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Einstufige Logistiknetzwerk-Planungsprobleme

Im Dokument Taktisches Supply Chain Planning (Seite 110-114)

4 Modellbildung für Produktions- und Logistiknetzwerke .1 Elemente einer übergeordneten Planung

4.2 Reine Netzwerkmodelle

4.2.1 Einstufige Logistiknetzwerk-Planungsprobleme

Produktions- und Logistiknetzwerke können als Netzwerke modelliert werden.68 Ein Vorteil der auf der Graphentheorie basierenden Netzwerkmodellierung ist die Visuali-sierung des Planungsproblems.69 Ein weiterer Vorteil der Netzwerkmodellierung ist die Möglichkeit, visualisierte Netzwerkstrukturen unmittelbar in ein Programmie-rungsmodell zu überführen, und damit die Möglichkeit, Anwendern mathematische Programmierungsmodelle näher zu bringen.70 Dadurch, dass die an verschiedenen Standorten vorhandenen Daten systematisch zusammenzufassen sind, kann die Visua-lisierung eines Supply Chain Planning-Problems bereits die Ausnutzung von Verbes-serungspotenzialen sowie die stärkere Nachvollziehbarkeit der Planung gestatten.71 Ferner bedingt die Heterogenität der zu untersuchenden Produktions- und Logistik-netzwerke sehr unterschiedliche taktische Supply Chain Planning-Probleme, weshalb eine auf der Netzwerkmodellierung aufbauende Systematisierung eine anwendungs-fallspezifische Erstellung von Programmierungsmodellen für ein zu untersuchendes Planungsproblem erleichtert. Darüber hinaus bilden die dargestellten Netzwerkmodel-lierungen die Basis für die zu entwickelnden deterministischen und stochastischen Pro-grammierungsmodelle zur Unterstützung des taktischen Supply Chain Planning.

Schwerpunktmäßig werden mit der Netzwerkmodellierung Minimalkostenflussprob-leme betrachtet, bei denen der kostengünstigste Weg für den Transport der Produkte durch ein Netzwerk gesucht wird unter der Prämisse, dass die gegebene Kundennach-frage durch ein vorhandenes Angebot bei Einhaltung der Transportkapazitäten befrie-digt wird.72 Voraussetzung ist, dass mit einem Transport entsprechende Kosten ver-knüpft sind. Neben dem Minimalkostenflussproblem können Planungsprobleme wie das Kürzeste-Wege-Problem oder das Maximalflussproblem als Netzwerk modelliert

67 Zur Begriffsabgrenzung wird in der vorliegenden Arbeit unter einem Produktions- und Logistiknetzwerk, einem Produktionsnetzwerk bzw. einem Logistiknetzwerk das zu Grunde liegende Realsystem und unter ei-nem Netzwerk die visualisierte Form als Graph verstanden.

68 Produktions- und Logistiknetzwerke als Netzwerke stellen auch etwa Cohen/Mallik (1997), S. 200f., und Verter/Dincer (1995), S. 265, dar.

69 Auch Shapiro (2001 ), S. 78, betont, dass eine Visualisierung von Produktions- und Logistiknetzwerken ins-besondere für die Kommunikation zwischen Anwendern sehr hilfreich ist.

10 Vgl. Glover et al. (1978), S. 1209.

71 Vgl. auch Straube ( 1998), S. 30f.

72 Vgl. etwa Ahuja/Magnanti/Orlin (1993), S. 4.

werden,73 die jedoch aufgrund der in dieser Arbeit durchgeführten Problemabgrenzung nicht weiter erörtert werden.

Ein Bereich der Minimalkostenflussprobleme betrachtet kapazitierte einstufige Trans-portprobleme. 74 Innerhalb der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Terminologie wird das Transportproblem als Logistiknetzwerk-Planungsproblem bezeichnet.75 Ein Netzwerk für ein derartiges Planungsproblem besteht aus einem gerichteten zusam-menhängenden Graphen G =(V, E) mit einer endlichen Knotenmenge V und einer endlichen Pfeilmenge E. Die Knotenmenge V= J u K wird in zwei disjunkte Teil-mengen J und K aufgeteilt, so dass J die Angebotsknoten, in diesem Fall die Distribu-tionsläger, und K die Nachfrageknoten, hier die Kunden, umfasst. Dabei gilt für jeden Pfeil (j,k) e E, dass je J, k e K. Die Variable yik beschreibt für jeden Pfeil (J,k) e E die Flussstärke mit der Bewertung des Flusses durch ktdkik als Transport-kosten einer Einheit von j nach k . Abbildung 4.10 zeigt ein konkretes einstufiges Logistiknetzwerk-Planungsproblem mit drei Distributionslägem und drei Kunden.76

Abbildung 4.10: Einstufiges Logistiknetzwerk-Planungsproblem

Die Pfeilbewertung im dargestellten Netzwerk gibt neben den Transportkosten je Pro-dukteinheit ktdki• die untere und obere Kapazitätsgrenze an, wobei die obere Kapazi-tätsgrenze mit oo anzeigt, dass es sich um ein unkapazitiertes Planungsproblem han-delt. Das in Abbildung 4.10 gezeigte Netzwerk wird als reines Netzwerkmodell be-zeichnet, da die Flüsse in den Knoten nicht verändert werden und weder die Eingangs-noch die Ausgangsproportionen in einem Knoten beschränkt sind.77 Allgemein kann ein einstufiges Logistiknetzwerk-Planungsproblem in das anknüpfend dargestellte lineare Programmierungsmodell transformiert werden: 78

73 Vgl. Ahuja/Magnanti/Orlin (1993), S. 6f.; Eiselt/Sandblom (2000), S. 365.

74 Vgl. Ahuja/Magnanti/Orlin (1993), S. 7. Domschke (1995), S. 59, bezeichnet diese als kapazitierte klassische Transportprobleme.

75 Hier wird die Bezeichnung Logistiknetzwerk-Planungsproblem gewählt, um zu verdeutlichen, dass aus-schließlich eine räumliche und mengenmäßige GUtertransformation betrachtet wird. Gegenober dem Begriff Transportproblem verdeutlicht Logistiknetzwerk-Planungsproblem stärker, dass ein Ausschnitt aus einem Produktions- und Logistiknetzwerk vorliegt. Da in der vorliegenden Arbeit Transportkapazitäten vorherr-schend unberücksichtigt bleiben, enttllllt die Bezeichnung unkapazitiert.

76 In Anlehnung an die Literatur zur Netzwerkmodellierung werden die Knoten in reinen Netzwerkmodellen als Kreise dargestellt, vgl. hierzu etwa Chinneck (1990), S. 247.

77 Vgl. Chinneck (1992), S. 531; Werners (2001), S. 6.

71 Vgl. etwa Bazaraa/Jarvis/Sherali (1990), S. 478f.; Domschke (1995), S. 61.

minz = 'J}ctdkjäjk

ANGj : Angebotsmenge in Distributionslager j Dk Nachfrage des Kunden k

ktdkjk Transportkosten einer Einheit von Distributionslager j zu Kunde k Entscbeidungsvariable

(4.1.1)

(4.1.2) (4.1.3) (4.1.4)

yjk Produktmenge, welche von Distributionslager j zu Kunde k transportiert wird

Mit Hilfe der Zielfunktion ( 4.1. l) wird eine Minimierung der Transportkosten für die betrachtete Produktart angestrebt. Restriktion ( 4.1.2) stellt sicher, dass die zu den Kunden transportierte Menge die in den Distributionslägern angebotene Menge nicht überschreitet, während Restriktion (4.1.3) gewährleistet, dass die Nachfrage vollstän-dig erfüllt wird, und Restriktion (4.1.4) die Nichtnegativitätsbedingung angibt. Mit Hilfe dieses Modells wird für das einstufige Logistiknetzwerk-Planungsproblem ange-strebt, einen Transportplan aufzustellen, der bei Erfüllung der Nachfrage die Trans-portkosten minimiert. Bei diesem Modell wird vorausgesetzt, dass

'<:ljeJ, keK ist. Bei Verletzung dieser Restriktion kann die Nachfrage nicht vollständig befriedigt werden, so dass ein fiktiver Anbieter einzuführen ist. Wenn wie hier keine kundenin-dividuellen Strafkosten bei einer Nichtbelieferung erfasst werden, gilt sodann die Prämisse einer gleichen Bedeutung der Kunden hinsichtlich der Lieferbereitschaft.

Einstufige Logistiknetzwerk-Planungsprobleme können sich auf Stufen wie bspw.

zwischen Distributionslägern und Kunden, in denen es keine Produktionsvorgänge gibt, beziehen. Außerdem können einstufige Logistiknetzwerk-Planungsprobleme eine Stufe zwischen zwei Produktionsstandortebenen oder zwischen Produktionsstandort-und Distributionslagerebene umfassen, wenn speziell für die Produktionsstandorte ein gegebenes Angebot bzw. eine gegebene Nachfrage angenommen wird. Allerdings

wird in dem bisher als Netzwerk dargestellten einstufigen Logistiknetzwerk-Planungs-problem lediglich eine Produktart berücksichtigt. Da es bei realen Produktions- und Logistiknetzwerken vorherrschend mehrere Produktarten gibt, ist das Netzwerk zu erweitern, indem die Flüsse in einem Netzwerk hinsichtlich der verschiedenen Pro-duktarten l e L zu unterscheiden sind. 79

Produkt 1 Produkt 1

Produkt 2

Produkt 2 Produkt 3

Produkt 1 Produkt 1

Produkt 2 Produkt 3

Produkt 3

Abbildung 4. 11: Einstufiges Logistiknetzwerk-Planungsproblern mit mehreren Produktarten Zur Verdeutlichung des Mehrproduktfalls gibt es im Beispiel der Abbildung 4.11 für jedes Produkt eigene Knoten zur Abbildung der Angebote in den Distributionslägem und der Kundennachfrage. Im ersten Distributionslager werden die Produkte 1 und 2 sowie im zweiten Distributionslager die Produkte 1 und 3 angeboten, während die Kunden 1 und 2 jeweils alle drei Produkte nachfragen. Ebenfalls für jedes Produkt sind Pfeile für die Transporte mit ggf. produktartabhängigen Transportkosten ktdkikt zu bestimmen. Abbildung 4.11 veranschaulicht, dass für jedes Produkt eine eigene Netz-werkstruktur zu berücksichtigen ist, somit in Programmierungsmodellen die Indizes für Parameter und Entscheidungsvariablen um die Produktart zu erweitern sind. Die Betrachtung mehrerer Produktarten im dargestellten Beispiel kann auch produktart-abhängige Kosten und Kapazitäten für ein Distributionslager im Warenausgang oder für einen Kunden im Wareneingang bedingen. 80 Zur Einbeziehung dieser Kosten und Kapazitäten sind die im Netzwerk der Abbildung 4.11 dargestellten Pfeile in die Kno-ten der Distributionsläger bzw. Pfeile aus den KundenknoKno-ten mit einer entsprechenden Bewertung zu versehen. Zur Modellierung von bspw. Distributionslagerkapazitäten, die durch mehrere Produktarten gemeinsam genutzt werden, ist ein weiterer Knoten in das dargestellte Netzwerk einzufügen, in dem die in ein Distributionslager mündenden Pfeile beginnen, wobei in diesen Knoten ein zusätzlicher Pfeil eingeht, dessen Bewer-tung die Höhe der gemeinsam nutzbaren Kapazität angibt. Vorausgesetzt wird, dass alle Produkte die angegebene Kapazität in jeweils gleicher Höhe beanspruchen.

An-79 Vgl. etwa Bazaraa/Jarvis/Sherali (1990), S. 587; Eiselt/Sandblom (2000), S. 435f.

80 Vgl. Glover/Klingman/Phillips ( 1992), S. 38f.

sonsten sind Restriktionen abzubilden, die nicht im Netzwerk visualisierbar, sondern direkt in das Programmierungsmodell aufzunehmen sind.81 Die dargestellten einstufi-gen Logistiknetzwerk-Planungsprobleme zeieinstufi-gen einen Ausschnitt aus einem Produk-tions- und Logistiknetzwerk und bilden gleichzeitig die Basis für taktische Supply Chain Planning-Probleme. Im Folgenden werden daher die einstufigen Planungs-probleme um zusätzliche Stufen erweitert.

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