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5 Analyse

5.5 Experimente  in  Innenräumen  mit  unterschiedlicher  Nutzung

5.5.1 E06:  Modegeschäft  -­‐  Beleuchtungsarten

Das Experiment mit acht verschiedenen Beleuchtungssituationen in einem Modegeschäft analysierte den Einfluss von Licht als unabhängige Variable auf die Atmosphäre und das Markenerscheinungsbild als abhängige Variable (Tabelle 21).

Dafür wurden bei einem unveränderten Interieur die Helligkeit, der Kontrast, die Farbtemperatur und das Lichtspektrum variiert. Neben der Wirkung auf das Erscheinungsbild war von lichtplanerischem Interesse, ob die Sichtbarkeit der Leuchten einen signifikanten Einfluss auf das Erscheinungsbild hat. Daher kamen Lichtszenen mit sichtbaren und mit wegretuschierten Leuchten bei gleicher Lichtwirkung im Raum zum Einsatz. Zudem war angestrebt, einen internationalen Vergleich bei der Bewertung des Erscheinungsbildes zu erhalten. Die Bewertung von Licht und Erscheinungsbild erfolgte bei diesem Experiment an Hand des semantischen Differenzials. Diese Studie wurde in einer kürzeren Form im Journal „Lighting Research and Technology“

publiziert (Schielke 2010a).

Tabelle 21: E06 Übersicht Variablen

Unabhängige Variablen Abhängige Variablen

- Lichtstärkeverteilung: Grundbeleuchtung, Akzentbeleuchtung, Wandflutung, Uplights, dekorative Leuchten

- Lichtspektrum: Weiß, Rot, Blau, Magenta - Farbtemperatur: warm, kalt

- Leuchten: Sichtbar, wegretuschiert

- Licht: Helligkeit, Kontrast, Farbtemperatur, Farbigkeit - Soziales Milieu: Preis, Stil - Allgemeines Erscheinungsbild:

Attraktivität, Dramatik, Uniformität, Natürlichkeit, Unauffälligkeit

Hypothesen  

Empfindung von Licht und Erscheinungsbild:

E06_H1.1: Eine höhere Helligkeit erreicht höhere Werte bei den Merkmalen (a) Preis, (b) Stil, (c) Attraktivität und (d) Natürlichkeit.

E06_H1.2: Ein höherer Kontrast erreicht höhere Werte bei den Merkmalen (a) Preis, (b) Stil, (c) Attraktivität und (d) Natürlichkeit.

E06_H1.3: Eine höhere Farbtemperatur erreicht höhere Werte bei den Merkmalen (a) Preis, (b) Stil, (c) Attraktivität und (d) Natürlichkeit.

Lichtspektrum und Erscheinungsbild:

E06_H1.4: Farbige Lichtszenen erreichen höhere Werte bei (a) Attraktivität, (b) Dramatik, (c) Uniformität, (d) Natürlichkeit, (e) Stil, (f) Preis und (g) Unauffälligkeit im Vergleich zu weißen Lichtszenen.

Validität:

E06_H2.1: Bei der Wahrnehmung von Licht und Erscheinungsbild existieren Unterschiede zwischen Situationen mit (a) sichtbaren und (b) wegretuschierten Leuchten bei gleicher Lichtwirkung.

E06_H2.2: Bei der Bewertung von Licht und Erscheinungsbild bestehen Unterschiede bei einem internationalen Vergleich für die Merkmale (a) Helligkeit, (b) Kontrast, (c) Farbtemperatur, (d) Stil und (f) Preis.

Gestaltung  von  Raum  und  Beleuchtung  

Möbel sowie Kleidungsobjekte befanden sich in einem Verkaufsraum mit einer Größe von etwa 10m x 10m x 3,5m. Dieser längliche rechteckige Grundriss stellt eine sehr gebräuchliche Form für Geschäfte dar (Pracht 2001). Das Schaufenster sowie ein Deko-rationspunkt im Hintergrund enthielten Schaufensterfiguren, um einen Anhaltspunkt für die Raumgröße zu vermitteln. Die Inneneinrichtung mit Regalen, Tischen und Waren-trägern hatte eine klare Struktur mit einer mittigen Hauptachse. Die Möbel wurden er-gänzt um verschiedenfarbige Bekleidungsobjekte in vereinfachter Darstellung. Da die Grundstruktur des Interieurs der allgemeinen Grundrissanordnung von Boutiquen

ent-sprach, bot diese Situation eine gute Grundlage für Verallgemeinerungen. Denkbar wäre dieser Aufbau auch für Shop-in-Shop Konzepte wie in größeren Warenhäusern (Jerath

& Zhang 2010). Als Betrachterstandpunkt wurde der Blick von außen durch das Schau-fenster in das Geschäft mit einer Zentralperspektive gewählt. Dieser Blickwinkel ent-spricht der Situation, wenn Passanten an einem Geschäft vorübergehen und am Eingang stehen bleiben.

In das Experiment wurden acht Lichtszenen aufgenommen, um eine breite Vielfalt an Beleuchtungssituationen abzudecken. Die Varianz der Lichtszenen umfasste die Parameter diffuses und gerichtetes Licht, Helligkeit, Kontrast, Farbtemperatur und Lichtspektrum. Die Auswahl der Lichtszenen leitete sich zum einen von Projekten aus der Praxis ab und zum anderen aus der Selektion von fiktiven, aber durchaus in der Praxis möglichen Kombinationen. Die Lichtszene L1 ist charakterisiert durch eine horizontale Allgemeinbeleuchtung mit diffusem Licht im Vergleich zu L2, der ein gerichtetes Licht mit Lichtkegelanschnitten an der Wand zu eigen ist. L8 erzeugt eine noch stärkere Aufhellung der Wände. Den kühlen Lichtfarben der Situationen L1, L2 und L8 stehen L4 und L6 gegenüber, die über ein warmtoniges Licht für die Akzentbeleuchtung verfügten. Die fünf weißen Lichtszenen stehen im Kontrast zu den drei farbigen Lichtszenen. Pastellige rosa und blaue Lichtfarben kennzeichnen L3 im Vergleich zu dem einfarbigen roten Konzept von L5. L7 dokumentiert eine sehr dunkle Lichtlösung mit dekorativem magentafarbigem Licht. Als Montagearten für die Beleuchtung kamen Einbauleuchten, Leuchten für Stromschienen, Pendelleuchten, Wandaufbauleuchten sowie hinterleuchtete Flächen zur Verwendung (Abbildung 17).

L1a Horizontale Allgemeinbeleuchtung und Akzentbeleuchtung

L2a Horizontale Allgemeinbeleuchtung mit Aufhellung der Wände und Akzentbeleuchtung

L3a Farbige Beleuchtung und Akzentbeleuchtung L4a Akzentbeleuchtung

L5a Farbige Beleuchtung, Akzentbeleuchtung,

Uplights L6a Horizontale Allgemeinbeleuchtung,

Wandflutung, dekorative Leuchten

L7a Farbige Beleuchtung, Akzentbeleuchtung, leuchtende Möbel

L8a Horizontale Allgemeinbeleuchtung

L1b Horizontale Allgemeinbeleuchtung und Akzentbeleuchtung

L2b Horizontale Allgemeinbeleuchtung mit Aufhellung der Wände und Akzentbeleuchtung

L3b Farbige Beleuchtung und Akzentbeleuchtung L4b Akzentbeleuchtung

L5b Farbige Beleuchtung, Akzentbeleuchtung,

Uplights L6b Horizontale Allgemeinbeleuchtung,

Wandflutung, dekorative Leuchten

L7b Farbige Beleuchtung, Akzentbeleuchtung, leuchtende Möbel

L8b Horizontale Allgemeinbeleuchtung

Abbildung 17: E06 Lichtszenen

Simulation mit sichtbaren Leuchten (a) und wegretuschierten Leuchten (b)

Ablauf  

Das Experiment erfolgte in zwei Phasen: Zunächst wurde ein Vergleich getestet von den Räumen mit sichtbaren Leuchten (n = 18) und mit unsichtbaren Leuchten (n = 22) bei gleicher Lichtwirkung. Für eine Generalisierung der Ergebnisse wurde die Gestal-tung der Leuchte als Variable aus dem weiteren Experiment herausgenommen. In einem

& Tiller 2003). Die Einbeziehung der Methode von Bildpaarvergleichen wurde nicht berücksichtigt. Dies hätte für die Probanden einen hohen Zeitaufwand bedeutet, wenn-gleich dieser Ansatz hätte helfen können, die systembedingten Beschränkungen des semantischen Differenzials, bedingt durch die Möglichkeit des inkonsistenten Ge-brauchs durch die Teilnehmer, zu reduzieren und die relevanten Dimensionen besser zu analysieren. Die Lichtwahrnehmung als abhängige Variable wurde durch folgende Paare erfasst: „bright - dark“, „high-contrast lighting – diffuse lighting“, „cold – warm“.

Das Paar „attractive – unattractive“ deckte den emotionalen Eindruck im Sinne einer affektiven Bewertung ab. Attributive Komponenten wurden bewertet mit „natural - technical“, „dramatic - relaxed“, „uniform - differentiated“ sowie „unobtrusive – ex-pressive“. Das Markenerscheinungsbild konzentrierte sich auf von den sozialen Milieus genutzten Skalen von Stil und Preis: „traditional – modern“ sowie „low budget – high class“. Das semantische Differenzial enthielt an den Enden jeweils die Beschriftung

„very much“, die Mitte wurde mit „neutral“ gekennzeichnet.

Auf Grund der internationalen Ausrichtung wurden beide Experimente für eine bessere Vergleichbarkeit als Online-Umfrage realisiert. Die Online Umfrage enthielt eine kurze Aufgabenbeschreibung ohne das Ziel der Studie zu benennen. Die acht Lichtszenen (800x294px) mit den Wortpaaren für die semantischen Differenziale befanden sich je-weils auf einer separaten Seite. Die Reihenfolge der Wortpaare wurde bei den verschie-denen Lichtszenen nach einem Zufallsprinzip geändert, um Wiederholungseffekte zu vermeiden. Die letzte Seite enthielt die Fragen zu den persönlichen Angaben zu Alter, Geschlecht und Ort. Im Gegensatz zu dem ersten Teilexperiment mit den zwei deut-schen Probandengruppe für Simulationen mit Leuchten (n = 18) und mit wegretuschier-ten Leuchwegretuschier-ten (n = 22) , hatte die zweite Gruppe (n = 99) eine internationale Zusammen-setzung mit Europa (n = 25), Amerika (n = 20), Mittlerer Osten - Afrika (n = 26) und Asien (n = 17). Für eine homogene Gruppenstruktur wurden Studierende aus dem Be-reich der Gestaltung für die Umfrage eingeladen. Weitere Personenangaben zu den Teilnehmern befinden sich in der Tabelle 190.

Theoretische  Folgerungen  

Die Studie stellt einen ersten Schritt für die Verknüpfung von Beleuchtung und Er-scheinungsbild für das Segment von Modegeschäften dar. Ein signifikantes Modell zur Voraussage des Erscheinungsbildes auf Grund der subjektiven Bewertung von Licht zu entwickeln, ließ sich nicht realisieren. Eine Schwierigkeit für ein kausales Modell lag darin, dass bei der Beschränkung auf acht Lichtszenen die verschiedenen Beleuchtungs-variablen nicht systematisch in verschiedenen Abstufungen und gleichzeitig in Kombi-nation getestet werden konnten. Vergleicht man weiße und farbige Beleuchtung, so wird deutlich, dass sich signifikante Unterschiede im Erscheinungsbild ergeben. Der Test zur Sichtbarkeit der Leuchten gibt einen Hinweis darauf, dass die Gestaltung der Leuchten bei einer gesamten Perspektive eines Raumes keinen wesentlichen Unterschied aus-macht. Demzufolge wird in den weiteren Studien nicht auf die Leuchte als Gestaltungs-detail eingegangen. Mit der internationalen Umfrage liegt ein erster Schritt vor, um die Wahrnehmung von Licht und die Bewertung des Erscheinungsbildes in einem interkul-turellen Kontext zu diskutieren.

Da Beurteilungen in Hinblick auf Ästhetik und Erscheinungsbild auch abhängig von Personenmerkmalen sein könnten und somit eine Verallgemeinerung der Ergebnisse beeinträchtigen könnten, gilt es, diesen Faktor nicht unberücksichtigt zu lassen. Der Forschungsbericht der Universität Dresden (Haase, Hürrig, Lense & Sillack 2010) bietet hierfür wertvolle Hinweise. Die Gruppe analysierte für Lichtsimulationen von einem Ladengeschäft mit gleicher Inneneinrichtung wie bei diesem Experiment, dass die folgenden sechs Einflussvariablen keine signifikanten Unterschiede in den Gefallensurteilen der Lichtszenen verursachen: Grad der Extroversion, Stimmungslage

zum Zeitpunkt der Untersuchung, Interesse an Architektur, künstlerisches Interesse, Vertrautheit mit Einkaufswelten sowie Konsumorientierung. Die Autoren sprechen ihrer Arbeit zwar einen explorativen Charakter zu, da einige Aspekte wie die Stichprobengröße (n = 100), die ausschließliche Besetzung der Probanden mit Psychologiestudenten sowie einige weitere Faktoren eine Generalisierung problematisch erscheinen lassen. Jedoch liegt mit dieser Arbeit ein erster Anhaltspunkt hinsichtlich personeller Einflussfaktoren für ein Gefallensurteil von Ladenbeleuchtungen vor.

Praktische  Folgerungen  

Mit Blick auf die Planungspraxis liefert die Untersuchung einen Anhaltspunkt dafür, dass der Gestaltung der Leuchte keine primäre Bedeutung bei dem Gesamteindruck eines Raumes zufällt, da die Darstellungen mit sichtbaren und wegretuschierten Leuch-ten bei gleicher Lichtwirkung eine ähnliche Bewertung zur Folge hatLeuch-ten. Durch den Einsatz farbiger Beleuchtung lässt sich das Erscheinungsbild eines Modegeschäftes we-niger natürlich aber moderner gestalten im Vergleich zu weißen Lichtszenen. Die Er-gebnisse der internationalen Umfrage eröffnen Unternehmen die Möglichkeit, mit einer weltweit einheitlichen Lichtgestaltung global ein gleichförmiges Erscheinungsbild zu erzielen, da die Bewertung der verschiedenen Kulturgruppen keine wesentlichen Unter-schiede aufzeigte und nur hinsichtlich des Kontrasteindruckes bei Deutschland und Amerika eine signifikante Differenz auftrat.

Einschränkungen  

Der Versuch geht von einer Innenraumgestaltung für ein Modegeschäft aus und stellt damit eine Einschränkung dar in Bezug auf die Vielzahl unterschiedlicher Interieurs in der Praxis. Dieser Aspekt wird daher im Experiment E08 näher untersucht. Ebenso stellt die Selektion von acht Lichtszenen und der farbigen Beleuchtung nur einen kleinen Ausschnitt der vielfältigen Lichtplanungen für Modegeschäfte im realen Umfeld dar.

Bei dem frühen Versuch zum Erscheinungsbild von Innenraumbeispielen kam bei die-sem Modegeschäft nur das Modell von sozialen Milieus (U. Becker & Nowak 1982) zur Verwendung und nicht das differenziertere Modell zur Markenpersönlichkeit von Raf-felt (RafRaf-felt 2012). Bei der Diskussion zur Sichtbarkeit der Leuchten sollte bedacht werden, dass dieses Experiment eine Gesamtperspektive des Raumes nutzte und die Bewegung durch den Raum unberücksichtigt ließ. Bei dem Gang durch das Geschäft können die Leuchten perspektivisch einen größeren Raum im Sehfeld einnehmen und entsprechend eine größere Rolle erhalten. Eine höhere Probandenanzahl bei der inter-kulturellen Analyse würde die Validität des Versuches erhöhen.