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2. Entscheidungsfindung in Organisationen

2.1. Merkmale von Organisationen

eine Entscheidung für sich trifft, aber die Summe dieser einzelnen Entscheidungen erst die Entscheidung der Gruppe ergibt. Eine Gruppenentscheidung benötigt Kommunikation, Abstimmung, Einigung oder gar Dispute, um zu einer gemeinsamen Entscheidung zu kommen.

Neben dem Wahlakt des Einzelnen ist also der kollektive Einigungsweg für eine gemeinsame Entscheidung wich-tig. Diese Sichtweise wird auch im nächsten Kapitel ent-scheidend sein, wenn es um das Konstrukt geht, in dem Entscheidungen getroffen werden: die Organisation.

2.1. Merkmale von Organisationen

Die Organisation spielt als Träger der Entscheidung eine wichtige Rolle. Sie ist die Umgebung, in der sich die Mit-glieder entscheiden. Nach Ackoff (1961, S. 276) ist die Organisation ein selbst gesteuertes System, in dem Indi-viduen oder Gruppen von IndiIndi-viduen die Verantwortung für die Wahl aus einer Anzahl von möglichen Handlungen in spezifischen Situationen haben.

Organisationen zeichnen sich durch gewisse Merkmale aus, die Auswirkungen auf den Entscheidungsverlauf und

2.1 Merkmale von Organisationen

die Entscheidung der Gruppenmitglieder haben können.

Diese Merkmale lassen sich in fünf allgemeine, zum Teil entscheidungsbezogene Merkmale unterteilen. Folgende Einteilung zeigt eine Auswahl der Organisationsmerkma-le (in AnOrganisationsmerkma-lehnung an Ackoff 1961, S. 276 f.):

- Zweck - Geografie - Zeit

- Organisationskultur -

Organisa- tionsstruk-tur

Ackoff (1961) zieht in seinen Ausführungen zu den Orga-nisationsmerkmalen den Vergleich mit zu Militärentschei-dungen („Wellen einer angreifenden Streitmacht“ als Bei-spiel für Zeit, „räumliche Verantwortungsgebiete einer Armee“ als Beispiel für geografische Gesichtspunkte etc.). Jedoch ist die Armee eine besondere Art der Orga-nisation, deren Entscheidungskultur durch Hierarchien geprägt ist und der Ausdruck durch Dienstgrade verlie-hen wird. In einer militäriscverlie-hen Organisationsumgebung sind die Entscheidungspersonen nicht unabhängig und

2.1 Merkmale von Organisationen

Entscheidungen verlaufen weniger demokratisch. Sie stellt dennoch eine selbst gesteuerte Organisation dar.

An diesem Organisationsbeispiel zeigt sich aber, dass auch hier die Merkmale der Organisation die Entschei-dungssituation determinieren können. Der Unterschied ist lediglich, dass in Militärorganisationen jede Diskussion durch die Autoritäten ohne offene Kommunikation oder demokratische Elemente der Mitbestimmung entschieden werden kann. Damit ist das Entscheidungsverhalten durch die Art der Organisation begrenzt. Im weiteren Ge-dankenspektrum der Arbeit soll das Entscheidungsver-halten der Organisationsmitglieder eher auf offen demo-kratische Organisationssysteme, wie Unternehmensor-ganisationen, zielen. Ackoffs Merkmale der Organisatio-nen werden in der vorliegenden Arbeit deshalb um die Merkmale Organisationsstruktur und -kultur erweitert, um den Rahmen der Organisation zu konkretisieren. Zeit, Zweck und Geografie sind nicht ausreichend für die Be-schreibung von Organisationen des und Organisation-verhaltens.

2.1 Merkmale von Organisationen Zweck

Der Zweck ist nicht nur ein lebenswichtiges Merkmal der Organisation, aus dem Zweck ergeben sich auch die Blickrichtung sowie der Sinn und die Handlungsabsicht der Organisation (Gründungsgrund, Wettbewerbsvorteil, Alleinstellungsmerkmal etc.). Er stellt die Aufgabe der Organisation dar. Bei den zu treffenden Entscheidungen berücksichtigen die Entscheidenden den Zweck der Or-ganisation, der im Entscheidungshandeln der Organisati-onsmitglieder Ausdruck findet. Cyert und March (vgl.

1995, S. 1) betrachten die Organisation als Filter für die Organisationsmitglieder, weil ihr funktionelles Denken organisationssoziologisch erlernt und langfristig angelegt ist. Dieses Denken prägt ihr Verhalten. Die Organisation agiert anhand von Entscheidungsmustern. Diese allge-meinen, festgelegten Entscheidungsverfahren sind lang-fristig erlernte kognitive Regeln und lassen sich nur schwer ändern (vgl. Cyert/March 1995, S. 118). Die Or-ganisation ist ein anpassungsfähiges System, aber ihre allgemeinen Regeln sind konstant.

2.1 Merkmale von Organisationen Geografie

Bei den geografischen Gesichtspunkten geht es um die räumliche Lage der Organisation. Denn auch der Stand-ort der Organisation spielt eine Rolle im Organisations-geschehen. Unterschiede können sich z.B. aus verschie-denen Absatzmärkten, räumlicher Nähe zu Zulieferern, rechtlichen Gegebenheiten, Infrastruktur etc. ergeben.

Hier kann zum einen von Verhaltensstandards gespro-chen werden, die der Standort mit sich bringt (eng ver-knüpft mit der Organisationskultur). Zum anderen können aus den Standortbedingungen organisationale Unter-schiede erwachsen. Dies führt auch zu UnterUnter-schieden in dem umweltbezogenen Aktionsfeld der Organisations-mitglieder. Deshalb können Entscheidungen einer Orga-nisation von ihren geografischen Umweltbedingungen (z.B. Anpassungen auf Marktänderungen) beeinflusst werden (vgl. Cyert/March 1995, S. 22). Auch wenn die Organisation zum Beispiel mehrere Standorte hat, prägt dies ihr Verhalten, z.B. durch Mitarbeiter-Diversity, inter-kulturelle Kommunikation etc.

2.1 Merkmale von Organisationen Zeit

Der Faktor Zeit als Organisationscharakteristikum bleibt bei Ackoff (1961) weitgehend unbestimmt, wobei Zeit in vielerlei Hinsicht für die Organisation von Bedeutung ist.

In welcher Zeit eine Organisation agiert, stellt gleichfalls ein Organisationsmerkmal dar. Die Zeit bringt Umstände mit sich, die für das Organisationsgeschehen entschei-dend sein können. So stellt sich das Entscheidungshan-deln einer Organisation in Zeiten einer Rezession anders dar als bei boomenden Absatzmärkten, oder während einer Inflation mag das Organisationshandeln von Vor-sicht geprägt sein, und es erfolgen weniger Investitionen.

Sogar das Jahrhundert als Grobraster spielte eine Rolle, z.B. vor dem Hintergrund des technischen Fortschritts.

Auch kleine Zeiteinheiten, wie Jahreszeiten (Saison) oder beim Aktienhandel (Börsengeschäfte) sind relevant. Zeit kennzeichnet also u.a. die wirtschaftlichen Entschei-dungsbedingungen der Organisation, aber auch die Technologie- bzw. Innovationsreife.

Organisationskultur

Wie bereits erwähnt, sind kulturelle Gegebenheiten oft eng an geografische Bedingungen geknüpft, denn mit der

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geografischen Lage geht auch häufig die Frage der Kul-tur einher. Wenn eine Organisation außerhalb ihres ei-gentlichen Standorts Niederlassungen (z.B. im Ausland) unterhält, können kulturelle Unterschiede zutage treten.

Beispiel: McDonalds produziert in Indien keine Burger mit Rind, weil die Kultur des Landes aus religiösen Gründen Rindfleischverzehr verbietet; und so findet diese Kultur auch in die Organisation des Landes Eingang. Grundlage für die Organisationskultur sind deshalb die geteilten Werte und Normen, die sich im historischen Organisati-onsgebaren äußern (z.B. „Das haben wir schon immer so gemacht“). Dabei hat die jeweilige Organisationskultur eine verhaltenslenkende Wirkung auf alle Mitglieder (vgl.

Jochims 2010, S. 60). Sie stellt die individuellen Beson-derheiten der Organisation dar. Organisationskulturen zu verändern, gestaltet sich deshalb schwierig, denn sie sind oft tief in der Organisation und ihren Normen veran-kert (vgl. Auer-Rizzi 1998, S. 263).

Organisationsstruktur

In der Organisation können Handlungen und Prozesse durch Strukturen begrenzt werden. Sie haben verhaltens-lenkenden Charakter (vgl. Fleischer 2001, S. 2), weil sie

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„von einer weitgehend identischen Menge von Organisa-tionsmitgliedern getragen werden“ (Kirsch 1971, S. 53).

Diese Sichtweise macht es möglich, Strukturen als kol-lektive Seite der Organisation zu betrachten. Organisati-onsstrukturen sind (wie die anderen Merkmale der Orga-nisation auch) musterbildend für orgaOrga-nisationale Ent-scheidungen, weil sie die Abläufe im Organisationsge-schehen beeinflussen: „Strukturen prägen Personen, sie kanalisieren, unterstützen oder behindern das Verhalten der Akteure“ (Martin 1995, S.8), indem sie Einfluss auf das Selektieren, Ordnen und Verteilen von Informationen sowie die Ideen, Menschen, Lösungsvorschlägen, Hand-lungen etc. nehmen (vgl. Martin 1998, S. 32).

In einigen Organisationen wird den Entscheidungsver-antwortlichen vorgegeben, wie sich beispielsweise die Auswahl eines/einer Bewerbers/-in vollziehen soll, indem die Organisation Kompetenz- und Stellenprofile sowie Ablaufbedingungen benennt. Damit haben sie ein vorge-gebenes Entscheidungskorsett, in dem sie sich bewegen können. In anderen Organisationen mag sowohl die Ent-scheidung der Bewerberauswahl (wer wird ausgewählt?) als auch der Weg der Akteure/-innen (wie kommt es zu einer Entscheidung?) frei sein. Dieses Beispiel soll

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deutlichen, dass die Organisationsstruktur zwar einer-seits Entscheidungsfreiheit nehmen, aber andereiner-seits auch den Organisationsmitgliedern Entscheidungsspiel-raum lassen kann. Die Organisation kann also mehr oder weniger Prozess- und Entscheidungsvorgaben machen.

Je nach Struktur der Organisation sind Entscheidungs-wege deshalb mehr oder weniger gefestigt. Die Struktu-ren der Organisation haben eine gewisse musterbildende Richtung. Sie können aber nicht als eigenes institutionel-les Instrument betrachtet werden, wohl aber als funktio-nales Subsystem der Organisation (vgl. Kirsch 1971, S.

53). Neben dieser Sichtweise existiert allerdings auch die Meinung, dass die Organisationsstruktur sehr wohl als institutionell zu betrachten sei und nicht lediglich funktio-nalen Charakter habe. Auch folgende Sichtweise bestä-tigt dies:

Die Organisation als Entscheidungssystem weist be-stimmte interne Prozesse auf, die Entscheidungsstruktu-ren herausbilden und Entscheidungen produzieEntscheidungsstruktu-ren (vgl.

Cyert/March 1995, S. 23). Ausdruck von institutionellen Organisationsstrukturen sind u.a. administrative Prozes-se, Handlungsvorgaben oder Hierarchien. Man denke dabei erneut an die Entscheidungswege zur

Personalbe-2.1 Merkmale von Organisationen

schaffung: Von der Auswahlentscheidung, der Zustim-mung des Betriebsrates bis zum ersten Arbeitstag ist das Handlungs- und Entscheidungsverhalten häufig festge-legt.

Institutionalisierte Prozesse befähigen die Mitglieder der Organisation, bei Auftreten eines Problems ein Ablauf-programm ausführen zu können, das ihr Verhalten ein-deutig und konfliktfrei steuert oder wenigstens einen Al-gorithmus zur Verfügung stellt, der aus den zur Wahl stehenden Lösungen die günstigste ermittelt (vgl. Schüß-ler 1993, S. 56). Der Ansatz von Scholl (2004) zielt in die gleiche Richtung, wonach Organisationsstrukturen als Grundlage institutionalisierter Prozesse dienen. Eine Or-ganisationsstruktur bestehe in den von den Mitgliedern geteilten Grundannahmen, Werten und Normen der Or-ganisation, von denen angenommen werde, dass sie die Gestaltung und Wahrnehmung von Prozeduren, Strate-gien und Strukturen beeinflussten (vgl. Scholl 2004, S.

532). Wenn also die am Organisationsgeschehen Teil-nehmenden bereits Grundannahmen teilen, liegt es na-he, dass auch ihr Entscheidungsverhalten davon beein-flusst wird. Eine Annahme könnte sein, dass, je mehr die