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Zeit- und Mengengrößen

Im Dokument Taktisches Supply Chain Planning (Seite 57-60)

2 Grundlagen des Supply Chain Planning

2.4 Zielgrößen für taktische Supply Chain Planning-Probleme .1 Kosten- und Erlösgrößen

2.4.2 Zeit- und Mengengrößen

Idee der Verwendung von Zeit- und Mengengrößen ist, dass die Verfolgung dieser Größen einen positiven Einfluss auf Wertgrößen vor allem Kostengrößen hat, ein un-mittelbar quantitativ zu bewertender Zusammenhang jedoch nicht besteht. Dadurch wird unterstellt, dass zwischen den Zeit- bzw. Mengengrößen und den entscheidungs-relevanten Kosten ein Zusammenhang besteht.1s1 Als derartige Größen werden nach-folgend die Durchlaufzeit, die Lieferterminabweichung sowie die Kapazitätsauslastung vorgestellt.

Durchlaufzeit

Eine zentrale Zeitgröße in der produktionswirtschaftlichen Literatur ist die Durchlauf-zeit. Unter der Durchlaufzeit wird der Zeitraum vom Zeitpunkt der Bereitstellung für den ersten Arbeitsvorgang bis zum Abschluss des letzten Arbeitsvorgangs verstan-den.1s2 Die Durchlaufzeit ist je nach Bezugsobjektauftrags- oder produktbezogen.

Bei der von vielen Autoren in der produktionswirtschaftlichen Literatur vertretenen Sichtweise der auftragsbezogenen Durchlaufzeit ist das Bezugsobjekt ein Kunden-bzw. Produktionsauftrag. Die Durchlaufzeit wird dann als Zeitraum vom Bereitstel-lungszeitpunkt bis zum FertigstelBereitstel-lungszeitpunkt eines Auftrags definiert.1s3 Corsten betrachtet die Durchlaufzeit bis zur Übergabe an den Vertriebsbereich.1s4 Zäpfe! und Piekarz betonen, dass der Zeitraum der Durchlaufzeit bis zur Lieferscheinerstellung bzw. Fakturierung oder zur tatsächlichen Auslieferung reicht, was sie als Gesamt-durchlaufzeit bezeichnen. iss Auch Christopher weist daraufhin, dass die Durchlaufzeit die Auslieferung zum Kunden umfasst.1s6 Reichwald und Sachenbacher gehen noch weiter, indem sie für die Durchlaufzeit eine Betrachtungsweise von der Auftragsertei-lung durch den Kunden unter Einbeziehung von Forschung und EntwickAuftragsertei-lung bis zur Auslieferung beim Kunden angeben und diese als totale Durchlaufzeit bezeichnen.1s7 Übereinstimmend mit der standortübergreifenden Sichtweise des taktischen Supply Chain Planning wird hier der Zeitraum vom Zeitpunkt der Bereitstellung eines Auf-trags bis zum Zeitpunkt des Abschlusses der Auslieferung als aufAuf-tragsbezogene

"' Vgl. Kistner/Steven (2001), S. 11.

1s2 Vgl. Küpper/Helber (1995), S. 53.

is3 Vgl. zur Definition der Durchlaufzeit etwa Domschke/SchollNoß (1997), S. 27; Kistner/Steven (2001),

s. 104.

154 Vgl. Corsten (2000), S. 475.

,ss Vgl. Zäpfel/Piekarz(l996), S. 66.

,s6 Vgl. Cbristopber (1998), S. 157.

•s7 Vgl. Reichwald/Sachenbacber (1996), Sp. 368-370.

Durchlaufzeit angesehen.158 Als Gesamtdurchlaufzeit wird die Summe der Durch-laufzeiten über alle innerhalb eines Planungshorizonts vorgegebenen Aufträge verstan-den_ 1s9

Neben der auftragsbezogenen Sichtweise der Durchlaufzeit gibt es eine produktbezo-gene Sichtweise, bei der das Bezugsobjekt jeweils eine Einheit des Produkts ist. Die produktbezogene Sichtweise der Durchlaufzeit geht von der Überlegung aus, dass aus Sicht des taktischen Supply Chain Planning eine Prognose für jede Produktart inner-halb eines Planungshorizonts erforderlich ist. Da ein Auftrag mehrere Produkte umfas-sen kann, müsste außerdem eine Prognose der Aufträge erfolgen. Eine Zuordnung ver-schiedener Produkte zu Aufträgen und damit eine Bestimmung der auftragsbezogenen Durchlaufzeit ist allerdings nur schwer möglich. Daher bietet sich für das taktische Supply Chain Planning eine produktbezogene Sichtweise der Durchlaufzeit an. Vor diesem Hintergrund wird die produktbezogene Durchlaufzeit als der Zeitraum vom Zeitpunkt der Bestellung der Einsatzmaterialien für ein Produkt bis zum Zeitpunkt der Anlieferung des Produkts beim Kunden angesehen.

Die Durchlaufzeit lässt sich unabhängig vom Bezugsobjekt in verschiedene Kompo-nenten zerlegen. 16

°

Komponenten der Durchlaufzeit sind, wie in Abbildung 2.11 ver-anschaulicht, die Lieferzeit, die Produktionszeit einschließlich der Lagerzeit, die La-ger- und Distributionszeit in den Distributionslägern sowie die Transportzeit für Transporte zwischen den Ebenen.

Lieferanten Produktionsstandorte Distributionsllger Kunden

Lieferzeit Transportzeit Produktions- Transportzeit Lager- und Transportzeit

zeit einschl. Distributionszeit

Lagerzeit

- - - -Durchlaufzeit---+

Abbildung 2.11: Durchlaufzeit beim taktischen Supply Chain Planning

158 Dieser Zeitraum wird von Beamon als Customer Response Time bezeichnet, vgl. Beamon (1998), S. 288.

" 9 Vgl. zu dieser Definition etwa Kistner/Steven (2001), S. 104f.

160 Vgl. etwa Domschke/Scholl/Voß (1997), S. 27; Küpper/Helber (1995), S. 53.

Der Zeitraum zwischen einem Lieferabruf und dem Eintreffen im Produktionsstandort entspricht der Lieferzeit. 161 Die Produktionszeit ist die Dauer, bei der bei einem Ob-jekt, d.h. Auftrag oder Produkt, eine physikalische Veränderung stattfindet.162 Außer-dem zählt in der vorliegenden Arbeit die Lagerzeit im Eingangs-, Zwischen- und Ab-satzlager sowie die innerbetriebliche Transportzeit zur Produktionszeit. Der Zeitraum, in dem beim Objekt weder eine physikalische noch eine räumliche Veränderung statt-findet, wird als Lagerzeit bezeichnet. Die Lagerzeit wird hier auf ein Distributionsla-ger bezogen; anderenfalls wird diese der Produktionszeit zugeordnet. Die Zeitspanne vom Wareneingang in einem Distributionslager bis zum Warenausgang einschließlich einer Zusammenstellung verschiedener Produktarten zu einer Auslieferungseinheit entspricht der Distributionszeit. Der Zeitbedarf für eine räumliche Veränderung eines Objekts von einer Ebene zu einer anderen determiniert die Transportzeit.

Durch die Berücksichtigung der Durchlaufzeit wird gleichzeitig die Kundenzufrieden-heit beeinflusst. Je kürzer die Durchlaufzeit, desto größer ist tendenziell die Kunden-zufriedenheit. Über die Kundenzufriedenheit kann die Durchlaufzeit einen maßgebli-chen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit einer Unternehmung haben. Außerdem sinkt mit der Verkürzung der Durchlaufzeit das in den Einsatzmaterialien bzw. Pro-dukten gebundene Kapital und senkt damit die Kosten. Die Durchlaufzeit kann als er-gänzende Zielgröße zu den Wertgrößen hin zur Mehrfachzielsetzung beim taktischen Supply Chain Planning insbesondere bei Herstellern, die in einem Markt mit sehr kur-zen Produktlebenszyklen tätig sind, wie bspw. Produktionsunternehmungen von Per-sonalcomputern, eine wichtige Rolle spielen.163 Überdies sinkt die Gefahr, dass bei langer Durchlaufzeit und damit möglicherweise umfangreicher Lagerhaltung Produkte mit sehr kurzen Produktlebenszyklen bereits im Lager veralten.

Lieferterminabweichung

Die Lieferterminabweichung ist eine Zielgröße, die ebenfalls je nach Objekt auftrags-oder produktbezogen sein kann. Der Liefertermin ist der durch die Planung determi-nierte und einem Kunden auf Basis des geplanten Fertigstellungstermins zugesicherte Zeitpunkt für einen Auftrag oder eine Einzelleistung, zu dem geliefert werden soll. Zur Ermittlung der Lieferterminabweichung wird der realisierte Fertigstellungszeitpunkt mit dem geplanten Fertigstellungstermin verglichen. 164 Eine Überschreitung des geplanten Fertigstellungstermins kann bspw. zu einer Konventionalstrafe und auch zu einem zukünftigen Auftragsentgang führen.165 Jedoch sollte auch ein zu früher Fertig-stellungstermin vermieden werden, 166 damit bei einem gegebenen Liefertermin für die Kunden die Fertigprodukte nicht über einen langen Zeitraum gelagert werden müssen.

Bei der Lagerung von Fertigprodukten ist aufgrund des höheren Wertes gegenüber

161 Vgl. GUntherffempelmeier (2000), S. 66; Pfohl (2000a), S. 36.

162 Vgl. ähnlich auch Kern (1992), S. 278.

163 Vgl. für einen Ansatz mit Mehrfachzielfunktion etwa Arntzen et al. ( 1995).

l6-I Vgl. etwa Beainon (1998), S. 288; Domschke/Scholl/Voß (1997), S. 293.

1"' Vgl. Kiener/Maier-Scheubeck/Weiß (1999), S. 194. Eine Überschreitung der Lieferzeit wird auch als

Verspä-tung bezeichnet, vgl. Domschke/Scholl/Voß (1997), S. 293.

166 Vgl. Corsten (2000), S. 494.

Einsatzmaterialien die Kapitalbindung größer, weshalb die Lagerhaltungskosten bei Fertigprodukten tendenziell größer sind. Eine Venneidung zu früher Fertigstellungs-tennine ist jedoch nur sinnvoll, wenn es nicht gleichzeitig kapazitive Engpässe gibt.

Kapazitätsauslastung

Mit Hilfe der Maximierung der Kapazitätsauslastung wird angestrebt, das in Produk-tiveinheiten gebundene Kapital möglichst maximal auszunutzen. Die Kapazität, defi-niert als das Leistungsvennögen einer Produktiveinheit in quantitativer und qualitati-ver Hinsicht für einen definierten Zeitraum, 167 bestimmt damit die maximale Produkti-onsmenge einer Produktiveinheit. Der Kapazitätsauslastungsgrad entspricht dem Quo-tienten aus geplantem Kapazitätsbedarf und verfügbarer Kapazität. Bei technisch um-fangreichen Produktionsanlagen kann mit einer Kapazitätsvorhaltung eine hohe Fix-kostenbelastung verbunden sein, weshalb dann der Kapazitätsauslastung eine große Bedeutung zukommt.168 Eine je nach Produktart unterschiedliche Beanspruchung der Kapazität ist durch einen produktartabhängigen Kapazitätsbedarf zu berücksichtigen.

Mit der Durchlaufzeit, der Liefertenninabweichung und der Kapazitätsauslastung sind drei mögliche Zielgrößen dargestellt. Im Vordergrund der vorgestellten Zielgrößen steht die Eignung für taktische Supply Chain Planning-Probleme. Neben diesen drei dargestellten Zielgrößen werden in der produktionswirtschaftlichen Literatur zahlrei-che weitere Zielgrößen genannt, 169 die hier nicht vorgestellt werden. Neben quanti-tativen werden in der Literatur auch qualitative Zielgrößen vorgeschlagen, von denen einige nachfolgend dargestellt werden.

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