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5 Analyse

5.7 Fallstudien  Innenraum

5.7.1 Modehäuser

Die Bekleidungsindustrie gibt kontinuierlich neue Trends vor und veranschaulicht dies mit dem ständigen Wechsel der Auslagen zu den vier Jahreszeiten und den entsprechenden Zwischenkollektionen. Der Bedarf an Inszenierung ist in diesem Marktsegment wesentlich höher als bei der Grundversorgung im Lebensmittelhandel.

Die Auswahl der Modemarken KiK, Zara, Diesel, Hollister und Louis Vuitton vermittelt dabei einen Einblick in internationale Unternehmen vom unteren bis zum oberen Preisniveau (Abbildung 30). Alle Marken nutzen sehr gute Innenstadtlagen für die Standorte ihrer Niederlassungen. Im Vergleich zu Zara und Diesel, die häufig auf bestehende Immobilien zurückgreifen, hat Louis Vuitton einige Modehäuser realisiert, bei denen bekannte Architekten Gebäude für diese Marke konzipiert haben.

Die deutsche Modemarke KIK mit 2600 Filialen in Deutschland und weiteren 600 in Europa verfügt über ein sehr preisgünstiges Sortiment und eine funktionale Inneneinrichtung mit enger Möblierung (KiK 2013). Das Beleuchtungskonzept der Filialen besteht aus einer Allgemeinbeleuchtung meistens mit Reihen von Leuchtstofflampen an der Decke. Das Licht wird dabei als kalt bewertet (Gronwald 2007). Diese gleichförmige Beleuchtung zielt nicht darauf ab, besondere Textilien herzuheben. Vielmehr wird die gesamte Ware gleich behandelt und wirkt unter der diffusen Beleuchtung eher günstig als teuer. Die uniforme Helligkeitsverteilung mit weißem Licht erweckt kaum den Eindruck, dass Temperament und Kompetenz durch die Beleuchtung betont werden sollen.

Die spanische Modemarke Zara mit etwa 1600 Filialen (Stand Oktober 2011) gehört zur Inditex Gruppe und verfügt über einheitliche Gestaltungsrichtlinien für ihre weltweiten Modehäuser. Da Zara keine Anzeigenschaltung vornimmt, hat die Schaufensterinszenierung eine wichtige Bedeutung und greift daher auf die Dramaturgie der Bühnenbeleuchtung zurück (CNN 2001). Intensive Hell-Dunkel-Kontraste von Akzentstrahlern sowie dekorative Lichtobjekte als Blickfang gehören zum Repertoire ihrer Schaufensterbeleuchtung. Die Innenraumbeleuchtung basiert auf einer deckenintegrierten Allgemeinbeleuchtung, die um eine flexible Akzentbeleuchtung ergänzt wird. Einbauelemente und Möbel besitzen zum Teil eine zusätzliche Voutenbeleuchtung, die das Interieur von der Wand optisch trennt und Raumtiefe schafft. Aus dem hellen Innenraum könnte man auch eine Analogie zum hellen mediterranen Ursprung der Marke in Spanien ableiten.

Die italienische Modemarke Diesel mit etwa 300 eigenen Filialen ähnelt aus lichttechnischer Sichtweise der Marke Zara mit der Kombination von Allgemein- und Akzentbeleuchtung, jedoch unterscheidet sich die Innenarchitektur durch individuelle Lösungen vor Ort (ERCO 2012). Im Vergleich zu Zara mit dem einheitlichen Gestaltungskonzept setzt Diesel auf das Besondere an jedem Ort. Die dekorative Beleuchtung zur Inszenierung von Blickpunkten erfolgt somit über unterschiedliche Kronleuchter oder Wandleuchten, die in lokalen Flohmärkten erworben werden. Der Montageort der technischen Beleuchtung – ob Deckeneinbau oder zum Beispiel Strahler für Stromschienen – leitet sich aus der jeweiligen Situation der Immobilie ab.

Die amerikanische Marke Hollister thematisiert in der Produktgestaltung und Kommunikation den kalifornischen Surf-Stil für eine junge Klientel. Die Marke gehört zu dem Unternehmen Abercrombie & Fitch und verfügte 2011 über 99 Geschäfte in 15 Ländern (Abercrombie 2012). Die Marke Abercrombie & Fitch zählt zu Unternehmen, die stark auf die Erfahrung der Marke setzen für die Kundenzufriedenheit und Loyalität zur Marke (Brakus, Schmitt & Zarantonello 2009). Die Fassaden lassen über die Holzlamellen und den dunklen Innenraum kaum einen Einblick in das Geschäft zu. Ein charakteristisches Merkmal der Innenraumgestaltung bei Hollister bildet das dunkle Ambiente. Die Akzentbeleuchtung setzt einzelne Schwerpunkte auf die Produkte, während das allgemeine Interieur dunkel im Hintergrund verborgen bleibt. Diese

Strategie lässt eine geheimnisvolle Atmosphäre entstehen, wie Barbaro (Barbaro 2006) anmerkt: „Retailers said the mysterious storefronts — and the members-only, clubby environment they generate — create a powerful identity that eventually reaches their desired customers, one way or another.“ Die Stimmung kann auch an ein Kasino erinnern, wie ein Mitarbeiter des Unternehmens sagte: „It creates an atmosphere that allows you to come in and hang out while finding some cool clothes. It gives a type of casino-feel, where people can get lost in a club-like environment, people relax, and hopefully spend more.“ (Telegraph 2011). Durch die geringe Helligkeit und die starken Kontraste erreicht die Marke eine Selektion junger Kunden, die sich für eine Club artige Atmosphäre interessieren und grenzt sich ab gegenüber älteren Personen mit geringerer Sehleistung und weniger Toleranz für eine desorientierende Beleuchtung. Hollister zeige ein extremes Beispiel für die Verwendung einer theatralischen Akzentbeleuchtung zur Markenkommunikation, wie Molony (Molony 2011) berichtet. Obwohl sich Kunden über die geringe Beleuchtungsstärke beschweren würden, die zum Teil unter den Werten für eine Notbeleuchtung bei den Verkehrsflächen liege, so sei das Konzept bei der jungen Zielgruppe dennoch erfolgreich, schreibt Molony. Um das Markenthema Strand deutlich zu veranschaulichen, präsentierte das 2010 eröffnete Geschäft an der Fifth Avenue in New York sich mit einer zweigeschossigen Medienfassade, die live Meereswellen vom kalifornischen Strand zeigte.

Die französische Luxusmarke Louis Vuitton hat seit etwa 2000 weltweit einige Flagshipstores eröffnet, bei denen namhafte Architekten die Gebäude entworfen haben (Edelmann, Luna, Magrou, Mostafavi, et al. 2011). Die Beleuchtungskonzepte an der Fassade und für den Innenraum basieren auf verschiedenen Ansätzen, die eine bessere Positionierung als individuelle Luxusmarke und eine Differenzierung gegenüber Mitbewerbern erlauben. Die Kooperation mit Lichtkünstlern wie Olafur Eliasson (Vienne 2006) und James Turrell unterstreicht die stark auf eine Ästhetik ausgerichtete Lichtplanung. Für Boehme fällt bei den Arbeiten von Turrell die semantische Leere auf, in die der Künstler das Licht rückt, da er mit objektloser Kunst arbeitet (Böhme 1996).

Die Designkritikerin Vienne beschreibt die emotionale Lichtdramaturgie des zentralen Glasdoms in Paris als: „a secluded skylit atrium bristling with slender metal rods that seemingly hang in midair, transforming the hollow space into an enchanted grotto. But for the ultimate thrill you must line up with other shoppers in the atrium to take a 40-second sensory-deprivation ride in a claustrophobic pitchblack elevator – an installation by Danish artist Olafur Eliasson...“ (Vienne 2006, P. 80). Die gestalterischen Ansätze variieren dabei je nach Standort. Während in Paris am Champs-Elysees Louis Vuitton ein historisches Gebäude umnutzte und eine Vielfalt an Beleuchtungselementen, wie einen Lichtdom, dynamische Lichtflächen sowie einen dunklen Aufzug zu einem sehr abwechslungsreichen Erscheinungsbild führte, zeigten die Neubauten in den Rappongi Hills von Tokyo (2003) und in New York (2004) eine auffällige, aber einheitliche Lichtfassade am Abend, wobei im Innenraum die Lichtkonzepte zwischen den beiden Standorten unterschiedlich ausfallen. Ungewöhnliche Eindrücke resultieren dabei aus dynamischen Inszenierungen von LED-Pixelflächen, wie in Tokyo durch die farbig

Folgerungen  

Die Übersicht der ausgewählten Marken und Projekte zeigt, dass Beleuchtung als ein strategisches Mittel der Markenkommunikation bei Modegeschäften weltweit zum Einsatz kommt. Dies betrifft sowohl die Beleuchtung im Innenraum wie auch das Erscheinungsbild zum Stadtraum hin. Die Beispiele aus dem unteren bis hohen Preissegment veranschaulichen, dass die eingesetzten Beleuchtungskombinationen eine höhere Relevanz für die Markenkommunikation bei dem mittleren bis hohen Preissegment aufweisen als eine einheitliche Grundbeleuchtung wie sie im unteren Marktsegment bei KiK vorhanden ist. Bemerkenswert ist, dass sowohl Beleuchtungskonzepte existieren, die auf ein weltweit einheitliches Erscheinungsbild setzen, wie auch Strategien mit regionaler Individualisierung. Die Nutzung von farbigem Licht und Dynamik tritt in dem hochpreisigen Segment auf und kann als Maßnahme zur Differenzierung gegenüber den Marken im mittleren Preissegment interpretiert werden. Im Vergleich zu der Atmosphäre von Zara und Diesel wirkt die Beleuchtung bei Louis Vuitton mit der Integration von farbiger Lichtkunst und den dynamischen Inszenierungen von Treppen und Wänden temperamentvoller. Die individuelle Anpassung der Beleuchtung an den Raum, die Möbel und die Produkte lässt einen professionellen Eindruck der Lichtplanung entstehen. Die Marke Hollister veranschaulicht, wie Beleuchtungsstärke und Kontrast vielmehr ein Mittel der Inszenierung sind, anstatt Voraussetzungen für eine gute Sehleistung zu schaffen.

Bewusst verzichtet Louis Vuitton an einigen Stellen auf eine natürliche Atmosphäre zugunsten einer bühnenartigen Lichtinszenierung. Die Präsentation von moderner LED-Technik mit leuchtenden Pixelflächen drückt den Wunsch nach einem fortschrittlichen Erscheinungsbild aus. Buchpublikationen, wie bei Louis Vuitton, spiegeln die Bedeutung von Architektur und Licht für die allgemeine Unternehmenskommunikation.

Greift man die Kriterien von Bosch (Annette L.M. van den Bosch, Jong & Elving 2005) zum visuellen Erscheinungsbild auf, so kann man beobachten, dass Louis Vuitton bei den Neubauten auf eine markante Sichtbarkeit bei Nacht setzt. Das Streben nach einem besonderen Bild lässt sich bei den hochwertigen Modemarken deutlich anhand der dynamischen LED-Flächen und der individuellen Gestaltung der Beleuchtung nachvollziehen. Ähnliches gilt für die Marke Esprit, die beginnt, diese Richtung ebenfalls aufzugreifen. Die Konsistenz der Beleuchtung mit den anderen Elementen der Inneneinrichtung in Hinblick auf einen einheitlichen oder vielfältigen Stil kann man bei Diesel und Zara feststellen. Auch bei Kik lässt sich eine Konsistenz feststellen zwischen dem einfachen Interieur und der funktionalen Allgemeinbeleuchtung.

Aus der Sicht der Semiotik lässt sich erkennen, dass der Beleuchtung einen konnotative Bedeutung zufällt und nicht nur eine reine funktionale Verwendung stattfindet. Hochwertige Marken setzen unterschiedliche Determinanten für ein Erfolg versprechendes Zeichen ein, wie Beleuchtungsstärke, Kontrast, Lichtspektrum und künstlerische Installationen. Bei Hollister dient beispielsweise die Dunkelheit zum Aufbau eines Zeichens, das eine geheimnisvolle Atmosphäre ausstrahlt. Durch die Umkehrung von Beleuchtungskonventionen grenzt sich die Marke durch den Zeichenkode von anderen Unternehmen deutlich ab.

a) KiK. Rostock, 2012 b) Zara. Barcelona, 2001

c) Zara. Düsseldorf, 2004 d) Zara. München, 2007

e) Diesel. London, 2004 f) Diesel. New York, 2006

g) Louis Vuitton. Hong Kong, 2005 h) Louis Vuitton. Champs-Elysées. Paris, 2005

i) Louis Vuitton. Champs-Elysées. Paris, 2005 j) Hollister. New York, 2011

k) H&M. Barcelona. 2008 l) Esprit. Frankfurt, 2011 Abbildung 30: Projekte Fallstudien Modehäuser