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Miteinander, statt übereinander reden: Erste Erfahrungen mit gemeinsamer Arbeit

3.2 Der Kommunalverbund Niedersachsen/Bremen e.V

3.2.3 Miteinander, statt übereinander reden: Erste Erfahrungen mit gemeinsamer Arbeit

In §1 der Satzung heißt es daher: Der KV "verfolgt den Zweck, den Raum wirtschaftlich zu stärken und strukturell zu verbessern, die kulturellen Be-lange und sonstigen Aktivitäten zu fördern sowie die ökologische Situation zu erhalten und zu verbessern. Dies wird insbesondere dadurch erreicht, daß die planerischen Interessen der Mitglieder untereinander bekannt gemacht werden, mögliche Interessengegensätze aufgezeigt und Lösungsansätze in die jeweiligen politischen Beratungen eingebracht werden."

Der erste Satz läßt deutlich hervortreten, daß Institutionalisierung und in-terorganisatorische Relationierung Satzungsziele darstellen, denn die Be-deutung einer unkonventionellen Dialogebene zwischen Bremen und sei-nen Nachbarn kann - wie bereits angemerkt - nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die damit aufgebaute Interaktionsschiene entspricht - allgemeiner formuliert - der intensiven Kontaktpflege zwischen der Ministerial- und Kommunalebene über Ländergrenzen hinweg.

Eine weitere Aufgabenstellung von Bedeutung liegt aus der Sicht von Ge-sprächspartnern in der Vertretung kommunaler Interessen gegenüber hö-hergelagerten Dienststellen bei Bund und Land (dies gilt freilich nicht für die Bremer Seite). Von einigen Beteiligten wird der KV auch als Interes-senvertretung gegenüber den Landkreisen angesehen.

3.2.3 Miteinander, statt übereinander reden: Erste Erfahrungen

Das Unternehmen verfolgte mehrere Ziele zugleich: Die Übersicht soll im Prinzip dazu dienen, jedem potentiellen Investor das jeweils geeignetste Grundstück anbieten zu können. Ferner lassen sich daraus regionale Strategien für den weiteren Ausbau von Industrie- und Gewerbeflächen ableiten. Abgesehen von dieser inhaltlich-fachlichen Bedeutung testete das Kataster den Willen der Mitglieder zu Infomation und Zusammenarbeit, und spiegelt nach Vollendung deren tatsächliches Voranschreiten wider: Alle Migliedsgemeinden haben ihre Preise für Flächen offengelegt, was im Lichte der nach wie vor existierenden Konkurrenzsituation keine Selbstverständlichkeit ist. Die Mitwirkung signalisiert den jeweils anderen Vertrauen darin, daß die gegebenen Informationen von niemandem aus "egoistischen Motiven" heraus mißbraucht würden. Das angesprochene Kataster ist also einerseits eine Dokumentation des Prozeßcharakters der Institutionalisierung, andererseits stellt es jenseits von konkreten Interaktionssystemen in jeder Kommune Anschlußmöglichkeiten für Entscheidungsoperationen im Sinne von kooperativen Zielen und Strategien bereit.

Das Kataster hat ja erst dann einen praktischen Nutzen, wenn es tatsäch-lich als Instrument einer regionalen Gewerbepolitik genutzt wird. Der nächste Schritt besteht daher in einer verbesserten Koordination im Um-gang mit einzelnen Investoren, die zwecks Neuansiedlung, Verlagerung oder Erweiterung ihres Unternehmens um Grundstücke nachsuchen. Es wäre illusorisch anzunehmen, daß die zuerst kontaktierte Gemeinde den Unternehmer sofort an dasjenige Mitglied "weiterreicht", daß unter Be-rücksichtigung der speziellen Gegebenheiten über das optimale Grundstück verfügt (jedenfalls solange, wie die Gewerbesteuer eine relevante Einnahmequelle darstellt). Falls die zuerst angesprochene Gemeinde jedoch keine passenden Flächen zur Verfügung stellen kann, soll der Investor nicht "in die Wüste geschickt", sondern dorthin ver-wiesen werden, wo seine Raumprobleme in befriedigender Weise zu lösen sind. Diese Form der Zusammenarbeit funktioniert bereits in Ansätzen. Die überwiegende Zahl der befragten Städte und Gemeinden erklärte im übrigen, sich an die im Kataster empfohlenen Grundstückspreise zu halten.

Zweiffellos ist ein solch abgestimmtes Vorgehen ein entscheidender Schritt zum Abbau des Preisdumping bei der kommunalen Gewerbepolitik. Die Lösung dieses Problems wird nach Aussagen von Hauptverwaltungsbeamten noch dadurch unterstützt, daß neu zu erwerbende Flächen im Preis erheblich höher liegen, als in der

Vergangenheit. Mit anderen Worten: Die "Gewinnspanne" bei der Veräußerung der Grundstücke schwindet dahin und deckt zunehmend we-niger die den Kommunen entstehenden Folgekosten der Gewerbeansiedlung (neben der direkten Erschließung z.B. auch die innerörtliche Verkehrsanbindung sowie deren Unterhaltskosten). Niedrig-preise für Gewerbeflächen sind daher u.U. auch bei zu erwartenden hohen Gewerbesteuereinnahmen ein Verlustgeschäft.

Die Gewerbepolitik ist allerdings nur eines unter mehreren Aufgabenfel-dern. Um sich darüber klar zu werden, von welchen Voraussetzungen eine kommunale Arbeitsteilung im gesamten Spektrum kommunalen Handelns ausgehen muß, gab der KV eine Untersuchung in Auftrag, deren Ziel nicht in der Ausarbeitung eines Entwicklungskonzeptes bestand, sondern in der Erstellung eines Überblicks über die verschiedenen Potentiale und Strategien der Einzelstandorte.

Anhand der Ergebnisse ist eine Karte entstanden, die nunmehr als Grund-lage für die Beantwortung folgender Fragen dienen kann: Welche Vora-ussetzungen liegen in den einzelnen Gemeinden für ihre zukünftige Ent-wicklung vor, und in welche Richtung kann jeweils eine Spezialisierung vorangetrieben werden, die im Endeffekt der gesamten Region dient? Auf dieser Grundlage lassen sich wiederum Projekte kreieren, die die Unterstützung durch den gesamten Zusammenschluß finden. Es handelt sich hierbei also um eine Entwicklungsplanung "von unten", die nach der Vermittlung von Einzelinteressen und der Bereinigung von Konflikten auf die Projektebene übergeht.

Gerade aus diesem Grunde ist die Arbeitsgrundlage des KV kritisiert wor-den: Ihr Maßstab sei nicht eine ausgeglichene räumliche Entwicklung, sondern ein Interessenspektrum der einzelnen Standorte. Eine solche Kritik ist der Sache nach zwar gerechtfertig, geht aber am eigentlichen Zweck der erwähnten Erhebung vorbei: Ziel der Unternehmung war es, den einzelnen Gemeinden ihre Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen sächlicher Voraussetzungen und vorhandener Konkurrenzbeziehungen vorzuhalten. Eine solche "Selbstbespiegelung" der Kommunen erlaubt der einzelnen Gemeinde, künftige Konfliktlinien vorauszusehen und sich unter den Mitgliedern diejenigen mit ähnlichen Zielvorstellungen herauszusuchen, um eine Abstimmung gleichgerichteter Vorhaben anzugehen.

Die Untersuchung bietet als solche freilich keine konzeptionelle Grundlage für regionalpolitisches Handeln. Sie stellt jedoch eine

wesentliche Voraussetzung für einen selbst organisierten Lernprozeß dar, an dessen Ende eine Arbeitsteilung der Standorte stehen kann, die, weil sie auf den räumlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen aufbauen muß, den Gesichtspunkten raumfunktionaler Arbeitsteilung nicht automatisch widerspricht. Der KV hat mit dieser Arbeitsgrundlage wiederum den Prozeß der Kooperation dokumentiert und Anschluß für weiteres Entscheiden geschaffen. Die daraus entstandene Karte ist insofern bemerkenswert, als - wenn man so will - Akteurfiktionen der Mitgliedsgemeinden (nämlich deren strategische "Ausrichtung", also ihre selbst konstruierten Handlungs- und Entscheidungsräume) in die Übersicht einbezogen wurden. Die Untersuchung reflektiert, anders formuliert, die räumliche Verflechtung so, wie sie unter den Mitgliedsgemeinden kommuniziert wird.

In einer anderen Funktion, nämlich als Wegbereiter und Vermittler von gemeinsamen Projekten benachbarter Gemeinden hat der KV auch Erfolge auf der Realisierungsebene zu vermelden: Mittels seiner Unterstützung sind zwei Vorhaben der grenzüberschreitenden Gewerbeentwicklung schon recht weit gediehen, wobei die Verteilung von Kosten und Nutzen unter den beteiligten Gebietskörperschaften noch geklärt werden muß, darunter insbesondere die Folgen, die sich aus gemeinsamen Gewerbeflächen für den kommunalen Finanzausgleich ergeben (vgl. dazu auch Huebner 1994b). Hier ist die Unterstützung des Landes gefragt, um die der KV als Interessenorganisation gegenwärtig nachsucht.

Damit wurden einige für die Konsolidierung des KV relevante Entwicklungen vorgestellt. Darüber hinaus findet in den Arbeitsgruppen eine kontinuierliche Auseinandersetzung über das zukünftige gemeinsame Handeln statt.

Ergebnisse der Arbeitsgruppe Wirtschaft (Gewerbeflächenkataster) wur-den oben bereits erwähnt. Darüber hinaus übt die AG moderierende Funk-tionen aus, etwa bei Ansiedlungsvorhaben benachbarter Gemeinden.

Zum Thema Wirtschaft gehört auch der Aufgabenbereich der

"Facharbeitsgruppe Großmärkte" (themenbezogene "Task Force", s.o.).

Hier wird darüber beraten, an welchen Standorten Einzelhandelsgroßmärkte (und in welcher Größe) angesiedelt werden können, ohne daß an diesen Standorten eine unkontrollierbare Eigendynamik entsteht und wesentliche Kaufkraftanteile aus den Innenstädten abfließen. Dazu wurde ein Gutachten über die Entwicklung

von Handel und Dienstleistungen in Auftrag gegeben. Ferner entwickelt das Gremium gegenwärtig ein Moderationsverfahren für die Durchführung überlokal bedeutsamer Vorhaben.

Mit solchen Aktivitäten hat der KV die Kritik der Bezirksregierungen auf sich gezogen: Das behandelte Thema überschreite die Grenzen gemeindli-cher Zuständigkeit. Dies zeigt, welche Bedeutung dem KV von anderen Dienststellen beigemessen wird. Insbesondere die genannte Facharbeits-gruppe erfreut sich gesteigerter Aufmerksamkeit von "außen", zumal hier neben 4 IHK´s auch Vertreter der GLP mitwirken.

Die AG Gesundheit und Soziales beschäftigt sich mit der Lage auf dem regionalen Arbeitsmarkt, wobei ihr zur Hilfe kommt, daß das Einzugsgebiet des KV den größten Teil einer Arbeitsmarktregion abdeckt.

Ein weiteres Aufgabenfeld ist die gemeinsame Krankenhausplanung.

Wegen der starken Frequentierung der Einrichtungen in den Zentren entstehen Kapazitätsüberhänge in den Krankenhäusern der Mittelzentren.

Hier möchte man mit einem abgestimmten Verfahren gegensteuern.

Ferner wird eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen Bremen und seinen Nachbarn bei der Drogen-Prävention betrieben, da die Drogenproblematik mittlerweile ihren Weg auch in die Landgemeinden findet.

In der AG Kultur geht es um eine Vernetzung und Koordination der ver-schiedenen Kulturträger und -veranstaltungen in der Region. Darüber hin-aus engagieren sich die Mitglieder im Bereich der Medienpolitik. Gegen-wärtig steht den niedersächsischen Nachbarn Bremens "Offener Kanal"

zur Verfügung, ein regionales Rundfunkforum unter Beteiligung der Bevölkerung und ihrer Interessenorganisationen. Falls Niedersachsen in diesem Bereich nachzieht, sollen die Beteiligungsmöglichkeiten der niedersächsischen Seite erhalten bleiben.

Die AG Naherholung und Fremdenverkehr strebt eine Vernetzung des regionalen Fremdenverkehrsangebotes an, und beschäftigt sich in diesem Rahmen auch mit der Verbesserung des Radwegenetzes. Es wird ferner an der Fertigstellung eines Fernradwanderweges zwischen Schleswig-Holstein bzw. Mecklenburg-Vorpommern und den Niederlanden gearbeitet. Ein mittelfristiges Ziel besteht in der Koordination der in der Region vorhandenen Marketing-Aktivitäten: Die Region soll zu einer Fremdenverkehrsregion zusammenwachsen.

Die AG Umwelt- und Naturschutz steht u.a. vor der Aufgabe, über die Koordinierung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen nach dem Bundesnaturschutzgesetz zu beraten. Wegen seiner relativen Flächenknappheit ist Bremen an Ersatzflächen im Umland interessiert.

Die grenzüberschreitende Ausweisung solcher Flächen ist allerdings ein verfahrensrechtliches Problem, das einerseits Regelungen zwischen den Ländern bedarf und andererseits vereinheitlicht und mit den naturschutzrechtlichen Bestimmungen in Einklang gebracht werden muß.

Für den KV ist dabei von größter Bedeutung, daß die jeweils betroffene Gemeinde, in welcher die Fläche angekauft werden soll, frühzeitig beteiligt wird. Dies muß allein deshalb geschehen, weil die langfristige Sicherung der Flächen zu regeln ist.

Den Mitgliedern der AG Verkehr fallen zweierlei Aufgaben zu: Zum einen müssen sie die Interessen der Gemeinden bei anstehenden Verkehrsplanungsvorhaben anderer Stellen vertreten (etwa bei der anstehenden Regionalisierung des Bahnverkehrs), zum anderen kümmern sie sich um Anforderungen, die den Kommunen in ihrer eigenen Zuständigkeit gestellt sind, wie etwa die Steuerung und Verringerung des innergemeindlichen Verkehrs (der immer auch für die Nachbarn eine relevante Planungsgröße darstellt).

Der wesentliche Part einer abgestimmten Siedlungsentwicklung liegt in den Händen der AG Wohnungsbau und Siedlungsplanung. Hier müssen die Qualitäten der einzelnen Kommunen und ihre zukünftige Rolle innerhalb einer arbeitsteiligen Siedlungsentwicklung bestimmt werden. Darüber hinaus hilft die AG bei Konflikten, die sich an der Inkompatibilität unterschiedlicher Planungsvorhaben an Gemeindegrenzen entzünden. Um solche Konflikte in Zukunft bereits im Vorfeld bereinigen zukönnen, und überhaupt erst die Voraussetzungen für ein gemeinsames planerisches Vorgehen zu schaffen, wurde die

"Facharbeitsgruppe Flächennutzungs- und Bebauungspläne" eingerichtet, innerhalb derer vorwiegend Planer mit Unterstützung der Projektassistentin eine Übersicht über sämtliche Planungen der Städte und Gemeinden erstellen.8

8 Die sogenannten Facharbeitsgruppen wurden hier logisch bestimmten Arbeitsgruppen zugeordnet, um die Darstellung zu straffen. Tatsächlich stellen sie keine "Untergremien"

der Ausschüsse dar, sondern koordinieren ihr Vorgehen u.U. mit mehreren Ausschüssen.

Die Kompetenzen der Facharbeitsgruppen innerhalb des KV-Organisationsgefüges waren bei der Fertigstellung dieser Arbeit noch nicht endgültig geklärt.