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Normalerweise unterliegen Körperzellen einer strikten Entwicklungskontrolle.

Sämtliche Prozesse wie Differenzierung und Vermehrung spielen sich bei der Entwicklung des Embryos in der richtigen räumlichen und zeitlichen Ebene ab. Mit einigen wenigen Ausnahmen (z. B. dem Darmepithel–

gewebe und dem blutbildenden Gewebe des Knochenmarks) teilen sich die Körperzellen eines erwachsenen Menschen nicht mehr; sie befinden sich in einer Ruhephase des Zellzyklus, der sog. G0–Phase. Alle eukaryontischen Zellen durchlaufen während ihres

Lebens die gleiche Sequenz von Ereignissen. Dieser sog. Zellzyklus kann in vier Phasen eingeteilt werden (Abb.1):

1. Die Mitose (Zellteilung) findet in der M–Phase statt.

2. Die anschließende G1–Phase hat eine sehr unterschiedliche Länge bei verschiedenen Zelltypen und kann bei sich nicht–teilenden Zellen in die endlose G0–Phase übergehen.

3. In der folgenden S–Phase wird neue DNA synthetisiert.

4. An die DNA–Synthese schließt sich die G2–Phase an, in der sich die Zelle auf die Mitose vorbereitet.

Der Anteil an Zellen, die sich stetig weiter teilen, wird Wachstumsfraktion genannt.

Die Wachstumsgeschwindigkeit eines Gewebes hängt in erster Linie von der Größe der Wachstumsfraktion und weniger von der Zeit zwischen zwei Mitosen (Generationszeit) ab.

Bei schnell wachsenden Tumoren ist die Wachstumsfraktion erheblich größer als bei langsam wachsenden Tumoren oder normalem Gewebe. Während sich die Dauer der M–, S– und G2– Phase bei Tumoren in der Regel nicht wesentlich von normalen Zellen unterscheidet, ist die Dauer der G1–Phase in normalem Gewebe oft deutlich länger und kann von einigen Tagen bis zu mehreren Jahren dauern.

Unter bestimmten Bedingungen geht der strenge Kontrollmechanismus der Zellteilung verloren, was zur übermäßigen Vermehrung von Zellen führt. Dabei können entweder gutartige (benigne) oder bösartige (maligne) Tumore entstehen. Der entscheidende Unterschied zwischen diesen beiden Formen ist die Fähigkeit der malignen Zellen, in andere Gewebe einzuwachsen. Im Gegensatz zu diesem invasiven Wachstum ist das Wachstum

Abb.1 : Der Zellzyklus

2. Krebs

3 benigner Tumore meist durch einfache Ausdehnung und Begrenzung durch eine Bindegewebsschicht gekennzeichnet. Überdies sind bösartige Tumore in der Lage, Zellen zu streuen, die entfernte Körperstellen über das Kreislauf– oder Lymphsystem erreichen und dort Metastasen bilden können.

Die Ursache der meisten Krebserkrankungen ist unbekannt. Mit abnormaler Zellvermehrung in Zusammenhang gebracht wurden allerdings Mutationen in der DNA–Sequenz, die entweder zu abnormer oder unregulierter Expression von proto–onkogenen führen oder zur Ausschaltung von Tumor–Suppressor–Genen (oder von beidem). Onkogene codieren für Rezeptoren von zellulären Wachstumsfaktoren, für Wachstumsfaktoren selbst oder für andere Regulatoren der Zellproliferation in Krebszellen. Tumor–Suppressor–Gene codieren für bestimmte regulatorische Proteine, die normalerweise die Zellteilung supprimieren. Krebs resultiert aus diesen oder anderen Mutationen, die durch Umwelteinflüsse, genetische Prädisposition oder Infektionen verursacht oder gefördert sind. Darüber hinaus spielen wahrscheinlich noch weitere Faktoren eine Rolle, die bislang nicht oder nur wenig erforscht sind. Die meisten Tumore weisen chromosomale Abnormalitäten wie Deletionen, Inversionen, Translokationen oder Duplikationen auf. Obwohl diese meist unspezifisch sind, gibt es doch einige genetische Veränderungen, die eng mit bestimmten Tumoren verbunden sind, so dass in manchen Fällen eine Prognose ermöglicht wird.3

Welche äußeren Einflüsse zu diesen genetischen Veränderungen führen können, ist prinzipiell zwar verstanden, im Einzelfall aber auf Grund der normalerweise sehr langen Latenzzeit und der schlecht dokumentierbaren Exposition schwer zu beurteilen.

Viele Krebserkrankungen werden vermutlich durch Agenzien ausgelöst, welche die DNA schädigen oder ihre Replikation bzw. Reparatur stören. Hierzu zählt eine Vielzahl natürlicher oder künstlich hergestellter Chemikalien (chemische Karzinogene) sowie elektromagnetische oder partikuläre Strahlung, vor allem dann, wenn sie energiereich genug ist, um chemische Bindungen – z. B. in der DNA – zu spalten. Daneben existieren Viren, die Onkogene tragen, durch die Kontrollmechanismen der befallenen Zelle außer Kraft gesetzt werden können.4

Zu den relativ gut erforschten Ursachen maligner Veränderungen gehören Abweichungen am Protein P53 bzw. dessen Gen. p53 löst u. A. den programmierten Zelltod (die Apoptose) aus, womit unkontrolliertes Zellwachstum reguliert werden kann. Außerdem hält p53 den Zellzyklus an, um die DNA–Reparatur zu ermöglichen, die ebenfalls von p53 initiiert wird. Mutationen in diesem Gen führen möglicherweise zum Verlust der Fähigkeit des entsprechenden Proteins, an die DNA zu binden und damit zum Verlust des suppressiven

Effektes. p53 kann ebenso durch die Überexpression eines Onkogens inaktiviert werden, dessen entsprechendes Protein an normales p53 bindet.

Auch die Mitglieder der Bcl–2 Proteinfamilie sind für das Gleichgewicht zwischen Überleben und Sterben von Zellen verantwortlich. Dabei verhindern beispielsweise Bcl–2 und Bcl–XL die Apoptose, was bei ihrer Überexprimierung Krebszellen unter Umständen gegen Chemo– oder Strahlentherapie resistent macht.

Eine weitere bekannte Tatsache ist, dass in Krebszellen häufig eine verstärkte Telomerase–Aktivität zu beobachten ist. Telomere sind Gensequenzen an den Enden der Chromosomen, die bei jeder Zellteilung kürzer werden und somit Ausdruck des Alterns einer Zelle sind. Das Enzym Telomerase ist in der Lage, Telomere neu zu synthetisieren und so deren ständige Verkürzung zu verhindern. Vermutlich erreicht die Krebszelle ihre typische Unsterblichkeit zumindest teilweise durch eine übermäßige Telomerase–Aktivität.3

p53, Bc l–2 Proteine und Telomerasen sind nur drei Beispiele aus der großen Anzahl von Faktoren, die an der Entstehung von Krebs beteiligt sein können.

Insgesamt ist festzuhalten, dass die Entstehung und Entwicklung von Krebs ein komplizierter, mehrstufiger Vorgang ist, der die Anhäufung mehrerer genverändernder Ereignisse voraussetzt, und letztlich, oft Jahre nach der ersten erbgutverändernden Exposition, die endgültige Transformation der Zelle in eine Krebszelle bewirkt.