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Bereits vor 1900 traten vereinzelt Unternehmen auf, die Architektur als strategisches Element ihrer Marke einsetzten, wie die Feldschlösschen Brauerei von 1876 in der Nähe von Basel, die mit herrschaftlicher Gestik die Kunst des Bierbrauens zur Schau stellte (Kunz & Schneller 1992). Um die Jahrhundertwende hatte Joseph Maria Olbrich zum Beispiel bei der Darmstädter Textilfirma Stade eine Gestaltung für Produkte, Printmedien und ein Konzept für ein Ladengeschäft entwickelt (Beil & Stephan 2010).

Ein frühes Beispiel für Architektur, die im Kontext eines umfassenden Erscheinungsbildes eines Unternehmens steht, verkörpert die Arbeit von Peter Behrens für AEG. In seiner Rolle als künstlerischer Beirat der Allgemeinen-Elektrizitäts-Gesellschaft nahm er seit 1907 Einfluss auf die Produktgestaltung, grafische Werke wie auch Architektur (Messedat 2005). Sein Manifest zur Neugestaltung kann als Prototyp für ein übergreifendes Corporate Design angesehen werden. Dieses Konzept schlägt sich unter anderem nieder in dem Titelbild eines Prospektes von 1913 für eine Leuchte, das die Bereiche Grafik, Produkt und Architektur umspannt. Ein stark von exotischer Symbolik gekennzeichnetes Gebäude entstand 1909 in Dresden mit der Zigarettenfabrik Yenidze, das mit der Metapher einer Moschee Aufmerksamkeit erzielte. Für eine markante Fernwirkung bediente sich der Architekt Martin Hammitzsch einer orientalischen Kuppel, (Nelissen 2000). Ab den 1920er Jahren entstanden Projekte mit einem spezifischen Markenbild für verschiedene Standorte, wie dies die Schocken-Kaufhäuser belegen mit ihrer charakteristischen architektonische Haltung von Erich Mendelsohn, die zu jener Zeit Fortschrittlichkeit und Hochwertigkeit für die Marke kommunizierten. Fernwirkung wie auch eine werbewirksame Tag-Nacht-Ansicht bis zu Leitlinien für die Innenraumgestaltung gehörten zu den Gestaltungsrichtlinien, um für Nürnberg, Stuttgart und Chemnitz ein gemeinsames Leitbild zu transportieren (Messedat 2005; D. Neumann 2002). Mit dem Industriepark Höchst hat Peter Behrens in den 1920er Jahren ein Bauwerk geschaffen, das später durch die Stilisierung als Firmenlogo international Bekanntheit erlangte (Buderath 1990).

Nach dem zweiten Weltkrieg leitete die zunehmende Automobilisierung den Bau von Tankstellen als Serienprodukt im Städtebau ein. Agip nahm in den 1950er Jahren eine Vorreiterrolle bei der Loslösung von einem funktionell geprägten Gebäude hin zu einem Bauwerk mit hohem Wiedererkennungswert für die Marke ein. Mit der hundertfachen Reproduzierung dieses Typus in den folgenden beiden Jahrzehnten wurde das Straßenbild nachhaltig geprägt (Architekturmuseum 2010). In Deutschland entstand an der Hochschule für Gestaltung in Ulm ein wichtiges Zentrum, das sich mit dem Erscheinungsbild von Unternehmen befasste. Ausgehend von der visuellen Kommunikation – Grafik, Typografie, Fotografie und Ausstellungsgestaltung – entstand ein frühes Corporate Design Konzept für das Unternehmen Braun. Der 1955 für eine Ausstellung in Düsseldorf konzipierte Messestand von Braun hat sich zu einem Prototyp für weitere Ausstellungen entwickelt und wurde zu einem Bestandteil der

1970-­‐2000  

Das Unternehmen Vitra hat in vergleichbarer Form wie Olivetti mit international bekannten Architekten kooperiert und diese beauftragt, auf dem Firmengelände Gebäude zu errichten. Seit 1981 entstand ein vom Pluralismus geprägtes Ensemble in Weil am Rhein, das von Produktionshallen bis zum Museum reicht und vor allem unter Gestaltern und Architekten einen hohen Bekanntheitsgrad für die Marke erzielt hat. In Asien hatte Sony 1966 seinen ersten Aufsehen erregenden Showroom eröffnet und in den siebziger Jahren das Konzept auf mehrere Standorte übertragen (Roost 2000).

Mitte der neunziger Jahre erschien ein neuer Typus in der Unternehmensarchitektur:

Der Flagship-Store: Ein Terrain ausschließlich zur Selbstdarstellung einer Marke, die die Marke in ihrer reinen Form erlebbar machen soll. Die Flagship-Stores dienten anschließend als Vorlage für weitere Filialen, um das Erscheinungsbild über die gesamte Marke auszubreiten. Louis Vuitton hat beispielsweise seine Produkte zu 87%

in exklusiven Läden präsentiert, in denen das Erscheinungsbild präzise kontrolliert werden konnte (Chung, Inaba, Koolhaas & Leong 2001). Ralph Lauren gehörte zu den ersten, der ein Ladengeschäft unter dieser Bezeichnung in New York 1985 einführte (Messedat 2005). Ab 1990 haben sich Marken, die weit weniger exklusiv waren wie Modefirmen im Stile Ralph Laurens, die Flagship-Store Strategie zur Markenkommunikation zu eigen gemacht. Beispielsweise hat sich Nike mit seinen als Niketown bezeichneten Flagship-Stores an die breite Bevölkerung gewandt, um dort Erlebnisräume für die Marke zu schaffen – zunächst mit dem Fokus auf die USA und dann später weltweit. Auch die Uhrenmarke Swatch hat durch die Einführung ihrer Megastores ab 1996 das Markenverständnis gezielt über die Inneneinrichtung transportiert (Swatchforum 2010). Ein sehr weit greifendes Gestaltungskonzept, das Architektur und auch Landschaftsarchitektur umfasste, hat unter anderem Otl Aicher für den Münchner Flughafen von 1992 konzipiert (Uhrich 1992).

2000  -­‐  Gegenwart  

Durch die Vereinigung mehrerer Marken zu einem Konzern tauchte mit der Autostadt 2000 ein weiterer Typus der Unternehmensarchitektur auf, der in diesem Fall eine Markenwelt unter dem Dach von Volkswagen zusammenfasste. Die Architekturgalerie Aedes präsentierte in diesem Kontext eine Ausstellung zum Thema „Corporate Architecture“ und stellte die Arbeit von Henn Architekten Ingenieure zur Diskussion:

„Betrachtet man ein Gebäude als soziale Tatsache, dann bedeutet Corporate Architecture, einen Raum und einen Ort zu schaffen, der die Authentizität des Unternehmens sichtbar und erlebbar macht und den Bürger ungezwungen teilnehmen lässt.“ (Henn 2000, P. 5). Zur städtebaulichen Dimension erläutert Henn weiter,

„Corporate Architecture lässt eine neue urbane Richtung entstehen, die dem öffentlichen Raum eine zusätzliche Bedeutung verleiht und Stadtentwicklung bewirken kann – als Ausdruck der öffentlichen Verantwortung, der Wertevorstellungen heutiger Zeit und damit als Ausdruck des kulturellen Kontextes.“ (Henn 2000, P. 5).

Publikationen wie „Volkswagen Architektur“ (Scheer 2001) geben wieder, wie die Gestaltungsrichtlinien für Architektur im Detail aussehen und realisiert wurden. Die Idee, Technik, Geschichte, Gastronomie und Veranstaltungsräume in einem Gebäude zu präsentieren, haben danach weitere Automobilhersteller in Deutschland aufgegriffen mit Bauwerken wie dem Mercedes Museum (Stuttgart, 2006), der BMW Welt (München, 2007) und dem Porsche Museum (Stuttgart, 2009).

In der Modebranche nahm mit dem Prada Epicenter in New York von OMA der Umgang mit Corporate Architecture eine neue Dimension an. Die Bekanntheit von internationalen Stararchitekten mit deren typischer Handschrift spielte eine zunehmend wichtige Rolle, wenn nicht in manchen Fällen sogar die wesentliche. Publikationen von Louis Vuitton (Gasparina, O’Brien, Igarashi, Luna, et al. 2009) und Prada (Prada,

Bertelli, Rock & S. J. Kim 2010) belegen, welchen Stellenwert die Architektur für die Marke einnehmen sollte.

Eine kritische Stimme zu diesem Trend nahm Hans Ibelings ein, als er George Ritzer mit seinem Buch „Die Globalisierung des Nichts“ zitierte und von der Banalisierung des Ikonischen sprach: „Ohne Zweifel steckt hinter vielen Beispielen einer ikonischen Architektur ein unglaubliches Maß an kreativer Anstrengung und Entwurfsenergie, und natürlich sind viele der Architekten, die solche Ikonen entwerfen, völlig zu Recht hoch geachtet. Dennoch fällt eine bedingungslose Begeisterung über diese Gebäude schwer.

Viele dieser Ikonen ermüden den Betrachter nämlich bald, gerade wegen ihrer aufmerksamkeitsheischenden Entschlossenheit, außergewöhnlich sein zu wollen. Dabei sind sie letztlich genauso konformistisch wie die durchschnittliche, nicht-ikonische Architektur.“ (Ibelings 2009, P. 76). Meder kritisiert die Entwicklung von Corporate Architecture ebenso: „Die positiven Beispiele dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Schaffung einer positiv besetzten Markenidentität das essenzielle Ziel jeder publikumswirksam kommunizierten Corporate Architecture ist - so lebt gerade die Automobilindustrie fast ausschließlich - auch mittels Architektur - bewusst generierten Image. Wegen ihres enormen Mehrwerts für die Wahrnehmung von Marken wird Architektur daher nicht selten auf die Erstellung von markanten Bauten internationaler 'Stararchitekten' verkürzt, die Gier nach Reputationsgewinn vor eine sinnvolle, nachhaltige Planung gestellt und Bauten für zweifelhafte Imagekorrekturen missbraucht.“ (Meder 2012). Im Kontext der Finanzkrise weist Dörries darauf hin, dass solche Ereignisse auch zu einem Deutungswandel führen können: „Die gläsern-transparenten, geradlinigen Banktürme stehen plötzlich für höchst undurchsichtige, verantwortungslose und gefährliche Operationen.“ (Dörries 2011). Die Aufladung von Architektur mit Reklametafeln als sehr direkte Kommunikationsform von Werbeinhalten wird an manchen Orten wie Sao Paulo als negativ bewertet, sodass daraus auch Initiativen entstanden, Reklametafeln zu entfernen (Oehrlein 2007). Nach der Bewertung von Foley (Foley 2011) hat dies kreative Strategien initiiert, die nicht unbedingt mit Nachteilen für die Werbebranche verbunden waren. Im Gegenzug zu den großen Gesten von Stararchitekten scheint der Umgang der österreichischen Supermarktkette MPreis stark von Regionalität und Bezug zur Umgebung geprägt zu sein. Auf der Internet Startseite findet sich die Rubrik „Architektur bei MPreis“ in prominenter Position und präsentiert die Bedeutung von regionaler Architektur mit einer unprätentiösen Selbstverständlichkeit (MPreis 2010).

Folgerungen  

Die historische Übersicht zeigt auf, dass sich das markante Erscheinungsbild einiger weniger Unternehmen stark auf zahlreiche Marken ausweitete, die nach 1950 und durch die Globalisierung mit dem seriellen Aufstellen von zentral definierten Ladengeschäften agierten. Der ursprüngliche Ansatz eines durchgehenden einheitlichen visuellen Erscheinungsbildes wurde vor dem Hintergrund kultureller Vielfalt in der Gesellschaft teilweise aufgebrochen, so dass eine Haltung wichtiger als ein bestimmter Stil wurde.

Es bleibt zu prüfen, wie sich bei dem Wandel von einem Stil zu einer Haltung eine Übertragung auf das Thema Licht vornehmen lässt. Die in den letzten Jahren drastische Zunahme in der Verwendungshäufigkeit des Begriffes Corporate Architecture erfordert eine kritische Reflektion und Auseinandersetzung mit der Frage, ob dieser Terminus im eigentlichen Sinne genutzt wurde oder oberflächlich zur Veredelung eines Entwurfes oder einer Kommunikationsstrategie diente. Mit Blick auf die Semiotik ließe sich auch differenzierter deuten, inwiefern Architekten das Gebäude als Zeichen für ihr eigenes aktuelles Markenbild aufgestellt haben oder dieses Bezug nimmt zu einem übergeordneten und langfristigen Erscheinungsbild des Unternehmens. Stößt das Streben nach gebauter Aufmerksamkeit stellenweise auf Überreizung, wie Kritiker anmerken, so gilt es zu klären, wie sich die Beleuchtung in diesem System positionieren kann.