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Beobachtungsbjekts

und den jeweiligen regionsspezifischen Hintergrund von Kooperationsprozessen abgegeben. Nahezu alle befragten Personen äußerten allgemeine Vermutungen über die Zukunftsperspektiven der Regionalisierung.

Verlegte der Interviewer die Aufmerksamkeit weg vom Inhalt der Ausführungen zum "Wie" der Argumentation sowie auf den aktualisierten Kontext, wurde schnell deutlich, daß die zugrunde liegenden Beobachtungen ganz unterschiedlichen Ebenen angehörten.

Selbstverständlich unterschieden sich die jeweiligen Blickwinkel der Befragten, da sie verschiedene Stellungen im Regionalisierungsprozeß einnahmen, und zudem nicht den gleichen Zugang zu den jeweiligen Sachverhalten hatten. Es geht hier aber weniger um die Abweichungen in den sich z.T. widersprechenden Äußerungen, sondern um die jeweils vermittelten Relevanzebenen, auf denen von den Gesprächspartnern die aus ihrer Sicht für den Regionalisierungsprozeß maßgeblichen Einflüsse gesucht wurden.

Es macht z.B. einen Unterschied, ob jemand äußert, die Regionalisierung sei überfällig, weil die europäische Integration und der zunehmende Wett-bewerb der Regionen (anstelle dem von Standorten) eine stärkere regionale Zusammenarbeit erforderlich machten, oder ob die zunehmende Komplexität bei der Konzeptionierung räumlicher Entwicklungsstrategien dauerhaft konsolidierte Formen der Kooperation erzwängen. Andere Äußerungen gingen wiederum dahin, im jeweils autonomen Handeln verschiedener Akteure eine Vergeudung finanzieller und personeller Ressourcen zu sehen. Die verschiedenen Relevanzebenen der Argumentation waren dabei nicht unbedingt auch verschiedenen Personen zuzuordnen.

Die Gespräche zeigten, daß der maßgebliche Einfluß auf die zu untersu-chenden Prozesse offenbar nicht von objektiven Begleitumständen ausging, sondern davon, wie diese wahrgenommen und kommuniziert wurden (vgl. dazu auch Huebner, Krafft, Ulrich 1990). Daher haben die Gesprächspartner bei ihrer Darstellung unterschiedliche Ebenen der Auseinandersetzung, der Diskussion, der Interaktion und Koordination ins Visier genommen und sie jeweils einzeln oder in Kombination als treibende Kraft der Regionalisierung ins Feld geführt. Interessanterweise gehörten bestimmte Aspekte, Beziehungen und Interaktionslinien der Kooperation selbst zu den von den Gesprächspartnern zitierten Voraussetzungen für eine Konsolidierung von Zusammenarbeit, wie etwa das Verhältnis einer Anzahl von Kommunen zueinander, die Beziehungen

zwischen der Landesregierung und einigen wichtigen regionalen Persönlichkeiten, die Verständigung innerhalb der Region über bestimmte Entwicklungsschwächen und auch strategische Orientierungen einzelner Akteure. Im Fokus der Gesprächspartner lagen bestimmte Interaktionen.

Selbst wenn als Hintergrund der räumliche und sektorale Wandel der Wirtschaft angeführt wurde, fehlte nicht der Hinweis auf die Diskussion, die diese "Rahmenbedingung" in der Region ausgelöst hat. Die gesamte Beobachtung der Regionalisierung bezog sich dem Gesamteindruck folgend auf die Kommunikation von Politikern, Administratoren, sonstigen Entscheidungsträgern und der interessierten Öffentlichkeit über regionsexterne Umstände, die eine regionale Kooperation nahelegen sowie über den bisherigen Umgang von Kommunen und Institutionen miteinander und über die Art und Weise der Kontaktpflege zwischen einzelnen im regionalen Geschehen maßgeblichen Personen.

Wenn man die Aussagen in einer stärker auf das theoretische Unterfangen ausgerichteten Form zusammenfaßt, ergibt sich folgendes: Die Gesprächspartner nahmen Bezug auf die zwischen den Gebietskörperschaften und anderen Institutionen vorhandenen Kontakte.

Umgangssprachlich ausgedrückt handelt es sich hierbei um die Erörterung eines existierenden oder eben gerade vermißten

-"Kooperationsklimas" unter den Gemeinden, Landkreisen und sonstigen Akteuren. Die benutzte Metapher deutet hier schon an, daß es sich einer-seits um Beziehungen handelt, bei denen einzelne Personen (ins.

Politiker, Hauptverwaltungsbeamte, Leiter von Verbänden etc.) eine Rolle spielen. Andererseits ist das, was man meint, nicht ausschließlich auf interpersonelle Kontakte reduziert. Gewiß entspricht es auch der Wahrnehmung eines Regionalforschers, daß persönliche Beziehungen zwischen Verantwortlichen den Umgang "ihrer" Institutionen miteinander beeinflussen. Dabei beinhaltet jedoch auch eine naive Vorstellung über Organisationen die Einsicht, daß hierarchische Spitzen intern nur diejenige Macht ausüben können, die von den Mitarbeitern zugelassen wird. Mit anderen Worten: Organisationen sind Systeme, die zwar durch einen "Kopf" geführt werden, die aber in umgekehrter Richtung diesen

"Kopf" trefflich zu lenken verstehen.

Wenn wir also von einem guten "Kooperationsklima" zwischen Kommunen sprechen, rekurrieren wir auf intersystemische Relationen.

Diese Annahme wird dadurch gestützt, daß die schon mehrfach zitierten Gesprächspartner freundschaftliche Beziehungen zwischen einzelnen Personen gesondert herausgestellt haben, sozusagen als eigenständige

Qualität regionaler Entwicklungsprozesse. Hier wäre dann einer gesonderten Betrachtungsweise nachzugehen.

Es lassen sich aus den geführten Interviews demnach sowohl Hinweise auf abstrakte Handlungseinheiten (auf Organisationen oder organisierte Gruppen von Personen) als auch auf die funktionelle Relevanz einzelner Personen gewinnen. Die Akteurperspektive wird jedoch in dem Augenblick verlassen, wo Phänomene, wie "das Kooperationsklima"

zwischen Kommunen oder die "regionalpolitische Diskussion" ins Spiel kommen.

Was immer auch im einzelnen damit gemeint ist, das Bemühen um ab-strakte Beobachtungsgegenstände, z.T. mittels metaphorischer Umschrei-bungen, dokumentiert den Versuch, regionalpolitisch relevante Objekte auch dort aufzuspüren, wo von Handlungseinheiten nicht mehr gesprochen werden kann. Obwohl mit den Methoden und Begrifflichkeiten der Umgangssprache kaum faßbar, gehört die Perspektive nicht handlungsfähiger Strukturen offenbar genauso ins Spektrum regionaler Beobachtung wie die Perspektive der Handelnden.

Dies wird mit gewisser Regelmäßigkeit immer dann deutlich, wenn die Frage gestellt wird, ob gelungene Kooperationsvorhaben allein auf die Existenz von Innovatoren zurückzuführen sind. Einerseits läßt sich behaupten, daß entscheidende Anstöße zur Zusammenarbeit auf die Initiative einzelner Personen zurückgehen. Zum anderen gibt es Hinweise dafür. daß diese Innovatoren niemals Erfolgt hätten haben können, wenn ihr Handeln nicht auf bestimmte, die Kooperation begünstigende Strukturen getroffen wäre.

Hier spielt sich eine Wechselbeziehung in den Vordergrund. Die Beobachtung bezieht sich auf zwei Komponenten eines Entwicklungsprozesses (handlungsfähige und nicht handlungsfähige Strukturen), die unterschiedlichen Abstraktionsniveaus zugewiesen werden müssen, die aber zusammengenommen erst die Komplexität regionaler Entwicklungsprozesse widerspiegeln.

Es gibt also Anlaß und Grund genug, die Akteurperspektive um eine theoretisch einzugrenzende Sphäre interaktiver und kommunikativer Strukturen zu ergänzen, und dies nicht nur, weil aus den Beobachtungen der Interviepartner heraus dieser Sphäre eine eigenständige Relevanz für das regionalpolitische Geschehen zukommt.

Die Frage ist allerdings, woraus diese Relevanz erwächst, und welche so-ziologische Nomenklatur für eine Skizzierung der ineinander verschachtelten Relevanzen von Personen, Organisationen und Interaktionsstrukturen in Betracht kommt.

Den Interviews zufolge ergibt sich die erwähnte Bedeutung kommunikativer und interaktiver Strukturen daraus, daß in der Region Wahrnehmungen, oder besser: Interpretationen koordiniert werden. Im günstigsten Falle entwickelt sich daraus unter den beteiligten Akteuren eine Interaktionsstruktur, ein von allen gleichartig eingeschätzter Handlungskontext, auf dessen Grundlage gemeinsame Strategien formuliert werden können.

Dies verweist auf eine konstruktivistische Perspektive, zu deren begriffli-cher Rekonstruktion im soziologischen Blickfeld die Systemtheorie Luh-mannscher Prägung besonders geeignet erscheint. Darüber hinaus ist ein systemtheoretischer Ansatz auch deshalb für die Untersuchung regionaler Kooperation heranzuziehen, weil er dasjenige, was jenseits der Sphäre handelnder Akteure seine Wirkungen zeigt, konsequent zum Objekt der Analyse macht.

Auf der anderen Seite erleichtern die systemtheoretischen Begrifflichkeiten den Zugang zur empirischen Wirklichkeit nicht gerade.

Systeme sind, jedenfalls auf der Ebene von Kommunikation, keine klar abgrenzbaren Gebilde, zumal, wenn sie erst im Entstehen begriffen sind.

Stellt man also aus einem systemtheoretischen Kontext heraus Hypothe-sen auf, sollte dabei, ohne sich gänzlich einem Positivismus zu verschreiben, im Popperschen Sinne geprüft werden, ob diese Hypothesen mit den Mitteln der empirischen Beobachtung überhaupt verifizierbar sind. Unter diesen Bedingungen wird im folgenden der Versuch unternommen, empirisch zugängliche Beobachtungsobjekte theoretisch zu rekonstruieren. Ausgangspunkte der Analyse sind dabei jeweils die von den o.g. Gesprächspartnern verbal angesteuerten Relevanzebenen des regionalen Geschehens und ihre Zuordnung zu den Ebenen funktionaler Differenzierung, die sich aus der soziologischen Systemtheorie ergeben.

Die drei Ebenen der systemischen Differenzierung sind : gesellschaftliche Kommunikation, Organisation und Interaktion. Dabei scheidet allerdings die Ebene der gesellschaftlichen Kommunikation für die Beschreibung von Prozessen funktionaler Differenzierung auf räumlicher Ebene von vornherein aus: Wenn in Gesprächen über regionale Zusammenarbeit des öfteren Termini wie "Kooperative Region" oder "Regionaler Dialog"

benutzt werden, stellt sich in einer systemtheoretisch motivierten Untersuchung natürlich die Frage, ob es sich hier um die metaphorische Beschreibung teilgesellschaftlicher Prozesse sozialer Differenzierung handelt. Die entsprechende Aufgabenstellung bestünde dann in dem Versuch, "Regionale Selbstfindung", die Herausbildung einer

"Regionalen Identität" oder abstrakter: den Bedeutungszuwachs regionalistischer Bestrebungen (wie sie im Eingang des letzten Kapitels beschrieben wurden) als strukturbildende gesellschaftliche Entwicklungen zu analysieren.

So faszinierend ein solcher Gedanke erscheint, wäre ein entsprechendes Anliegen vor dem Hintergrund einer Theorie der funktionalen Differenzierung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Luhmann selbst betont, daß das primäre Differenzierungsschema entwickelter Gesellschaften eben nicht auf räumlicher Ebene zu suchen ist (1991:

60f.). Die von ihm benannten gesellschaftlichen Teilsysteme, wie etwa Ökonomie, Recht oder Politik, sind zentrale Funktionsprinzipien einer Weltgesellschaft. Damit wird die Bedeutung nationaler Politik oder Rechtsprechung nicht in Abrede gestellt. Wie der tägliche Blick in die Zeitung zeigt, hat der jeweilige territoriale Bezug aber keinen Einfluß auf die Regeln, nach denen gespielt wird. Das Rechtssystem beurteilt alle Ereignisse nach der Frage, ob sie sich im Hinblick auf Recht oder Unrecht interpretieren lassen, die Ökonomie fragt ausschließlich danach, ob gezahlt wird oder nicht und die Politik organisiert sich um den Gegensatz von Regierung und Opposition. Räumliche Grenzen schaffen zwar einen Bezug für Entscheidungen, sind aber weder strukturelle Schranken noch Entwicklungsprinzip für die jeweils systemspezifische Kommunikation.

Wenn also eine nationalstaatliche Politik nicht als gesellschaftliches Teil-system anzusprechen ist, macht eine gleichlautende Annahme für die Pro-zesse regionaler Selbstorganisation erst recht keinen Sinn.

Daraus folgt, daß die Analyse räumlicher Differenzierung auf dem Abstraktionsniveau gesellschaftliicher Teilsysteme nicht auf der Basis einer funktionalistischen Systemtheorie erfolgen kann, oder aber die räumliche Differenzierung als spezifische Unter-Differenzierung des politischen Systems zu begreifen ist. Da die Herausbildung politischer Subsysteme über Kommunen und Länder hinaus in der Bundesrepublik

gegenwärtig nicht zu beobachten ist, verspricht auch eine solche Ausrichtung wenig Erfolg.1

Um die Dynamik regionaler Entwicklung und regionaler Kooperation sy-stemtheoretisch abzubilden, ist man daher auf die Beobachtung kommunikativer und interaktiver Strukturen in organisierten Sozialsystemen und Interaktionssystemen verwiesen: Die erste der hier anzusprechenden Ebenen der theoretischen Rekonstruktion von Kooperationsprozessen wurde durch Bemerkungen wie

"Kooperationsklima" oder auch "intensiver Dialog zwischen Kommunen"

angesprochen, wobei, etwa durch die Wahl der Metapher "Klima", auf die eigenständige Wirkung von Strukturen hingewiesen wurde. In systemtheoretischer Abgenzung ist hier die Sphäre organisierter Sozialsysteme und ihrer Relationierung angesprochen. Will man Organisationen nicht von vornherein als interessengeleitete aggregierte Handlungseinheiten auffassen, sondern als Kommunikationssysteme spe-zieller Art, muß zunächst geprüft werden, ob ein solches Konstrukt über-haupt empirisch erfahrbar ist. In einem weiteren Schritt ist dann zu unter-suchen, wie sich Koordinationsstrukturen zwischen Organisationen als Phänomene eigenständiger sozialer Stabilität herausbilden.

Auf der zweiten Ebene geht es um die Interaktion zwischen Personen. Der empirische Zugang erscheint hier von vornherein möglich, da es sich nicht um die Beobachtung von Kommunikation handelt, sondern um das Handeln von regionalen und lokalen Funktionsträgern. Gleichwohl stellt sich die Frage nach den Möglichkeiten und Restriktionen für die Herausbildung stabiler interpersoneller Interaktionsstrukturen und ihrer Bedeutung im Gesamtzusammenhang des regionalen Geschehens.

Wie man sieht, wird durch das Bemühen der Systemtheorie ein sehr brei-tes Untersuchungsfeld abgesteckt. Das bringt zwar die Schwierigkeiten

1 Mit dieser Feststellung ist den Bemühungen der Geographie um die Analyse des Bedeu-tungszuwachses von Regionen keineswegs der Gegenstand genommen. Nur dürfen solche Ansätze (vgl. z.B. Beier 1993, Pohl 1993) nicht mit den Leitsätzen einer funktionalen Systemtheorie angereichert werden, denn deren Gegenstand können spezifische räumliche Entwicklungen nur dann sein, wenn.sie im Rahmen der vorhandenen gesellschaftlichen Teilsysteme interpretiert werden (oder aber - wie in der vorliegenden Arbeit - auf den Ebenen von Organisation und Interaktion.

Darüber hinaus sollte man sich aber durchaus fragen, ob die Systemtheorie den Ansprü-chen sozialgeographischer Ansätze überhaupt gerecht werden kann, denn der Untersu-chungsgegenstand der Sozialgeographie liegt von vornherein quer zu den Prozessen funktionaler Differenzierung auf der Ebene gesellschaftlicher Kommunikationssysteme.

einer gesteigerten Komplexität mit sich, ist aber im Sinne des Untersuchungsgegenstandes konsequent, weil damit die mögliche Reichweite empirischer Annäherung theoretisch vorbereitet und ausgenutzt wird. Die Arbeit selbst muß dann zeigen, in welchem Umfang der theoretische Aufwand gegenüber demjenigen bei handlungstheroretischen Bemühungen positiv zu Buche schlägt.