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4. THEORETISCHES MODELL UND ABLEITUNG DER FORSCHUNGSHYPOTHESEN

4.1 M OTIVATIONSTHEORETISCHER R AHMEN

4.1.2 Motivation Crowding Theory

Die Überlegungen der Selbstbestimmungstheorie von Deci und Ryan wurden von der ökonomischen Forschung mit der Motivation Crowding Theory aufgegriffen und fortge-führt (Frey 1997; Frey und Jegen 2001). Die Motivation Crowding Theory geht zunächst grundlegend von der Annahme aus, dass externe Einflussnahmen auf das Handeln von Personen in Form von monetären Belohnungen oder mit negativen Sanktionen verknüpf-ten Regulierungen die intrinsische Motivation sowohl positiv (crowding-in), negativ (crowding-out) oder auch gar nicht beeinflussen können (Frey und Jegen 2001, S. 592).

In Übereinstimmung mit den Prämissen der Selbstbestimmungstheorie (vgl. Kapitel 4.1.1) kommt es zu einem Verdrängungseffekt der intrinsischen Motivation durch externe Einflussnahmen, wenn diese als kontrollierend empfunden werden. Die für das Entste-hen und die Aufrechterhaltung von intrinsischer Motivation notwendigen psychologi-schen Grundbedürfnisse des Autonomie- und Kompetenzerlebens können durch als kontrollierend empfundene externale Regulierungen eingeschränkt werden. Die intrinsi-sche Motivation zur Ausübung einer Tätigkeit kann sich dadurch entsprechend reduzie-ren (vgl. Frey und Jegen 2001, S. 594–595). Eine als unterstützend wahrgenommene

Motivationstheoretischer Rahmen 75 (Arbeits-)Umgebung kann dagegen durch eine Stärkung des Autonomie- und Kompe-tenzerlebens zu einer Erhöhung der intrinsischen Motivation beitragen (ebd., S. 595).

Da Formen der extrinsischen und intrinsischen Motivation in der Regel gemeinsam auftreten (vgl. ebd., S. 591), sind die Auswirkungen von Verdrängungs- oder Verstär-kungseffekten der intrinsischen Motivation auf die tatsächlich resultierende Leistung je-weils differenziert unter Berücksichtigung der parallel wirkenden motivationalen Effekte der externen Einflussnahme zu betrachten. Das heißt mit anderen Worten, dass nicht nur die Wirkung der intrinsischen Motivation auf die Leistungserbringung, sondern gleichzeitig auch die Wirkung der externen Anreize oder Sanktionen auf die erbrachte Leistung zu analysieren ist. Hieraus ergeben sich nach der Motivation Crowding Theory bei der Anwendung externer Anreize oder Sanktionen die folgenden möglichen Effekte auf die Leistungserbringung (vgl. im Folgenden ebd., S. 593):

Zunächst kann davon ausgegangen werden, dass (monetäre) Belohnungen oder Sanktionen als extrinsische Form der Motivation wirksam werden und so zu einer Stei-gerung der Leistung beitragen (relativer Preiseffekt bzw. Disziplinierungseffekt). Wird die externe Einflussnahme nicht als kontrollierend wahrgenommen, das heißt nicht als Be-drohung der eigenen Handlungsautonomie und Kompetenz erlebt, bleibt die intrinsische Motivation dabei weitgehend unbeeinflusst, so dass in der Summe ein leistungssteigern-der Effekt angenommen werden kann. Wenn die externe Einflussnahme als unterstüt-zend für das eigene Handeln wahrgenommen wird, kann diese im Sinne des bereits erwähnten crowding-in-Effektes sogar mit einer Erhöhung der intrinsischen Motivation des Handelnden einhergehen. In diesem Fall würde sich die leistungssteigernde Wir-kung der externen Anreize bzw. Sanktionen noch erhöhen, da neben dem Disziplinie-rungseffekt noch eine gesteigerte intrinsische Motivation zur Leistungssteigerung bei-trägt. Anders verhält es sich, wenn die externe Einflussnahme als kontrollierend emp-funden wird, also als external oder introjiziert regulierte Form extrinsischer Motivation wirksam wird (vgl. Kapitel 4.1.1). Hierdurch kann es zu einem Verdrängungseffekt (crow-ding-out) der intrinsischen Motivation kommen. Durch den Disziplinierungseffekt der ex-ternen Anreize oder Sanktionen zeigt sich dann zwar weiterhin eine leistungssteigernde Wirkung, gleichzeitig führt die Verringerung der intrinsischen Motivation aber zu einem sinkenden Leistungsniveau. Die Stärke des Disziplinierungseffektes und des Verdrän-gungseffektes bestimmen jeweils, ob es in einer solchen Situation in der Summe zu einer Leistungssteigerung, zu einer Leistungsminderung oder aber zu keiner sichtbaren Leis-tungsveränderung kommt. Dabei ist zu beachten, dass sich auch bei keinen sichtbaren Veränderungen in der erbrachten Leistung die motivationalen Grundlagen des Handelns deutlich verschoben haben können: Beispielsweise kann eine starke Verringerung der intrinsischen Motivation und eine daraus resultierende sinkende Leistungsbereitschaft

Motivationstheoretischer Rahmen 76 durch den Disziplinierungseffekt der externen Anreize (z. B. erhöhte Leistungsbereit-schaft aufgrund hoher monetärer Boni) kompensiert worden sein. Das sichtbare Leis-tungsniveau bleibt also unverändert, während die Handlungsmotivation statt auf autono-men Forautono-men der Motivation nun überwiegend auf externalen Forautono-men der Motivation gründet.

Ohne nun vertiefend weitere psychologische Aspekte des Verdrängungseffektes zu diskutieren, soll hier dennoch darauf hingewiesen werden, dass die Verdrängung auto-nomer Formen der Motivation zugunsten von external regulierten Formen der Motivation – trotz gleichbleibendem Leistungsniveau – negative Auswirkungen auf die Arbeitszu-friedenheit und das generelle Wohlbefinden haben kann (vgl. Gagné und Deci 2005, S. 346–347). Auch wenn die Leistung durch externe Anreize oder Sanktionen nicht ne-gativ oder sogar positiv beeinflusst wird, können also nichtintendierte nene-gative Effekte auf die Arbeitszufriedenheit und die psychische Gesundheit auftreten, die sich langfristig wiederum negativ auf die Gesamtbilanz der Leistungserbringung (z. B. Fehltage) nieder-schlagen können.

Der Verdrängungseffekt der intrinsischen Motivation wurde vor allem in psychologi-schen Untersuchungen bereits vielfach empirisch überprüft. In einer Metaanalyse von 128 experimentellen Studien konnten Deci et al. (1999) nachweisen, dass „(…) tangible rewards tend to have a substantially negative effect on intrinsic motivation“ (ebd., S. 658–

659). Negative Effekte auf die intrinsische Motivation zeigten sich dagegen nicht, wenn die Belohnung unerwartet vergeben wurde oder in keiner direkten Beziehung zur ausge-führten Tätigkeit stand (ebd., S. 656). Zudem ergaben die Analysen in Übereinstimmung mit den theoretischen Annahmen der Selbstbestimmungstheorie und der Motivation Crowding Theory, dass die Art und Weise, wie externe Anreizsysteme ausgestaltet und kommuniziert werden (Wahrnehmung als kontrollierend vs. unterstützend), einen eher positiven oder einen eher negativen Effekt auf die intrinsische Motivation haben kann (vgl. ebd., S. 656–657). Für den universitären Bereich deuten die Ergebnisse einer Stu-die von Jacobsen und Andersen (2014) zur Wirkung universitärer Steuerungssysteme (command systems) auf den Publikationsoutput von Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftlern an dänischen Hochschulen auf übereinstimmende Ergebnisse hin: Die Auto-ren beobachten einen positiven Zusammenhang zwischen der Anwendung von als un-terstützend wahrgenommenen Steuerungssystemen und dem individuellen Publikati-onsoutput der Untersuchungseinheiten (ebd., S. 17).27 In einer weiteren Studie mit däni-schen Lehrerinnen und Lehrern konnten Jacobsen et al. (2014) zeigen, dass verbindlich

27 Wie die Autoren selbst anmerken, kann der vermutete dahinterstehende Verstärkungseffekt der intrinsischen Motivation (crowding-in) damit aber nicht empirisch bestätigt werden, da in der Studie die intrinsische Motivation selbst nicht erfasst wurde, sondern lediglich die Wahrnehmung der Steuerungssysteme und der Publikationsoutput (vgl. Jacobsen und Andersen 2014, S. 17).

Motivationstheoretischer Rahmen 77 vorgegebene Lehrpläne negativ mit der intrinsischen Motivation der Lehrkräfte korrelie-ren, wenn diese als kontrollierend wahrgenommen werden (ebd., S. 801). Auch im wirt-schaftswissenschaftlichen Bereich finden sich eine Reihe von Labor- und Feldstudien, die explizit oder implizit eine empirische Bestätigung der Annahmen der Motivation Crowding Theory erlauben (vgl. für eine Übersicht Frey und Jegen 2001, S. 598–606).

Insgesamt kann der Verdrängungseffekt der intrinsischen Motivation als empirisch belegt angesehen werden. Die verschiedenen Studien hierzu machen aber auch deut-lich, dass es – in Übereinstimmung mit der Theorie – wesentlich von der Ausgestaltung der Anreiz- oder Sanktionssysteme bzw. der Wahrnehmung von diesen durch die be-troffenen Akteure abhängt, ob eine Verdrängung intrinsischer Motivation stattfindet oder ob die externe Einflussnahme keine oder sogar eine positive Wirkung auf die intrinsische Motivation hat. Wie erwähnt ist hier insbesondere entscheidend, ob die Einflussnahme als kontrollierend oder unterstützend wahrgenommen wird. In diesem Zusammenhang spielen Aspekte wie ausreichende Kommunikations- (Information) und Partizipations-möglichkeiten bei der Implementierung von Anreizsystemen sowie deren faire und trans-parente Ausgestaltung eine wichtige Rolle (vgl. Frey und Osterloh 1997, S. 313–315).

Wie bereits in Kapitel 4.1.1 dargestellt wurde, kann die intrinsische Motivation als Pro-totyp autonomer Formen der Motivation verstanden werden. Andere Formen autonom motivierten Handelns lassen sich anhand des Internalisierungsgrades von extrinsischen Regulationsmechanismen (identifizierte oder integrierte Regulation) unterscheiden. Im nächsten Kapitel wird nun anhand des Konzepts der Public Service Motivation eine sol-che weitere Form autonomer Motivation dargestellt, bevor aufbauend auf den theoreti-schen Vorüberlegungen die Forschungshypothesen abgeleitet werden.