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Ganz und gar kompliziert und kaum noch verständlich werden die Fragen um die Person und das Wesen Gottes dann schließlich, wenn der jüdisch-christlich-islamische Gott bezüglich seiner Eingriffe in die moralisch-ethische Seite des Weltgeschehens in Anspruch genommen werden soll: Hier ist er gnädig, verzeihend, strafend und vernichtend, hier bestehen seine persönlichen Eigenschaften keineswegs in Haltungen und Handlungen, die nach Cusanus eine

„Coincidentia oppositorum“ zulassen könnten: Hier tritt oft ein Gottesbild auf, das in seiner Strenge und Rachsucht überhaupt keine Anschlussmöglichkeiten zu einer Figur der ewigen Güte zulässt. Man darf auch nicht vergessen, dass die erst etwas über 200 Jahre alten allgemein verbrieften Menschenrechte keineswegs das gottgesegnete Geschenk einer theologisch unterbauten kirchlichen Verkündigung sind, sondern dass sie in sehr leidenschaftlichen und verlustreichen Revolutionsakten meist gegen den erbitterten Widerstand insbesondere der römischen Kirche erzwungen wurden. Im Gegensatz dazu sind die sehr klaren, einfachen göttlichen Gebote, wie etwa der Dekalog, keineswegs besonders alt- oder neutestamentlich typisch, sondern es handelt sich hier um Regeln für die Urformen menschlicher Familien- und Stammesbildungen, die sich zur Aufrechterhaltung einer Grundordnung überall, wo der Homo sapiens lebt, zu seinem Schutz ausgebildet haben.

Man fragt hier aber auch, ob es nicht sehr hoch an der Zeit wäre, unsere traditionellen theologischen Begriffe einmal dahin gehend zu überprüfen, in wie weit eine mehr als treue, eine jahrtausendealte Semantik, die den damaligen orientalischen Nomadenvölkern ein durchaus einsehbares anthropomorphes Gottesbild lieferte, heute noch als „unveränderlicher Wert“

verehrungswürdig sein kann!

Es ist die Tradition der Großen Offenbarungsreligionen, dass sie ihren Gläubigen über alle Zeitläufte hinweg eine unveränderte Werteskala darstellen, die sich in den ewigen Zügen der Gottheit wiederspiegelt. Bereits das oben erwähnte Buch von Jack Miles, „Gott“, genügt als Widerspruch, denn gerade der so beständige, ewige Jüdische Gott hat sich im Verlauf der Geschichte Israels mehrfach deutlich gewandelt. Man braucht auch kein Theologe zu sein, um festzustellen, dass der Vater-Gott des Neuen Testamentes durchaus verschiedene Züge aufweist gegenüber den bisherigen Gottesvorstellungen.

Wir erwähnten bereits die erheblichen Schwierigkeiten der scholastischen Theologie, um zwischen Gnosis und Agnostizismus einen einigermaßen sicheren Pfad zu bahnen. Wenn nun große Religionen den verbindlichen Glaubenssatz fordern, dass ihre theologische Dogmatik, weil von Gott geoffenbart und den Gläubigen durch seine Priester verkündet, die

„einzig wahre“ oder die „allein seligmachende“ sei und alle weltliche Erkenntnis sich ihren Glaubenssätzen unterzuordnen habe, dann ist klar, dass eine philosophisch-theologische oder gar eine naturwisenschaftlich-theologische Diskussion a priori wenig Chancen für einen akzeptablen Ausgang hat. In den verschiedensten kirchlichen Institutionen beider Konfessionen gibt es derartige wohl gemeinte Veranstaltungen, und es wird dort keineswegs „leeres Stroh“

gedroschen, aber ein beidseitiger Nutzen ist nur möglich, wenn man, besonders auf der katholi-

schen Seite die Diskussion auf der Basis weltlicher Logik führt. Es muss aber auch ganz klar herausgestellt werden, dass etwa die Theologie des Islam, die ja denselben geistige Wurzeln entstammt wie das Christentum, den absoluten Wahrheitsanspruch mit der Berechtigung zur kriegerischen Zwangsmission zumindest in Teilen ebenso vertritt wie die beiden anderen Religionen. Durch die Berufung auf göttliche Offenbarung ist hier ein erbarmungsloser Konflikt nicht nur vorprogrammiert, sondern bereits über mehr als tausend Jahre oft sehr blutig durchgeführt worden.

Grundsätzlich baut sich hier ein Kardinalproblem auf: Wenn die moderne naturwissenschaftliche Forschung experimentell reproduzierbare Ergebnisse einfährt, dass das Weltengeschehen des gesamten Kosmos über rund 40 (!) Zehnerpotenzen zur Evolution von Materie, Energien, Mikroben, Pilzen, Pflanzen, Fischen und Landtieren wie auch schließlich des Menschen offensichtlich aus eigener Kraft fähig ist, wenn das „Rohmaterial“ für diese Entwicklungen aus explodierenden Sternen eines expansiven Kosmos stammt, wenn dies alles einigermaßen sicher verifiziert werden kann, - - - was macht dann der unerkennbare, aber allmächtige Gott?

Diese Frage ist weder blasphemisch noch aus dem rein rationalen Denken der modernen Naturwissenschaft geboren: Sie uralt, und wer etwa die christliche Religionsgeschichte rückwärts verfolgt, wird diesen Gegensatz nicht nur schon bei den spätantiken Kirchenvätern wiederfinden, sondern er wird feststellen, dass die großen Glaubensphilosophen in den verschiedenen Abschnitten des Mittelalters ihre oft sehr mühevolle Denkarbeit gerade wegen dieser Problematik begannen und durchführten, und dass sie froh seine konnten, wenn sie wenigstens für ein- bis zweihundert Jahre wieder einmal eine tragbare Lösung gefunden zu haben schienen ( präziser kann man das garnicht ausdrücken! ). Der hier schon mehrfach genannte Nikolaus von Kues scheint, weil auch der letzte Scholastiker, die grundsätzliche Ausweglosigkeit dieses Weges am klarsten erkannt zu haben. Sein grundsätzlich neuartiger Lösungsvorschlag nimmt bereits die Dialektik eines Hegel vorweg und dürfte die einzige Methode sein, die auf der philosophisch-theologischen Ebene seiner Zeit für den menschlichen Geist zumutbar war.

14.2.) Vielleicht führt diese unlösbar erscheinende Situation zu einem der

größten Paradoxa der menschlichen Geistesgeschichte, und genau da könnte sich eine Lösung ergeben.

Bei jedem naturwissenschaftlichen oder philosophischen Streit auf dem Feld der weltlichen Wissenschaften wäre hier wohl längst Ruhe eingekehrt: Eine Zusammenführung zweier derart unterschiedlichen Geistesbereiche, insbesondere unter einer einseitig behaupteten Führungsanspruch der einen Seite, hätte sich als organisatorisch und sachlich unmöglich erwiesen, und außer bei ein paar Nachhutgefechten hätten sich beide Parteien, sofern denn beide überhaupt überlebt hätten, wieder eigenen Problemen zugewandt. Dies ist ganz und garnicht der Fall beim Problem Wissenschaft - Religion!

Jahrhundertelange Auseinandersetzungen führten immer wieder zu dem Schluss, dass die Ergebnisse von Philosophie und Wissenschaft mit den theologischen Glaubenssätzen der Kirchen wörtlich nicht zu vereinen sind, und auch immer wieder neue mehr oder weniger gezwungen erscheinende grob- oder feinsinnige Kompromisslösungen hielten nie lange vor.

Dennoch, und das zeigen nicht nur die Ereignisse um den Tod des doch sehr konservativen Johannes Paul II. und die Einsetzung seines Nachfolgers Benedikt XVI., wie auch ganz besonders der Ablauf des Weltjugendtags in Köln sehr deutlich, dass sich gerade auch junge Menschen für das Wesen der Transzendenz, für eine dem irdischen Geschehen übergeordnete Religion stark interessieren.

Natürlich: Bei allen drei Ereignissen spielten außergewöhnliche Emotionen eine entscheidende Rolle, und die von der römischen Kirche hier immer wieder sehr beeindruckend dargestellte, sehr farbige und feierliche Kulisse schafft gerade bei diesen Gelegenheiten eine Erhabenheit, die der Evangelischen Kirche völlig abgeht: Wie dürftig nahmen sich die „Großen“

des Luthertums in ihren bescheiden schwarzen Talaren mit den weißen Bäffchen inmitten der in Purpurner Pracht massenhaft erschienen Kardinälen und Bischöfen aus! Der Weltjugendtag selbst muss freilich zu einem hohen Anteil einem recht weit greifenden, sehr frohen und problemlosen Jugendfest zugeordnet werden. Mit Sicherheit ist die Mutmaßung falsch, nun gingen alle Jugendlichen gern wieder in die Kirche!

Fest bleibt bei allen Einwänden das Faktum, dass der weitaus größte Teil der menschlichen Gesellschaft mit der reinen Rationalität des täglichen Lebens nicht zufrieden ist und sich hier in eine höhere Institution eingebunden wissen möchte. Das gerade grotesk erscheinende Paradoxon dieser Situation deutet darauf hin, dass vielleicht gerade in ihrer aufscheinenden Aussichtslosigkeit ein möglicher Ansatz zu einer wenn auch andersartigen, aber auf die Dauer positiven Entwicklung gefunden werden könnte. Zu diesem Zweck muss man auf einem uralten, mit tiefen Spurrillen in die Seelen eingefahrenen Karawanenweg mit Mut und Standvermögen und ohne auf Rufe des Entsetzens zu achten, einmal neu und kühn denken:

Die Anfänge der drei großen Religionen liegen in der mehrere Jahrtausende währenden Vergangenheit von Hirtenvölkern und Handelsnationen. In diesen Zeiten gab es keine hohe Philosophie, in dieser Zeit gab es eine allgemeine Unterordnung unter die geografischen, agrarischen und klimatischen Bedingungen der unmittelbaren Umwelt. Bis heut hat sich im Christentum dieser Charakter in Begriffen wie „Hirtenbrief“ oder im Hirtenstab des Bischofs durchgehalten. Derartige Bilder wurden verstanden und konnten in Verbindung mit entsprechenden Glaubenstexten eine brauchbare Einführung in einen Kult und Belehrung durch die Priester gewährleisten.

Dieser Zusammenhang ist seit langem abgerissen, selbst wenn immer noch an Weihnachten das Lied „Kommet, ihr Hirten, ihr Männer und Frau‘n. . „ gesungen wird. Ich möchte diesen Brauch übrigens in gar keiner Weise irgendwie abschaffen! Die bisherige Religion spiegelt hier ihre tiefgründige Geschichte wider.

Der Bezug der drei Offenbarungsreligionen auf die zur Zeit ihrer Entstehung und Entwicklung bestehenden ethnischen und gesellschaftlichen Verhältnisse regt zum Nachdenken darüber an, dass eben diese Verhältnisse im heutigen weltweiten Verbreitungsgebiet nicht mehr bestehen. Diese Feststellung legt naturgemäß den Gedanken nahe, ob und wie unter den heutigen Verhältnissen des beginnenden 21. Jahrhunderts eine Religion, oder besser gesagt:

eine nachvollziehbare Öffnung in die Bereiche des Transzendenten möglich wäre. Ich halte es für durchaus nachfragebedürftig, ob das fast zwei Jahrtausende lang währende Beharren auf den von damals tradierten Namen, Begriffen und Geschichten als geistige und geistliche Basis für eine Theologie des Hier und Heute notwendig und förderlich war. Das bisherige Resultat besteht leider im Wesentlichen in den ewigen letztendlich fruchtlosen Auseinandersetzungen zwischen Theologie und Wissenschaft, und trotz aller Versuche, die gesellschaftliche und religiösen Probleme der Jetztzeit theologisch anzugehen, driften die beiden Bereiche immer weiter auseinander.

Aber eben gerade der unmittelbare Bezug dieser Religionen auf die zur Zeit des Alten und Neuen Testamentes reale Gegenwart fordert geradezu, dass man sich nicht mehr nur

„auseinander“, sondern sehr vorurteilsfrei „zusammen“-setzt. Dabei kann man von folgender Voraussetzung ausgehen:

Die Forschungen der Naturwissenschaft und die verantwortungs- volle