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4. THEORETISCHES MODELL UND ABLEITUNG DER FORSCHUNGSHYPOTHESEN

4.1 M OTIVATIONSTHEORETISCHER R AHMEN

4.1.1 Die Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Den Ausgangspunkt für das nun zu entwickelnde theoretische Modell bildet die Selbst-bestimmungstheorie der Motivation von Deci und Ryan (1993; Ryan und Deci 2000;

Gagné und Deci 2005). Unter dem Blickwinkel dieser Theorie lässt sich die motivationale Grundlage von Handeln als Kontinuum begreifen, welches von (stark) kontrollierten For-men der Motivation zu (rein) autonoFor-men ForFor-men der Motivation reicht. Im Gegensatz zu anderen motivationstheoretischen Ansätzen wird also nicht nur dichotomisch zwischen extrinsischer Motivation auf der einen und intrinsischer Motivation auf der anderen Seite unterschieden, sondern extrinsisch motivierte Handlungen werden nochmals anhand des Grades ihrer (wahrgenommenen) Kontrolliertheit bzw. Autonomie differenziert (vgl.

Deci und Ryan 1993, S. 225). Autonom motiviertes Handeln impliziert dabei einen hohen Grad an (wahrgenommener) Selbstbestimmung und Wahlfreiheit (vgl. Gagné und Deci 2005, S. 333–334), während „(…) being controlled involves acting with a sense of pres-sure, a sense of having to [Hervorhebung im Original] engage in actions“ (ebd.). Das Kontinuum der unterschiedlichen Typen mit den Endpolen der Amotivation und der intrin-sischen Motivation ist in Abbildung 1 dargestellt.

Abbildung 1: Motivationstypen nach der Selbstbestimmungstheorie der Motivation

Quelle: Darstellung nach Ryan und Deci (2000, S. 72) und Gagné und Deci (2005, S. 336).

Entscheidend ist nun, dass extrinsisch motivierte Verhaltensweisen durchaus als selbst-bestimmtes Verhalten erlebt werden können:

Motivationstheoretischer Rahmen 71 Other types of extrinsic motivation [andere als Externale Regulation; Anm. d. Verf.]

result when a behavioral regulation and the value associated with it have been inter-nalized. Internalization is defined as people taking in values, attitudes, or regulatory structures, such that the external regulation of a behavior is transformed into an inter-nal regulation and thus no longer requires the presence of an exterinter-nal contingency (thus, I work even when the boss is not watching). (…) The more fully it has been internalized, the more autonomous will be the subsequent, extrinsically motivated be-havior. (Gagné und Deci 2005, S. 334)

Die Motivationstypen lassen sich damit anhand der Art ihrer Verhaltensregulation (regu-latory styles) differenzieren (Ryan und Deci 2000, S. 72), also danach, inwieweit exter-nale Werte, Einstellungen und Regulationsmechanismen von einer Person internalisiert wurden. Internalisierung wird dabei als Oberbegriff verstanden, der auf Introjektion, Iden-tifikation und Integration als drei zu unterscheidende Prozesse verweist (Gagné und Deci 2005, S. 334). Die diesen Internalisierungsprozessen zugeordneten sowie die anderen in Abbildung 1 dargestellten Motivationstypen werden nun im Folgenden näher erläutert:

Der linke Pol des Kontinuums, der Zustand der Amotivation, bezieht sich auf Hand-lungen, die mit keinen erkennbaren Intentionen verknüpft sind und die in diesem Sinne auch nicht als motiviert interpretiert werden können (Deci und Ryan 1993, S. 224). Deci und Ryan nennen hier beispielsweise Verhaltensweisen wie Dösen oder ein unkontrol-lierter Wutausbruch (ebd.). Solche Handlungen erfüllen natürlich auch ihren physiologi-schen oder psychologiphysiologi-schen Zweck für eine Person, aber Deci und Ryan „(…) bezeich-nen sie nicht als motiviert, weil sie nicht durch intentionale Prozesse gesteuert werden“

(ebd.). Demgegenüber findet sich auf der rechten Seite des Kontinuums die intrinsische Motivation, welche sich auf Verhalten bezieht, „(…) which is propelled by people’s inte-rest in the activity itself“ (Gagné und Deci 2005, S. 334). Eine schon aus dem vorange-gangenen Kapitel bekannte Definition intrinsischer Motivation konkretisiert: „We say a person is intrinsically motivated to perform an activity if there is no apparent reward ex-cept the activity itself or the feelings which result from the activity“ (Deci 1972, S. 217).

Intrinsisch motiviertes Verhalten wird also aufgrund der (Freude mit der) Aktivität an sich ausgeführt und bedarf daher keiner externalen Anreize oder Regulierungen. In diesem Sinne stellt es den Prototyp selbstbestimmten bzw. autonomen Verhaltens dar (Deci und Ryan 1993, S. 226).

Zwischen diesen beiden Polen finden sich nun die vier Formen extrinsisch motivierten Verhaltens, die sich hinsichtlich des Grades der Verhaltensregulation zwischen externa-ler Kontrolle und Selbstbestimmung (Autonomie) unterscheiden lassen. Die externale Regulation kennzeichnet dabei den ‚klassischen‘ Typ extrinsisch motivierten Handelns (Gagné und Deci 2005, S. 334): Die Handlung wird primär aufgrund äußerer Anreize

Motivationstheoretischer Rahmen 72 (Belohnung) oder aufgrund (der Androhung) von Sanktionen ausgeführt. Sie weist damit den höchsten Grad der Kontrolle und den geringsten Grad der Selbstbestimmung bzw.

Autonomie auf (vgl. ebd.).

Eine erste Form internalisierter Verhaltensregulation stellt die introjizierte Regulation dar. Ein auf diese Weise reguliertes Verhalten resultiert aus einem inneren Antrieb und ist nicht auf äußere Handlungsanstöße angewiesen (Deci und Ryan 1993, S. 227). Eine Handlung wird ausgeführt oder unterlassen, um Schuldgefühle zu vermeiden oder weil sie für das Selbstwertgefühl und die Selbstachtung relevant ist (vgl. ebd.). Obwohl der Antrieb für die Handlung also ‚von innen‘ kommt, sind solche Verhaltensweisen dennoch mehr fremd- als selbstbestimmt. Die internalisierten Regulationsmechanismen sind nicht akzeptierter Teil des Selbst, sondern werden als kontrollierend wahrgenommen: „Die introjizierte Regulierung beschreibt somit eine Form von Motivation, bei der die Verhal-tensweisen durch innere Kräfte kontrolliert oder erzwungen werden, die außerhalb des Kernbereichs des individuellen Selbst liegen“ (ebd., S. 227–228).

Im Gegensatz zur introjizierten Regulation ist die identifizierte Regulation dadurch ge-kennzeichnet, dass die damit verbundenen Verhaltensweisen in hohem Maße mit den persönlichen Zielen und Werten kongruent und im Selbstkonzept integriert sind (ebd.):

„Man tut etwas nicht einfach deshalb, weil man das Gefühl hat, es tun zu sollen [= intro-jizierte Regulation; Anm. d. Verf.], sondern weil man es für wichtig hält“ (ebd., S. 228).

Entsprechend wird das Ausführen einer extrinsisch motivierten Handlung in Form der identifizierten Regulation als mehr selbstbestimmt denn external aufgezwungen oder kontrolliert erlebt (vgl. Gagné und Deci 2005, S. 334).

Die integrierte Regulation schließlich ist von allen Formen der Verhaltensregulation durch den höchsten Grad der Internalisierung gekennzeichnet und verweist damit auf extrinsisch motivierte Handlungen, die in höchstem Maße als selbstbestimmt wahrge-nommen werden: „With integrated regulation, people have a full sense that the behavior is an integral part of who they are, that it emanates from their sense of self and is thus self-determined“ (ebd., S. 335). Personen führen Verhaltensweisen, die auf solche Weise motiviert sind, also (freiwillig) in völliger Übereinstimmung mit ihren eigenen inne-ren Zielen, Werten oder Normen aus und erleben die Handlung dadurch als vollkommen selbstbestimmt. Diese Form der Motivation unterscheidet sich dennoch von der intrinsi-schen Motivation und zwar dahingehend, dass „(…) intrinsisch motivierte Verhaltenswei-sen autotelischer Natur sind, während integriertes (extrinsisches) Verhalten eine instru-mentelle Funktion besitzt, aber freiwillig ausgeführt wird, weil das individuelle Selbst das Handlungsergebnis hoch bewertet“ (Deci und Ryan 1993, S. 228).

Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass sich im Rahmen der Selbst-bestimmungstheorie der Motivation neben amotivierten und intrinsisch motivierten Hand-lungen vier Typen extrinsisch motivierter HandHand-lungen unterscheiden lassen, die einen

Motivationstheoretischer Rahmen 73 zunehmenden Grad an Selbstbestimmtheit aufweisen. Verhaltensweisen, die external oder introjiziert reguliert sind, sind dabei durch keine bzw. nur einen geringen Grad an wahrgenommener Selbstbestimmung und ein hohes Maß an wahrgenommener Kon-trolle gekennzeichnet, während identifiziert und integriert regulierte Handlungen als (voll-kommen) autonom motiviert angesehen werden können.

Im Hinblick auf die motivationale Grundlage von Handeln ist für die Selbstbestim-mungstheorie noch ein weiterer Aspekt entscheidend. Es handelt sich hierbei um die Annahme dreier psychologischer Grundbedürfnisse: dem Bedürfnis nach Kompetenz bzw. Wirksamkeit, nach Autonomie bzw. Selbstbestimmung und dem Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit. Diese drei Grundbedürfnisse sind nun sowohl für intrinsische als auch extrinsische Formen der Motivation von zentraler Bedeutung (ebd., S. 229).

Deci und Ryan (1993) beschreiben die motivierende Wirkung dieser Bedürfnisse wie folgt:

Wir gehen also davon aus, daß der Mensch die angeborene motivationale Tendenz hat, sich mit anderen Personen in einem sozialen Milieu verbunden zu fühlen, in die-sem Milieu effektiv zu wirken (zu funktionieren) und sich dabei persönlich autonom und initiativ zu erfahren. (ebd.)

Die drei postulierten psychologischen Grundbedürfnisse liefern der Selbstbestimmungs-theorie also die Erklärung dafür, „(…) warum [Hervorhebung im Original] bestimmte Handlungsziele motivierend sind“ (ebd.). Die Befriedigung dieser Bedürfnisse ist dabei auch notwendige Bedingung für die Internalisierungsprozesse, die mit den oben be-schriebenen extrinsischen Motivationstypen verknüpft sind:

SDT [Self-Determination Theory; Anm. d. Verf.] postulates that when people experi-ence satisfaction of the needs for relatedness and competexperi-ence with respect to a be-havior, they will tend to internalize its value and regulation, but the degree of satisfac-tion of the need for autonomy is what distinguishes whether identificasatisfac-tion or integra-tion, rather than just introjecintegra-tion, will occur. (Gagné und Deci 2005, S. 337)

Je mehr eine Handlung also mit dem Gefühl der sozialen Eingebundenheit und einem Kompetenzerleben einhergeht, desto eher werden die mit der Handlung verknüpften Werte, Normen oder andere Handlungsregulierungen (z. B. auch Gesetze) verinnerlicht.

Der Grad, in welchem sich der Handelnde dabei als autonomer Akteur erlebt, also das Bedürfnis nach Autonomie befriedigt wird, bestimmt schließlich, ob die Internalisierung auf der eher externalen Ebene der introjizierten Regulation verbleibt oder zu autonomen Formen der Motivation (identifizierte oder integrierte Regulation) führt.

Motivationstheoretischer Rahmen 74 Für die intrinsische Motivation sind nun insbesondere das Kompetenz- und das Auto-nomieerleben von besonderer Bedeutung. Intrinsisch motiviert handeln kann nur, wer sich bei der Ausführung der entsprechenden Handlung als ausreichend kompetent und vor allem selbstbestimmt erlebt. Die (erfolgreiche) Durchführung intrinsisch motivierter Verhaltensweisen trägt wiederum zum Entstehen von Gefühlen der Kompetenz und der Autonomie bei (vgl. Deci und Ryan 1993, S. 230).

Aufgrund der Abhängigkeit intrinsisch motivierten Handelns von einem Kompetenz- und Autonomieerleben ist dieses auch auf entsprechende Umweltbedingungen ange-wiesen, die ein selbstbestimmtes und als kompetent erlebtes Handeln erst ermöglichen (vgl. Deci und Ryan 1993, S. 230). So sind die Gewährung ausreichend individueller Handlungsfreiräume und Wahlfreiheiten sowie kompetenzförderndes Verhalten durch die Umwelt (z. B. informatives Feedback) positiv mit intrinsisch motiviertem Verhalten assoziiert und können die intrinsische Motivation sogar noch steigern. Die positive Wir-kung von autonomie- und kompetenzförderndem Verhalten auf die intrinsische Motiva-tion konnte bereits in zahlreichen Labor- und Feldexperimenten bestätigt werden (vgl.

ebd., S. 230–232; Deci et al. 1999). Andererseits können Umweltbedingungen, die für das Autonomie- und Kompetenzerleben hinderlich sind, wie z. B. die Kontrolle von Hand-lungen oder konkrete Handlungsanweisungen, negative Auswirkungen auf die intrinsi-sche Motivation haben. Dieser Aspekt wird nun im nächsten Teilkapitel im Rahmen der Motivation Crowding Theory näher beleuchtet.