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LANDWIRTSCHAFTLICHE NUTZUNG IM WALDAREAL

Im Dokument 196 Rapporti Reports (Seite 44-80)

3.1 Vorbemerkung

Die landwirtschaftlichen Nutzungen im Wald hatten ver-schiedene Formen und wurden zu Zeiten sehr intensiv geübt.

Sie umfassten die Waldweide

die langfristige Nutzung von Waldboden als Matt- und Acker-land; in diesem Zusammenhang ist auch auf Siedelungsspuren im heutigen Waldareal einzutreten

die landwirtschaftliche Zwischennutzung im 19. Jahrhundert.

47 3.2 Die Waldweide

Das Weidenlassen von Gross- und Kleinvieh im Wald ist zweifellos eine sehr alte Nutzungsform; sie geht möglicher-weise auf jene Zeit zurück, da sich eine bäuerliche Bevölke-rung in unserer Gegend niederliess. Es wird unterschieden nach der (allgemeinen) Waldweide mit Rindvieh und Ziegen sowie -in beschränktem Masse - mit Pferden und Schafen, sodann nach dem Acherum, der Weide von Schweinen auf Eicheln und Buchnüss-chen. Der Wald war Teil der Allmend, man sprach von der Wald-allmend. Nutzungsberechtigt waren die angesessenen Bauern als Inhaber eigener Höfe oder von Lehengütern sowie die Hinter-sassen, die Tauner, diese zumeist in beschränktem Ausmasse.

Die Gebiete, in denen die Holznutzung ausgeübt wurde, brauch-ten sich nicht mit jenen der Waldweide zu decken; häufig um-fasste die Berechtigung zur Waldweide einen weit grösseren Bereich als den Twing, worin man ansässig war, so zum Beispiel Suhr und die Liebegger Twingsangehörigen im Gränicher Wald und umgekehrt (48, 49; siehe auch S.49 hienach).

Die Waldweide verursachte am Wald beträchtliche Schäden, nimmt doch das Vieh, und ganz besonders die Ziege, auch Knos-pen, Nadeln und Blätter, Rinde und kleine Zweige an. Der ural-te, zumeist recht intensiv geübte Weidebetrieb führural-te, unter-stützt durch die Art und das Ausmass der Holznutzungen, zu Veränderungen der Zusammensetzung und des Aufbaues der Wälder.

Besonders gefährdet war der junge Wald. Um die Verjüngung der Bestände sicherzustellen, wurde es unerlässlich, solche Gebie-te von der Weide auszunehmen, einzuschlagen. Die Abgrenzung von Weidearealen und von gebannten Einschlägen erfolgte in der Regel durch Gräben, wobei der Aushub auf der Innenseite zu einem Wall angelegt und dicht mit einem "Tannlihag" be-pflanzt wurde (50). Im S c h a f i s h e i rn e r Ge -rn e i n de w a 1 d sind am Tannsalberg in der Bachtale, im Langholz und im hinteren (südlichen) Mertleberg mehr oder weniger deutliche Reste solcher Weidgräben zu finden. Der auf der Nord- und Westseite der Kuppe des Salberges erkennbare Graben dürfte zur Abgrenzung des ehedem offenen Landes vom

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untenliegenden Wald gedient haben. Der Wall ist talseits vom Graben angelegt worden.

Ueber das wer wo mit wieviel Vieh weiden lassen dürfe, gab es Regelungen wie für die Holznutzung. Das hinderte nicht, dass es öfters Händel absetzte. Im Dorf-Rodel Schafisheim 1623 heisst es: Item wann einem sein vych, es seye gehuot oder un-gehuot, inn die ynschleg entrünt oder einer sollches gefahr-licher weis darein treiben wurde unnd ein weibelt, auch die geschwornen oder andere persohnen das vych darinn funnden, dieselben sollendts dem jhenigen, dessenn sollch vych ist, vermellden, sich vor vernerem schaden zu verhüetten, und aber darneben by ihren pflichten einem thwingherren auch clagend fürbringen, der sein buoss nach gestalltten unnd verschullden davon soll zuo beziechen haben •••

Und so ein mann oder wybsperson in verbanneten ynschlegen grasen und ergriffen wurde, derselb und dieselbige verfallend einer gemeind für das erste mahl zuo eynung an pfennigen 1 lb.

So aber einer darab nützit thete unnd zum anderen mahl in dem ynschlag grasen wurde, derselbig soll einem thwinng-herren angeben unnd von demselben gestrafft werden (51).

1544 beschwerte sich Augustin von Luternau auf Liebegg als Inhaber eines Lehens zu (unausgeschiedenem) halbem Teil am G r ä n i c h e r F o r s t (52), dass die Gränicher Dorfschaft, nutzungsberechtigt ebenfalls zu halbem Teil, un-gefragt Teile des Forstes in Bann gelegt, das heisst von der Holznutzung und Weide ausgenommen hätte. Dazu gehörte auch ein tannhöltzlin allso uss bemeltem forst ob den weyeren uff gelegen [das sie] in schirm und bann gelegtt und ein bannholtz gnent. Er erachtete sich deswegen in seinen Rechten verkürzt und verlangte beim Landvogt deren Wiederherstellung. Das Ver-handlungsprotokoll sagt: ••• das[s] sy i[h]n [bisher nie]

von der nutzung, wen je acherig [Mast] gesyn, weder an dissen noch an andren ortten nie gesönderett noch geschupfftt hetten, sonders die lonschwyn auch dahin und allenthalben ir weyd und narung haben und suochen lassen •.• Darwider die genanten

[Ab-geordneten] von Grencken reden und antwurten lassen, das [s] sy kurtzer jarren ein tanhöltzli gebannet, weren sy wol be-kanntlichen, das es zum forst gehörte, sy hettens ouch allein darum gethan zuo ir beider sytts nutz und wolfart . . . hofften daran nit unrechtt gethan haben (53).

1597 kam es zwischen Suhr einerseits und Gränichen und dem Junker Luternau auf Liebegg andererseits zu Auseinander-setzungen der Waldweide wegen. Die Suhrer warfen den Grä ni-chern vor, sie hätten . . . nun by hundert meer und minder jaren sy [die] vonn Gränichen, wie auch by zytt und wyl syn Jungkher von Luthernouws vorfharen säliger dechtnus ire hölt -zer und welldt geschwendt, eröst [erödet] und ein grosse an -zaal felldts usgrüttendt und rüthenen gemacht, dermassenn, das[s] jetziger zyt der rüthi und lanndttheil zeenden, so inen vonn Gränichenn zugehörig, hundert mütt roggenn und dar -über ertriege. Da sy nun nit im zeenden, sonnder glych alls wol im buwenn, ein gross nutzung hettenn, wie sy dann noch meer schwenndten und rüthinen machenn, neben dem das[s] wann scho[n] acherumb griedte [gerate], sy die eychlen inen on wüssen, auch hinderung undereinanderen uflesen, mitt densel-ben, es wäre mitt verkouffen oder sunst, iren nutz damit schaffen detten. Die Minderung der Waldweide durch Rodungen ist ein recht bemerkenswerter Klagegrund, auf den in anderem Zusammenhang noch einzugehen ist (siehe

s.

72).

Im weiteren beanstandeten die Suhrer: Desglychenn, wann schon durch denn segen Gottes dess Allmächtigen gebe, das[s]

by inen zu Sur im Surhart acherumb würd, mitt dem uflesenn ein grossen vortheyl und nutz, sie vonn Gränichenn mitt irenn schwynen mit ganntzem und grossem schwaal [= Menge] überfhü -ren und tryben, dann sy erst verschinnen jars mitt sechs hun -dert schwynen zuo inen gfaren, dieselbenn gmest [gemästet] und grossen allso vil alls zweifachen nutz daruss zogenn, und gar dhein ordnung darinnen ghept hetten. Darmitt sy ouch mitt dem iren grossen schwaal ires übertrybenns zuowegen brechten, das mynen Gn.Hn. an irer gerechtsamme der loonschwynen halben, da sy sunst jerlich ein hüpsches, alls ein [an] gulden

andert-50

halb hundert oder meer lösenn khönndtenn, ein grossenn abbruch detten [täten], zuodem wyl inen der landtheyl zeennden zusten-dig, noch wyther und meer rüthinen uss machten, derhalben hier durch der weydtganng übel und noch vil meer und wyther geschwecht gehen würde. Mit dieser Begründung wurde die Sönde-rung der Weidrechte verlangt. Dem widersprach der Gegenpart:

Hingägen und hinwiderumb der edel, vest, vorgemelter Jungkher Augustin vonn Luthernouw, sampt Fridli Widmer, der zytt under-vogt mitt annderen synen mitverordneten von Gränichen, innamen einer gmeind, auch für sich selbs antwort gabenn, sy hettenn syn undervogt Gysins wie auch syner mitthafftenn anbringen innamen einer gmeind vonn Sur irer clegten der weidgrentzen halb anghört und darinnen verstanden wie sy hierinn ein sün-derung zuthuon, wie auch vonn ime Jungkherren vonn Luthernouw zetheilenn begärten und understanden. Darab sy ein sonderbe-duren und verwunderen verhofften, auch nitt sy darzuo verur-sachet, wann sy wie auch ire altvorderen nun by dry hundert und meer jaren zuosammen gfharen, lieb und leid alls guote nachpuren mitteinanderen ghept und glittenn, auch in guottem

frid und einigkheit glept hetten, sy söllen nochmals thuon alls guote fründ und nachpuren und sy wie vonn alltem har ver-fharen und verblybenn lassenn, und nütt nüws oder sünderung zethuon anfachen. Wann inen uss der ursachen allwyl ire zell-genn, desglychenn auch höltzer und welldt zuosammen aneinan-deren stiessen, des vychs halb, so sy uff und in die weyden schlyegen oder thätten, ettwann ennderungen (wie es dann vil-malen beschächen) hierdurch zwüschen inen grossen Widerwillen und alls stedts (neben dem das[s] ein oberkheit hirmit bemüyt und überlouffen) in uneingigkheit und unfriden syn und under-einanderen zu unruowen khommen würden. Zuodem das[s] es eine grosse wythe, alls[o] vil holtz mitt hagenn gschwendt [und]

verbrucht, auch grosse costen mitt graben müy und arbeit brin-gen dette. So hetten sy auch anndersten nienen dhein acherumb, wann allein uff denen acheren und ynschlegenn die angsaydt.

Daruf man mitt den schwynen der saadt halb nitt fharen könde, welches wenig und nitt vil bringen möge; ufglesen, dessen sy gern woveer [sofern] ettwas fhälers, es wäre mitt uflesung der eychlen oder sonst des übertrybenns halben der schwynen,

beschächen wäre, [sie] dasselbig gern verbesserenn wellten, und sy oder wo sunnst einer deshalben gfelldt hette, straf-fenn lassen, wie sy sich dann in der zytt gägen inen aller billigkheit zu thuon anerpotten und noch thuon welldtenn.

Item das[s] sy die vonn Sur hirneben auch des schwennd-tenn und rüthenns halb fürgäben, das vil holtz und rüthinen gemacht und usgerüthet, were sölliches vor langest beschächen und sidt 30 oder vierzig jaren har allein sy ein rütti und acher, welliches ein gstrüp, daruff dann nütt wann bromen, rekholterstuden und dörn stannden, alls[o] nütt annders, dann . schädlich holtz gsyn wäre, auch sidt vermeldter zytt nitt

[mehr] ufbrochenn noch gerüthet, allein den acher, wie jetz myn Gn.Hn. die gesandten, so daruff gfürt gsechen, buwen het -ten. Den sy auch wider zuo einem ynschlag neben dem so darnä -ben lig, ligen lassen, und holtz züchtigen welldten, so hätten sy auch noch wie jeder zyt im bruch ghan. Das wo sy rüttinen gemacht, [wären] dheine gutte, gsunde, sonnder[n] allein nur alte und unschädliche [Bäume gewesen], (wie aber sy die vonn Sur anderst nitt dann eychin holtz brennen detten und müssten abhouwen). Syen derhalben des verhoffens, noch hirmit nitt übel gfeldt, sonderlich vilmeer der weydtgang, innsunderheit des grossen und gehürnndten vychs erbesseret [worden].

Der Entscheid lautete: Des ersten ist von mynen Gn.Hn. gsanndten beredt und erkhenndt, dass[s] es by myner gnedigen Herren rhatschlag vermög der instruction das zwüschen inen den gemeinden uff dissmahls den weydgänngenn halbenn nützit getheilt wärden, sondern nach derselben ir Gnaden erkhann-dtnus verblyben sol.

Demnach sovil denn edel vestenn Jungkher Augustin von Lutternouw von wegenn des hus und schloss Liebeggs, auch syne twings underthanen wie er auch sye dann bissanhäro vonn jee -wellten zuo inen denen vonn Sur (wie auch sy uff ime Jungkher-ren [Land] mitt irem grossen und kleinen vych inns acherumb und sunsten ze thrybenn und zefharen ghept, wie auch noch ze -habenn vermeindt, antrifft und belanngen thuot, ist desshalbenn (und das innsunderheit vonn wägen allewyl vermelldtem hus und

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schioss sampt annderen zugehörigen, wie auch die twingsgerech-tigkheit von mynen gnedigen Herren ieechen) erkhenndt und ge-sprochenn, das[s] vermeiit Jungkher vonn Lutternouw wie auch syne twingsunderthanen jee und aiiwägenn von aitem har gebruch-ten by den weydtgenngen, es sye acherumb oder nitt, mitt gros-sem und kZeinem vych genntziich ohne einigen abbruch vermög und innhaiit aiter grechtsammen verbZybenn und zu inen denen von Sur wie auch gZychfhais sy vonn Sur zu inen wie bisshar macht zefharen und zethryben habenn söZZen ••• woveer .•• aber sich begäbe und fügenn würde, das[s] durch den segen Gottes des AZZmechtigen acherumb (es wäre dZych im Surhart oder so denn in dero vonn Gränichen höZtzer und weiid) griedt [ge-riete] und würde, söiien sy gZychfhais zuo beiden gmeinden zusammen fharen und einanderen dasseibig wie vonn aiitem har häZffen ufetzen und zebruchen gwait und macht habenn, doch mitt denen gedingenn und den bescheidenheiten (sovii nun den Surhart beianngen thuot), das[s] aisdann in demseiben der un-derscheid gebrucht wärdenn soi, dergestaiidt, das[s] wann ein pur zuo Sur, aiis einer der mitt einem pfZuog buwt viere, aiis-dann söiie ein pur vonn Gränichenn so auch mitt einem pfZuog buwt zwey, ist es dann ein tagwoner vonn Sur der zwey, so

söi-ie aiisdann ein tagwoner vonn Gränichen ein schwyn zethrybenn habenn und ailsdann sich stäts gegenn denen von Sur umbs haZb meeren und umb sovii gegenn denen vonn Gränichen umbs haZb minderen, dergestait, das[s] jee und aiiwägen einer vonn Sur umbs haZb meer, dann einer vonn Gränichen zuo thryben haben soi.

Dargägen nun ein gmeind zuo Grenichen gegen einer gmeind zuo Sur hirinn den vortheii habenn soi, dergestait das[s] inen hirmit zugiassenn, das[s] sy in aiien iren gsäydten zeiigenn und uff den acheren, wo in denseZbenn zeiigenn und saadten eychenn stanndt, und acherumb daran wäre, woi ohnne dero vonn Sur versperren oder werrenn, dasseZbig samethafft oder beson-der mitteinanbeson-deren ufZesen und ires gefhaiiens zu irem nutz verwenden und verbruchen gwaiidt haben söiien.

Es söiiennd auch nun fürohin sy [die] vonn Gränichen dhein hoitz, so dem acherumb schädZich unnd abbrüchig,

schwen-ten noch usrütschwen-tenn, was aber annder holtz, recholdterstuden, gstrüp und derglychenn, so nitt schädlich, sollen sy wol us-zuorüthen unnd zuo äferen gwaldt und macht haben unnd inen ohnne einichen yntrag derer vonn Sur zuoglassen syn.

Dessglychenn allewyl myn gnedig Herren vonn wegenn der loonschwynen halb, ouch ettwas gerechtigkheit im Surhart ha-ben, soll semliches vermög ir Gnaden Schloss Urbar by demsel-benn recht wie vonn altem hqr verblydemsel-benn und umb sovil wyther gesprochenn, dergestallt, das[s] jeder zit, jee nach glegen-heit desselben, wann acherumb gradt [geratet] oder wirdt, mitt h i l l f f und rhat eines jedenn Herren Lanndtvogts und sy-ner ander amptlüt alls unpartheysche (damit mynen gnedigen Herrennuss irem theil ouch ettwas bezogenn wärd) gemacht und erkhenndt werden, was und wievil schwynen jeder theil thry-ben sölle.

Es blieb also eigentlich alles beim alten und es hatte sein Bewenden mit dem Appell, doch weiterhin gute Nachbar-schaft zu halten.

Was aber sunst [die] annderen costen, so mitt inen zu allen theilen ufganngen und beschächenn anlannget, sol jede gmeindt denselben iren erlittnen costen von guter fründt- und nachpurschafft wägenn an inen selbs habenn. Dessglychen so söllen ouch alle verloffne wortt und reden, so sy dieser hannd-lung halb zwüschen inen zuo allen theilen zuotragenn und be-gäben haben möchten, hirmit gegeneinannderen alls wann diesel-bigenn nie gredt worden, ufghept syn, tod und absyn und dhein theil dem annderen nitt meer gedenkhen noch verwysenn, sonn-der guotte fründ und nachpuren syn unnd blybenn söllen.

Darüber alls nun inen diser endtscheid und spruch eröff-net und fürgehalltenn, hatt wolvermelter Jungkher Augustin vonn Luthernouw dennselben für syn theil, wie ouch lettstlich nach irem verdannck ein gmeind vonn Sur für iren theil zu halltenn versprochenn und angenommen. Dargägen aber ein gmeind vonn Gränichenn, uff wythers bedenngken und rhat zehaben, den-selbigenn abgeschlagen •••

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Beschächen den sechsten Septembris, alls mann von Jesu Christi unnsers ein[z]igen Erlösers und Säligmachers gepurt zallt, fünffzächenhundert nüntzig siben jar.

Bezüget, Zacharias Gottschalkh,

Landt-schryber zu Lentzburg (54)

Bei der immer offensichtlicher werdenden Notwendigkeit, den Wald zu schonen, trachteten die Obrigkeiten seit dem 18.

Jahrhundert danach, die Waldweide zu beseitigen oder minde-stens die Zahl der Einschläge - sie umfassten in der Regel etwa einen Viertel bis einen Drittel der Waldfläche - zu er-höhen (55). Das wurde um so eher möglich, als im Verlaufe der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zur ganzjährigen Stall-haltung des Viehs sowie zum Anbau von Futtergras und -klee übergegangen wurde. An verschiedenen Orten ist damals im Ein-verständnis mit den politisch massgeblichen Bauern die Wald-weide aufgehoben worden. Aber noch gegen Ende des Jahrhun-derts widersetzten sich die kleinen Bauern und die Tauner, welche kein oder nur wenig Rindvieh, wohl aber ein paar Zie-gen zu halten vermochten, und selbst dafür nicht Zie-genüZie-gend Wei-deland besassen, der Einschränkung der Waldweide. Für Gräni-chen ist eine solche Auseinandersetzung aus den Jahren 1792/

1795 bekannt (56). Die nachstehend angeführten Schreiben der Deutschen Holzkammer an Schultheiss und Rat der Stadt Bern vom 19. Januar und 5. Februar 1795 vermitteln nicht nur Einsichten in die Probleme der Waldweide, sondern auch in die Art und Weise des Umganges der Obrigkeiten mit ihren Untertanen.

Hochwohlgebohrne und Gnädige Herren!

L a g e d e r

s

a C h e

Das an der Wynen liegende Dorf Gränichen hat auf der an-dern Seite des Wassers die sogenannte Vorstadt, wo sich viele Gränicher, die im Dorf selbst nicht genugsamen Boden gefunden, angesezt haben. Diese Vorstädter machen mit denen vom Dorf die gleiche Gemeinde aus und werden in alle Stüken für ächte

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Gränicher angesehen. Beyde Theile geniessen in denen sie um-gebenden Berghöhen schöne Vortheile vermittelst erhaltender Beholzung, Benutzung von sogenannten Plazen und dem in den Waldungen geniessenden Weidgang. Bishin scheint dieser Weid-gang nicht fast e~ngeschränkt gewesen zu seyn und jeder Theil benuzte denselben in denen auf seiner Seite der Wynen gelege-nen Waldungen nach Belieben. Allein da die Waldungen welche mehrentheils Oberkeitliches Eigentum sind, nach und nach ins Abnemmen gerathen und die Besorgnis entstanden, es möchte die Beholzung sowohl für das Schloss Lenzburg als für die cher selbst Schaden leiden, so haben die Vorgesezte von Gräni-chen dem Herrn Landvogt deshalb Vorstellungen gemacht, und denselben gebetten, diesem Uebel durch Einschränkung des Weid-gangs vorzubiegen. Diesem zufolge sind unterm 25. Hornungs 1?92 fünfe von denen sechs Einschlägen, in welche die auf sei-te der Vorstädsei-ter liegenden Waldungen eingetheilt sind, in Bahn gelegt und daselbst aller Weidgang, bey darauf gesezter Busse, verboten worden.

R e c h t s f r a g e

Dieses Verbot nun macht den Vorwurf des Streits aus, und [es] fragt sich, ob dasselbe nach dem Begehren der Vorstädter solle aufgehoben, oder nach dem Gegenschluss der Vorgesezten beybehalten werden.

D

e

m a r C h e s d e r V o r s t ä d t e r

Die Vorstädter, welche sich durch dieses Verbot gar zu f[est] bedrükt glaubten, machten anfänglich ihre Vorstellun-gen im Schloss Lenzburg, erhielten einen AuVorstellun-genschein, wurden aber daraufhin in ihrem Begehren abgewiesen. Von da wendeten sie sich an MeGH der D[eutschen] Holz-Cammer, welche sie aber auf die von Lenzburg erhaltene Nachrichten abwiesen und sich sunderheitlich in einer Polizey-Sache nicht befügt glaubten, einen Ober-Augenschein von Ihnen aus zu gestatten ••• Hierauf nahmen die Vorstädter ihre Zuflucht zu Euer Gnaden [Schult-heiss und Rat zu Bern], baten inständigst um Remedur, und um einen in ihren Kästen zu bewilligenden Augenschein. Ehe und bevor aber Euer Gnaden hier eintretten walten, fanden

hoch-56

dieselben gut, die Vorstellung der Vorstädter den Vorgesetz-ten von Gränichen zu communicieren und ihre Antwort abzufor-dern. Und so erhielte man die Gründe beyder Partheyen, welche kürzlich auf folgende hinauslaufen.

G r ü n d e d e r V o r s t ä d t e r

Die Vorstädter, und zwar nicht weniger alls 55 an der Zahl, behaupten, sie seyen durch den questionierl[ichen] Bahn zu ihrem grössten Nachtheil soviel als um allen Weidgang ge-bracht worden. In ältern Zeiten haben Sie ihr Vieh jeweilen in denen zunächst ob der Vorstadt gelegenen Waldungen zu Wei-de getrieben. Jez lasse man ihnen von sechsen nur einen

Die Vorstädter, und zwar nicht weniger alls 55 an der Zahl, behaupten, sie seyen durch den questionierl[ichen] Bahn zu ihrem grössten Nachtheil soviel als um allen Weidgang ge-bracht worden. In ältern Zeiten haben Sie ihr Vieh jeweilen in denen zunächst ob der Vorstadt gelegenen Waldungen zu Wei-de getrieben. Jez lasse man ihnen von sechsen nur einen

Im Dokument 196 Rapporti Reports (Seite 44-80)