• Keine Ergebnisse gefunden

Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

3. Entscheidungsfindung von Gruppen

3.1. Erforschung von Gruppenentscheidungen Die Erforschung des Phänomens Entscheidung hat eine

3.1.2. Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

3.1.2. Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

Bei der Abgrenzung des individuellen vom kollektiven Entscheidungsverhalten ging es um die Unterschiede, die das Entscheidungshandeln in der Organisation aus-machen, und darum, dass Entscheidungen in Organisati-onen meist kollektiver Natur sind. Diese kollektive Natur des Entscheidungshandelns soll im Folgenden auf Züge eines einheitlichen Organisationswillens der Organisation als des kollektiven Entscheidungsakteurs untersucht werden. Die Organisation kann beim kollektiven Ent-scheidungsverhalten ein entscheidender Einflussfaktor sein. Denn nicht nur die externen Umweltfaktoren, wie etwa der Arbeitsmarkt, spielen eine Rolle, sondern auch das „interne“ Handeln des kollektiven Akteurs, also der Organisationsgemeinschaft an sich. Aber was ist ge-meint, wenn es heißt, die Organisation sei ein kollektiver Akteur, wenn doch die Individuen oder die Teilnehmen-den der Gruppe die ganze Arbeit machen?

Wenn die Organisation als kollektiver Akteur arbeitet, handelt sie natürlich nicht selbst, sondern ist durch Orga-ne und ihre TeilOrga-nehmenden vertreten. Organschaftliches

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

Handeln ist bereits im HGB, GmbHG und AktG verankert (z.B. durch Vorstand, Aufsichtsrat, Gesellschafterver-sammlung etc.). Organisationale Prozesse zeichnen sich dadurch aus, dass das Entscheidungsproblem von einer übergeordneten Instanz (Geschäftsführung, Vorstand, Vorgesetzte etc.) an die Entscheidungsträger/

-innen innerhalb der Organisation delegiert wird (vgl.

Lindstädt 1997, S. 9). Den Begriff Instanz benutzt Lind-städt in seiner Untersuchung über Gruppenentschei-dungsprozesse, um das organisationale Handeln zu be-tonen. Er geht davon aus, dass Entscheidungsprobleme der Gruppe stets Metaentscheidungsprozesse sind, d.h., das Problem „läuft“ bei der Instanz auf, und diese erhält dann die Gelegenheit, Steuerungsvariablen in ihrem Sin-ne festzulegen, sodass eiSin-ne optimale Problemlösung möglich wäre. Die Organisation als kollektiver Akteur de-legiert die Entscheidung dann an die Organisationsmit-glieder. Delegieren findet immer dann statt, wenn es sich um nicht routinemäßige Aufgaben, hier schlecht struktu-rierte Probleme handelt (vgl. Schüßler 1993, S. 1). Doch auch bei schlecht strukturierten Problemen bzw. nicht routinemäßigen Aufgaben kann die Organisation

mitagie-3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

ren. Das Delegieren ist die Arbeitsteilung der Organisati-on, für die unterschiedliche Fachkenntnisse gebraucht werden, um eine Auswahl vor dem Hintergrund des or-ganisationalen Anforderungs- bzw. Anspruchsniveaus zu treffen.

Neben den zahlreichen einzelnen Organisationsmitglie-dern kommt der Eigenständigkeit des einheitlichen Mak-roakteurs (der Organisation) eine besondere Bedeutung bei der Entscheidung zu. Diese unterliegt einer besonde-ren Art von Rationalität11, weil die Organisation ihrerseits einen Einfluss auf die Akteure ausübt (vgl. San-ders/Kianty 2006, S. 173). Dieser Gedanke meint aber nicht, dass unter den Akteuren ein einheitlicher Organisa-tionswille vorgefunden werden könnte, der von einer ein-heitlichen Meinungsbildung geprägt wäre. Es handelt sich eher um einen zentralen Einfluss des Organisations-kollektivs und nicht um eine Einheitsmeinung der

Organi-11 Um die Rationalität von Entscheidungen zu unterstützen, antwortet die Entscheidungstheorie mit der formalen Organisation, d.h. durch Reduktion von Unsicherheit und Komplexität mittels Arbeitsteilung, Standardisierung, Hierarchie, Kommunikation, Indoktrination etc. (vgl. Schuler 2007, S. 57).

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

sation. Letzteres ist selten der Fall, da die Entschei-dungsfindung durch multiple Faktoren beeinflusst wird.

Die Träger/-innen betrieblicher Entscheidungen sind Gruppen oder Einzelpersonen (vgl. Schüßler 1993, S.

13), und auch wenn die Darstellung des kollektiven Ent-scheidungsverhaltens unabhängig von der individuellen verhaltenspsychologischen Handlung sein soll, stellt sie trotzdem die unabdingbare Basis für die Gruppenbe-trachtung dar. Der individuelle Einfluss auf die Gestaltung der Organisation und ihre Entscheidungsprozesse ist die Basis für das Entscheidungsgebäude der Organisation.

Und auch Gruppenhandlungen gehen zunächst von indi-viduellen Gedanken Einzelner aus. Diese verzahnen sich erst im zweiten Schritt durch Interaktion.

Es stellt sich aber dazu die Frage, ob das kollektive Ent-scheidungsverhalten nicht eine gewisse Eigenständigkeit innehat. Denn werden einzelne Organisationsmitglieder ausgewechselt, bleibt trotzdem so etwas wie ein „Spirit“

erhalten. Hierbei könnte es sich um einen allgemeinen Gestaltungswillen handeln, der der Organisation imma-nent ist, auch wenn sich die Umweltbedingungen ändern.

Handlungen und Entscheidungen in Organisationen sind

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

in erster Linie Gegenstand bewusster Koordination. Die-ses System ist in der Organisationsgruppe als unverän-derlich anzusehen. Ein Wechsel der Organisationsteil-nehmenden führt nicht zu einer Umwälzung des Organi-sationssystems. Die verschiedenen Organisationsteil-nehmenden als Entscheidungsträger/-innen stellen nicht nur die Beschäftigten der Organisation dar, sondern es zählen auch Kunden, Lieferanten und Aktionäre, die so-genannten Share- und Stakeholder, dazu.12 Die Organi-sation hat also weiterhin Bestand, trotz des Ein- und Ausscheidens von Organisationsteilnehmenden, und verändert auch nicht ihren organisationseigenen Charak-ter. Als Beispiele können die Organisationsstruktur ange-führt werden, so, wie der langfristige und schwer änder-bare Charakter von Organisationskulturen13 (vgl. Martin 1995, S. 60). Handlungen werden von der Organisation

12 Cyert und March (1995) unterscheiden in ihrer verhaltenswissenschaftlichen Theorie der Unternehmung zwischen Beschäftigten und Teilnehmenden. Letztere nehmen eher passiv am Organisationsbetrieb teil – wobei dies zu diskutieren wäre.

13 Eine Besonderheit stellen hierbei Gründerpersönlichkeiten dar, die der Organisation bisweilen ein strukturgebendes Gesicht hinterlassen, das noch Jahrzehnte später Handlungsmaxime ist, wie z.B. im Falle des Apple-Gründers Steve Jobs.

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

unter dem Gesichtspunkt des Organisationszwecks be-trachtet (siehe Kapitel 2.1). Der kollektive Akteur, die Or-ganisation, leitet daraus seine Entscheidungen ab. Diese Sichtweise hat unzweifelhaft ein indoktrinierendes Ele-ment: Die Organisation gibt vor, und die Organisations-teilnehmenden werden in ihrem Handeln von der Organi-sation beeinflusst (z.B. durch Schulungen oder gezielte Personalauswahl). Die Organisation stellt Entschei-dungsprämissen auf, welche die Komplexität der Aus-wahl im Entscheidungshandeln reduzieren sollen. Hierbei handelt es sich u.a. um die Standardisierung von Pro-zessen. Indem wie beispielsweise Hierarchien in der Or-ganisation gestaltet sind, wird das Handeln der Organisa-tionsteilnehmenden begrenzt.

Die Mitglieder werden von der Organisation in ihren Ent-scheidungen geführt, wobei sich dieser Einfluss eher in-direkt zeigt und nicht als aktive Beeinflussung in Erschei-nung tritt. In vielen Unternehmen gibt es beispielsweise ungeschriebene Einstellungsprämissen, wie etwa: „Regi-onale Bewerber/-innen passen besser zu uns, weil sie nicht so oft den Arbeitgeber wechseln“ – und danach

werden dann die Bewerber/

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

-innen priorisiert. Dies kann u.a. aus gemachten Erfah-rungen herrühren, die die Organisation mit regionalen Bewerbern/-innen gemacht hat.

In dieser Betrachtung sollen die Entscheidungen des kol-lektiven Akteurs eher unpersönlicher Natur sein und nicht auf einzelne Organisationsteilnehmende oder Gruppen zurückgeführt werden, sondern einen losgelösten Lei-tungshorizont charakterisieren. Es handelt sich in der Theorie (der Entscheidung) um eine abstrakte Betrach-tung eines einheitlichen Handlers. Und wenn die Organi-sationsteilnehmenden sich mit der Organisation identifi-zieren, berücksichtigen sie unter Umständen in stärke-rem Maße die Ziele des kollektiven Akteurs. Die Organi-sationsteilnehmenden stellen quasi die Erfüllungsgehil-fen/-innen des kollektiven Akteurs dar. Gruppen sind da-bei die autorisierten Gremien des Handelns (vgl. Martin 1995, S. 7). Es handelt sich also bei der Gruppe um ein autorisiertes Gremium, das im Sinne des Makroakteurs der Organisation agieren kann und ein absichtsgeleitetes Entscheidungsverhalten an den Tag legen soll. Gruppen entscheiden in einem kleineren Entscheidungsmilieu als

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

die Organisation in ihrer Gesamtheit. Betrachtet man die Handlungsweise der Organisation als Einheit, so sind die Organisationsziele der kognitive Ariadnefaden. Er wird durch die Arbeitsteilung der Organisation ausgelegt.

Die Organisation als Makroakteur zu behandeln, gründet sich darauf, dass einzelne Organisationsteilnehmende vornehmlich ihre eigenen Ziele verfolgen, aber sich trotz-dem ein kollektiver Wille herausbilden kann (vgl. Martin 1995, S. 6). Aber nicht nur organisationale Faktoren be-einflussen das Entscheidungsverhalten aktiv, sondern auch intra- und interindividuelle Faktoren der Organisati-onsteilnehmenden, wie Machteinflüsse, Trittbrettfahren etc. Intra- und intersoziale Prozesse sind das Bindeglied zwischen der individuellen und der kollektiven Perspekti-ve. Meinungsbildung oder (Vor-)Entscheidungen basie-ren in der Organisation zunächst auf individuellem Aus-wahlverhalten, aber das Entscheidungshandeln ist in den meisten Organisationen eher kollektiver Natur. Damit ist gemeint, dass das Individuum zunächst für sich allein eine Entscheidung trifft. Um aber als finale Entscheidung in ein Entscheidungshandeln einzugehen, bedarf es der

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

Abstimmung mit anderen Organisationsteilnehmenden.

Erst dann erhält der organisatorische Gestaltungswille Ausdruck. Die Verlinkung von individuellem und kollekti-vem Willen vollzieht sich dabei durch Kommunikation. Je nach Aggregatzustand ist die Kommunikation eher flie-ßend oder eher zähflüssig. Eine flieflie-ßende Kommunikati-on ermöglicht den OrganisatiKommunikati-onsteilnehmenden einen guten Austausch von Informationen und ein fließendes Entscheidungshandeln mit hoher Kompetenz oder gar Qualität.

Die organisationale kollektive Entscheidung ist idealiter rational und verfolgt konsistente Ziele. Grundsätzlich ist das Musterbild des rationalen Organisationsgebarens ein hehres Ziel. Aber von politischen Parteien als kollektiven Entscheidungsträgern wird beispielsweise davon ausge-gangen, dass ihre getroffenen Entscheidungen eindeutig und frei von Präferenz- und Vorteilsdenken seien. Hierbei handelt es sich um einen theoretischen und idealisti-schen Anspruch, der aber nicht den Kern des Entschei-dungshandelns in Organisationen trifft.

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

In der verhaltenswissenschaftlichen Theorie der Unter-nehmung von Cyert und March (1995, S. 114 ff.) haben die Koalitionen von Individuen keine konsistenten Ziele und ihr Handeln ist nicht rational. Sie werden als „adaptiv rational“ beschrieben, da auch die Organisation als Gan-zes nur über begrenzte kognitive Informationsverarbei-tungskapazitäten verfügt kann und damit auch ihre Han-delnden nicht allwissend sind. Das Individuum stellt zwar den zentralen Referenzpunkt im Entscheidungshandeln dar, jedoch ist die Idee des kollektiven Akteurs der Orga-nisation als einheitlich und eindeutig Handelnder eine andere. Die Organisation reduziert durch ihre quasi un-bewegliche und zeitkonstante Struktur die Unsicherheit von Individuen. Sie macht gewisse Vorgaben, die den Entscheidern/-innen bereits eine Richtung vorgibt. Dieses Richtungsdenken ist auch als adaptiv rational einzustu-fen, denn Individuen „rütteln“ zwar zeitweise an diesem Konzept, indem sie die Organisation mit ihren Ideen und Taten beeinflussen, aber das Grundkonzept bleibt prinzi-piell in jeder Organisation erhalten und wird von der Or-ganisation vorgegeben, nicht von den einzelnen Individu-en. Es ist, wenn die Organisation bereits lange besteht,

3.1.2 Besonderheiten des kollektiven Entscheidungsakteurs

über Jahre gewachsen und gefestigt worden. Es zeigt sich beispielsweise auch in Mergers & Acquisitions-Prozessen, dass Organisationsstrukturen nur schwer zu verändern sind.

Der Anpassungsdruck durch Globalisierung und Interna-tionalisierung, dem Organisationen ausgesetzt sind, zwingt sie, Schritt zu halten und sich anzupassen. Bei einem solchen Eingriff in die Organisation handelt es sich um Marktentscheidungen, die den Organisationszweck betreffen, aber nicht in die Grundfesten der Organisati-onsstruktur eingreifen. Aber auch „junge“ Organisationen, wie Start-up-Unternehmen haben bereits zu Beginn eine Organisationsstruktur. Diese ist zwar noch flexibler und weniger ausgestaltet, aber durchaus vorhanden. So, wie Organisationsstrukturen (siehe Kapitel 2.1) der Verhal-tensregulierung dienen (vgl. Martin 1998, S. 5), bilden sie zugleich auch eine mehr oder minder stabile Basis für die Entscheidung des kollektiven Akteurs. Sie können von den Organisationsteilnehmenden sogar in Teilen beein-flusst werden, sind aber ein relativ konstantes Merkmal der Organisation. In Bezug auf die Organisation als ein-heitlichen Entscheider stellen die Organisationsstrukturen