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3.1 Genetische Basis von respiratorischem Wachstum, mitochondrialem

3.1.2 Charakterisierung der identifizierten pet-Stämme durch funktionelle Tests…. 46

3.1.2.2 Gene, die für den Erhalt der mtDNA benötigt werden

Die 118 Mutanten aus Klasse I waren [rho0] oder [rho-] und blieben auch nach dem Erhalt intakter Mitochondrien über Cytoduktion respiratorisch inkompetent. In dieser Gruppe befanden sich vermutlich Deletionsmutanten, denen essentielle Komponenten des mtDNA-Erhalts fehlen. Zusätzlich waren aber auch solche Mutanten enthalten, deren Deletionen einen primär mtDNA-unabhängigen pet-Phänotyp bedingen, aber gleichzeitig zu einem graduellen Verlust der mtDNA führen. Für eine Unterscheidung dieser beiden Subgruppen innerhalb der Klasse I-Mutanten wurden DAPI-Färbungen direkt nach der Cytoduktion durchgeführt, um auf Anwesenheit von mtDNA zu testen. In wildtypischen Zellen sind normalerweise 15-20 mtDNA-Nukleoide enthalten (Abb. 3-5 A). Abweichungen davon wurden erfasst. Zusätzlich zu diesen Ergebnissen wurden auch die Resultate aus dem Adaptionsversuch und der Analyse der mitochondrialen Translationsaktivität berücksichtigt.

Eine bekannte essentielle Komponente des mtDNA-Erhalts ist die mitochondriale DNA-Polymerase Mip1 (Foury, 1989). Bei Deletion des entsprechenden Gens waren nach der Cytoduktion >95% der DAPI-gefärbten Zellen ohne mtDNA und in den übrigen Zellen waren weniger als 5 Nukleoide enthalten (vergleichbar mit den in Abb. 3-5 B und C dargestellten Zellen). Dieser Phänotyp zeigte somit die Situation bei einem unmittelbaren Verlust der mtDNA und wurde als Definition für Gene herangezogen, die essentiell für den Erhalt der mtDNA sind. Zusätzlich sollten die entsprechenden Deletionsmutanten auch nach Adaption nicht auf YPG wachsen können und keine mtDNA-kodierten Proteine synthetisieren.

Insgesamt entsprachen 16 Mutanten diesen Kriterien (Tab. 3-1). Die fehlenden Genprodukte wurden damit als wichtig für den Erhalt der mtDNA identifiziert.

Abbildung 3-5: Exemplarische Darstellung wildtypischer, reduzierter und fehlender mitochondrialer DNA. Exemplarisch sind DAPI-gefärbte Wildtyp- (A), ∆mrpl4- (B) und ∆fzo1-Zellen (C) abgebildet. Die ∆fzo1-Zellen wurden über Nacht bei 30°C kultiviert und anschließend mit DAPI behandelt. Durch die Interkalation des Farbstoffs können das Kerngenom (weißer Pfeil) und die mtDNA-Nukleoide (roter Pfeil) fluoreszenzmikroskopisch erfasst werden. Zusätzlich zu den Fluoreszenzaufnahmen (DAPI) sind Differential-Interferenz-Kontrast-Aufnahmen (DIC) dargestellt. Der abgebildete Größenbalken entspricht 5 µm. In Wildtypzellen sind zwischen 15-20 mtDNA Nukleoide pro Zelle enthalten. Die abgebildete ∆mrpl4-Deletionszelle (B) besitzt hingegen nur 2 Nukleoide, die im Vergleich zu wildtypischen Nukleoiden jedoch deutlich vergrößert sind, und in der gezeigten fzo1-Zelle (C) fehlt die mtDNA völlig.

Unter den 16 Deletionsstämmen waren erwartungsgemäß solche, denen Komponenten mit bekannter Beteiligung am mtMetabolismus fehlen: die mitochondriale DNA-Polymerase Mip1 (Foury, 1989), die mitochondrialen DNA-Helikasen Hmi1 (Sedman et al., 2000) und Pif1 (Lahaye et al., 1991), Apn1, ein DNA-Reparaturprotein mit Aktivität im Zellkern und in den Mitochondrien (Vongsamphanh et al., 2001), sowie Aconitase (Aco1), ein Enzym des Citratzyklus, das außerdem am mtDNA-Erhalt beteiligt ist (Chen et al., 2005).

Sofortiger Verlust von mtDNA trat zudem in Zellen auf, denen die mitochondrialen Transkriptions- und Translationskomponenten Mrpl37, Mtf1, Mtg2, Rsm24 und Slm5 fehlen und in der Deletionsmutante des ORFs YKL091w, der mit MRPL38 (kodiert ein mitochondriales Ribosomenprotein) überlappt. Bereits 1985 beobachteten Myers et al., dass eine Blockierung der mitochondrialen Proteinsynthese den Verlust der mtDNA bedingen kann. Die Mechanismen dafür sind auch heute noch unklar. Die hier gesammelten Ergebnisse untermauern aber die Wichtigkeit der Proteinsynthesemaschinerie für den mtDNA-Erhalt.

Auch in der ∆atp4-Deletionsmutante, der die ATPase-Untereinheit b fehlt, erfolgte ein schneller Verlust der mtDNA. Dieser Befund stimmt mit früheren Ergebnissen überein (Paul et al., 1989), wobei auch hier die molekulare Basis noch nicht verstanden ist (Duvezin-Caubet et al., 2006). Des Weiteren führte das Fehlen von Pet100, einem Faktor der Cytochrom c Oxidase-Assemblierung, zu einem Verlust der mtDNA. Die Tatsache, dass in allen diskutierten Deletionsstämmen ein ebenso schneller Verlust der mtDNA wie in der ∆mip1-Mutante erfolgt, lässt auf eine aktive Unterdrückung der mtDNA-Replikation oder -Vererbung in diesen Stämmen schließen. Atp4, Mrpl37, Mtf1, Mtg2, Pet100, Rsm24 und Slm5 käme demnach eine aktive Rolle in der Regulation des mtDNA-Erhalts in Hefe zu.

wildtypisch reduziert + vergrößert fehlend

DIC DAPI DIC DAPI DIC DAPI A B C

Andere Faktoren der mtDNA-Vererbung sind die Proteine Mgm1, Doc1 und das neu identifizierte Protein Rrg5. Mgm1 ist ein dynaminähnliches Protein, das über seine Rolle als mitochondriale Fusionskomponente den mtDNA-Erhalt beeinflusst (Jones & Fangman, 1992;

Merz et al., 2007). Doc1 ist als ein Prozessivitätsfaktor an der Cyclin-Proteolyse beteiligt. In diesem Prozess wird das Protein für die Ubiquitinierungsaktivität des Anaphase Promoting Complex (APC) benötigt (Carroll & Morgan, 2002). Interessanterweise wurde Doc1 auch im mitochondrialen Proteom gefunden (Sickmann et al., 2003; Reinders et al., 2006).

Möglicherweise verknüpft Doc1 die mtDNA-Replikation und/oder Vererbung mit dem Zellzyklus. Das RRG5-Gen (YLR091w) kodiert für ein Protein unbekannter Funktion und ohne Homologien zu charakterisierten Proteinen. Da Rrg5 wahrscheinlich in Mitochondrien vorliegt (Huh et al., 2003; Sickmann et al., 2003; Reinders et al., 2006), könnte es sich dabei um einen neuen Faktor handeln, der essentiell für den Erhalt von mtDNA ist.

Tabelle 3-1: Für den Erhalt mitochondrialer DNA erforderliche Gene.

Systemati-scher Name

Standard-name

Zelluläre Funktion des Genprodukts

Kodierend für bekannte Komponenten des mtDNA-Metabolismus

YKL114c APN1 in Nukleus und Mitochondrien an der DNA-Reparatur beteiligt YLR304c ACO1 Aconitase; zusätzlich für den Erhalt mitochondrialer DNA benötigt YML061c PIF1 in Nukleus und Mitochondrien aktive DNA-Helikase

YOL095c HMI1 an der mitochondrialen Innenmembran lokalisierte DNA-Helikase YOR330c MIP1 katalytische Untereinheit der mitochondrialen DNA-Polymerase Kodierend für bekannte Komponenten der mitochondrialen Transkription und Translation YBR268w MRPL37 mitochondriales Ribosomenprotein

YCR024c SLM5 mitochondriale Asparaginyl-tRNA Synthetase

YDR175c RSM24 mitochondriales Ribosomenprotein der kleinen Untereinheit YHR168w MTG2 assoziiert mit mitochondrialen Ribosomen; mögliche Rolle in

deren Assemblierung

YKL169c dubious ORF; überlappt partiell mit MRPL38 YMR228w MTF1 mitochondrialer RNA-Polymerase Spezifitätsfaktor Kodierend für Komponenten der oxidativen Phosphorylierung

YDR079w PET100 Faktor der Cytochrom c Oxidase-Assemblierung

YPL078c ATP4 Untereinheit b der mitochondrialen F1Fo-ATP-Synthase Andere Gene

YGL240w DOC1 nötig für die Ubiquitierungsaktivität des Anaphase Promoting Complex

YLR091w RRG5 unbekannte Funktion

YOR211c MGM1 mitochondriale GTPase; beteiligt an der Fusion von Mitochondrien

Die Auflistung enthält systematische und Standardnamen von Genen, die für den Erhalt neu eingebrachter mtDNA in Klasse I pet-Mutanten benötigt werden. Angaben zu zellulären Funktionen der Genprodukte stammen aus der Saccharomyces Genome Database (SGD; Issel-Tarver et al., 2002) oder manuellen Annotationen (nach Merz & Westermann, 2009).

Im Gegensatz zu den 16 diskutierten Deletionsstämmen kann für die 44 pet-Mutanten der Klasse IV eine direkte Beteiligung der fehlenden Proteine am mtDNA-Erhalt ausgeschlossen werden. Die entsprechenden Mutanten konnten zwar ebenfalls nicht über Kreuzung mit

∆mip1 gerettet werden, besaßen also aktuell keine mtDNA. Allerdings zeigte ihre Rettung über die Cytoduktion, dass sie prinzipiell in der Lage sind, neu eingebrachte mtDNA zu erhalten. Denkbar wäre, dass Mitglieder dieser Gruppe ihre mtDNA spontan verlieren, wenn sie längere Zeit auf fermentierbarer Kohlenstoffquelle gehalten werden. Interessanterweise wurden 77% der Klasse IV-Mutanten nicht in den Screens von Dimmer et al. (2002) und Luban et al. (2005) identifiziert. Daraus lässt sich schließen, dass viele der 44 Faktoren tatsächlich nur indirekt am Erhalt der respiratorischen Aktivität beteiligt sind.