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Weder ist der „linke“ Verstand „kalt“ und unmenschlich, noch garantiert das rechte „Gemüt“ nur kuschelige Wärme!

Man kann sogar auf den Gedanken kommen, dass die emotionale Komponente gefährlicher sein kann: Es sind eben die unbewussten Teile menschlicher Seelentiefe,

die hier oft nur auf einen geeigneten Anlass lauern, um virulent zu werden und „harmlose, brave Individuen“ dazu bringen, „mal die Sau `raus zu lassen“! ( Man bedenke aber, dass die „richtige Sau“ sich nie so verhalten würde wie manche Menschen ). Mit diesen Feststellungen wird aber auch klar, dass jenes wichtige Fundament menschlichen Wesens und humanen Zusammenlebens, das umfassend und ungenau als„Moral“ oder “Ethik“ bezeichnet wird, zwar in unserem Denk- und Gefühlsapparat

verankert ist, nicht aber einfach nur Bestandteil der unterschiedlichen Arbeitsmöglichkeiten unseres Doppelhirns sein kann. Mangels Sachkenntnis kann ich auf diesen Komplex nicht weiter eingehen, aber man kann sicher sein, dass es auf beiden Seiten in einer ganzen Reihe lokaler Abschnitte vernetzt ist.

Gerade die individuelle Eigenkontrolle menschlichen Fühlens, Denkens und Handelns wird in Zukunft in Hirn- und Verhaltensforschung wohl noch eine kaum zu überschätzende Rolle spielen, denn die rein technischen Möglichkeiten zur Durchführung gewaltiger Untaten und großartiger Neuentwicklungen sowie lindernder Hilfs-aktionen für hungernde Menschen und Völker steigen in unabsehbarer Weise; leider sind die Aussichten auf beruhigende Forschungsergebnisse durchaus geteilt: Jetzt schon ist gesichert, dass jemand, der gerade den Entschluss fasst, die rechte Hand an die Nase zu führen, schon messbare Zeit vor dem ihm bewussten Entschluss in seinen Hirnströmen zeigt, dass ihm hier das „Unterbewusste“ längst zuvor gekommen ist! Damit wird es mit der Sicherheit des „Freien Willens“ etwas wackelig!

Es war der Franzose Gustave Le Bon ( 1841 - 1931 ), der erstmalig eine gesonderte

„Massenpsychologie“ begründete, die in der anschließenden Zukunft vielleicht nicht immer die ihr gebührende wissenschaftliche Aufmerksamkeit erhielt; sie konnte aber doch recht gut nachweisen, dass eben eine emotionalisierte Menschenmasse nicht einfach als Summe ihrer Einzelmeinungen angesehen werden kann. Eine unterschwellige politische oder soziologische Grundstimmung bereitet unter einer zunächst ruhigen Oberfläche eine gewisse Anlage zum Wachstum einer steigenden Unzufriedenheit mit den gegenwärtigen Lebensbedingungen vor, die sich dann bei plötzlich eintretender Gelegenheit oder als Folge systematischer „Aufladung“

durch die meist eloquente Aktivität eines Populisten mit „Charisma“ unerwartet zu entladen beginnt.

Ein typisches Beispiel hierfür war die europaweite, ja bis in die USA ausstrahlende Bewegung drr so genannten „Achtundsechziger“, deren Entstehen und Verlauf von der Mehrheit der damaligen konservativen Bevölkerung weder verstanden noch sachgemäß behandelt wurde.

Noch heute werden ältere Menschen, die inzwischen honorige und nutzbringende Posten in der Gesellschaft einnehmen, bei Gelegenheit diskriminiert mit dem Hinweis: „Dies war auch so ein Achtundsechziger!“ Dabei gab es damals neben einem medienwirksamen verbrecherischen Harten Kern eine unendliche Vielzahl von Menschen, die eine Reform alt-patriarchalischer Herrschaftsreste in eine modernere Demokratie unter den verschiedensten geistigen Argumenten befürworteten, Ein Teil von ihnen war in Umweltverbänden, in irgendwelchen humanistischen oder sozialistischen Zirkeln und Verbänden organisiert, aber die meisten äußerten ihre Ansichten, die einem deutlichen Trend weiterblickender Bevölkerungsteile entsprachen, meist gegenüber starkem und unverständigen konservativen Widerspruch in der Verwandtschaft und im Freundeskreis und unter dem schrecklichen Menetekel des

„Achtundsechzigers“. - Ablauf und Folgen dieser Entwicklung habe ich in meiner Arbeit

„Glauben - Denken - Wissen“ näher behandelt.

11.7.) Vom Speziellen zum Allgemeinen; Überleitung zu einer Schlussdiskus sion über die Stellung der Paradoxien im Naturgeschehen und über die Möglichkeit künftiger Konsequenzen

Mit dem letzten Abschnitt des vergangenen Kapitels haben wir spezielle Einzelthemen dieser Arbeit abgeschlossen und nähern uns dem Versuch einer Zusammenschau dieser einzelnen Aspekte. Es dürfte bereits offensichtlich geworden sein, dass die vor über hundert Jahren in der bis dato so klaren und in ihren Grundzügen fast abgeschlossenen klassischen Physik mit einem Mal Probleme auftauchten, die innerhalb kurzer Zeit die Einsicht in viele naturwissenschaftliche Vorgänge nicht nur erschwerten, sondern oft sogar in Frage stellten.

In der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg bildeten sich zunächst per Gelegenheit, dann planvoll Arbeitskreise und Gremien, die mit ungeheure Eifer versuchten, dieser Problematik Herr zu werden. Bei dieser Forschung stellte sich oft so nebenher heraus, dass auch ganz „normal“

erscheinende Vorgänge wie etwa die Gravitation einer grundlegend-klassischen Erklärung entbehrten. Im Laufe des 20. Jahrhunderts gewöhnte sich die physikalische Wissenschaft an das Faktum, dass selbst in Bereichen, deren Grundvoraussetzngen granithaft fest zu stehen schienen, stets mit Überraschungen gerechnet werden müsse; diese könnten durch Befunde aus ganz anderen Forschungsgebieten stammen und würden nicht selten selbst wieder auf andere Fakultäten einwirken.

Das erwachende Interesse an interdisziplinären Zusammenhängen führte in den Letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts zu einer Aktivierung der lange vernachlässigten Naturphilosophie, die sich unabhängig von der jeweiligen sachgebundenen Forschung mit der geistigen Verarbeitung dieser Bausteine eines neuen Weltbildes befasst. Hier können auch, wo notwendig und wo möglich, Querverbindungen von denn „reinen“ Naturwissenschaften zur Psychologie, Neurologie, zu den Geisteswissenschaften sowie zu Philosophie und Theologie gezogen werden. Auf diese Weise lässt sich nicht nur vermeiden, dass das derzeit in kaum zu bewältigenden Mengen einlaufende fachgebundene Informationsmaterial nicht einfach

„verläuft“, sondern dass auch die grundlegenden neuen Fakten der einzelnen Wissenschaftsbereiche interdisziplinär bekannt werden und so vielleicht verhindern, dass eine beispielweise psychologische Forschungsrichtung auf bislang anerkannten neurologischen Befunden aufbaut, die inzwischen durch Befunde in anderen Bereichen als widerlegt gelten müssen. Dies gilt besonders für die sich in erfreulicher Weise nähernden natur- und geisteswissenschaftlichen Fakultäten.

Zu Eingang des Abschnittes über den Massenmenschen konnten wir bereits eine generelle Beobachtung machen: Eine geistige oder technische Weiterentwicklung ist offensichtlich das Ergebnis einer fruchtbaren Auseinandersetzung zwischen einer bewahrenden, sammelnden Funkion des menschlichen Denkapparates mit der kombinierenden, vorausdenkenden, innovativen Seite des gleichen oder eines anderen Gehirns.

Dabei erscheint wesentlich, dass diese Planungsarbeit innerhalb desselben Menschen oder in der Diskussion zwischen mehreren ein gewisses harmonisches Gleichgewicht herrscht, etwa nach dem alten griechischen Grundsatz

„Μδνάα“ = „Nichts allzu sehr!“

Lustloses Erörtern oder konfrontative Debatten führen nicht weit: Eine gewisse Spannung oder Leidenschaft muss jedoch stets zu einem geistigen Wachstum vorhanden sein. Es ist paradox, aber es stimmt: Erst sucht der Mensch ein ruhiges und harmonisches Dasein, aber wenn er es hat, will er weiter! So stimmt der alte Spruch, den Kaiser Lothar I. ( reg. 840 - 855 ) gesagt haben soll , als er sich vom Kaiser zum Mönch wandelte, und den man auch manchmal in Großorganisationen bedenken könnte, die sich auf eine fast zweitausendjährige Tradition berufen:

„Tempora mutantur, et nos mutamur in illis !“

Die Zeiten ändern sich, und wir uns in ihnen.