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2. MANUSKRIPT I

2.6 Diskussion

2.6.1 Methodik

Die Anzahl der menschlichen und tierischen Spender konnte durch die Messwiederholung auf ein Minimum reduziert werden. Bei den humanen Spendern wurde auf Fremdplasma zurückgegriffen, um den Probanden nur die zur Thrombenherstellung erforderliche Menge Blut abnehmen zu müssen. Die Anzahl der Thromben, die aus jeder Spende hergestellt werden konnten, mussten der Größe des Lysesystems von 20 vorhandenen Lyseplätzen und der Praktikabilität der Messungen angepasst werden. Dabei wurde auf eine möglichst kurze Wiegezeit von unter 10 Minuten geachtet, da während der Messung alle Thromben aus dem Lysesystem entnommen wurden. In dieser Zeit war das Einwirken des Plasminogenaktivators Alteplase nicht möglich.

Bei der Herstellung der Thromben wurde auf ein standardisiertes Verfahren zurückgegriffen (Hirthe 2009). Die Herstellung der equinen Thromben musste jedoch geringfügig in den Mengenverhältnissen der verwendeten Substrate angepasst werden. Sie zeigten bei gleicher Vorlage an Substraten einen erheblichen Größenzuwachs im Vergleich zu den humanen Thromben. Aufgrund ihrer vermehrten Größe ließen sie sich nicht am Faden befestigen. Deshalb wurde für die equinen Thromben die vorgelegte Menge an NaCl um die Hälfte reduziert. Trotz dieser geringeren Vorlage an NaCl waren die absoluten Ausgangsgewichte der equinen Thromben um ca. 2 g höher als die der Thromben aus Humanblut. Dies lässt sich durch die höhere Fibrinogenkonzentration im Pferdeblut im Vergleich zu Menschenblut erklären (Mischke, 2005). Dadurch kann der Pferdethrombus an Größe gewinnen. Die Verwendung humanen Thrombins zur Herstellung equiner Thromben wurde schon in einer anderen Studie zur Lyse mit Streptokinase erprobt.

Dabei zeigten die mit humanem Thrombin hergestellten Thromben von Rind, Schaf und Pferd bei Zugabe von Streptokinase eine Lyse, während mit bovinem Thrombin hergestellten Thromben keine Lyse zeigten (Irfan 1968).

Für alle Konzentrationsstufen von rTPA im Plasma wurden pro Messung mehrere Thromben zur Lyse hergestellt um mögliche Verzerrungen aufgrund von Messungenauigkeiten zu reduzieren. Zudem konnten nicht alle Thromben über vier Stunden gewogen werden, da sie sich aufgrund der vorangeschrittenen Lyse von der Aufhängung lösten und im Plasmagefäß verblieben. Die hier festgesetzte Lysezeit von vier Stunden wurde an die in der Humanmedizin angewendeten Therapieschemen von drei bis sechs Stunden Thrombolysetherapie bei akuten Herzinfarkt- oder Schlaganfallpatienten angepasst (Lyden et al. 2006). Die Ergebnisse zeigen, dass beim Pferd ab einer Plasmakonzentration von 1,5 µg/ml rTPA und beim Menschen bis zu einer Konzentration von 0,15 µg/ml rTPA eine fast vollständige Lyse der Thromben innerhalb von vier Stunden möglich ist.

Das Lysesystem selbst hat jedoch nur eine bedingte Aussagekraft über die Vorgänge im lebenden Organismus. Denn anders als in einem zirkulierenden System ist hier ein Abbau der Alteplase nicht möglich. Im menschlichen Organismus wird der Plasminogenaktivator Alteplase durch Verstoffwechselung in der Leber mit einer HWZ von vier bis fünf Minuten abgebaut (Collen et al. 1989; Gillis et al. 1995). Das Ziel dieses in vitro-Systems war es, eine Aussage über eine mögliche Dosis-Wirkungsbeziehung des Plasminogenaktivators Alteplase auf equine Thromben machen zu können. Dabei wurden die in der humanmedizinischen Literatur angegebenen Risiken der erhöhten Blutungsgefahr bei mehr als 100 mg Alteplase pro Verabreichung in diesem Versuchsaufbau nicht berücksichtigt (Collen et al. 1989;

Semba et al. 2000; Semba et al. 2001).

Auch die pharmakologischen Wirkungen des Plasminogenaktivators wurden in dieser Studie außer Acht gelassen und sollten Gegenstand einer weiteren pharmakokinetischen Studie am Pferd sein.

2.6.2 Ergebnisse

Um die Lyse der Thromben protokollieren zu können, wurde deren Gewicht zu Beginn und anschließend im 60-minütigen Rhythmus ermittelt. Des Weiteren wurde der Gehalt der Fibrinspaltprodukte (D-Dimer) im Ausgangsplasma (MZP 0) und

zeigen eine Gewichtsabnahme der Thromben und einen Anstieg der D-Dimer-Konzentration.

Die Daten der equinen Thromben zeigen dabei einen kontinuierlichen Abfall ihres Gewichts. Im Vergleich zu den anderen verwendeten Konzentrationen, weist die Konzentration von 1,5 µg rTPA/ml die beste Wirkung auf. Die rTPA-Konzentrationen von 3,5 µg rTPA/ml und 5 µg rTPA/ml weisen nur unwesentlich höhere Lyseraten auf, sind aber aus wirtschaftlicher Sicht inakzeptabel und beinhalten unter Umständen eine erhöhte Blutungsneigung. Eine Überschreitung der empfohlenen Applikationsmenge von insgesamt 100 mg oder 0,95 mg/kg führt beim Menschen zu einer erhöhten Blutungsneigung (Collen et al. 1989, Gonzales and Grotta 2006). Bei arteriellen Thrombosen des Menschen sind zwar Therapieansätze mit 5 mg/h über 24 Stunden beschrieben, diese gehen aber ebenfalls mit einer erhöhten Blutungsneigung einher und bieten im Gegenzug keine bessere Lyse als die Behandlung mit niedrigeren Konzentrationen mit einer Gesamtdosis zwischen 3,5 mg und 37 mg (Wagstaff et al. 1995). Schlussfolgernd sollte dem Risiko von unerwünschten Arzneimittelwirkungen beim Pferd dementsprechend durch Nutzung einer geringeren Dosis in Höhe von 1,5 µg rTPA/ml aus dem Weg gegangen werden.

Im Vergleich zu den equinen Thromben zeigt die Gewichtsabnahme der humanen Thromben ein etwas differenzierteres Bild. Auffällig erscheint hierbei, dass die Thromben, die mit den Konzentrationen von 1,5 µg rTPA/ml und 0,5 µg rTPA/ml behandelt wurden, eine deutlich schlechtere Gewichtsabnahme zeigten als die Thromben bei den Konzentrationen von 0,05 µg rTPA/ml und 0,15 µg rTPA/ml. Die relativen Gewichtsabnahmen bei der rTPA-Konzentration 1,5 µg/ml im Vergleich zu der Gewichtsreduktion der rTPA-Konzentration von 0,15 µg/ml waren zu allen Messzeitpunkten signifikant geringer.

Die Tatsache, dass bei der höchsten verwendeten Konzentration von 1,5 µg rTPA/ml beim Menschen nach vier Stunden noch immer knapp 40 % des Thrombus vorhanden war zeigt, dass eine höhere Konzentration in der Wirkung hier kein besseres Lyseergebnis erbringt. Zu ähnlichen Ergebnisse kommt auch eine am Menschen durchgeführte in vitro-Studie (Sobel et al. 1990). Zusätzlich zu den schlechteren Thrombolyseergebnissen der höheren Konzentrationen, wurde dort

auch eine Reduktion des freien und an Thromben gebundenen Plasminogen gemessen. Da in der Studie von Sobel et al. (1990) durch die Zugabe von Plasminogen in den hohen Konzentrationen gute Lyseergebnisse erzielt werden konnten, ist es möglich, dass in einem in vitro-System nicht genügend Plasminogen für die hohen rTPA-Konzentrationen zur Verfügung steht. Dies ist möglicherweise auch auf das Pferd übertragbar, da hier die hohen Konzentrationen von 3,5 µg rTPA/ml und 5 µg rTPA/ml keine relevanten Verbesserungen im Lyseergebnis zu der Konzentration von 1,5 µg rTPA/ml erbrachten. Fraglich bleibt, ob es zu einem Verbrauch von Plasminogen kommt, oder ob der Plasminogenaktivator in zu hoher Konzentration keine Bindungsmöglichkeit an dem im Thrombus eingelagerten Plasminogen findet. Wie in der Studie an Humanthromben, könnte jedoch auch bei den equinen Thromben eine unzureichende Menge an vorhandenem Plasminogen im Lysesystem, das geringere Lysevermögen der hohen rTPA-Konzentrationen erklären (Sobel et al. 1990).

Dass sowohl bei den humanen, als auch bei den equinen Thromben eine Thrombolyse stattgefunden hat, beweist der Anstieg der D-Dimer-Werte bei allen rTPA-Konzentrationen im Plasma. Die physiologischen Werte dieses Gerinnungsparameters liegen beim Menschen und beim Pferd bei weniger als 0,5 mg/l Plasma (Feige et al. 2003a; Himmelreich and Riess 1991). Ein Anstieg der D-Dimer-Konzentration spricht für eine Aktivierung der Fibrinolyse durch die Freisetzung von quervernetztem Fibrin (Dempfle 2000). Die Sensitivität für den Nachweis an D-Dimeren liegt zwischen 93,5 % (Bick and Baker 1992) und 96 % (Lohr et al. 2006). Der hier verwendete Nycocard-D-Dimer-Test basiert auf dem Immunfiltrationsprinzip und wurde schon in anderen Studien erfolgreich beim Pferd eingesetzt (Feige et al. 2003a; Sandholm et al. 1995). Der Messbereich des Nycocard-D-Dimer-Tests umfasst eine Spanne von 0,1 bis 20 mg/l. Der Test ist kalibriert für einen Bereich von 0,1 und 10 mg/l (Produktbeschreibung D-Dimer-Test).

Die D-Dimer-Werte, die bei beiden Spezies in der hier durchgeführten Studie im Plasma gemessen wurden, lagen bei den Equiden maximal bei 10,19 ± 5,04 mg/l und beim Menschen bei 6,15 ± 2,13 mg/l. Aus diesem Grund müssen die gemessenen Werte als Nachweis einer Fibrinolyse verstanden werden, da sie weit

über den physiologischen Bereich hinaus gehen. Bei lebenden Probanden wurden in keiner Studie bei nachweislich stattgefundener Fibrinolyse höhere Werte als 3,5 mg/l erreicht (Feige et al. 2003a; Sandholm et al. 1995; Stern- Balestra 2000). Zudem sind im Bereich zwischen 10 und 20 mg/l Messungenauigkeiten im Test nicht auszuschließen. Somit sind die erhobenen D-Dimer-Werte in dieser Studie als rein qualitativer Nachweis einer Fibrinolyse zu verstehen.

Da die D-Dimer-Werte in dieser Studie bei beiden Spezies im Standardplasma ohne rTPA-Zusatz keine Zunahme verzeichnen, hat dort keine Thrombolyse stattgefunden.

Dennoch wurde eine Reduktion der Thrombengewichte über die Messdaten ermittelt.

Diese Gewichtsabnahme kann durch die physiologische Thrombusretraktion zustande kommen. NaCl wird während der Thrombusformung in das Thrombengerüst eingelagert und im Anschluss über die Zeit wieder freigesetzt. Da die Thromben beider Spezies aus der identischen Menge Blut hergestellt wurden, die Thromben der Pferde aber ein um 2 g höheres Ausgangsgewicht zeigten, ist davon auszugehen, dass mehr NaCl in den equinen Thrombus eingelagert wurde. Durch das Zusammenziehen der Fibrinfäden im Zusammenspiel mit dem aktomyosinähnlichem Protein Thrombosthein, das in Thrombozyten enthalten ist, verfestigt sich der Thrombus im Laufe der Stunden (Weiss und Jelkmann). Diese Retraktion führt beim Pferdethrombus zu einer Gewichtsreduktion von 40 %. Der Thrombus aus Humanblut verliert in der gleichen Zeit nur 18 % seines Ausgangsgewichts. An ex vivo lysierten Thromben wurde zudem festgestellt, dass bei einer Inkubationszeit im Plasma oder Puffer nur ca. 8 % spontane Lyse stattfand (Sabovic and Keber 1996). Somit erscheint die hier verwendete Zusammensetzung der in vitro hergestellten Thromben einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Gewichtsabnahme der Thromben zu haben. Eine spontane Fibrinolyse ist dagegen auszuschließen, da in diesem Fall der Nachweis von D-Dimeren im Plasma hätte gelingen müssen.

Betrachtet man die unterschiedlich gewählten Dosierungen an Plasminogenaktivator bei Pferd und Mensch, so fällt auf, dass bei den equinen Thromben erst die 10-fache Menge eine zufriedenstellende Lyse erbrachte. Dies läßt vermuten, das eine Spezies-Spezifität der rTPA-Rezeptoren und des Plasminogens vorliegt. Wie eine

Studie an humanen ex vivo lysierten Thromben zeigte, spielt das verwendete Lysemilieu eine große Rolle bezogen auf den Lyseerfolg (Sabovic and Keber 1996).

Die dort in Plasma lysierten Thromben zeigten eine 50-prozentige Lyse bei einer rTPA-Konzentration von 1 µg/ml. Die Thromben, die in Puffer lysiert wurden, zeigten schon bei 0,1 µg/ml rTPA eine 50-prozentige Lyse und konnten mit einer höheren Konzentration von rTPA auch vollständig aufgelöst werden. Die Autoren erklären die bessere Lyse der Thromben in Puffermilieu durch das Fehlen von α2-Plasmininhibitor (Sabovic and Keber 1996). In der hier durchgeführten Studie ist somit davon auszugehen, dass es durch das Lysieren der Thromben im Plasma und der Anwesenheit von α2-Antiplasmin zu einer geringeren Lyserate als in der Studie von Sabovic und Kleber (1996) kommt. Möglich ist jedoch auch ein erhöhter negativer Einfluss des equinen α2-Antiplasmin auf den humanen rekombinanten Plasminogenaktivator Alteplase. Das wäre ein Erklärungsansatz für die benötigte Dosiserhöhung von rTPA beim Pferd.

Eine wichtige Rolle in der Thrombolysekaskade nimmt das Plasminogen ein. In einer Studie zeigte sich eine signifikant höhere Thrombolyse nach intermittierender Zugabe von Plasminogen und den Aktivatoren Urokinase, Streptokinase oder rTPA.

(Sabovic and Keber 1996). Der positive Effekt des Plasminogens auf das Lyseergebnis wurde zuvor schon in anderen Studien diskutiert (Sobel et al. 1990).

Alteplase ist ein rTPA, das Plasminogen zu Plasmin aktiviert und dadurch die Aufspaltung des Fibrins in lösliche Abbauprodukte herbeiführt (Cesarman-Maus and Hajjar 2005).

In früheren Studien konnte ein ähnlicher Aufbau von menschlichen Plasminogen zu dem des Pferdes sowie anderen Spezies, jedoch mit fraglicher funktioneller Homologie, festgestellt werden. Es stellte sich heraus, dass das Plasminogen des Pferdes keine equimolaren Komplexe mit Streptokinase eingeht, so dass die Autoren eine konzentrationsabhängige Komplexbildung vermuteten (Wohl et al. 1983). In einer weiteren Studie kam es zu keiner Aktivierung des Pferdeplasminogens durch Streptokinase. Die Aktivierung durch rTPA fiel beim Pferd gering aus (Yakovlev et al.

1995).

Zudem nimmt die physikalische Struktur um die Spaltbindungsstelle des Plasminogens beim Pferd unter den verglichenen Spezies eine Ausnahmestellung ein. Dieser unterschiedliche Aufbau, von dem man nicht genau weiß, ob er sich in der primären oder tertiären Struktur manifestiert, führt zu einem 50- bis 100-fachen Anstieg der Michaelis-Menten-Konstante und spricht dadurch für eine niedrige Substratspezifität (Wohl et al. 1983). Der Vergleich der aufgeschlüsselten Proteinsequenzen des Pferdes und des Menschen ergibt eine 79,3 %ige Übereinstimmung der Sequenz (MegAlign, DNASTAR, Inc., version 7.1.0 (44)).

Durch diese nicht vollständige Analogie der Proteinsequenzen könnte eine höhere Konzentration an rekombinantem humanem rTPA nötig sein, um ähnlich gute Lyseergebnisse bei equinen Thromben zu erzielen.