• Keine Ergebnisse gefunden

3. Speicherverhalten in Stromnetzen

3.3 Speicherverhalten im Stromversorgungssystem

3.3.1 Ladeverhalten von Stromspeichern

Die für den Ladevorgang von Speichern eingesetzte Energiequelle hängt vom Verlauf der Residuallast ab und kann situationsabhängig entweder aus Grundlaststrom oder aus überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien stammen, die beide im Verhältnis zu Spitzenlast eine ausreichend hohe Preisdifferenz für Arbitrage aufweisen.139 Eine großvolumige Speicherung von konventionell erzeugtem Mittellast- oder Spitzenlaststrom zur späteren Verwendung und Substitution von Spitzenlast kann ausgeschlossen werden, da die geringen Preisunterschiede die Verluste im Verlauf des Speicherprozesses und Speicherbetriebskosten nicht kompensieren können.

Der Verlauf der Residuallast ist durch die Abhängigkeit von der Nachfragekurve und überwiegend wetterabhängiger Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien sehr volatil. Im Gegensatz zum Stromverbrauch kann die Residuallast positive als auch negative Werte aufweisen. Negative Residuallastwerte treten dann auf, wenn aus erneuerbaren Energien mehr Strom erzeugt als im selben Moment nachgefragt wird.140

Neben dem Vorzeichen des Tagesminimums der Residuallast bestimmen als weitere Restriktionen die Höhe der installierten Grundlastleistung sowie die installierte

139 Vgl. hierzu im Detail Kapitel 4.5.1

140 Der Fall einer höheren Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien als der Stromnachfrage ist im deutschen Versorgungsnetz bislang noch nicht eingetreten (Stand Januar 2017; deutschlandweite Bilanz, eigene Berechnungen auf Grundlage von BMWi (2016), BDEW (2016c), ENTSO-E (2017), 50Hertz Transmission (2017), Amprion (2017b), Tennet TSO (2017), TransnetBW (2017b).

Abzugrenzen ist die negative Residuallast von negativen Strompreisen. Im Gegensatz zur negativen Residuallast wurden negative Strompreise in den vergangenen Jahren regelmäßig beobachtet und sind auf eine intertemporale Optimierung von Grundlastkraftwerksfahrplänen zurückzuführen

51 Speicherladeleistung über die Art des eingesetzten Ladestroms. Aus diesen Kennwerten lassen sich insgesamt fünf Fälle unterschieden, auf deren Herleitung und Implikationen in diesem Kapitel näher eingegangen wird.

Abbildung 3: Fünf mögliche Fälle zum Speicherverhalten in Stromnetzen141

Abbildung 3 zeigt für diese fünf Fälle jeweils exemplarisch einen Ausschnitt des niedrigsten Bereichs der Residuallastkurve innerhalb eines 24 Stunden Handelszeitraums des Day-Ahead-Markets. Ebenfalls eingezeichnet ist die gegenwärtig installierte Braunkohle-Grundlastleistung bei knapp unter 25 GW, welche die Speicherladeströme nach oben hin begrenzt.142 Grundsätzlich kann jeder der 365 Jahrestage einem dieser Fälle zugeordnet werden. Der größte Unterschied zwischen den Fällen liegt in der Art des Stroms, welcher am betreffenden Tag zum Laden eines Stromspeicherportfolios gleich welcher Bauart aufgewendet wird. Im Folgenden

141 Eigene Darstellung

142 BMWi (2016), Energiedaten Tabelle 22

52 werden diese Fälle in Anlehnung an Abbildung 3 näher erläutert und die gespeicherten Ladestrommengen detailliert beschrieben und bestimmt.

Fall 1: Keine Ladung von Stromspeichern, wenn: Pmin > PGLmax

Liegt das Minimum der Residuallast eines Tages (Pmin) über der insgesamt installierten Grundlastleistung (PGLmax), liegt ein Tag mit außergewöhnlich niedriger Nachfrage oder in den häufigsten Fällen mit geringer Einspeisung von Strom aus erneuerbaren Energiequellen vor. Dabei wird die installierte Grundlastkapazität bereits vollständig zur Lastdeckung ausgeschöpft und mindestens Mittellastkraftwerke sind darüber hinaus zur Sicherstellung der Stromversorgung in Betrieb. Ein Laden von Stromspeichern kann in diesem Fall weder aus erneuerbaren Energien noch aus Grundlastleistung erfolgen, da beide Stromquellen bereits vollständig in Verwendung sind. Möglich wäre zwar ein Zurückgreifen auf Mittellast- oder Spitzenlastkraftwerke zum Laden von Stromspeichern, jedoch böte der erwartete Preisunterschied keine ausreichend hohe Marge für Arbitragegewinne. In diesem Fall ist deshalb davon auszugehen, dass die Netzlast unter Hinzunahme von Mittellast- und Spitzenlastkraftwerken gedeckt wird, ohne dass es zu einem Einsatz von Stromspeichern kommt.

Fall 2: Teilweise Ladung von Stromspeichern mit Grundlaststrom, wenn:

Pmin < PGLmax und Pmin > 0 und Pmin + PSpeicher > PGLmax

Liegt das Minimum der Residuallast einer Handelsperiode (Pmin) unter der installierten Grundlastleistung (PGLmax), dabei über null und übersteigt die Summe aus dem Tagesminimum der Residuallast (Pmin) und der installierten Speicherleistung (PSpeicher) die installierte Grundlastleistung (PGLmax), so können Stromspeicher zum Teil aufgeladen werden. Die zum Laden der Speicher eingesetzte Strommenge wird durch die Erhöhung der Grundlast bis zur maximal installierten Erzeugungsleistung (PGLmax) sichergestellt und ergibt sich als Fläche zwischen den Kurven installierten Grundlastleistung (PGLmax) und der Residuallast (PRes) für den Abschnitt, in welchem PRes unter PGLmax liegt. Eine Speicherung von darüberhinausgehendem Strom aus

53 anderen Kraftwerkstypen als Grundlasterzeugern findet nicht statt, da durch den geringen Preisunterschied analog zu Fall 1 keine ausreichend hohen finanziellen Anreize für einen Speicherbetrieb vorliegen.

Nach oben hin begrenzt ist die Ladestrommenge (Q1) durch den Quotienten Speicherkapazität (QSpeicher) geteilt durch den Ladewirkungsgrad (ηL), da zum einen Stromspeicher nicht beliebig viel Energie aufnehmen können, und zum anderen der speicherabhängige Ladewirkungsgrad zu einem Teilverlust des aufgewendeten Ladestroms führt. Als Formel ausgeschrieben ergibt sich deshalb die Ladestrommenge Q1 zu

(I)

für PGLmax > PRes

Fall 3: Ladung von Stromspeichern mit Grundlaststrom unter voller Ausnutzung der installierten Ladekapazität, wenn: Pmin < PGLmax und Pmin > 0 und Pmin + PSpeicher < PGLmax

Sind sowohl das Tagesminimum der Residuallast (Pmin) sowie die Summe aus Minimum der Residuallast (Pmin) und installierter Speicherleistung (PSpeicher) kleiner als die installierte Grundlasterzeugungsleistung (PGLmax), unter Berücksichtigung des Tagesminimums der Residuallast (Pmin) größer null, so wird die Speicherleistung (PSpeicher) vollständig für den Ladevorgang ausgeschöpft. Der Ladestrom wird dabei allein durch das Hochfahren der (günstigeren) Grundlastleistung um den Betrag der Speicherleistung (PSpeicher) zur Verfügung gestellt. Wie in Fall 2 ist die aufgewendete Ladestrommenge (Q1) eines Speicherzyklus begrenzt durch den Quotienten der Speicherkapazität (QSpeicher) geteilt durch den Ladewirkungsgrad (ηL). Insgesamt ergibt sich für Fall 3 die Ladestrommenge (Q1)hierdurch zu

(II)

für Pmin + PSpeicher > PRes

54 Für Fall 3 ist anzumerken, dass dieser Fall über einen längeren Zeitraum nur eintreten kann, wenn die Grundlastleistung konventioneller Kraftwerke (PGLmax) größer ist als die Speicherladeleistung (PSpeicher). Anderenfalls würde ein Laden von Stromspeichern wie im Fall 2 und wie in der zweiten Variante vom nachfolgend beschriebenen Fall 4 durch die geringere Höhe der installierten Grundlastleistung (PGLmax) limitiert werden.

Fall 4: Ladung von Stromspeichern mit Grundlaststrom und überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien, wenn:

Pmin < 0 und Pmin + PSpeicher > 0

Wenn das Tagesminimum der Residuallast (PMin) unter null und die Summe aus Minimum der Residuallast (PMin) und installierter Speicherleistung (PSpeicher) über null liegen, bestehen Anreize, um Stromspeicher mit zwei verschieden Stromarten zu laden. In erster Reihenfolge wird der über den Verbrauch hinaus erzeugte, überschüssige Strom aus erneuerbaren Energien geladen, da dieser alternativ abgeregelt werden müsste und als Überschussstrom am günstigsten zur Verfügung steht. Zweitens, sofern der überschüssig erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien geladen wurde und weiterhin freie Speicherladeleistung bereitsteht, wird die verbleibende verfügbare Ladeleistung zum Laden von Grundlaststrom eingesetzt.

Wie in den vorangehenden Fällen ist die Gesamtladestrommenge (Q1) aus überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien und dem Hochfahren der Grundlastleistung zusätzlich begrenzt durch die Speicherkapazität (QSpeicher) geteilt durch den Ladewirkungsgrad (ηL). Die Gesamtladestrommenge setzt sich folglich aus zwei Teilen zusammen zu

Ladestrommenge (Q1) gespeist aus Grundlast (III)

für PRes < Pmin + PSpeicher

PRes >= 0 → PRes ; PRes < 0 → 0

55 Ladestrommenge (Q1EE) gespeist aus überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien

(IV)

für PRes < 0

Für Fall 4 kann die Besonderheit vorliegen, dass die installierte Grundlastleistung (PGLmax) als zusätzlich limitierender Faktor hinzukommt, wenn nach Ladung durch überschüssig erzeugten Strom aus erneuerbaren Energien die verbleibende verfügbare Ladeleistung von Stromspeichern größer ist als die installierte Grundlasterzeugungsleistung (PGLmax). Dieser Fall ist auf mittlere und langfristige Sicht wahrscheinlich, wenn Braunkohlekraftwerke zunehmend abgeschaltet werden und gleichzeitig der Ausbau von Stromspeichern vorangetrieben wird. Die Ladestrommenge aus konventioneller Grundlast ergibt sich für diese Variante des Falls 4 zu

(V)

für PGLmax > PRes

PRes < PGLmax ; PRes < 0 → 0

Die Ladestrommenge aus überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien würde in dieser Variante unverändert hoch bleiben und sich entsprechend Formel (IV) bemessen.

Fall 5: Ladung von Stromspeichern mit überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien, wenn: Pmin + PSpeicher < 0

Liegt die Summe aus dem Tagesminimum der Residuallast (PMin) und der installierten Speicherleistung (PSpeicher) unter null, wird mehr Strom erzeugt als nachgefragt und gespeichert werden kann. In diesem Fall werden Speicher mit maximaler

56 Ladeleistung (PSpeicher) betrieben, sofern möglich bis zur vollen Ausnutzung der verfügbaren freien Speicherkapazität. Die verbleibende überschüssige Energie, die entweder über die beschränkte Ladeleistung (PSpeicher) hinaus geht oder aufgrund der beschränkten Gesamtspeicherkapazität nicht genutzt werden kann, geht durch Abregelung der Erzeugungsanlagen verloren. Der durch Stromspeicher geladene überschüssig erzeugte Ladestrom (Q1EE) aus erneuerbaren Energien ergibt sich in Fall 5 zu

(VI)

für PRes + PSpeicher < 0

3.3.2 Auswirkungen von Stromspeichern auf das Stromversorgungssystem