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3.3 Erhebung biologischer Daten

3.3.4 Paläopathologische Daten

3.3.4.2 Mangelerkrankungen

Skorbut: Die Möller-Barlow-Krankheit im Kindesalter und Skorbut im Erwachsenenalter sind das Resultat eines Vitamins C-Mangels. Diese Avitaminose führt zu fehlerhafter Kollagen- und Osteoidbildung sowie erhöhter Knochenresorption und Blutungsbereitschaft (Aufderheide und Rodriguez-Martin 1998). Kinder, die unter Skorbut leiden, sind sehr anfällig für weitere Infektionen (Steinbock 1976). Die porösen Knochenoberflächen und Auflagerungen in Form einer Periostose entstehen durch knöchern umgebaute subperiostale Hämatome. Vorzugsweise sind diese im Bereich des Orbitadachs, der Lamina interna und externa, des Kiefers und der Langknochendiaphysen (Ortner 2003, Melikan und Waldron 2003) zu finden. Im fortgeschrittenen Stadium kann der gesamte Langknochenschaft durch knöchern umgebaute Blutungsgeschehen verdickt sein (Steinbock 1976). Dies ist über ein Dünnschliffpräparat für

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verbreitert, allerdings sind sie beim Skorbut eher eckig, kantig und bei der Rachitis eher knaufartig (Steinbock 1976).

Osteomalazie: Die Rachitis im Kindesalter und Osteomalazie im Erwachsenenalter sind die Folge eines Mangels an Vitamin D. Grund dafür ist meist eine zu geringe UV-Exposition und/oder mangelnde Zufuhr von Vitamin D durch die Nahrung. Besonders Vitamin D3 besitzt eine ausgeprägte antirachitische Wirkung (Welzl 1985). Fehlendes Vitamin D führt zu einer Störung der Calcium- und Phosphorlevel im Blut. Daraufhin wird zu wenig Calcium im Knochen gespeichert, das bereits im Knochen eingelagerte Calcium wird wieder gelöst und es kommt zu einer unzureichenden beziehungsweise verminderten Knochenmineralisierung (Aufderheide und Rodriguez-Martin 1998). Die Osteomalazie äußert sich meist in einer Verformung der Langknochen unter Belastung. Im Kindesalter finden sowohl eine Stauchung des Humerus- und Femurkopfes sowie eine Verbiegung der Femur-, Tibia- und Fibuladiaphyse statt (Ortner und Putschar 1981). Die Metaphysenenden der Langknochen verbreitern sich keulenförmig (Vargová und Horáčková 2010), ebenso die Rippenenden an ihren costochondralen Übergängen (Jesserer 1971, Aufderheide und Rodriguez-Martin 1998). Im Röntgenbild erscheint die Knochenstruktur der Diaphysenenden unscharf und

„besenreiserartig“ aufgefasert (Jesserer 1971).

Anämie: Eine Blutarmut kann unterschiedliche Ursachen haben, z. B. Eisenmangel, Blutverlust oder die angeborene Sichelzellanämie. Da die Notwenigkeit der Ausdehnung von hämatopoetischem Mark besteht, werden Knochenbereiche mit derartigem Vorkommen verändert (Ortner und Putschar 1981, nach Caffey 1937). Die Masse des blutbildenden Knochens wird vergrößert, woraufhin die Oberfläche porös erscheint. Die Anämie äußert sich häufig durch eine Cribra orbitalia, Cribra cranii externa, eine stark erweiterte Diploe, vermehrtes rotes Knochenmark in den Markhöhlen von Röhrenknochen, Knochenschwellungen, wabig aufgelockerte Spongiosastrukturen und einen sogenannten Bürstenschädel (Jesserer 1971, Reimann und Celik 1978, nach Wapler et al. 2004).

3.3.4.3 Infektionserkrankungen

Meningeale Reaktion: Die Spuren von meningealen Reaktionen lassen sich auf der Lamina interna erkennen. Die Auflagerungen hämorrhagischer Reaktionen sind porös und können lokal zungenartige Platten auf der Knochenoberfläche bilden (Schultz 2001). Die Ursachen sind meist Traumata mit anschließenden Blutungsgeschehen oder Skorbut im Kindesalter (Schultz 2001). Im Vergleich dazu verursachen entzündliche Reaktionen Veränderungen direkt auf der Oberfläche. Zu finden sind kleine eingesunkene Platten bis Stippchen und Gefäßimpressionen

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(Schultz 2001). Die bakterielle Meningitis hinterlässt entzündlich-hämorrhagische Spuren sowie Impressiones digitatae in Folge einer Störung der Resorption der Cerebrospinalflüssigkeit und daraus resultierend einer Steigerung des intrakranialen Hirndrucks (Schultz 2001). Die Spuren sind vor allem im Schädeldach in Form einer Haubenmeningitis erkennbar. Bei Unterscheidungen von hämorrhagischen und entzündlichen Reaktionen kann ein Dünnschliff für Mikroskopuntersuchungen behilflich sein. Dort ist deutlich zu erkennen, ob es sich um eine Auflagerung auf der Lamina interna oder eine Veränderung der endocranialen Oberfläche selbst handelt.

Die Ursache einer Meningitis kann zum Beispiel eine Mittelohrentzündung (Schultz und Teschler-Nicola 1987), aber auch eine Infektion mit Meningokokken (Hamperl 1960) sein.

Die tuberkulöse Meningitis, auch Leptomeningitis tuberculosa genannt, hingegen ist überwiegend basal im Bereich der Basis cranii interna lokalisiert. Es lassen sich granulare Impressionen der Tuberkel in Form von Grübchen in der Lamina interna finden (Schultz 2001).

Im Dünnschliffpräparat für die lichtmikroskopische Untersuchung weist der Lamellenknochen der Lamina interna grübchenförmige Vertiefungen auf, welche durch Druckatrophie entstanden sind.

Epidurale Hämatome sind an den zungenartig gefelderten Auflagerungen oder großen porösen Platten erkennbar.

Sinusitis: Entzündliche Nasennebenhöhlenerkrankung umfassen den Sinus maxillaris, Cellulae ethmoidales, Sinus sphenoidalis und den Sinus frontalis. Die Oberflächen der Nasennebenhöhlen sind porös verändert. Handelt es sich um ein chronisches Entzündungsgeschehen, sind meist kleine Platten und Stippchen auf der Knochenoberfläche zu erkennen (Schultz 1993). Am häufigsten ist die Kieferhöhle betroffen, aufgrund ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu erkrankten Oberkieferzähnen und der Nasenhöhle (Teegen et al. 1997).

Stomatitis: Bei der Stomatitis handelt es sich um eine Entzündung der Mundschleimhaut, welche sich in ihrer chronischen Form auf den darunter liegenden Knochen auswirkt.

Befundbar am Skelett ist allerdings nur die Oberfläche des Palatum durum. Zu erkennen ist eine unregelmäßige, über die Norm poröse Oberfläche des harten Gaumens, oft begleitet durch von der Norm abweichende Exostosen.

Osteomyelitis, Ostitis, Periostitis: Es handelt sich um entzündliche Erkrankungen des

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werden deshalb auch unter „Osteomyelitis“ zusammengefasst. Typische Merkmale sind die Hyperostose, Bildung von Fisteln, Kloaken und Sequestern (nekrotischer Knochen) sowie Totenladen (neuer Knochen). Oft kommen zwei oder alle drei dieser oben genannten Teilaspekte der Osteomyelitis zur gleichen Zeit vor bzw. bedingen einander.

Otitis media: Die entzündliche Mittelohrerkrankung wird häufig durch Bakterien oder Pilzinfektionen verursacht und betrifft die Schleimhäute sowie den Knochen der Paukenhöhle (Flohr und Schultz 2009). Bei der chronischen Otitis media ist die Oberfläche des Mittelohrs porös und mit stippchenartigen Auflagerungen oder kleinen Platten versehen. Eine chronische Otitis media kann in eine Mastoiditis übergehen (Flohr und Schultz 2009).

Mastoiditis: Entzündliche Prozesse im Kindesalter können primär die vollständige Pneumatisation des Processus mastoideus einschränken oder sogar verhindern (Flohr et al.

2009). Eine fehlende Pneumatisation kann aber auch durch eine sekundäre Verfüllung der pneumatischen Hohlräume im Zuge einer Mastoiditis entstehen (Friedmann 1957, Flohr et al.

2009).

Tuberkulose: Durch die Entzündung der Pleura sind die Oberflächen der Rippeninnenseiten, vor allem im Bereich des Sulcus pulmonis und unter Umständen auch die Wirbelkörperseitenflächen, porös verändert. Die Knochentuberkulose ist als eine spezielle Manifestation einer tuberkulösen Erkrankung anzusehen (Jesserer 1971). Bestand der Verdacht auf Tuberkulose, wurden Knochen des entsprechenden Individuums auf Pathogen-DNA hin untersucht.

3.3.4.4 Arthrose, Arthritis