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3.1 Genetische Basis von respiratorischem Wachstum, mitochondrialem

3.1.3 Funktionelle Untersuchung der COX-Assemblierungs-Mutanten

3.1.3.3 Modell zur Entstehung der respiratorischen Inkompetenz in den

Anhand der durchgeführten Experimente konnten erste Hinweise auf einen zusätzlichen Einfluss reaktiver Sauerstoffspezies gewonnen werden. Das Beispiel der COX-Assemblierungs-Mutanten zeigt damit, dass die Entwicklung eines pet-Phänotyps oft nicht eindimensional erfolgt und durch extragenomische Faktoren verstärkt werden kann.

Zusammen mit den übrigen Untersuchungsergebnissen kann folgendes Modell zur Phänotypentstehung in COX-Assemblierungs-Mutanten vorgeschlagen werden: In der Startsituation (direkt nach der Cytoduktion) besitzen die Zellen ungeschädigtes Zellmaterial und intakte, assemblierte Cytochrom c Oxidase (COX)-Komplexe. Diese scheinen zunächst auch im Deletionshintergrund voll funktionsfähig zu sein, zumal entsprechende Zellen nach der Cytoduktion auf YPG-Platten wachsen. Die fehlenden Proteine sind also nicht für die Funktionalität bestehender Komplexe erforderlich. Durch Proteinabbau und Ausdünnung während der Zellteilung liegen nach und nach immer weniger intakte Komplexe vor und aufgrund der Deletionen können keine neuen mehr gebildet werden. Die Atmungsaktivität sinkt sukzessive und erliegt schließlich. Die primäre Konsequenz der Deletion ist also zunächst – gemäß der beschriebenen Proteinfunktionen – der COX-Assemblierungsdefekt, der letztendlich eine fehlende COX-Aktivität hervorruft.

Die Deletionen beziehungsweise die resultierende COX-Fehlfunktion scheinen sich zudem sekundär auszuwirken. So wurde eine verstärkte Bildung von ROS in den DHR-Färbungsexperimenten beobachtet (3.1.3.2 DHR-Färbungen). Dies stimmt mit der Annahme überein, dass eine unausgewogene Produktion oder Assemblierung von Atmungsketten-komplexen den vicious cycle of oxidative stress induziert (Bonawitz et al., 2006). Die um 1/3 erhöhte ROS-Produktion in den Mutanten resultiert vermutlich direkt aus der gestörten Elektronentransportkette. Barros et al. (2003) konnten zeigen, dass Antimycin A3-behandelte Wildtypzellen und Cytochrom bc1-Komplex-Mutanten ROS akkumulieren. Künstliche Inhibition scheint also den gleichen Effekt wie intrinsische Manipulation durch Deletion auf die Atmungskette zu haben. Deshalb liegt es nahe, dass es in den hier untersuchten Mutanten bei Erliegen der COX-Aktivität – analog zu einer Cytochrom c Oxidase-Inhibition durch Cyanide (Sipos et al., 2003) – gewissermaßen zu einem Elektronenstau kommt. Die Atmungskettenkomplexe upstream liegen reduziert vor und besitzen damit ein erhöhtes Reduktionspotential, wodurch die ROS-Produktion durch Übertragung einzelner Elektronen auf O2 begünstigt wird (Johnson & DeMars, 2004). In den COX-Assemblierungs-Mutanten

erfolgt also als direkte Konsequenz der COX-Fehlfunktion stete ROS-Produktion, die bereits innerhalb kurzer Zeit zu einer gravierenden Schädigung von Proteinen, Lipiden und auch mtDNA führen kann (siehe 3.1.3.1 Re-Transformationsexperimente). Dadurch kommt es zu einer zusätzlichen Beeinträchtigung der Atmungskette, die eine weitere Verstärkung der ROS-Produktion mit weiterer Schädigung bedingt. Ein sich selbstverstärkender Kreislauf wird gestartet (vicious cycle theory; Bandy & Davison, 1990). Die produzierten ROS-Mengen sind schließlich so groß, dass sie aus den Mitochondrien austreten und die gesamte Zelle schädigen (siehe 3.1.3.2).

Obwohl Hefe ihren Energiebedarf bei Anwesenheit von Glukose hauptsächlich über Fermentation deckt, ist auch unter diesen Bedingungen eine elektronentransportabhängige ROS-Produktion möglich. Denn trotz Glukoserepression bleibt eine Restaktivität der Atmungskette (~10%) bestehen (Rosenfeld & Beauvoit, 2003), die aufgrund des COX-Defekts ausschließlich ROS bildet. Zusätzlich erfolgt durch Glukose eine Repression vieler Komponenten des antioxidativen Systems (z. B. Superoxiddismutase, Catalase und Glutathionperoxidase; Martínez-Pastor et al., 1996), was wiederum eine mitochondriale ROS-Akkumulation begünstigt. Das bedeutet, dass COX-Assemblierungs-Mutanten auch unter fermentierbaren Bedingungen permanent oxidativem Stress ausgesetzt sind.

Bei Limitierung der Kohlenstoffquelle Glukose (am Übergang in die stationäre Phase) ist dieser Prozess sogar drastisch beschleunigt. Im Prinzip greifen hier die gleichen beiden Mechanismen wie im Wildtyp (vgl. 3.1.3.2). Primäre Ursache einer vermehrten ROS-Produktion ist der Wegfall der Glukoserepression (Gancedo, 1998) mit Umstellung des Stoffwechsels auf oxidative Phosphorylierung (diauxic shift). Dafür werden verstärkt Proteine des respiratorischen Programms – insbesondere Atmungskettenkomplexe – gebildet, die aufgrund fehlerhafter COX in den Mutanten nur die ROS-Produktion beschleunigen. Darüber hinaus erliegt in dieser Phase der physiologischen Veränderung auch in den Mutanten der Stoffwechsel, aufgrund des niedrigeren Energiebedarfs wird weniger O2 verbraucht und die zelluläre O2-Konzentration steigt (vgl. 3.1.3.2). Allerdings ist dies aufgrund der respiratorischen Inkompetenz anders als in den Wildtypkulturen kein transienter Zustand, was permanent die Wahrscheinlichkeit monoelektronischer Reduktion von Sauerstoff und die Rate der ROS-Produktion zusätzlich erhöht.

Interessanterweise üben in den Mutanten bereits die in der logarithmischen Phase gebildeten geringen Mengen an ROS stark negative Effekte aus. Obwohl die ROS-Konzentrationen nur etwa doppelt so hoch sind wie im Wildtyp (vgl. 3.1.3.2; AmplexRed-Messung) scheinen die

mutanten Zellen deutlich anfälliger für ROS-bedingte Schädigungen zu sein und es entsteht ein höherer Anteil an Zellen mit irreversibler Schädigung (Transformationsexperimente).

Diese Tendenz setzt sich auch in den stationären Kulturen fort. In Analogie dazu wurde für respiratorisch inkompetente ∆cox6-, [rho0]- und wildtypische Antimycin A-behandelte Zellen eine stärkere Empfindlichkeit gegenüber extern zugegebenem H2O2 experimentell nachgewiesen (Grant et al., 1997; Trancíková et al., 2004). Erklärungsansätze für diese stärkere Anfälligkeit liefern Trancíková et al. (2004) und Grant et al. (1997): Sie gehen davon aus, dass die Entgiftung und Reparatur ROS-geschädigter Moleküle zahlreiche energie-verbrauchende Schritte beinhaltet. Diese Energie kann jedoch aufgrund der mitochondrialen Fehlfunktion nicht ausreichend bereit gestellt werden, sodass das Ungleichgewicht zwischen ROS-Produktion und -Abbau weiter verstärkt wird. Funktionelle Mitochondrien stellen also selbst das basale Level der ROS-Resistenz dar (Grant et al., 1997). Auf alle Arten des oxidativen Stress, egal ob extern oder intern entstanden, erfolgt die gleiche zelluläre Antwort.

Deshalb liegt es nahe, dass dieses Modell auch auf die ROS-Produktion in den COX-Assemblierungs-Mutanten übertragbar ist. Neben der vermehrten Produktion kommt so möglicherweise auch eine beeinträchtige Entgiftung zum tragen, die den oxidativen Stress weiter erhöht.

Ebenfalls sekundär zu den Deletionen könnte es in den COX-Assemblierungs-Mutanten auch zu einer Veränderung des Intermediärmetabolismus kommen. In Microarrayanalysen wurde für Antimycin A-behandelten Wildtyphefezellen und [rho0]-Zellen bereits gezeigt, dass aufgrund einer respiratorischen Inkompetenz eine Veränderung des Metabolismus eintritt.

Dieser Prozess wird als retrograde Antwort bezeichnet, weil sich der funktionelle Zustand der Mitochondrien direkt auf nukleäre Prozesse auswirkt (Butow & Avadhani, 2004).

Insbesondere Gene, die peroxisomale Proteine kodieren, wurden verstärkt exprimiert, was eine vermehrte Peroxisomenbiogenese zur Folge hatte (Epstein et al., 2001). Dies stimmt mit früheren Untersuchungen überein, die als Antwort auf respiratorische Defekte eine 30-40fach erhöhte Expression der peroxisomalen Citratsynthase Cit2 zeigten (Liu & Butow, 1999). Bei einem Defekt der Atmungskette erliegt auch der Tricarbonsäurezyklus (Succinat kann nicht zu Fumarat oxidiert werden) und es fehlen Metabolite, die unter anderem für die Aminosäure- und Nukleotidbiosynthese benötigt werden (z. B. Oxalacetat, α-Ketoglutarat). Die induzierten peroxisomalen Stoffwechselwege, insbesondere Enzyme des Glyoxylat-Zyklus, sollen diesen Mangel ausgleichen (Epstein et al., 2001; Butow & Avadhani, 2004). Inwieweit diese Prozesse die zelluläre ROS-Akkumulation verstärken ist unklar. Ein zusätzlicher Beitrag zur

ROS-Produktion ist jedoch unwahrscheinlich, da ansonsten alle [rho0]-Stämme erhöhte ROS-Konzentrationen aufweisen müssten, was nicht der Fall ist. Deshalb ist es wahrscheinlicher, dass das notwendige Übergewicht an metabolischer Tätigkeit in den Peroxisomen möglicherweise die peroxisomale Antwort auf die in der gesamten Zelle entstehenden ROS (Schrader & Fahimi, 2006) leicht beeinträchtigt. Bei gleichzeitig mitochondrialer ROS-Produktion, wie in den vorliegenden COX-Assemblierungs-Mutanten, könnte dies ausreichen, um wiederum das Ungleichgewicht zwischen Produktions- und Abbaurate zu verschieben.

Die primäre Ursache der beobachteten respiratorischen Inkompetenz in den vorliegenden Mutanten ∆cox10, ∆cox16, ∆cox19 und ∆mss2 ist die Cytochrom c Oxidase-Fehlfunktion, durch die der Elektronentransport gestört wird. Sekundär entstehen dadurch vermehrt ROS, deren Produktion sich selbst verstärkt. Parallel beeinträchtigt der durch den respiratorischen Defekt bestehende Energiemangel den Abbau. So kommt es zu einer verstärkten ROS-Akkumulation, die gravierende zelluläre Schädigungen hervorruft.