• Keine Ergebnisse gefunden

Krankheitsverlauf, Diagnostik und Therapie der HCV-Infektion

1. Einleitung

1.3 Krankheitsverlauf, Diagnostik und Therapie der HCV-Infektion

Abbildung 3: Schematische Darstellung des HCV Lebenszyklus

Receptor binding and endocytosis: Das extrazelluläre Viruspartikel bindet an die Oberfläche der Wirtszelle mit Hilfe der vier essentiellen Rezeptoren SR-BI, CD81, Claudin-1 und Occludin. Über Clathrin-vermittelte Endozytose wird das Virus in die Zelle aufgenommen. Fusion and uncoating: Die Virusmembran verschmilzt mit der Membran des Endosoms, sodass das Kapsid mit dem Virusgenom ins Zytoplasma eingeschleust werden kann. Translation and polyprotein processing: Im rauen endoplasmatischen Retikulum startet die Translation.

Die RNA-Replikation folgt darauf im sogenannten „membranous web“. Virion assembly/transport and release:

Auf den Zusammenbau (assembly) folgt die Ausschleusung (release) der neu entstandenen viralen Partikel (mit freundlicher Genehmigung des Springer Nature Verlages [73]).

1.3 Krankheitsverlauf, Diagnostik und Therapie der HCV- Infektion

Die akute Hepatitis C ist in der Mehrzahl der Fälle (80%) klinisch unauffällig und somit für Patienten und Ärzte schwer diagnostizierbar [74]. Nach einer Inkubationszeit, welche zwischen HCV-Infektion und ersten Krankheitssymptomen 2-12 Wochen betragen kann, verlaufen die restlichen 20% der Fälle gewöhnlich mit unspezifischen Symptomen wie Fieber, abdominellen Beschwerden, Übelkeit, Unwohlsein, Muskel-, und Gelenkschmerzen, Leistungsknick und Müdigkeit [75][76]. Oft wird die akute HCV-Infektion dadurch mit einem grippalen Infekt verwechselt und nicht bzw. zu spät erkannt und therapiert. Selbst nach der

7 Inkubationszeit unterliegt der Anstieg der Transaminasen starken Schwankungen, sodass auch diese nicht immer ein verlässliches diagnostisches Kriterium für eine Infektion darstellen [76]

[77][78][79]. Bei nur einem Drittel aller symptomatischen akuten HCV-Erkrankungen lassen sich leberspezifische Beschwerden, wie z. B. ein ikterisches Hautbild, lehmfarbener Stuhl und/oder Dunkelfärbung des Urins diagnostizieren und nur ein Bruchteil der Patienten (weniger als 1%) weisen einen fulminanten akuten Verlauf auf [80]. Spontane Ausheilungen der akuten HCV-Infektion werden in 10-50% beschrieben [74][81]. Im Gegensatz dazu entwickeln laut Langzeitstudien ca. 50-85% der Patienten eine chronische HCV-Erkrankungen [82][83]. Eine Chronifizierung entspricht definitionsgemäß einer Viruspersistenz im Körper von länger als 6 Monaten [77]. Eine spontane Elimination des Virus tritt dann in der Regel nicht mehr auf. In der chronischen Phase kann die HCV-Infektion ebenfalls völlig asymptomatisch sein. Wenige der Betroffenen beschreiben klinische Zeichen, die auf eine Lebererkrankung hinweisen können [84][85].

Diesbezüglich demonstrierten Kiyosawa et al. eine mittlere Zeitspanne zwischen Virusinfektion und Diagnose von 13,6 Jahren und begründeten die zeitliche Verzögerung mit dem Fehlen jeglicher HCV-typischer Symptome [86]. Die Langzeitfolgen können jedoch fatal sein, denn 2-35% der Betroffenen entwickeln nach Jahren bis Jahrzehnten eine Leberzirrhose.

In 5% der Fälle entsteht bei diesen Patienten pro Jahr ein Hepatozelluläres Karzinom (HCC) [87]. Somit ist die chronische HCV-Infektion mit den Folgeerkrankungen eine häufige Indikation für eine orthotope Lebertransplantation (OLT) [88].

Bei jedem Patienten muss jedoch eine Individualprognose gestellt werden, da verschiedene Faktoren den Progress des Fibrosegrades der Leber beeinflussen. Mittlerweile ist bekannt, dass Co-Faktoren wie z.B. Alkohol- und Nikotin sowie Übergewicht, Diabetes mellitus, Medikamente und ein höheres Alter (> 50 Jahre) bei der Erstmanifestation der HCV-Infektion eine ebenso negative Auswirkung auf den Fibroseprogress der Leber haben wie Co- Infektionen mit dem Humanen Immundefizienz Virus (HIV), Hepatitis A Virus (HAV), Hepatitis B Virus (HBV) und /oder Hepatitis D Virus (HDV) [78][89][90].

Besteht der Verdacht auf eine Infektion mit HCV sollten virologische Nachweise durchgeführt werden. Neben evtl. erhöhten Transaminasen dient der Anti-HCV-Immunoassay dem serologischen Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern (Anti-HCV) [91]. Jedoch sind oft bei Symptombeginn lediglich nur 50-70% und erst nach drei Monaten 90% der HCV-Antikörper nach stattgefundener Infektion detektierbar. Da zunächst eine Reaktion des Immunsystems stattfinden muss, beträgt das „serodiagnostische Fenster“ durchschnittlich 7-8 Wochen [92][93][94]. Initial positive Ergebnisse und Patienten mit eingeschränktem

8 Immunsystem sollten durch die anschließende Bestimmung der HCV-RNA mit Hilfe der Polymerase-Kettenreaktion (real-time-polymerase chain reaction; RT-PCR) kontrolliert wer- den [95][96]. Bei akutem Verdacht einer Infektion empfiehlt sich primär die HCV-RNA-Bestimmung [94][96]. Da hiermit der Virusnachweis bereits einige Tage nach Infektionszeitpunkt gelingt, gilt diese Methode nach wie vor als Goldstandard und kann helfen, eine Erkrankung frühzeitig zu diagnostizieren und therapeutische Schritte einzuleiten.

Eine bestehende Infektion kann sowohl durch den Nachweis von Anti-HCV-Antikörpern als auch durch HCV-RNA diagnostiziert werden. Eine ausgeheilte Erkrankung zeichnet sich durch positive HCV-Antikörper aus [94][97].

Im Falle einer HCV-Erstdiagnose erfolgt die Bestimmung des HCV-Genotyps sowie der HCV-RNA-Konzentration für die Therapieplanung und die Überwachung. Diese Parameter sind ebenso unverzichtbar wie Anamnese (Risikofaktoren, Partner- und Familienanamnese), klinische Untersuchung und Diagnostik von Co-Infektionen wie HAV, HBV und/oder HIV.

Obligatorischer Bestandteil der frühzeitigen Erkennung und Bewertung einer Leberzirrhose stellt die Oberbauchsonographie sowie die laborchemische Untersuchung dar [94].

Obwohl es noch keine Impfung gegen das Hepatitis C Virus gibt, ist die Erkrankung dank neuer wirksamer Medikamente für mehr als 95% der Patienten heilbar [98][99].

Ziel der medikamentösen Therapie ist ein dauerhaftes virologisches Ansprechen (sustained virological response; SVR). Dies bedeutet, dass 3-6 Monate nach Therapieende keine HCV- RNA (<50 IU/ml) im Serum mehr detektierbar ist [100][101].

Das Hauptziel einer frühzeitigen Therapie besteht in der Vermeidung bzw. Minimierung der Folgeerkrankungen und deren Komplikationen, wie beispielsweise einer Leberzirrhose oder eines HCC`s bis hin zur Lebertransplantation. Je nach Genotyp und Krankheitsverlauf muss die Therapie speziell darauf angepasst werden [102]. So wurde seit 1990 Interferon-alpha (INF-α) als Einzelmedikament mit jedoch geringem Heilungserfolg eingesetzt. Ab 1997 erfolgte eine Kombinationstherapie, bestehend aus pegyliertem Interferon-alpha (PEG-INF-α) und dem Nukleosidanalagon Ribavirin [103][104][105]. PEG-IFN-α ist ein körpereigenes Zytokin mit antiviraler und immunmodulierender Wirkung. Es aktiviert die T-Lymphozyten und fördert so die Abwehrreaktion des Körpers [106]. In Abhängigkeit vom Genotyp lag die Dauer der Therapie zwischen 24 und 72 Wochen [107]. Erreichte man für die Genotypen 2 und 3 eine SVR von 70-80%, reduzierte sich diese auf nur noch 50% bei Genotyp 1 [108].

Auf Grund der geringen Erfolgsrate und der gravierenden Nebenwirkungen wie Depressionen, Schlafstörungen, Müdigkeit, Anämien, Haarausfall, Knochenmarkdepression

9 und starken Hautveränderungen, aber auch neuropsychiatrischen Nebenwirkungen (Psychosen und Manien), ist diese alleinige Kombination nicht mehr empfehlenswert [109][110].

Therapiealternativen waren bis zu diesem Zeitpunkt rar und die Nachfrage nach weiteren Therapieoptionen sorgte im Jahr 2011 für die Zulassung von Boceprevir (BOC) und Telaprevir (TVR) für Genotyp 1 [111][112]. Beide werden auch als NS3-4A-Proteaseinhibitoren bezeichnet und repräsentieren die erste Generation der sogenannten

„directly acting antiviral agents“ (DAA`s), da sie direkt in die Virusreplikation eingreifen können [113]. In Kombination mit Ribavirin und PEG-IFN-α erzielten sie bei einer Therapiedauer von 24-48 Wochen SVR-Raten von 65-75% [114]. Die rasche Resistenzbildung, welche durch die hohe Variabilität des Hepatitis C Virus erklärbar ist, erschwerte den Einsatz der DAA`s als Monotherapie, sodass trotz Wechselwirkungen auf Ribavirin und PEG-IFN-α noch nicht vollständig verzichtet werden konnte [112][115].

Alleine im Jahr 2014 konnten der NS5B-Inhibitor Sofosbuvir (01/14), der NS3/4A-Proteasehemmer Simeprevir (05/14) und die NS5A-Inhibitoren Daclatasvir (08/14) und Ledipasvir (11/14) in Europa zugelassen werden, sodass, je nach Genotyp, SVR-Raten von bis zu 98% bei geringem Nebenwirkungsprofil erreicht werden konnten [116][117][118][119][120]. Abhängig von Patient und Genotyp wurde in der Regel 12-24 Wochen interferonfrei mit den neuen DAA`s therapiert [116].

Mittlerweile existieren diverse Vertreter der drei Substanzklassen, welche, am jeweiligen Namen erkennbare Schritte des HCV-Zyklus hemmen können. NS3/4A Protease-Inhibitoren hemmen die Protease NS3/4A und stoppen somit die Polyproteinzersetzung. NS5A-Inhibitoren und NS5B-Polymerase-NS5A-Inhibitoren greifen an der Polymerase an und reduzieren das Kopieren von Virus-RNA [100].

Abbildung 4 zeigt einen Überblick aller aktuell verfügbaren DAA´s, wobei Boceprevir und Telaprevir von den neueren DAA`s abgelöst wurden. Beide werden, laut aktuellen Leitlinien, aufgrund niedriger SVR-Raten und zu starken Nebenwirkungen in Deutschland nicht mehr empfohlen [94][121].

10 Abbildung 4: Substanzklassen zur Therapie der chronischen Hepatitis C

Die neu zugelassenen Substanzen inhibieren das Virus an unterschiedlichen Punkten des viralen Replikationszyklus. Medikamente mit der Endung „-previr“ zählen zu den NS3/4A-Protease-Inhibitoren. Die Endung “-asvir“ beschreibt die NS5A-Inhibitoren. Die NS5B-Inhibitoren enden auf „-buvir“. Die Kombination aus mehreren Substanzgruppen erhöht die SVR-Rate, sodass kein Interferon mehr nötig ist. Das jeweilige Therapieregime und die Therapiedauer sind u.a. abhängig vom Genotyp (adaptiert nach [94][122]).

Empfohlen wird eine Kombinationstherapie aus mehreren Substanzgruppen, da dies die Gefahr der Resistenzentwicklung und somit die Therapiedauer senken kann. Entscheidende Faktoren für die Auswahl einer optimal angepassten Therapie sind komplex und müssen sorgfältig abgewogen werden.

Relevant sind der jeweilige Genotyp, die Ausgangsviruslast, der Progress der Lebererkrankung, Co-Medikationen und /oder Co-Infektionen (HIV, HAV, HBV, HDV) sowie weitere relevante Stoffwechselvorerkrankungen. Ebenfalls bedeutsam ist eine bereits zurückliegende antivirale Therapie oder ein zuvor bereits beschriebenes Therapieversagen unter DAA`s. In diesen Fällen muss eine zeitliche Verlängerung der Medikationseinnahme erfolgen [94]. Eine kompensierte bzw. dekompensierte Leberzirrhose entscheidet über den, in diesen Fällen noch empfohlenen, Zusatz von Ribavirin [116].

Sollte ein deutlich reduzierter Allgemeinzustand des Patienten bei dekompensierter Leberzirrhose bestehen, muss sorgfältig abgewogen werden, ob eine Therapie generell stattfinden kann [123].

12