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4. Modellgestützte Szenarioanalyse

4.5 Simulation und Analyse des Speicherverhaltens im

4.5.1 Grundlegende Annahmen und Eigenschaften der Analyse

98 Das sich aus den einzelnen Differenzen im Zeitverlauf ergebende Residuallastprofil spiegelt die Nachfrage wider, welche von steuerbaren konventionellen Kraftwerken sowie Stromspeichern bedient werden muss. Es bildet deshalb die Basis für die im nächsten Kapitel vorgenommene Simulation und Analyse des Speicherverhaltens im

99 bestehender Stromspeicher als auch den Anteil zukünftig zugebauter Speicherkapazitäten. Im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit wird dabei nur der Teil des Stromspeicherportfolios in der Simulation berücksichtigt, welcher entsprechend Kapitel 3.2 durch Arbitrage zur Lastverschiebung im Stundenbereich eingesetzt bzw. in dezentraler Anwendung zu Zeiten hoher Stromproduktion dezentral von erneuerbaren Energien beladen wird. Stromspeicher, die zur Bereitstellung von Regelleistung für eine Betriebszeit von weniger als einer Stunde ausgelegt sind bzw. werden, fallen nicht in den Fokus der Modellierung und Analyse.

Unterscheidung nach eingesetzter Speichertechnologie

Die zukünftige Entwicklung von Stromspeichern in Deutschland wird voraussichtlich zu einem parallelen Ausbau verschiedener, in Kapitel 2.6.2 vorgestellter Speichertechnologien führen. Da sich die prinzipielle Funktionsweise, wesentliche Parameter sowie das Systemverhalten in Stromversorgungssystemen unter den einzelnen Technologien nicht unterscheiden, besteht im Modell keine Notwendigkeit für eine Unterscheidung nach einzelnen Speichertechnologien. Im Modell wird deshalb das zukünftige Speicherportfolio als Gesamtspeicher zusammengefasst, ohne zwischen einzelnen Technologien zu differenzieren.

Substituierte Spitzenlast Strommengen

Für durch Entladestrom aus Stromspeichern substituierte Lastspitzen, insbesondere sofern diese einen eher flachen Lastgradienten aufweisen, kann aufgrund der Regelfähigkeit moderner Steinkohlekraftwerke nicht ausgeschlossen werden, dass neben Strom aus Gaskraftwerken ebenfalls eine Substitution von Strom aus Steinkohlekraftwerken eintritt. Aus diesem Grund wird im Modell dieser Arbeit der substituierten Spitzenlast eine Zusammensetzung aus Strom aus Steinkohle- und Gaskraftwerken unterstellt. Dabei wird ein durchschnittliches Verhältnis der Zusammensetzung von Strom aus Steinkohle- und Gaskraftwerken eine Höhe von 50:50 angenommen, das in etwa dem Verhältnis der gegenwärtigen Jahresstromerzeugung aus Steinkohlekraftwerken und der Jahresstromerzeugung

100 aus Gaskraftwerken entspricht. Diese Annahme ist im Rahmen dieser Arbeit als konservative Einschätzung zu werten, da Steinkohlekraftwerke im Vergleich zu Gaskraftwerken höhere spezifische CO2-Emissionen aufweisen. In der Rechnung wird dadurch der nach Kapitel 3.3.2 substituierten Entladestrommenge Q2 eine tendenziell höhere CO2-Einsparung unterstellt und Stromspeicher mit Blick auf die CO2-Bilanz in ein umweltfreundlicheres Licht gerückt.

Regelfähigkeit von Braunkohlekraftwerken

Im vorliegenden Simulationsmodell wird davon ausgegangen, dass die Regelfähigkeit zukünftiger Braunkohlekraftwerke in ausreichendem Grad gegeben ist, um über den Zeitraum einer vollen Handelsperiode von 24 Stunden ein Abschalten oder Anfahren auf einen bestimmten Leistungswert, bis hin zur Höhe der installierten Leistung, zu ermöglichen.207 Für ältere Braunkohlekraftwerke des gegenwärtigen Kraftwerksparks trifft diese Annahme nicht zu, da geringe Lastgradienten beispielsweise einen Kaltstart auf Nennleistung nicht binnen Tagesfrist erlauben. Mittel- und langfristig wird jedoch davon ausgegangen, dass die installierte Erzeugungsleistung von Braunkohlekraftwerken in bedeutendem Ausmaß zurück gebaut wird und die ältesten, unflexibelsten Kraftwerke vom Netz gehen.208

Einsatzverhalten Stromspeicher

Durch die Ausrichtung des Modells auf die Residuallast als zentrale Größe für das Einsatzverhalten von Stromspeichern werden indirekt weitere Annahmen für das Modell getroffen. Übergreifend wird entsprechend Kapitel 4.3 das Vorliegen eines vollkommenden Marktes unterstellt, in welchem alle Teilnehmer des deutschen Stromversorgungssystems den entsprechenden Merkmalen des Rationalverhaltens

207 Nach Feldmüller (Siemens, 2013), S. 9 können durchschnittliche Braunkohlekraftwerke nach einem Stillstand von über 48h (Kaltstart) binnen 10 Stunden hochgefahren werden; Braunkohlekraftwerke nach Stand der Technik binnen etwa 8 Stunden

Nach Zenke et al. (2015), S. 46 liegt die Dauer der Anfahrzeiten aus einem Kaltstart für Braunkohlekraftwerke leicht höher bei 9 - 15 Stunden

208 Vgl. hierzu im Detail Kapitel 4.4.2

101 und der Nutzenmaximierung unterliegen. Die speicherbedingte Lastverschiebung strebt dabei eine Optimierung der Erzeugungskosten an und wird entsprechend den in Kapitel 3.2 erläuterten Zusammenhängen durch Arbitrage zwischen zeitlich getrennten Märkten motiviert. Aufgrund der Homogenität des Gutes Strom ist es für Betreiber von Stromspeichern dabei unerheblich, ob die Erzeugungskosten des eigenen Kraftwerksportfolios durch Lastanpassung optimiert werden oder ob an der Strombörse eine Ausrichtung nach den Opportunitätskosten der erzeugten Strommengen anderer Marktteilnehmer erfolgt. Die Gewinnorientierung als ökonomisches Ziel veranlasst immer dann eine Lastverschiebung, wenn die in Aussicht stehende Marge des Speicherbetreibers erstens die Betriebskosten des Stromspeichers deckt und zweitens ausreichend hoch ist, um Verluste beim Laden und Entladen sowie der Selbstentladung des Speichers auszugleichen.

Die Gesamtkosten einer auf Tageszyklen ausgelegten Stromspeicherung von Grundlaststrom werden in der Literatur mit durchschnittlich etwa 30 - 50 Euro / MWh Entladestrom beziffert und werden für mechanische Stromspeicher hauptsächlich durch in Zukunft voraussichtlich vergleichbar hohe Wirkungsgradverluste sowie Kapitalkosten bestimmt.209 Der Anteil der variablen Betriebskosten fällt dabei mit deutlich unter 10 Euro / MWh verhältnismäßig gering aus. Zwar weisen andere Technologien, wie Batteriespeicher, deutlich höhere Wirkungsgrade auf, jedoch ist mindestens mittelfristig nicht davon auszugehen, dass die derzeit noch um ein Vielfaches höheren Investitionskosten durch technologische Entwicklung auf ein Speicherkostenniveau in oben genannter Spanne sinken. Unter Berücksichtigung der Stromgestehungskosten der einzelnen konventionellen Erzeugungstechnologien in Höhe von 38 - 53 Euro / MWh für Braunkohle-, 63 - 80 Euro / MWh für Steinkohle- und 75 - 98 Euro / MWh für Gaskraftwerke, lassen sich aus einer statischen Kostenperspektive folgende Schlussfolgerungen für den Stromspeicher- und Kraftwerkseinsatz ableiten:210

209 Vgl. u. a. Sauer und Leuthold (2010), S. 26 ff. oder Sachverständigenrat für Umweltfragen (2011)

210 Kost et al. (Fraunhofer-Institut, 2013), S. 2

102 - Überschüssig erzeugter Strom EE – Braunkohlestrom: Die durchschnittliche Höhe der Gesamtkosten der Stromspeicherung bewegt sich in etwa in Höhe der Stromgestehungskosten von Braunkohlestrom. Theoretisch könnte deshalb ein zuvor vorteilhaft mit erneuerbaren Energien oder negativen Strompreisen geladener Stromspeicher mit Braunkohlekraftwerken konkurrieren, jedoch ist diese Möglichkeit als sehr unwahrscheinlich einzuschätzen. Erstens können Braunkohlekraftwerke nicht kurzzeitig heruntergeregelt werden, weshalb ein Betreiber von Braunkohlekraftwerken über einen längeren Zeitraum auf eine Grundlasterzeugung verzichten müsste.

Zweitens würden rational handelnde Betreiber von Stromspeichern zu einem späteren bzw. früheren Zeitpunkt Strom veräußern, um im Mittel- oder Spitzenlastbereich der Residuallast höhere Verkaufspreise zu erzielen. Im vorliegenden Modell wird deshalb die Möglichkeit einer Substitution von Braunkohlestrom durch Stromspeicher verneint.

- Überschüssig erzeugter Strom aus EE – Steinkohlestrom / Strom aus Gaskraftwerken: Überschüssig erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien wird in Zukunft voraussichtlich zu tiefsten Strompreisen gehandelt, da für diesen sonst keine Absatzmöglichkeiten bestehen. Auf dem Strommarkt ergibt sich hieraus die höchste Differenz zwischen den Gesamtkosten des zwischengespeicherten Stroms und den Erzeugungskosten von hochpreisigem Mittel- bzw. Spitzenlaststrom. Für Betreiber von Stromspeichern entsteht infolgedessen der Anreiz, Stromspeicher in erster Reihenfolge mit überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien zu beladen und für eine Lastverschiebung in hochpreisige Zeiträume mit stärkerer Nachfrage einzusetzen. Im Modell wird für Stromspeicher deshalb angenommen, dass dann eine Lastverschiebung dieser Art erfolgt, wenn freie Speicherkapazitäten einer verfügbaren Überlast aus erneuerbaren Energien gegenüberstehen.

- Braunkohlestrom – Steinkohlestrom / Strom aus Gaskraftwerken: Da die durchschnittlichen Gesamtkosten einer auf Grundlast ausgelegten täglichen Stromspeicherung geringer sind als die Erzeugungskosten von Mittel- und

103 Spitzenlast, liegen für Stromspeicherbetreiber ökonomische Anreize vor, die verfügbare Speicherkapazität zur Lastverschiebung einzusetzen. Im Vergleich zur Nutzung von überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien als Ladestrom bedeutet die hier geringere Kostendifferenz eine niedrigere Marge.

Im Modell wird deshalb davon ausgegangen, dass das bestimmten Restriktionen unterliegende Speicherportfolio nachrangig mit Braunkohlestrom beladen wird, wenn nicht die ökonomisch vorteilhaftere Opportunität der Speicherladung aus überschüssig erzeugtem Strom aus erneuerbaren Energien in Aussicht steht.

- Steinkohlestrom – Strom aus Gaskraftwerken: Zwischen Steinkohlekraftwerken und Gaskraftwerken reicht die Erzeugungskostendifferenz nicht aus, um die Kosten der Stromspeicherung zu kompensieren. Da für den Betrieb von Stromspeichern in dieser Konstellation kein finanzieller Anreiz zum Speicherbetrieb vorliegt, wird im vorliegenden Modell die Möglichkeit einer Substitution von Strom aus Gaskraftwerken durch Mittellast verneint.