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Marktversagen aufgrund von asymmetrischer Information

3   Literaturüberblick

3.3   Mögliches Marktversagen im Wagniskapitalmarkt

3.3.3   Marktversagen aufgrund von asymmetrischer Information

„Asymmetrische Information“ kann über verschiedene Kanäle Ineffizienzen  im Gründungs‐ und Wachstumsgeschehen von jungen Unternehmen hervorru‐

fen. Informationsasymmetrie besteht dann, wenn Unternehmensgründer und  Investoren unterschiedliche Informationen vorliegen, d.h. ein Akteur gegen‐

über dem potenziellen Vertragspartner einen Wissensvorsprung hat. Die In‐

formationsasymmetrie kann dabei auch auf beiden Seiten auftreten und un‐

terschiedliche Themen und Aspekte betreffen. Zu Beginn des Projekts liegt der  Informationsvorteil häufig beim Investor, der oft mehr Erfahrung und Markt‐

kenntnisse besitzt. Gegen Ende der Beteiligung ist der Unternehmer meist  besser informiert, da er die internen Prozesse im Unternehmen besser kennt. 

Wie bereits in Kapitel 3.2 beschrieben, ist die Marktintransparenz gerade in  frühen Unternehmenslebenszyklusphasen, in denen Business Angel meist tätig  sind, besonders hoch. Im Folgenden werden folgende Konsequenzen von  asymmetrischer Information im Wagniskapitalmarkt diskutiert: 

 Matching‐Probleme 

 Adverse Selektion 

 Rationalitätsfallen (moralisches Risiko) 

 Hold‐up‐Probleme 

Matching‐Probleme fassen verschiedene Phänomene zusammen, bei denen  sowohl Unternehmensgründer als auch Investoren keinen passenden Partner  finden. Aufgrund von Informationsdefiziten und –asymmetrien wird entweder  überhaupt kein Partner gefunden oder aber ein nicht idealer bzw. ungeeigne‐

ten Partner gewählt. 

Während Unternehmen auf der einen Seite nicht alle möglichen Kapitalgeber  bekannt sind, können Business Angels auf der anderen Seite durch individuelle 

Informationsgewinnung nicht die Gesamtheit aller Kapital suchenden Unter‐

nehmen überblicken (Mason und Harrison, 2002). Selbst wenn ausreichend  Kapital für Investitionen in junge, innovative Unternehmen verfügbar ist, feh‐

len oft Informationskanäle, die ein effizientes Zusammentreffen von Angebot  und Nachfrage möglich machen würden. 

Unvollständige Informationen können dazu führen, dass sich Gründer und  Investor überhaupt nicht finden, obwohl dies für beide Seiten vorteilhaft wäre. 

Diese Problematik ist eine Folge davon, dass die Suche nach einem geeigneten  Geschäftspartner („Screening“) oft mit Zeit und Kosten verbunden ist. Obwohl  den Akteuren das Informationsdefizit häufig bekannt ist, verhindert der Zeit‐ 

und Kostenaufwand des Screenings, dass Informationsdefizite vollständig ab‐

gebaut werden (vgl. Kübler, 2012). 

Darüber hinaus ist es möglich, dass Unternehmensgründer aufgrund einer  schlechten persönlichen Informationslage nicht immer ausreichend beurteilen  können, ob der Investor bzw. Business Angel über die notwendige Kompetenz  oder die erforderlichen Netzwerke verfügt (Kübler, 2012). So kann es passie‐

ren, dass sich ein Gründer nicht für eine Kooperation mit demjenigen Business  Angel entscheidet, welcher der ideale Partner für ihn wäre, sondern einen  anderen unpassenden Investor wählt (vgl. Stupnytska, 2015). 

Eine Ursache hierfür ist, dass asymmetrische Informationen dazu führen kön‐

nen, dass Unternehmer ihr Projekt gegenüber einem Business Angel vorteil‐

hafter darstellen, als es tatsächlich ist, um ihre persönliche Verhandlungsposi‐

tion zu stärken und dadurch persönliche Vorteile zu erzielen. Hierzu kann bei‐

spielsweise auch die gezielte oder auch unbeabsichtigte Versorgung des Inver‐

stors mit Falschinformationen oder die Darstellung übertriebener Umsatz‐

prognosen gehören. Kann der Investor aufgrund fehlender technologischer  Kenntnisse nicht umfassend beurteilen, wie erfolgsversprechend ein Projekt  ist, wählt er ggf. einen ungeeigneten Favoriten aus (vgl. Amit et al., 1998). An‐

dererseits kann ein Business Angel gegenüber dem Unternehmer auch unrea‐

listische Angaben bezüglich der Qualität seiner Netzwerke und Marktkenntnis‐

se darlegen, um als attraktiverer Geschäftspartner wahrgenommen zu wer‐

den.  

Alle oben genannten Aspekte können zu Fehlentscheidungen und dem Aus‐

bleiben eines idealen Matchings führen. Matching‐Probleme können daher  unter Umständen zu adverser Selektion führen (siehe nächsten Abschnitt). 

Adverse Selektion bzw. Negativauslese kann durch Informationsasymmetrien  zwischen Investor und Unternehmer entstehen. Sie bezieht sich auf Falschan‐

gaben des Investors bzw. Unternehmers vor Vertragsabschluss. In der Litera‐

tur herrscht größtenteils ein Konsens darüber, dass Unternehmer meistens  bezüglich der Technologieinformationen  einen Wissensvorsprung  besitzen. 

Investoren hingegen verfügen tendenziell über eine größere Expertise und  Erfahrung im Bereich des Managements, Marketings und der Finanzierung  (vgl. Hellmann et al., 2000; Koskinen et al., 2013; Brander et al., 2015). 

Oben wurde bereits erwähnt, dass für Unternehmer in einigen Fällen Anreize  bestehen, sich durch die gezielte Versorgung des Inverstors mit Falschinforma‐

tionen oder übertriebenen Umsatzprognosen einen Verhandlungsvorteil zu  verschaffen, wodurch Matchig‐Probleme entstehen können. Eine weitere Fol‐

ge ist, dass Business Angels bei der Auswahl der zu finanzierenden Start‐Ups  häufig nicht zwischen „guten“ und „schlechten“ Projekten unterscheiden kön‐

nen und mit dem ständigen Ausnutzen von Informationsvorsprüngen durch  die Beteiligungsunternehmen rechnen müssen (Güllmann, 2000). Dies hat das  Problem der „adversen Selektion“ zur Folge, d.h. dass Unternehmer mit Erfolg  versprechenden Maßnahmen möglicherweise aus dem Markt gedrängt wer‐

den (Tilleßen, 2004). Damit einher geht das sogenannte „Lemons‐Problem“,  welches erstmals von Akerlof (1970) beschrieben wurde. Schließlich zahlen  Investoren aufgrund von asymmetrischen Informationen insgesamt weniger  als sie zahlen würden, wenn sie alle Informationen kennen würden. Das In‐

formationsgefälle kann so groß werden, dass ohne dessen Verringerung gar  keine Vertragsabschlüsse mehr stattfinden und im Extremfall sogar der gesam‐

te Markt zusammenbrechen kann. 

Mögliche Lösungen, um Marktversagen als Folge von adverser Selektion zu  reduzieren, bestehen unter anderem darin, dass die Marktakteure “Signale“ 

generieren können, die potenziellen Vertragspartnern zusätzliche Informatio‐

nen geben („Signalling“). So gelten beispielsweise Investoren, die bereits meh‐

rere Unternehmen finanziell unterstützt haben und über gute Referenzen ver‐

fügen, als besonders erfahren. Erfahrung fungiert in diesem Fall als Signal. 

Andererseits gelten Unternehmen, die einen hohen Zufluss an Wagniskapital  erfahren, als besonders erfolgsversprechend, so dass sie oft weitere Investo‐

ren anziehen (vgl. Koskinen et al., 2013). 

Eine weitere Möglichkeit sind sogenannte „Self‐Selection‐Verträge“, bei denen  Unternehmer und Business Angel unterschiedliche Vertragsvarianten angebo‐

ten werden, die so ausgestaltet sind, dass die Vertragsparteien durch die Wahl  einer Variante möglicherweise verborgene Charakteristika preisgeben. 

Auch im Raumen von INVEST findet „Singalling“ statt. So bescheinigt die BAFA  die Förderfähigkeit des Unternehmens und signalisiert damit, dass das Unter‐

nehmen 

 nicht älter als zehn Jahre ist, 

 ein kleines Unternehmen ist, das weniger als 50 Mitarbeiter (Vollzeit‐

äquivalente) beschäftigt, 

 kein Unternehmen in Schwierigkeiten im Sinne der EU‐Definition ist, 

 nicht an der Börse gelistet ist. 

Das BAFA bescheinigt auch die Förderfähigkeit des Investors und signalisiert  damit, dass der Investor 

 eine natürliche Person mit Hauptwohnsitz in der Europäischen Union  und nicht mit dem Unternehmen verbunden ist, 

 die ausgegebenen Anteile auf eigene Rechnung und von eigenem Geld, 

 der Anteilserwerb wirtschaftlich motiviert ist und nicht durch Kredite  finanziert wird. 

Das Ausmaß von adverser Selektion steigt generell mit zunehmender Risiko‐

aversion von Investoren und Unternehmern an. Auch wenn es sich bei den  Akteuren im Wagniskapitalmarkt tendenziell über weniger risikoscheue Perso‐

nen handelt, sind die wenigsten Menschen risikoneutral oder sogar risikofreu‐

dig. Durch INVEST erhalten Wagniskapitalgeber eine Zahlung, die sie auch im  Falle des Misserfolges ihres Investments behalten dürften. Dadurch sinkt das  Risiko für Kapitalgeber, die sich am INVEST‐Programm beteiligen. Die Maß‐

nahme kann daher auch auf diesem Weg zu einer Reduktion der negativen  Folgen von Informationsasymmetrie beitragen. 

Rationalitätsfallen (Moralisches Risiko) sind ein weiteres Phänomen, das in  Verbindung  mit  Informationsasymmetrie  auftreten kann. So  führen unzu‐

reichende Informationen in einigen Fällen zu mangelnden Bemühungen und  Aufwand von Investoren und Unternehmern nach Vertragsabschluss. Auf‐

grund  von  Informationsasymmetrien  zwischen  Investor  und  Unternehmer  können Aktivitäten und Informationsstand nicht immer ausreichend beobach‐

tet und beurteilt werden (vgl. Bergemann und Hege, 1998; Kaplan und Ström‐

berg, 2004).  

Als Konsequenz hiervon kann der Unternehmer die Handlungen des Investors  nicht immer ausreichend beurteilen, wodurch Gefahr besteht, dass der Inves‐

tor seinen eigenen Interessen nachgeht und Mitspracherechte ausnutzt. Der  Unternehmer kann die ihm zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel dar‐

über hinaus zu seinen Gunsten kontrollieren und verteilen oder mangels Moti‐

vation nicht das Ziel der Gewinnmaximierung verfolgen. Zudem bestimmt er  den Informationsfluss über die Unternehmensentwicklung (Bergemann und  Hege, 1998). 

Mögliche  Lösungen  von  Rationalitätsfallen  bestehen  unter  anderen  in 

„Contracting“, d.h. dem Abschluss entsprechender Verträge, bei denen sich  der  Investor  mit  Informations‐  und  Kontrollrechten  vertraglich  absichert. 

Durch eine hohe Eigenkapitalbeteiligung des Unternehmers kann außerdem  eine Interessensangleichung erreicht werden (vgl. Amit et al., 1998; Berge‐

mann und Hege, 1998; Kaplan und Strömberg, 2004). 

Auch das Förderprogramm INVNEST liefert Ansätze, um die negativen Folgen  von moralischem Risiko aufgrund von asymmetrischer Information abzumil‐

dern: So muss das Unternehmen in dem Zeitraum nach Vertragsschluss 

 seinen Hauptsitz in der EU und mindestens eine Zweigniederlassung  oder Betriebsstätte in Deutschland haben, die im Handelsregister einge‐

tragen ist, 

 fortlaufend wirtschaftlich – mit Gewinnerzielungsabsicht – aktiv sein,  hauptsächlich in einer innovativen Branche, 

 mit der Anteilsausgabe kommerzielle Zwecke verfolgen. Es muss die  finanziellen Mittel, die es durch die Anteilsausgabe erhalten hat, bis spä‐

testens  zwei  Jahre  nach  Abschluss  des/der  Gesellschaftsver‐

trags/Satzung/Beteiligungsvertrags für eine Geschäftstätigkeit in einer  innovativen Branche eingesetzt haben. 

In einer Hold‐up‐Problematik gehen Unternehmer und Investor im Vorfeld  eine Geschäftsbeziehung ein, die den Investor dazu verpflichtet, Investitionen  zu tätigen, wobei die zukünftige Unternehmensentwicklung noch nicht voll‐

ständig beschrieben werden kann. Daher lassen sich vor Vertragsabschluss  weder Kosten noch Zahlungsbereitschaft genau bestimmen. So kommt es in  der Regel nur zu unvollständigen Verträgen. Hieraus besteht auch im Wagnis‐

kapitalmarkt die Gefahr von ex‐post opportunistischem Verhalten, d.h. eine  Partei kann der anderen Handelskonditionen aufzwingen, die ihre anfängli‐

chen Investitionskosten nicht ausreichend decken können. Da es keine Aus‐

weichmöglichkeiten gibt, müssen ungünstige Konditionen akzeptiert werden. 

Durch Antizipation dieses Problems werden oft niedrigere Investitionen getä‐

tigt als für die gesellschaftliche Wohlfahrt optimal wären (vgl. Kaplan und  Strömberg, 2004). 

Eine Lösung der Hold‐up‐Problematik besteht beispielsweise in „Bonding“, d.h. 

die Absicherung des jeweiligen Partners durch entsprechende Verträge. Auch  das Förderprogramm IVNEST liefert Ansätze, um mit Hilfe von Bonding die  negativen Auswirkungen der Hold‐Up‐Problematik abzumildern: So muss ein  förderfähiger Investor seine Beteiligung mindestens drei Jahre lang halten und   muss an allen Chancen und Risiken des Unternehmens beteiligt sein. 

3.3.4 Diskrepanz zwischen individuellen Präferenzen von Einzelpersonen