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Leistungsmotivation und Bildungsaspiration

Im Dokument Religiosität und Bildungserfolg (Seite 40-45)

5. Religiosität und bildungsrelevante Ressourcen und Verhaltensweisen

5.2 Leistungsmotivation und Bildungsaspiration

Oben wurde bereits das auf Max Weber zurückgehende Argument eingeführt, dass die Bindung an eine bestimmte Religion über die entsprechenden religionsimmanenten bildungsbezogenen

Ideologien das Leistungsstreben positiv beeinflussen kann. Im Folgenden wird untersucht, ob es diesbezüglich Unterschiede zwischen den Konfessionen sowie innerhalb der Konfessionen

zwischen Gläubigen und weniger Gläubigen gibt. Dazu werden zunächst Unterschiede hinsichtlich des Besitzes von Büchern, der Leistungsmotivation und der Bildungsaspiration herangezogen.

5.2.1 Buchbesitz im Elternhaus

Die Zahl der im Haushalt vorhandenen Bücher gilt als Indikator für ein mehr oder weniger bildungsorientiertes Klima mit entsprechenden Anregungen. Sie stellen eine Form des kulturellen Kapitals und damit eine Ressource für den Bildungserfolg dar, weil die Kinder Kompetenzen oder Wissen innerhalb der Familie gewissermaßen „spielend“ oder beiläufig erwerben (vgl. Bourdieu 1982, 1983). Ein sich so ergebender Startvorteil kann sich zusätzlich verstärken, wenn innerhalb des Bildungssystems ein bestimmtes Niveau kulturellen Kapitals unausgesprochen vorausgesetzt wird (vgl. Tuppat und Becker 2014; zur Diskussion des Begriffs der institutionellen

erkennbar: In 27 Prozent der Familien religiöser Schülerinnen und Schüler sind mehr als 100 Bücher vorhanden, bei wenig religiösen ist dies hingegen nur bei 18 Prozent der Fall (vgl. für ausschließlich konfessionelle Unterschiede Tabelle A 3 im Tabellenanhang).

Abbildung 5.3: Kulturelles Kapital (Bücher im Elternhaus) nach persönlicher Religiosität (in Prozent)

Anmerkung: Frage: „Wie viele Bücher gibt es bei euch zu Hause?“; gewichtet (ungewichtete Fallzahl N= 4.392).

Quelle: CILS4EU (eigene Darstellung und Berechnung).

5.2.2 Leistungsmotivation

Die Leistungsmotivation der Schülerinnen und Schüler ist in Abbildung 5.4 dargestellt. Die Schülerinnen und Schüler wurden gefragt, ob sie sich in der Schule Mühe geben. Augenfällig ist, dass sich hinsichtlich der durchschnittlichen Leistungsmotivation keine deutlichen Unterschiede ergeben. Die höchste Leistungsmotivation zeigen religiöse katholische und muslimische

Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Zumindest tendenziell lässt sich aber bei Christen wie bei Muslimen ein Muster erkennen, dem zufolge die religiösen Schülerinnen und Schüler etwas motivierter sind als die wenig religiösen. Die Unterschiede sind insgesamt sehr gering und sollten nicht überbewertet werden. Die Motivation der Muslime ist recht hoch und zeigt sich auch bei einem weiteren Indikator der Leistungsmotivation, nämlich der Frage, wie wichtig den Schülerinnen und Schülern gute Noten sind (vgl. Abbildung A 1 im Abbildungsanhang).

14 0-25 26-100 101-200 201-500 mehr als 500

Abbildung 5.4: Leistungsmotivation der Schülerinnen und Schüler (Einsatz für die Schule) nach Religiosität und Migrationshintergrund (Mittelwerte)

Anmerkung: Frage: „Wie sehr stimmst du den einzelnen Aussagen zu oder nicht zu? Ich gebe mir sehr viel Mühe für die Schule.“ Skala von 0 „stimme überhaupt nicht zu“ bis 4 „stimme voll und ganz zu“; gewichtet (ungewichtete Fallzahl N= 4.857).

Quelle: CILS4EU (eigene Darstellung und Berechnung).

Auch die elterliche Leistungsmotivation ist insgesamt sehr hoch (vgl. Abbildung 5.5). So geben nahezu alle Eltern an, ihr Kind zu harter Arbeit zu ermutigen (ähnlich verhält es sich mit dem Interesse für die Schulleistungen des Kindes, vgl. Abbildung A 2 im Abbildungsanhang). Aus diesem Grund werden in Abbildung 5.5 die Anteile derjenigen Eltern ausgewiesen, die eine uneingeschränkt hohe Leistungsmotivation bezogen auf ihre Kinder zeigen. Die Unterschiede sind nicht besonders ausgeprägt und sollten nicht überinterpretiert werden. Erkennbar ist jedoch, dass mehr als die Hälfte der religiösen Kinder katholischen, muslimischen oder anderen

nicht-christlichen Glaubens aus Elternhäusern stammen, die sie sehr fordern und zu harter Arbeit für die Schule motivieren. Dahingegen ist dieser Anteil bei den weniger Religiösen etwas geringer. Auch beim Blick auf das Interesse für die Schulleistungen zeigt sich ein ähnlich positiver

Zusammenhang zwischen Religiosität und Leistungsmotivation (vgl. Abbildung A 2 im Abbildungsanhang). Man findet positive Zusammenhänge also bei allen Konfessionen –

einschließlich der Muslime. Einzig die religiösen protestantischen Eltern zeigen im Vergleich zu wenig religiösen seltener eine uneingeschränkte Ermutigung ihrer Kinder “hart zu arbeiten”. Dieser Befund verwundert angesichts des Weber‘schen Ausgangsargumentes etwas, hat aber

möglicherweise damit zu tun, dass die Kinder protestantischer Eltern bereits überdurchschnittlich leistungsstark oder motiviert in der Schule sind.

2,4 2,5 2,5 2,8

Abbildung 5.5: Leistungsmotivation der Eltern (Ermutige hart zu arbeiten) nach Religiosität der Kinder und Migrationshintergrund (Zustimmung in Prozent).

Anmerkung: Frage: „Und wie sehr stimmen Sie den einzelnen Aussagen zu oder nicht zu? Ich ermutige mein Kind, hart für die Schule zu arbeiten.“ Skala von 0 „stimme überhaupt nicht zu“ bis 4 „stimme voll und ganz zu“; hier: volle Zustimmung in Prozent; gewichtet (ungewichtete Fallzahl N=3.743).

Quelle: CILS4EU (eigene Darstellung und Berechnung).

5.2.3 Bildungsaspiration

Schließlich lassen sich anhand der Frage nach dem erwünschten Schulabschluss

religionsspezifische Unterschiede in der Bildungsaspiration untersuchen. Aus Abbildung 5.6 geht hervor, dass die Bildungsaspirationen der religiösen protestantischen Jugendlichen ohne

Migrationshintergrund tatsächlich überdurchschnittlich hoch sind und die aller anderen Gruppen, insbesondere der wenig religiösen Protestanten, übersteigt. Ein solch positiver Zusammenhang von Religiosität und Bildungsaspiration findet sich tendenziell auch bei den Katholiken.

Überdurchschnittlich hoch sind auch die Bildungsziele der Muslime und zwar unabhängig von ihrer Religiosität: gut 40 Prozent der muslimischen Neuntklässlerinnen und -klässler wünschen sich einen Universitätsabschluss.

Abbildung 5.6: Bildungsaspiration der Schülerinnen und Schüler nach Religiosität und Migrationshintergrund (in Prozent)

Anmerkung: Frage: „Wenn es nach deinen Wünschen geht, welchen höchsten Abschluss würdest du gerne einmal erreichen?“; Gewichtet (ungewichtete Fallzahl N=4.854).

Quelle: CILS4EU (eigene Darstellung und Berechnung).

Die Bildungsaspirationen der Eltern sind noch stärker als die der muslimischen Kinder (vgl.

Abbildung 5.7). Über die Hälfte von ihnen wünscht sich für ihr Kind einen akademischen Abschluss. Diese Ergebnisse bestätigen einen bekannten Befund aus der Bildungsforschung:

Migranten wünschen sich häufig hohe und höchste Bildungsabschlüsse für ihren Nachwuchs. Diese konfessionsunabhängig hohen Bildungsaspirationen muslimischer Kinder spiegeln aber offenbar eher den aus der Literatur bekannten „Immigrant Optimism“ sowie eine gewisse Unkenntnis des Bildungssystems wider (etwa der Zugangsvoraussetzungen für ein Universitätsstudium oder auch von Alternativen zu diesem) als den Einfluss der Bildungsoffenheit des Islams. Besonders ein Blick auf die ersten beiden Balken verdeutlicht die insgesamt ausgeprägten Bildungsambitionen zugewanderter Eltern.

Abbildung 5.7: Bildungsaspiration der Eltern nach Religiosität der Schülerinnen und Schüler und Migrationshintergrund (in Prozent)

Anmerkung: Frage: „Welchen höchsten Abschluss wünschen Sie sich für Ihr Kind?“; Gewichtet (ungewichtete Fallzahl N=3.760) Quelle: CILS4EU (eigene Darstellung und Berechnung).

Anders als für den sozialen Hintergrund sind für die Bildungsressource

„Leistungsmotivation“ positive Zusammenhänge mit der Konfessionszugehörigkeit erkennbar, vor allem bei den Muslimen. Während muslimische Kinder deutlich seltener Eltern mit einem hohen sozialen Status haben und über weniger kulturelles Kapital in Form von Büchern im Elternhaus verfügen, weisen sowohl sie selbst als auch ihre Eltern eine überdurchschnittlich hohe

Leistungsmotivation und ein nicht minder hohes Interesse an einem akademischen

Bildungsabschluss auf. Von einer nicht-bildungsorientierten Haltung von Muslimen kann also nicht die Rede sein.

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