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6 Empirische Untersuchung zum Einfluss der Corporate Governance akquirierender

6.4 Methodik

6.4.1 Kurzfristiger Shareholder Value

Im Mittelpunkt dieser Analyse steht die Frage, wie InvestorInnen am Kapitalmarkt die M&A-Transaktion kurzfristig wahrnehmen, dh. ob und unter welchen Bedingungen sie eine Trans-aktion positiv/negativ beurteilen und es somit zu einer (kurzfristigen) Wertsteigerung/Wertver-nichtung kommt. Methodisch wird auf eine Event Study Analysis (Ereignisstudie) zurück-gegriffen, welche das Ziel hat den Einfluss752 eines Ereignisses auf den Unternehmenswert zu messen. Die gute Eignung der Methode führte dazu, dass sie bisweilen vielfach in Wissen-schaft und Forschung eingesetzt wurde.753 Ereignisstudien gehören dabei zu den bedeutends-ten Methoden in der Finance-Forschung.754755

Dabei müssen vorab einige Entscheidungen getroffen werden.756 Es stellt sich zu allererst die Frage, welches Ereignis im Mittelpunkt der Untersuchung steht, wobei im vorliegenden Fall (analog zum Gros der bestehenden Studien zur M&A-Performancemessung) die Ankündigung eines M&A-Deals als relevantes Ereignis definiert wird.757

Nun müssen in einem weiteren Schritt Entscheidungen zum analysierten Zeitraum getroffen werden. Einen Überblick bietet dafür Abbildung 16, worin t0 den Tag des Ereignisses, also den Ankündigungstag, darstellt. Alle anderen abgebildeten Zeitpunkte stellen (Börsen-)Tage vor bzw. nach diesem Tag des Ereignisses t0 dar. Um die Reaktionen der InvestorInnen zu analysieren braucht es dabei zwei Perioden, eine Schätzperiode (Estimation Period) und eine Ereignisperiode (Event Window), welche im Folgenden erläutert werden.

752 Der vorliegende Versuchsaufbau lässt aus einer statistischen Perspektive nur einen Rückschluss auf Zu-sammenhänge/Korrelationen zu. Ohne allzu tief in die Diskussion um den Kausalitätsbegriff einzusteigen (siehe diesbezüglich bspw. Pearl, 2009, 1 ff.; Berzuini/Dawid/Bernardinelli, 2012, 1 ff.) wird in der vorliegen-den Arbeit eine Kausalität logisch (und nicht empirisch) dahingehend begründet, dass eine zeitliche Abfolge vorliegt (vgl. für eine dahingehende Argumentation Bortz/Schuster, 2010, 160). Auf den konkreten Anwen-dungsfall bezogen ist zuerst ein Unternehmen mit seinen Eigenschaften (zB Corporate Governance-Perfor-mance) gegeben, welches anschließend einen M&A-Deal ankündigt. Diese neue Information wird anschlie-ßend vom Kapitalmarkt berücksichtigt/bewertet.

753 Vgl. Campbell/Lo/MacKinlay, 1997, 149.

754 „Event studies are now an important part of finance, especially corporate finance.“ Fama, 1991, 1600.

755 Siehe dazu auch ausführlich Kapitel 2.4.1.

756 Der typische Ablauf einer Ereignisstudie wird bei Campbell/Lo/MacKinlay, 1997, 149 f. Schritt für Schritt dargestellt. Eine sehr gute Zusammenfassung der Literatur zur Forschungsmethodik bieten auch die Arbei-ten von Pauser, 2007, 73 ff.; Brooks, 2014, 634 ff.; MacKinlay, 1997, 13 ff.; Kothari/Warner, 2007, 3 ff.

757 Bei manchen M&A-Deals definiert Zephyr auch ein Datum, wo erstmalig Gerüchte zu dem jeweiligen Deal bekannt wurden (zB wenn es einen Zeitungsbericht gibt, dass Unternehmen A einen Unternehmenskauf in den USA plant). Um sicherzugehen, dass nicht dieses Datum als eigentlicher Ereigniszeitpunkt zu betrach-ten ist, wird zusätzlich ein Robustheitstest durchgeführt (siehe diesbezüglich Kapitel 6.6.1.3). Hier wird das Gerüchte-Datum als relevantes Ereignis definiert.

Abbildung 16: Schätz- und Ereignisperiode im Rahmen der kurzfristigen Ereignisstudie (t0 = Ereigniszeitpunkt; Quelle: eigene Darstellung)

Zuerst benötigt es einen Zeitraum (rund um die Ankündigung) in welchem der Aktienkurs der akquirierenden Unternehmen beobachtet wird, das sogenannte Event Window (Ereignispe-riode).758 In der vorliegenden Studie wird auf tägliche Kurse zurückgegriffen und diese in ei-nem Zeitraum von eiei-nem Tag vor bis einen Tag nach der Ankündigung (-1/1)759 des M&A-Deals betrachtet.760 Die Robustheit dieser Ergebnisse wird mithilfe zweier weiterer Ereignis-zeiträume (-2/2 sowie -5/5) kontrolliert. Die Berechnung der täglichen Renditen erfolgt dabei für jeden Tag im Event Window wie in Formel 1 dargestellt:

=( − )

Rendite der Aktie (i) am Tag (t) Kurs der Aktie (i) am Tag (t) Kurs der Aktie (i) ein Tag vor (t)

Formel 1: Berechnung der täglichen Rendite an jedem Tag im Event Window

Es ist allerdings zu erwarten, dass ein Wertpapier auch auf Marktschwankungen reagiert. Um also den alleinigen Einfluss der Ankündigung einer M&A-Transaktion messen zu können,

758 Die Definition des besten Event Windows wird in der Literatur immer wieder diskutiert. Je länger der Zeitraum gewählt wird, desto eher werden Informationsvorsprünge einzelner AnlegerInnen sowie die langfristige Be-urteilung eines Ereignisses berücksichtigt. Gleichzeitig steigt damit aber die Wahrscheinlichkeit, dass an-dere (nicht M&A-relevante) Ereignisse (sogenannte confounding events) die Bewertung beeinflussen (vgl.

MacKinlay, 1997, 15; Duso/Gugler/Yurtoglu, 2010, 187).

759 Findet die Ankündigung an einem Feiertag oder Wochenende statt, wird der erste darauffolgende Handels-tag als relevanter EreignisHandels-tag (t0) definiert.

760 Oler/Harrison/Allen, 2008, 155 erkennen in ihrer Analyse von 62 Ereignisstudien, dass bei den meisten (67,7 %) ein Event Window von maximal 5 Tagen definiert wird. Campbell/Lo/MacKinlay, 1997, 151 weisen darauf hin, dass in der Praxis oftmals der Tag des Ereignisses sowie ein zusätzlicher Tag in die Analyse einbezogen werden. Um eine möglichst hohe Vergleichbarkeit der Ergebnisse dieser Arbeit mit anderen Studien zu gewährleisten, wird folglich das besonders häufig verwendete Event Window -1/1 verwendet.

muss die vorab berechnete Rendite im Event Window noch um die Marktschwankungen be-reinigt werden. Dafür ist es notwendig die ‚normale‘, also erwartete, Rendite der Aktie im Event Window zu ermitteln. Methodisch gibt es bei kurzfristigen Ereignisstudien eine Band-breite an Möglichkeiten zur Ermittlung der normalen Rendite, bspw. das Modell der mittelwert-bereinigten Renditen (mean adjusted returns), der marktmittelwert-bereinigten Renditen (market adjusted returns), ökonomische Modelle (zB auf Basis des CAPM; economic models), das Modell von Kontrollportfoliorenditen (control portfolio returns) sowie das Marktmodell (market model).761 Wenngleich die Eignung der verschiedenen Modelle in der Literatur immer wieder diskutiert wird, so zeichnet sich das Marktmodell durch einige Vorzüge aus. Inhaltlich ist es dahinge-hend von Vorteil, dass es einerseits das Aktienrisiko, andererseits auch Marktbewegungen berücksichtigt.762 Zusätzlich dazu gibt es Hinweise, dass das Marktmodell am besten geeignet ist, die Renditen zu erklären.763 Des Weiteren gehört dieses Modell zu den beliebtesten als auch am häufigsten verwendeten Methoden, was eine Vergleichbarkeit mit anderen Studien erleichtert.764

Beim Marktmodell wird die erwartete Rendite im Event Window geschätzt, indem ein linearer Zusammenhang zwischen Rendite des Marktes und der Rendite einer Aktie angenommen wird.765 Zur Schätzung des Zusammenhangs ist es notwendig eine Schätzperiode (estima-tion period) zu definieren, wobei der Ereigniszeitraum (das Event Window) darin nicht mehr berücksichtigt werden sollte, da es die Schätzung der erwarteten Rendite beeinflussen würde.766 Armitage (1995) stellt in seinem Vergleich fest, dass für eine Schätzung alle Schätz-perioden größer 100 Tage ausreichend sind.767 In Folge wird für diese Studie eine Schätzpe-riode von t = -155/-6 definiert, das heißt sie beginnt 155 Handelstage vor und endet 6 Tage vor der Ankündigung des M&A-Deals. So sind ausreichend Datenpunkte für die Schätzung vorhanden (150 Schätztage) sowie ein Ende direkt vor dem Beginn des längsten Event-Windows gewährleistet.

Für die Rendite des Marktportfolios sollte ein breiter Aktienindex verwendet werden.768 Ma-cKinlay (1997) weist darauf hin, dass häufig der CRSP Value Weighted Index, der CRSP Equal Weighted Index sowie der S&P 500 Index verwendet werden.769 Eine europäische Alternative

761 Zu ihren Unterschieden sowie Vor- und Nachteilen vgl. bspw. Brown/Warner, 1980, 207 f.; Brown/Warner, 1985, 6 ff.; Henderson, 1990, 284 f.; Armitage, 1995, 27 ff.; Campbell/Lo/MacKinlay, 1997, 151; Schädle, 2004, 144 ff.

762 Vgl. Binder, 1998, 118.

763 Vgl. Cable/Holland, 1999, 331 ff.; Brown/Warner, 1985, 25; Armitage, 1995, 25 ff.

764 Vgl. Henderson, 1990, 285; Sorokina/Booth/Thornton, 2013, 579.

765 Vgl. MacKinlay, 1997, 18.

766 Vgl. Campbell/Lo/MacKinlay, 1997, 152.

767 Vgl. Armitage, 1995, 46.

768 Vgl. MacKinlay, 1997, 18; Göthlich, 2009, 474.

769 Vgl. MacKinlay, 1997, 18.

zu diesen US-amerikanischen Indizes stellt der MSCI EMU Index dar.770 Es handelt sich dabei um einen Kursindex, welcher die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion repräsentiert.

Um auszuschließen, dass die Wahl des Index einen Einfluss auf die Ergebnisse hat, werden auch Robustheitstests durchgeführt, einerseits mit dem Performanceindex selbiger Region, als auch mit dem Kursindex des noch breiter positionierten MSCI Europe Index771.

Die Schätzung der täglich erwarteten (normalen) Renditen im Event Window erfolgt dabei wie in Formel 2 dargestellt. Die dazu notwendigen Parameter werden mit Hilfe einer OLS-Regres-sion772 geschätzt. Anders formuliert: mit Hilfe der Schätzperiode wird ermittelt, wie sich ein Wertpapier im Vergleich zum Marktindex verhält und ermittelt im Umkehrschluss die erwartete Rendite im Event Window auf Basis des Marktindex.

( ) = + +

( ) Erwartete Rendite der Aktie (i) am Tag (t)

, Schätzparameter auf Basis der Schätzperiode (t = -155/-6) der Aktie (i)

Rendite des Marktportfolios (m) am Tag (t) Residuum des Modells am Tag (t)

Formel 2: Erwartete Rendite (Marktmodell) an jedem Tag im Event Window

Anschließend wird die erwartete Rendite von der tatsächlichen Rendite subtrahiert, um inner-halb des Event Windows zu den täglichen abnormalen Renditen eines Wertpapieres zu ge-langen. Die Ermittlung ist in Formel 3 dargestellt.

770 Der MSCI EMU Index umfasst die Länder Österreich, Belgien, Deutschland, Spanien, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Niederlande und Portugal (vgl. MSCI, 2016, o.S.). Damit entspricht er weitestgehend der in dieser Arbeit verwendeten Stichprobe. Ausnahmen sind nur Irland, welches nicht in der Stichprobe berück-sichtigt wird und Luxemburg, welches im Index nicht berückberück-sichtigt wird. Griechenland wurde bis 2013 be-rücksichtigt, verlor dann allerdings bei MSCI seinen Status als entwickelte Volkswirtschaft und ist seither nicht mehr Teil des EMU Index (vgl. Vn, 2013, o.S.). Der Index kann ua. in den Varianten Kurs- und Perfor-manceindex abgerufen werden. Herangezogen wird der Index basierend auf einer Euro-Berechnung.

771 Der MSCI Europe Index ist in seinem Aufbau ähnlich dem MSCI EMU Index, einzig der Umfang der betrach-teten Volkswirtschaften ist hier breiter und umfasst mit Österreich, Belgien, Schweiz, Deutschland, Däne-mark, Spanien, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Italien, Niederlande, Norwegen, Portugal und Schweden insgesamt 15 Nationen.

772 OLS = Ordinary Least Squares (Methode der kleinsten Quadrate)

= − ( )

Abnormale Rendite der Aktie (i) am Tag (t) Tatsächliche Rendite der Aktie (i) am Tag (t) ( ) Erwartete Rendite der Aktie (i) am Tag (t)

Formel 3: Abnormale Rendite (Marktmodell) an jedem Tag im Event Window

Anschließend müssen die abnormalen Renditen im Event Window aggregiert werden. Eine Aggregation erfolgt, wie in Formel 4 für das Event Window (-1/1) dargestellt, über den Zeit-ablauf hinweg:773

=

Kumulierte abnormale Renditen der Aktie (i) am Tag (k) im Event Window

Abnormale Rendite der Aktie (i) am Tag (t)

Formel 4: Aggregation der abnormalen Renditen im Event Window (-1/1)

Die kumulierten abnormalen Renditen einer Aktie am Ende des Event Windows (CAR) zeigen nun, wie InvestorInnen die M&A-Transaktion kurzfristig beurteilen. Ist der Wert positiv, so spricht man von einem Erfolg, da die M&A-Ankündigung vom Kapitalmarkt positiv beurteilt wird. Vice versa spricht man von einem Misserfolg, wenn die kumulierten abnormalen Rendi-ten (CAR) negativ sind. In Folge kann anschließend ermittelt werden, ob die Corporate Gover-nance eines akquirierenden Unternehmens einen Einfluss darauf hat oder nicht.