990, 288 f.

133 „Strategic decisions are interpreted as the outcome of political games played between an organization’s subunits and outsiders. Tactical considerations and mutual adjustments dominate the decision process.”

Trautwein, 1990, 289.

134 Vgl. Müller-Stewens, 2016a, 14.

135 Vgl. Eisenbarth, 2013, 111; Pernsteiner/Brunner-Kirchmair, 2017, 129; Ravenscraft/Scherer, 1987, 3; Jan-sen, 2016, 178; Glaum/Lindemann/Friedrich, 2006, 296.

136 Die AutorInnen verlassen sich dabei nicht auf Aussagen des Managements, sondern verwenden Marktre-aktionen nach dem M&A-Deal um einen Rückschluss auf die zugrundeliegenden Motive zu ermöglichen (vgl. Nguyen/Yung/Sun, 2012, 1357 ff.).

137 Vgl. Eisenbarth, 2013, 88.

138 Eine in der Literatur immer wieder diskutierte Frage ist, welche Motive die größte Bedeutung haben. Dabei gibt es unterschiedliche Untersuchungsmethoden. Eine Möglichkeit ist, die ManagerInnen zu befragen, wel-che Anlässe es für die Initiierung einer M&A-Transaktion gegeben hat. Dabei zeigt sich, dass insbesondere das Erreichen von Marktmacht (Marktanteilen), die Erhöhung der Profitabilität, die Diversifizierung sowie

Neben den in der Literatur dominierenden Motiven der akquirierenden Unternehmen gibt es auch Motive aus Sicht des/der Verkäufers/Verkäuferin des Zielunternehmens. Wirtz (2017) unterscheidet diesbezüglich eigentümerInnenspezifische und unternehmensspezifische Mo-tive.139 EigentümerInnenspezifische Motive liegen in der persönlichen Situation des/der Ver-käufers/Verkäuferin begründet. Dazu zählen beispielsweise der alters-, familien- oder gesund-heitsbedingte Rückzug aus einem Unternehmen mit der damit verbundenen Suche nach neuen EigentümerInnen, Probleme zwischen bestehenden GesellschafterInnen (Konflikte bzw. Scheidung), der Wunsch von EigentümerInnen ihr Risiko (zB in Form von Haftungen) zu reduzieren, Erbschaftsfälle, der Rückzug von Private Equity- oder Venture Capital-Gesell-schaften, das Bedürfnis eine neue/andere Geschäftsidee umzusetzen sowie eine finanzielle Notlage des/der Verkäufers/Verkäuferin.140 Unternehmensspezifische Verkaufsmotive lie-gen in der wirtschaftlichen Situation des zu verkaufenden Unternehmens begründet.141 Dabei wird ein/e VerkäuferIn grundsätzlich dann zum Verkauf bereit sein, wenn der mit einem Vkauf erzielbare Preis größer ist als der von ihm/ihr subjektiv ermittelte Wert. Der subjektiv er-mittelte Wert kann sinken, wenn sich die wirtschaftliche Situation des Unternehmens ver-schlechtert oder sich die Rahmenbedingungen (Branche, Technologie, Verlust von Distributi-onskanälen, wichtigen KundInnen oder MitarbeiterInnen, etc.) so verändern, dass die Zu-kunftsaussichten des Unternehmens negativ sind. Außerdem ist es möglich, dass

das Erreichen jedmöglicher Form von Synergien zu den bedeutendsten Motiven gehören, während bspw.

Steuermotive relativ unbedeutend sind (vgl. bspw. Bamberger, 1994, 81; Brouthers/van Hastenburg/van den Ven, 1998, 348 f.; Ingham/Kran/Lovestam, 1992, 195 ff.; Fischer, 2000, 171; KPMG, 2016, 16; Mukher-jee/Kiymaz/Baker, 2004, 14; Kreitl/Oberndorfer, 2004, 691 ff.). Problematisch an dieser Messmethode ist allerdings, dass EntscheidungsträgerInnen dazu tendieren die Vorteile einer M&A-Transaktion zu unterstrei-chen (Selbstrechtfertigung) und sozial erwünschte Antworten zu geben, während Management-Motive na-turgemäß nicht thematisiert werden (vgl. Boateng/Lordofos/Glaister, 2017, 5). Eine weitere Methode der Motivanalyse ist es, schriftliche Dokumente (Pressemitteilungen, Geschäftsberichte, Zeitungsartikel) zu ana-lysieren. Pernsteiner/Brunner-Kirchmair, 2017, 129 f. beobachten hier als dominierende Motive das Errei-chen von Synergieeffekten, das Wachstum im Kerngeschäft, die Steigerung des Unternehmenswertes so-wie die Diversifikation. Boateng/Lordofos/Glaister, 2017, 11 f. erkennen die Geschwindigkeit der Expansion, den Erwerb strategisch wichtiger Vermögenswerte (assets) sowie die Risikodiversifizierung als die drei wich-tigsten Motive. Eine weitere Möglichkeit besteht schließlich darin, Motive einer M&A-Transaktion aus den Kapitalmarktreaktionen beim akquirierenden und beim Zielunternehmen zu schließen. Goergen/Renne-boog, 2004, 9 ff. und Hodgkinson/Partington, 2008, 102 ff. erkennen dabei, dass Synergiemotive bei den analysierten Transaktionen dominieren. Nguyen/Yung/Sun, 2012, 1357 ff. beobachten, dass 73 % aller ana-lysierten Transaktionen dem Motiv ‚Market timing‘ (hierunter wird das Motiv verstanden, aktuelle Fehlbewer-tungen am Kapitalmarkt zu nutzen) zuzuordnen sind, 59 % aufgrund von Management-Motiven durchgeführt werden und 3 % aller analysierten Transaktionen eine Reaktion auf Branchen- oder volkswirtschaftlichen

‚Schocks‘ sind. Arnold/Parker (2009) und Seth/Song/Pettit (2000) erkennen, dass Synergiemotive und Hub-ris-Motive dominieren.

139 Vgl. Wirtz, 2017, 77 f.

140 Vgl. Wirtz, 2017, 78 f.; Sherman, 2018, 10 ff.; Mellen/Evans, 2010, 56; Filippell, 2011, 4 ff.

141 Vgl. Wirtz, 2017, 77.

dingungen (die Situation an den Kapitalmärkten) dazu führen, dass zum Betrachtungszeit-punkt ein besonders hoher Verkaufspreis erzielt werden kann.142 Weiters können Motive beo-bachtet werden, die eine Erweiterung des EigentümerInnenkreises eines Unternehmens not-wendig machen, bspw. die Finanzierung eines Wachstums oder bei Liquiditätsengpässen.143