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Im folgenden Kapitel werden verschiedene Aspekte des Lernens beschrieben, weil sie in Bezug auf das Lernen im offenen Unterricht relevant erscheinen. Die Begriffe Selbstwirksamkeit und

Selbstkom-11 petenz werden definiert, weil sie in engem Zusammenhang mit der schulischen Motivation stehen und gerade bei lernbeeinträchtigten Schüler/innen oft in negativer Ausprägung auftreten.

3.10.1 Genuines Lernen

Jedes Kind will Erfahrungen machen, weil es diese braucht, um sich überhaupt entwickeln zu können.

Diese Lernbereitschaft, Largo, Berglinger nennen sie „genuines Lernen“, ist der eigentliche Motor der Entwicklung und damit weitaus die wichtigste Motivation. Ohne sie würde ein Kind weder laufen noch sprechen oder schreiben lernen. Diese innere Motivation zum Lernen, erkennbar als Neugierde, wird von der individuellen Anlage und dem Verhältnis zwischen Entwicklungsstand und Erfahrungsmög-lichkeiten bestimmt (vgl. Largo, Beglinger, 2009, S. 57f).

3.10.2 Frei wählbare Arbeiten und intrinsische Motivation

Largo und Beglinger sprechen von der intrinsischen Motivation, die jedem Kinde innewohnt, es lernt im Gegensatz zur extrinsischen Motivation aus sich heraus aus Neugier und Interesse (vgl. Largo, Beglinger, 2009). Montessori (1991) und auch Pestalozzi (1799 in Klafki 1971) nennen bezeichnen sie als eine innere Kraft, einen inneren Bauplan, den jedes Kind hat. Bei Huschke wird in einer Hypothese zu freier Tätigkeit in der Wochenplanarbeit festgestellt: „Wenn die Schüler/innen die Arbeiten frei wäh-len können, ist die Ausdauer grösser, als wenn sie vorgegebene Aufgaben bearbeiteten“ (Huschke, 1996, S. 61). Eine mögliche Begründung zu dieser Hypothese könnte sein: Schon weit vor dem Schulalter sind die Schüler/innen fähig, sich Lerngelegenheiten zu suchen und zu schaffen. Bei ge-eigneten Anregungsbedingungen zeigt sich dies im kindlichen Spiel (vgl. Huschke, 1994).

Zitiert nach Largo, Beglinger und Müller Hohagen:

Eigene Motivation ist oft noch wichtiger als Begabung und erst recht ausschlaggebender als sogenannte Fremdmotivation, die in Wirklichkeit der Versuch ist, von aussen her die Motivation eines Menschen zu bestimmen, sie in den Griff zu bekommen, zu manipulieren. Das führt oft unnötig zu Qual und Frust. Da-gegen aus eigenem Antrieb zu handeln ist befriedigend und kann sehr schnell zu Erfolgen führen. Diese wiederum erzeugen neue Eigenmotivation – ein wichtiger Zusammenhang (Largo, Beglinger, 2009, S.

57f).

Man spricht hier auch von intrinsischer (innerer) und extrinsischer (äusserer) Motivation. Genau be-trachtet kann Motivation doch immer nur von innen kommen, äussere Faktoren (Belohnungen, Strafdro-hungen [...] setzen da nur an, machen sich die inneren Bedürfnisse oder Ängste zunutze. Anders ist es Anregungen zu geben und Angebote zu machen (Müller-Hohagen, 2008, S. 124).

3.10.3 Leistungsmotivation

Galliker schreibt in Anlehnung an McClelland (1938), dass Motivation stets als Produkt der Wechsel-wirkungen zwischen Menschen und ihrem Kontext aufzufassen sei. Nach Mc Clelland in Galliker ge-hen wirtschaftlichem Aufschwung immer Erziehungspraktiken voraus, die Leistungsstreben unterstüt-zen. Die Förderung der individuellen Selbstständigkeit ist wesentlich bei diesen Erziehungsmethoden (vgl. Galliker, M. 2009). Dies ist ein entscheidender Faktor im Hinblick auf lebenslanges Lernen, wes-halb das Mitdenken, das selbstgesteuerte Lernen bereits in der Schule als wichtig zu erachten ist:

„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr“. Hubrig schreibt dazu, Interesse und Motivation im Unterricht setze eine von der LP passend gestaltete Lernumwelt (konstruktivistische Didaktik)

vor-12 aus. Die Aufgaben sollten durch selbstorganisiertes Tun gelöst werden. Die Lernenden sollen merken, dass sie besser geworden sind, sie erlebten sich selbstwirksam. Für eine erneute Motivation brauche es, je nach Schüler/in unterschiedlich schnell, schwierigere Aufgaben, weil das erreichte Kompetenz-niveau routinisiert werde (vgl. Hubrig, 2010). Dies gibt dem Kind das Gefühl der aktiven Mitgestaltung an seiner Umwelt, das Gefühl, ich kann etwas bewirken. Mielke spricht von dem Bedürfnis des Men-schen, seine Umwelt kennenzulernen und dadurch Kontrolle zu erlangen. Das Kontrollbedürfnis des Menschen über seine Innen- und Aussenwelt erlangt der Mensch auf zwei Arten: Einerseits indem er Ereignisse vorauszusehen lernt, andererseits indem er lernt, auf seine Innenwelt und seine Umwelt einzuwirken (vgl. Mielke, 2001).

3.10.4 Selbstwirksamkeit

Wichtig im Zusammenhang mit der Partizipation von Sonderschülern/innen mit einer Lernbeeinträchti-gung in einer Integrationsklasse ist das Selbstwirksamkeitserleben. Stiensmeyer-Pelster, Rheinberg betonen dies. Die Überzeugung, mit seinem Handeln etwas bewirken zu können, fehlt den Schü-ler/innen in Bezug auf das schulische Lernen. Damit lassen sich ihre Strategien des Ausweichens und Verdrängens erklären: Sie glauben nicht, dass sie durch Anstrengung (üben, Hausaufgaben) die von ihnen erwarteten Leistungen erbringen können, weil sie ihre Erfahrungen etwas anderes gelehrt ha-ben. Stiensmeyer-Pelster und Rheinberg meinen dazu, wenn Sonderschülern/innen etwas gut ge-linge, würden sie das nicht auf ihre Leistung zurückführen, sondern auf äussere, günstige Bedingun-gen, wie zum Beispiel, Glück, einen netten Lehrer usw. (vgl. Stiensmeier-Pelster, Rheinberg 2003).

3.10.5 Selbstkonzept

Das Selbstkonzept wird im folgenden Abschnitt definiert und erläutert. Kramis nennt es das psycho-ökologische Kriterium, was für die Umsetzung von gutem Unterricht zu beachten ist. Gerade bei Schü-lern/innen mit einer Lernbeeinträchtigung erscheint wichtig, dies in die Planung von Unterricht mit einzubeziehen. Alle Sonderschüler/innen haben die Erfahrung der Bewertung und Beurteilung ihrer Person gemacht, es liegt nahe, dass dies ihr Selbstkonzept im Bereich Schule beeinflusst.

Eggert, Reichenbach, Bode definieren Selbstkonzept folgendermassen: „Der Mensch konstruiert sich sein Selbstkonzept, indem er selbstbezogene Informationen, die er aus verschiedenen Quellen er-langt, wahrnimmt und zu einem Konzept über die eigene Person verarbeitet und generalisiert.“ (Eg-gert, Reichenbach u.a. 2003, S. 25).

Trautwein erläutert die Bedeutung des Selbstkonzeptes im schulischen Kontext folgendermassen: In der pädagogisch-psychologischen Forschung ist nicht nur die Leistungsentwicklung der Schüler/innen von Interesse, sondern auch deren Persönlichkeitsentwicklung. Hierbei spielt das Selbstkonzept eine zentrale Rolle. Durch ihre Bedeutung für das Wohlbefinden hat im schulischen Kontext die Ausbildung eines positiven Selbstkonzeptes − „jenseits seiner möglichen Bedeutung für die Leistungsentwicklung“

(Trautwein, 2003, S. 7) − Berechtigung als eigenständiges pädagogisches Ziel bekommen. Weiter sagt sie zum Thema Selbstkonzept schulischer Fähigkeiten, die Bedeutung schulischer Fähigkeits-selbstkonzepte liege in der motivationalen Kraft, die Bezug auf die Leistung in der Schule habe (vgl.

Trautwein, 2003). Fend, Stöckli in Stadler-Altmann halten fest, dass sich viele Facetten des individu-ellen Selbstkonzeptes in der Schulzeit entwickeln und wahrscheinlich bis ins Erwachsenenalter

Wir-13 kung zeigen (vgl. Stadler-Altmann, 2010). Stiensmeier-Pelster und Rheinberg schreiben, dass die Leistung, welche ein/e Schüler/in erzielt, nicht allein von seiner/ihrer Begabung und Intelligenz abhän-gig ist, sondern wesentlich von motivationalen Faktoren bestimmt wird. Um vorherzusagen, wie ein/e Schüler/in bei einer Aufgabe abschneiden wird, reicht es also nicht nur die Kennwerte über Begabung und Intelligenz heranzuziehen. Es müssen auch die Ziele, die der/die Lernende verfolgt, der Spass, den die Aufgabenbearbeitung macht, ob sich der/die Lernende die Aufgabe zutraut oder misserfolgs-ängstlich an die Aufgabe herangeht, ob er/sie bei sich zeigenden Widerständen bei der Sache bleibt, mit einbezogen werden. Man benötigt Informationen über die Selbsteinschätzung, das Selbstkonzept im jeweiligen Fach und die Motivation des/der Schülers/in (vgl. Stiensmeier-Pelster, Rheinberg, 2003).

3.10.6 Lässt sich das Selbstkonzept verändern?

Stiensmeyer-Pelster, Rheinberg dazu: Die prägende Phase der Selbstkonzeptualisierung wird im Ju-gendalter durchlaufen. Dabei scheint sich ein spezifisches Selbstkonzept herauszubilden, das eng mit dem Mikrokosmos Schule korrespondiert. Die Veränderung desselben wird mit der Zeit immer schwie-riger, weil sich länger andauernde negative Selbstkonzept-Erfahrungen im Kind verankern. Steter Tropfen höhlt den Stein (vgl. Stiensmeier-Pelster, 2003). Dieses Sprichwort lässt sich glücklicherweise auch zur positiven Veränderung des Schulselbstkonzeptes anwenden.

3.10.6 Bedürfnispyramide nach Maslow

Nach Maslow motivieren die Bedürfnisse des Menschen ihn zum Handeln, um diese zu befriedigen.

Das Modell zeigt die Hierarchie der Bedürfnisse. Die Bedürfnisse der höheren Ebene können nur be-friedigt werden, wenn die der unteren Ebene bebe-friedigt sind. Es wird ersichtlich, dass auch das Be-dürfnis nach Gruppenzugehörigkeit, Freundschaft und Liebe sowie Anerkennung vor dem der Selbst-verwirklichung befriedigt sein wollen. Das lässt darauf schliessen, dass Schüler/innen auf ein gutes Klassenklima sowie Freundschaften, Anerkennung und Wertschätzung angewiesen sind. Nur dann können sie ihr Potential ausschöpfen (vgl. Maslow, www.hans- karl-schmitz.de).

Abb. I Quelle: Internet: informatikkaufmann-azubi.de

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4 Offener Unterricht

Im folgenden Kapitel wir aufgezeigt, woher der offene Unterricht kommt, was darunter verstanden wird und welche Formen des offenen Unterrichts wir kennen und unterscheiden. Die veränderte Interaktion zwischen SHP/LP und Schülern/innen sowie Schülern/innen - Schüler/innen im offenen Unterricht wird erläutert. Die Lernumgebung und das Materialangebot werden besprochen.