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Das Ziel dieser Studie war es, den in der Humanmedizin etablierten Plasminogenaktivator Alteplase in der thrombolytischen Therapie beim Pferd zu etablieren. Bei verschiedenen gefäßassoziierten Erkrankungen des Pferdes ist die Notwendigkeit einer Thrombolyse gegeben. Das häufigste Krankheitsbild ist die Okklusion der Vena jugularis externa, die ursächlich durch häufiges Punktieren dieser Vene, verbunden mit einer Hyperkoagulation des Blutes oder der Irritation der Intima durch einen Venenverweilkatheter bedingt sein kann (Dietz 2002; Gerhards 1987; Hay 1992). Seltener kommen Thrombosen in der Aortenaufzweigung oder in den Gefäßen der Gliedmaßen vor (Duggan et al. 2004; Gasthuys and Chiers 2007;

Maxie and Physick- Sheard 1985).

Die zur Etablierung des Plasminogenaktivators Alteplase notwendigen Daten wurden in einer in vitro-Studie und einer folgenden pharmakokinetischen Untersuchung erfasst. Dabei wurde an in vitro erzeugten equinen Thromben das Lysepotenzial und der zur Lyse notwendige Plasmaspiegel als Voraussetzung für eine zweite pharmakokinetische Untersuchung bestimmt. Die zweite Studie sollte die beim gesunden Pferd auftretenden pharmakokinetischen und -dynamischen Eigenschaften von Alteplase zeigen.

Zwar bestehen für die Therapie venöser oder arterieller Thromben beim Pferd Behandlungsschemata, diese greifen jedoch aufgrund ihrer Wirkstoffgruppen nicht direkt in das fibrinolytische System ein, sondern wirken wirkstoffabhänig im intrinsischen oder extrinsischen Gerinnungssystem. Der Wirkmechanismus des Cumarinderivates Phenprocoumon, einem Vitamin K-Antagonisten, beruht auf der unvollständigen Ausbildung der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren II, VII, IX, X und der Proteine C und S. Fehlt die Bindungsstelle für Calciumionen, so können die Faktoren II, VII, IX und X nicht an Phospholipidoberflächen binden und sind somit unwirksam. Die gerinnungshemmende Wirkung von Heparin beruht auf einer Komplexbildung des Heparins mit Thrombin und Antithrombin, welche die Inaktivierung des Thrombins um das 100-fache beschleunigt. Hirudin, ein direkter Thrombininhibitor, wirkt unabhängig von der Aktivität des Antithrombins und hemmt auch fibringebundenes Thrombin (Glusa and Pindur 2005).

Phenprocoumon und Heparin werden in der gerinnungshemmenden Therapie beim Pferd eingesetzt (Bubeck et al. 2005; Dietz 2002; Feige et al. 2003; Gasthuys and De Moor 2006). Hirudin ist an gesunden Pferden getestet worden (Feige et al. 2004).

Der Ansatzpunkt des Plasminogenaktivators Alteplase, einem Fibrinolytikum der zweiten Generation, besteht in der Aktivierung des thrombusständigen Plasminogens zu seiner aktiven Form, dem Plasmin. Im Gegensatz zum Wirkmechanismus der drei beschriebenen Pharmaka kommt es hier zu einer direkten Aktivierung des fibrinolytischen Sytems (Glusa and Pindur 2005). Daraus könnte sich eine größere Unabhängigkeit gegenüber den im Organismus herrschenden krankheitsbedingten Vorgängen, wie zum Beispiel einer Antithrombinreduktion aufgrund einer bestehenden Koagulopathie ergeben.

In der Applikationsform unterscheidet sich der Plasminogenaktivator durch seine intravenöse Gabe von dem oral zu verabreichenden Phenprocoumon oder der subkutanen Injektion von Hirudin oder Heparin. Dieser Applikationsweg ist aufwendig, invasiv und erfordert einen stationären Aufenthalt. Hingegen läßt sich Phenprocoumon auch vom Besitzer verabreichen. Zu beachten gilt hierbei jedoch, dass beide Antikoagulantien über einen längeren Zeitraum, bei Phenprocoumon zwischen 9 Tagen und 11 Monaten, verabreicht werden müssen um einen Therapieerfolg zu erzielen (Haubold and Gehlen 2007).

Die Ergebnisse der vorliegenden in vitro-Studie lassen den Schluss zu, dass bei der thrombolytischen Therapie venöser Thromben mit Alteplase beim Pferd über vier Stunden eine deutliche Reduktion des Thrombus zu erwarten ist. Bei einer rTPA-Konzentration von 1,5 µg/ml wurden durchschnittlich Lysewerte von 86 % des Ausgangsgewichts erreicht. Eine Thrombolysetherapie über vier Stunden ist mit einem begrenzten Personalaufwand über eine Dauertropfinfusion sehr gut möglich.

Die in der zweiten Untersuchung gezeigten individuellen Schwankungen der Alteplase-Plasmaspiegel der Pferde und die gute Verträglichkeit bei einer Dosierung von 1 mg/kg rTPA lassen eine unproblematische Anwendbarkeit erwarten. Bei der oralen Gabe von Phenprocoumon liegt eine gute Bioverfügbarkeit (92 – 100 %) vor, die Sensibilität ist aber sowohl zwischen den einzelnen Spezies als auch individuell

sehr unterschiedlich (Gerhards 1981; Haubold and Gehlen 2007). Zudem wird der maximale Cumarineffekt durch die unterschiedliche Halbwertszeit der Vitamin K-abhängigen Gerinnungsfaktoren erst nach 24 bis 36 Stunden manifest (Glusa and Pindur 2005). Aus diesem Grund liegt die Zeit, die zur Einstellung auf den therapeutischen Quickwert benötigt wird, bei neun bis 14 Tagen (Haubold and Gehlen 2007). Im Vergleich der beiden Antikoagulantien in Bezug auf die Therapielänge ist das zu erwartende kurze Zeitfenster der Alteplase von Vorteil. Ob und inwieweit eine Kombinationstherapie beider Präparate die Erfolgsaussichten einer thrombolytischen Therapie verbessern kann, muss in klinischen Untersuchungen geklärt werden.

Im Rahmen der hier vorgelegten ersten Untersuchung konnte gezeigt werden, dass Alteplase in der Lage ist eine Thrombolyse am equinen in vitro-Thrombus herbeizuführen. Neben der Gewichtsreduktion des Thrombus zeigte sich dies in einem Anstieg der D-Dimer-Werte.

Bei jeder thrombolytischen Therapie sollte eine Kontrolle der Gerinnungsparameter erfolgen. In der hier durchgeführten zweiten Studie zeigten sich über 48 Stunden keine nennenswerten Veränderungen der Gerinnungsparameter, so dass keine längere Überwachung der Probanden notwendig erscheint. Dies kann mit der kurzen Infusionszeit und der schnellen Metabolisierung in der Leber erklärt werden.

Bei der Therapie mit den Cumarinderivaten ist nach erfolgter Quickwerteinstellung eine Überprüfung des aktuellen Quickwertes alle sieben Tage erforderlich (Haubold and Gehlen 2007). Diese Kontrolle ist bei der Langzeittherapie empfehlenswert, um auf Änderungen des Quickwerts mit einer Anpassung der Dosis reagieren zu können.

Die in der in vitro-Studie gewählte Lysezeit orientiert sich an den Zeiten der Herzinfarkt- und Schlaganfalltherapie beim Menschen mit einer Infusionszeit von bis zu drei Stunden (Gillis et al. 1995). Zu beachten ist dabei, dass die Thrombolysetherapie beim Menschen in einem Zeitraum von drei bis sechs Stunden nach Einsetzten der Symptome begonnen werden sollte (Collen et al. 1989; Quinn et al. 2008). Dies ist auch in der Pferdemedizin erstrebenswert, obwohl der vollständige oder teilweise Verschluss einer Jugularvene keine lebensbedrohliche Erkrankung ist.

Tritt ein thrombotisches Geschehen während eines stationären Aufenthalts aufgrund eines chirurgischen Eingriffs auf, so kann durch ein sorgfältiges Monitoring der Venen die Therapie in einem engen Zeitfenster begonnen werden und damit ein besserer Therapieerfolg erwartet werden.

Ob es mit dem Plasminogenaktivator Alteplase möglich ist, ältere und somit in Organisation befindliche Thromben aufzulösen, bleibt fraglich. Ältere Thromben sind häufig mit dem Endothel der Gefäße verbunden, was das Durchdringen der Thrombolytika erschweren kann (Sabovic and Keber 1996). Dies zeigt sich bei Thrombosen in den Gliedmaßengefäßen, die in der Humanmedizin auch mit Alteplase lysiert werden, der Erfolg ist aber vom Alter der Thromben abhängig (Glusa and Pindur 2005). Brianceau und Divers (2001) sehen in dem Plasminogenaktivator ebenso eine Möglichkeit zur Behandlung von Thrombosen in den Gliedmaßen von Pferden. Der publizierte Lyseversuch eines Thrombus in der Aortenaufzweigung bei einem septikämischen Fohlen scheiterte allerdings aufgrund der schlechten Prognose der Grunderkrankung in Verbindung mit den zu erwartenden Kosten (Duggan et al. 2004).

Die Ergebnisse der vorgelegten in vitro-Studie lassen erwarten, dass mit einem Plasmaspiegel von 1,5 µg/ml eine Thrombolyse equiner venöser Thromben möglich ist. Die erreichten Plasmaspiegel der in vivo-Untersuchung lagen bei einer Dosierung von 1 mg/kg knapp unter den erwünschten Spiegeln, können jedoch grundsätzlich als Basis für einen ersten therapeutischen Ansatz als wirksam angenommen werden.