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2. Literaturübersicht

2.1. Stammzellen

2.1.3. Induzierte pluripotente Stammzellen

Induced pluripotent stem cells (iPS-Zellen) stellen derzeit die vielversprechendste Quelle pluripotenten patientenspezifischen Materials für regenerative Therapieverfahren dar (YAMANAKA 2007; GEOGHEGAN u. BYRNES 2008).

IPS-Zellen wurden zuerst durch den retroviralen Transfer vier bestimmter Stammzellfaktoren (Oct4, Sox2, c-myc und KLF4) in Mäuse-Fibroblasten der Haut generiert (TAKAHASHI u. YAMANAKA 2006; OKITA et al. 2007). Diese Modifikation führt zur ektopischen Expression dieser vier Pluripotenzfaktoren und einer nachfolgenden Aktivierung ihrer Zielgene, die sich in somatischen Zellen normalerweise im Ruhezustand befinden (GEOGHEGAN u. BYRNES 2008). Die ersten Pluripotenzfaktoren, die während der Generierung dieser iPS-Zellen exprimiert werden, sind die Alkalische Phosphatase (AP), gefolgt von stage-specific embryonic antigen (SSEA-1). Die Gene für Oct4 und Nanog werden erst in vollständig reprogrammierten Zellen aktiv (BRAMBRINK et al. 2008). Wichtig ist dabei die Modifikation der endogenen Genexpression: Somatische Zellen gelten erst

als reprogrammiert, wenn das endogene Oct4-Gen aktiv ist (GEOGHEGAN u.

BYRNES 2008).

Diese Veränderung der Fibroblasten wird durch genetische Reporter (EGFP, β-Galaktosidase, Neomycinresistenz) unter Kontrolle eines endogenen Pluripotenzmarkers (Fbx15, Oct4, Nanog) angezeigt. Die systematische Kombination dieser Marker und Merkmale erlaubt eine gezielte Selektion jener Zellen, die tatsächlich erfolgreich „umprogrammiert“ wurden (Fbx15-iPS, Oct4-iPS, Nanog-iPS).

Dieses Verfahren wurde nach seiner Etablierung an Mäusefibroblasten (TAKAHASHI u. YAMANAKA 2006) rasch auf Zellen aus humanen Bioptaten übertragen (TAKAHASHI et al. 2007; YU et al. 2007; LOWRY et al. 2008; MALI et al. 2008;

PARK et al. 2008). Mittlerweile wurden bereits murine iPS-Zellen aus adulten Zellen der Leber und des Magenepithels (AOI et al. 2008), pankreatischen β-Zellen (STADTFELD et al. 2008) und unter Verwendung eines weiteren Faktors (C/EBP-alpha) aus reifen B-Lymphozyten (HANNA et al. 2008) generiert.

Hinsichtlich ihrer molekularen Eigenschaften (Expressionslevel verschiedener Gene, epigenetische Marker) zeigte bereits die erste iPS-Zell-Generation (selektiert auf endogene Fbx15-Expression) große Ähnlichkeit mit embryonalen Stammzellen (GEOGHEGAN u. BYRNES 2008). Trotz weitreichender Parallelen ist das Entwicklungspotential dieser Fbx15-iPS-Zellen nicht vollständig mit dem der ESCs gleichzusetzen: In Kultur lassen sich iPS-Zellen zu den für pluripotente Zellen typischen sog. embryoid bodies entwickeln, die differenzierte Zelltypen aller drei Keimblätter enthalten. Vergleichbar mit ESCs entstehen aus iPS-Zell-Transplantaten in Nacktmäusen Teratome. Fbx15-iPS-Zellen bilden nach Blastozysteninjektion Embryonen, die jedoch nach dreizehn Tagen absterben (TAKAHASHI u.

YAMANAKA 2006). Durch Modifikationen und Veränderungen der Selektionsmarker (Oct4- und Nanog-iPS) ist es in der Folge jedoch gelungen, die Qualität der iPS-Zellen immer weiter zu verbessern, so dass kaum noch Unterschiede zu embryonalen Stammzellen bestehen (MAHERALI et al. 2007; OKITA et al. 2007;

WERNIG et al. 2007). Diese verbesserten iPS-Zellen können nach Blastozysteninjektion sogar Embryonen hervorbringen, deren Zellen inklusive der Plazenta vollständig aus iPS-Zellen hervorgegangen sind (WERNIG et al. 2007).

Solche iPS-Zellen werden als vollständig reprogrammiert bezeichnet (GEOGHEGAN u. BYRNES 2008).

Vollständig reprogrammierte iPS-Zellen besitzen wie ESCs pluripotente Entwicklungsmöglichkeiten, werden aber nicht aus Embryonen, sondern unter Verwendung adulter somatischer Zellen erstellt (TAKAHASHI et al. 2007). Dies erspart bei der Arbeit mit iPS-Zellen die Konflikte und Einschränkungen, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch humaner Embryonen unumgänglich sind und als kaum lösbar erscheinen (WERNIG et al. 2007; YAMANAKA 2007). Ein weiterer großer Vorteil der iPS-Zellen gegenüber den embryonalen Stammzellen ist die Tatsache, dass sie aus Gewebeproben des adulten Patienten generiert werden. Da hierbei Spender- und Empfängerorganismus identisch sind, sind keine immunologischen Abstoßungsreaktionen auf die Transplantate zu erwarten (WERNIG et al. 2007).

Dessen ungeachtet ist die Erprobung von iPS-Zellen in klinischen Studien aus verschiedenen Gründen noch nicht absehbar:

Die vier Stammzellfaktoren werden nach der bisher bekannten Methode über ein Retrovirus in die zu reprogrammierenden Zellen eingebracht. Dieses Verfahren ist für Patienten nicht ohne Risiko. Zwar handelt es sich hierbei um die bislang effektivste bekannte Methode zur Integration neuer genetischer Informationen, die zufällige Lokalisation dieser Insertion birgt jedoch das Risiko unkontrollierter Mutationen, Aktivierung von Proto-Onkogenen und Krebsentstehung (NIENHUIS et al. 2006;

GEOGHEGAN u. BYRNES 2008).

Bei c-myc als einen der erforderlichen Reprogrammierungsfaktoren handelt es sich um ein Proto-Onkogen. Das in Verbindung mit der Zelltransplantation stehende hohe Risiko maligner Neoplasien ist für Patienten nicht tragbar (OKITA et al. 2007). Auch KLF4 ist mit seiner Funktion als Tumorsuppressor und Onkogen zugleich in diesem Zusammenhang umstritten (ROWLAND et al. 2005). Bei der Generierung von iPS-Zellen wird eine gegenseitige Wechselwirkung proliferativer und antiproliferativer Effekte von c-myc und KLF4 mit folgender Immortalisierung der Zellen vermutet (ROWLAND et al. 2005; GEOGHEGAN u. BYRNES 2008). So würden durch die

alleinige Verwendung von KLF4 und c-myc Tumorzellen statt iPS-Zellen generiert (GEOGHEGAN u. BYRNES 2008). Generell sind ESCs und iPS-Zellen phänotypisch malignen Tumorzellen ähnlich: sie sind potentiell unsterblich und hochproliferativ (YAMANAKA 2007). In aktuellen Arbeiten ist es kürzlich gelungen, Nanog-iPS-Zellen mit ESC-Charakter ohne das c-myc-Transgen aus embryonalen Mausfibroblasten zu produzieren. Dies erfolgte allerdings mit einer deutlich reduzierten Reprogrammierungsrate (NAKAGAWA et al. 2008; WERNIG et al. 2008). Tatsächlich haben die chimären iPS-Zell-Mäuse ohne den c-myc-Faktor hundert Tage nach der Geburt keine Tumoren ausgebildet. IPS-Zell-Chimären, die mit allen vier Faktoren produziert wurden, entwickelten in diesem Zeitraum hingegen regelmäßig Neoplasien (NAKAGAWA et al. 2008). In einer anderen Untersuchung ist es gelungen, iPS-Zellen aus adulten neuralen Stammzellen (NSC) lediglich mit dem Stammzellfaktor Oct4 zu reprogrammieren (KIM et al. 2009). Die Reprogrammierungseffizienz ist allerdings auch mit dieser Modifikation etwa zehnmal niedriger als bei dem ursprünglich etablierten Verfahren mit allen vier Faktoren.

Außerdem exprimieren die adulten NSCs ohnehin Sox2, c-myc, KLF4, AP und SSEA-1, so dass eine Übertragbarkeit dieses Protokolls auf andere Zellpopulation fraglich ist (SHI et al. 2008a).

Zurzeit werden genetische Reporter für die Selektion und Aufreinigung erfolgreich reprogrammierter iPS-Zellen eingesetzt. Dieses Verfahren kann so nicht auf menschliche Patienten übertragen werden. Ein vielversprechender Schritt Richtung klinischer Anwendbarkeit ist daher eine Studie, in der die Reprogrammierung und Selektion somatischer Zellen lediglich nach morphologischen Kriterien ohne genetische Markierung gelungen ist (MEISSNER et al. 2007).

Eine weitere Problematik bezüglich des Transfers der iPS-Zell-Technologie in die Klinik besteht in der extrem niedrigen Reprogrammierungseffizienz. Derzeit werden weniger als 1 % der Zellen pluripotent (TAKAHASHI u. YAMANAKA 2006; OKITA et al. 2007). Erklärungsmodelle für diese geringe Reprogrammierungsrate sind noch nicht bestätigt worden. Möglicherweise stellen Fibroblasten gar nicht die Ursprungszellen für die iPS-Zellen dar, sondern eine kleine Gewebsstammzellpopulation, die in diesen Kulturen koexistiert (OKITA et al. 2007).

Eine andere Theorie vermutet ganz spezifische Expressionsstärken der jeweiligen Faktoren, die dann tatsächlich die Pluripotenz induzieren können und somit mit den bekannten Protokollen eher zufällig und somit selten auftreten. Es wird auch daran gearbeitet, weitere Faktoren zu finden, die die Reprogrammierungseffizienz steigern könnten (OKITA et al. 2007).

Verschiedene Ansätze werden verfolgt, um das vielversprechende Potential der iPS-Zellen für therapeutische Belange nutzen zu können. Hauptziele sind dabei der Verzicht auf onkogene Faktoren, die Reduktion der erforderlichen Faktoren und Alternativen zum retroviralen Gentransfer. Eine Modifikation der Faktorenkombination zur Reprogrammierung somatischer Zellen kann durch die Verwendung von Zellen erreicht werden, in denen ohnehin einige der erforderlichen Transkriptionsfaktoren aktiv sind (KIM et al. 2009).

Die Aktivität von Transkriptionsfaktoren hängt maßgeblich von der Zugänglichkeit ihrer Zielgene ab. In Abhängigkeit von Modifikationen der DNA, der Histone oder der Chromatinstruktur sind diese besser oder schlechter erreichbar (JAENISCH u. BIRD 2003). Eine weitere Perspektive zur Reduktion der erforderlichen Reprogrammierungsfaktoren bietet die Anwendung kleiner chemischer Moleküle (SHI et al. 2008a; SHI et al. 2008b; TADA 2008). Es hat sich gezeigt, dass die Kombination von BIX und BayK eine effiziente Reprogrammierung von MEF-Zellen (mouse embryonic fibroblast, MEF) mit nur noch zwei Faktoren, KLF4 und Oct4, ermöglicht. BIX (BIX-01294) wirkt als Inhibitor der G9a-Histon-Methyltransferase (G9aHMTase) (KUBICEK et al. 2007). Die G9aHMTase methyliert Histone mit nachfolgender Heterochromatinbildung. Dies führt zu einer epigenetischen Blockade des Gens (FELDMAN et al. 2006). Hemmt BIX dieses Enzym, wird das Oct4-Gen auf epigenetischer Ebene freigelegt (SHI et al. 2008a). BayK (Bayk8644) ist ein Calciumkanal-Agonist (SCHRAMM et al. 1983), der bei der Induktion der Stammzellen eine Rolle als fördernder Kofaktor zu spielen scheint (SHI et al. 2008a).

In einer anderen Untersuchung hatte Valproat als Histon-Deacetylase-Inhibitor eine stark effizienzsteigernde Wirkung (HUANGFU et al. 2008).