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5. Diskussion

5.1. Methodischer Ansatz

5.1.1. Oct4 als Pluripotenzmarker

In der vorliegenden Arbeit sollte mit Hilfe der Oct4-Reportermauslinie OG2 eine neuartige Stammzellpopulation im postnatalen Organismus identifiziert werden, die einen autologen Gewebeersatz für regenerative Therapieverfahren ermöglicht.

Der embryonale Transkriptionsfaktor Oct4 wurde als Marker für die Identifizierung einer primitiven Zellpopulation mit hohem Entwicklungspotential gewählt. Auch wenn Oct4-Expression mittlerweile in extraembryonalen Geweben für möglich gehalten wird (POCHAMPALLY et al. 2004; TAI et al. 2005; TONDREAU et al. 2005;

ZANGROSSI et al. 2007), ist dessen zentrale Rolle am Scheideweg embryonaler Zellen zwischen Differenzierung oder Pluripotenz unumstritten.

Zahlreiche Studien haben in den letzten Jahren über Oct4 in somatischen Zellen, v.a.

HSCs und MSCs aus dem Knochenmark, berichtet (LENGNER et al. 2008). Die meisten dieser Untersuchungen gehen allerdings nicht von Zellen in ihrer natürlichen Mikroumgebung aus. Vielmehr beschreiben die Autoren Eigenschaften kultivierter Zellen in vitro (DYCE et al. 2004; KUCIA et al. 2006; PALLANTE et al. 2007) mit dem Nachweis einer Oct4-Expression mittels RT-PCR, was letztlich nur bedingt Rückschlüsse auf die Charakteristika dieser Zellen in vivo zulässt (JOSHI u. ENVER 2002; BELEMA BEDADA et al. 2005). Andere Studien (Yu et al. 2006) stellen Oct4+ -Zellen in vitro und in vivo mit verschiedenen Methoden dar, zeigen aber keine adäquaten Positiv- oder Negativkontrollen (LENGNER et al. 2008). Zudem konnten die Ergebnisse dieser Untersuchungen von anderen Arbeitsgruppen nicht reproduziert oder bestätigt werden (LIEDTKE et al. 2007).

Für das Oct4-Gen sind sechs Pseudogene und verschiedene Retropseudogene im Genom beschrieben worden (TAKEDA et al. 1992; PAIN et al. 2005; DE JONG u.

LOOIJENGA 2006). Pseudogene sind genomische DNA-Sequenzen mit hoher Homologie zu den jeweils korrespondierenden Genen und können als unfunktionale Verwandte dieser Gene betrachtet werden (VANIN 1985; MIGHELL et al. 2000). Sie

gehen auf Duplikationen innerhalb des Genoms zurück und haben durch Mutationen ihre Funktion verloren. Diese Genabschnitte führen in RT-PCR-Analysen zu Artefakten und irreführenden Resultaten (DE JONG u. LOOIJENGA 2006; LIEDTKE et al. 2007). Genauso können Retro-Pseudogene durch unvollständigen DNAse-Verdau zu falschen PCR-Resultaten führen, selbst wenn keine Pseudogene exprimiert wurden (LIEDTKE et al. 2008). In aufwändigen Vergleichsstudien für das Oct4-Gen wurden spezifische Primer gefunden, die die Amplifikation von Pseudogenen und damit falsch-positive Resultate verhindern (LIEDTKE et al. 2007).

Diese Untersuchungen zeigten die ausgeprägte Ähnlichkeit zwischen dem echten Oct4-Gen und seinen nicht funktionsfähigen Pseudogenen (LIEDTKE et al. 2007).

RT-PCR-Analysen mit diesen hochspezifischen Primern konnten in der Folge nicht die Berichte über Oct4-Expression in adulten Zellen bestätigen (LIEDTKE et al. 2007;

ZANGROSSI et al. 2007; CANTZ et al. 2007). Zudem fällt auf, dass in vielen Studien, die über Oct4-Expression in adulten Geweben berichten, nur sehr niedrige Expressionslevel nach starker Amplifikation des Signals nachweisbar waren (LENGNER et al. 2007). Die Pseudogen-Problematik erfordert deshalb bei Analysen mit RT-PCR genaues und sorgfältiges Primer-Design und die Verifizierung dieser Resultate mit anderen Methoden, z.B. Western Blot-Analysen (DE JONG u.

LOOIJENGA 2006; LIEDTKE et al. 2007). Bei den in dieser Arbeit beschriebenen Untersuchungen wurde für die qRT-PCR-Untersuchung ein intronüberspannender Primer aus Intron 1 und 2 des Oct4-Gens gewählt. Dieser gilt in der aktuellen Literatur als spezifisch für Oct4 und erlaubt eine Differenzierung von sequenzverwandten Pseudogenen (LIEDTKE et al. 2007).

Neben den möglichen Quellen für Fehlinterpretationen von Analyseergebnissen auf genomischer Ebene, sind auch Besonderheiten auf Proteinebene im Zusammenhang mit Oct4 zu beachten. Im Menschen wurden 2 Splicing-Varianten von Oct4 nachgewiesen: Oct4A und Oct4B (TAKEDA et al. 1992). In Mäusen sind solche Splicing-Varianten noch nicht beschrieben worden (ABDEL-RAHMAN et al. 1995).

Dennoch ist es ratsam, bei der Wahl des Oct4- Antikörpers zu berücksichtigen, dass sich Oct4A und Oct4B lediglich am N-terminalen Ende des Oct4-Moleküls unterscheiden. Daher wurde in den immunhistologischen und Western-Blot-Analysen

ein Antikörper eingesetzt, der spezifisch an ein Epitop der N-terminalen Region bindet. Oct4A wird mit Stammzelleigenschaften von Zellen in Verbindung gebracht, Oct4B hingegen nicht (CAUFFMAN et al. 2006; LEE et al. 2006). Ersteres ist klar im Nukleus lokalisiert, wohingegen Oct4B im Zytosol zu finden ist (LEE et al. 2006).

Diese beiden Splicing-Varianten können ursächlich für falsch-positive Analyseergebnisse auf der Ebene des Genproduktes, z.B. im Western Blot oder der Immunhistologie sein. Bei histologischen oder zytologischen Untersuchungen ist für ein wahres Oct4+-Signal deshalb entscheidend, dass die Färbung im Nukleus lokalisiert ist (DE JONG u. LOOIJENGA 2006; CANTZ et al. 2008). Nicht realisierbar ist diese Differenzierung in der FACS-Analyse (LIEDTKE et al. 2008). In der vorliegen Arbeit wurden deshalb die FACS-Analyse-Ergebnisse zusätzlich mittels zytologischer Darstellung sortierter Zellen verifiziert.

5.1.2. Nachweis von Oct4 in der transgenen Reportermauslinie OG2

Die Verwendung einer transgenen Reportermauslinie zur Oct4-Detektion mit Hilfe eines Oct4-EGFP-Genkonstruktes sollte eine in vivo-Beobachtung von Zellcharakteristika in ihrem natürlichen Milieu ermöglichen. Die Visualisierung von Oct4 durch das synchron exprimierte EGFP erlaubte eine Reduktion methodischer Zwischenschritte mit dem Vorteil einer Minimierung von Artefakten. Doch auch bei der Verwendung solcher transgenen Reporter zur Detektion von Oct4 ist Vorsicht geboten: Positionale Effekte können die Oct4-assoziierte EGFP-Expression verfälschen. Problematisch kann sich auch die Autofluoreszenz des Hintergrundes in der Fluoreszenzmikroskopie und Durchflusszytometrie auswirken und falsch-positive Resultate hervorbringen (LENGNER et al. 2008).

In dieser Arbeit wurden die Versuche sorgfältig geplant, um solche Fehlerquellen zu vermeiden. Bei der Analyse und Auswertung der durchflusszytometrischen Daten für die Reihenuntersuchung wurden die Signale aus Zellen der Reportermauslinie OG2 mit korrespondierenden Proben aus Wildtypmäusen verglichen. Variable Autofluoreszenz von Zellen stellt häufig ein Problem dar, wenn schwache spezifische Fluoreszenzen mit dem Durchflusszytometer detektiert werden sollen (ALBERTI et al. 1987). Diese schwachen Fluoreszenzen werden zum einen durch unspezifische

Signale maskiert, zum anderen besteht die Gefahr, autofluoreszente Ereignisse als echtes Signal zu fehlinterpretieren. Da Wildtypgewebe keine spezifische EGFP-Fluoreszenz aufweisen, wurden sie als Negativkontrolle definiert. Grüne Fluoreszenzen in den Analysen dieser Negativkontrollen wurden als unspezifischer, autofluoreszenter Hintergrund gewertet. Die Signale der OG2-Zellen wurden bei der Auswertung unter Berücksichtigung der Autofluoreszenz im FL1-FL2-Plot dargestellt, so dass tatsächlich nur spezifische Signale im grünen Kanal berücksichtigt wurden.

Etabliert wurde diese Vorgehensweise an Zellsuspensionen aus Hoden der Reportermäuse. Hodengewebe enthält bekannterweise Oct4+ -Stammspermatogonien (PESCE u. SCHOLER 2000; OHMURA et al. 2004; GUAN et al. 2006; IZADYAR et al. 2008). Auch mit den in dieser Arbeit verwendeten Protokollen und Techniken konnten die Ergebnisse ähnlicher Studien erzielt werden (OHMURA et al. 2004; SHIMIZU et al. 2006; IZADYAR et al. 2008). Es zeigte sich, dass die Oct4+EGFP+-Zellen auf diese Weise auch bei geringem Vorkommen gut abgrenzbar abgebildet und analysierbar werden.

In der Immunfluoreszenz wurde zur besseren Abgrenzung der nur schwach grün fluoreszierenden Oct4+EGFP+-Zellen mit einem Anti-EGFP-Antikörper zur Verstärkung des Signals gearbeitet. Dieses Vorgehen wurde bereits bei histologischen Untersuchungen des Hodens von Oct4-EGFP-Reportermäusen beschrieben. Dabei erwies sich das EGFP-Signal adulter Hodenzellen als deutlich schwächer im Vergleich zu neonatalen Keimdrüsen, so dass eine zusätzliche Markierung durch immunologische Färbetechniken erforderlich wurde (OHMURA et al. 2004). Die multiplen Antigen-Antikörperbindungen in der Färbung verursachten zudem eine Verstärkung und deutlichere Hervorhebung des EGFP-Signals vor dem autofluoreszenten Hintergrund.

Die zusätzliche Bestätigung der Resultate aus der durchflusszytometrischen Reihenuntersuchung erfolgte in der Immunhistochemie. Oct4+EGFP+-Strukturen wurden durch EGFP- und Oct4-Antikörper markiert. Die Oct4-Antikörperfärbung sollte die Oct4-Expression direkt, ohne Zwischenschaltung des genetischen Reporters darstellen. Dabei wurde, wie in der aktuellen Literatur empfohlen, ein Oct4-Antikörper mit Affinität zum N-Terminus des Oct4-Moleküls gewählt, um falsch

positive Resultate durch Bindung an nicht pluripotenzassoziierte Splicing-Varianten des Oct4-Moleküls (s.o.) zu vermeiden (LIEDTKE et al. 2008).

Bei den histologischen Gewebeuntersuchungen dienten Schnitte aus Wildtypmäusen als Negativkontrolle für die EGFP-Färbungen. Für die Oct4-Färbung wurden Gewebe ohne den Primärantikörper inkubiert, um eine passende Negativkontrolle zu erhalten.

Mikroschnitte aus Hodengewebe von OG2-Mäusen wurden als Positivkontrolle verwendet.

Weitere Methoden zur Oct4-Bestimmung wurden zur Absicherung der histologischen und durchflusszytometrischen Ergebnisse eingesetzt. In diesen Experimenten wurden murine iPS-Zellen und murine ESCs als Positivkontrollen für Oct4-Expression und die EGFP--Fraktionen aus den FACS-Aufreinigungen als Negativkontrollen verwendet. RT-PCR-Analysen bestätigten das Vorhandensein von mRNA-Transkripten des Oct4-Gens in isolierten EGFP+-Zellen aus Haut und Hoden der OG2-Mäuse. qRT-PCR ermöglichte durch den Vergleich mit den jeweiligen Kontrollen eine Quantifizierung der Oct4-Expression. Zuletzt wurde Oct4 auf Proteinebene unter Verwendung der gleichen Kontrollen mit der SDS-PAGE dargestellt.

5.2. Reihenuntersuchung ausgewählter Gewebe auf Oct4+EGFP+-Zellen