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HCV und mTOR - Molekularbiologische und klinische Fragestellungen

1. Einleitung

1.7 HCV und mTOR - Molekularbiologische und klinische Fragestellungen

Aus immunologischer Sicht ist die Autophagie einer Wirtszelle durch körperliche Stresssituationen, wie Nahrungs- oder Wachstumsfaktormangel, Schädigung von Zellbestandteilen oder während viraler Infektionen für den gesamten Organismus als Schutzmechanismus besonders bedeutsam [235].

Im Falle einer Virusinfektion nutzt das Virus üblicherweise die Werkzeuge der Wirtszelle mittels verschiedener Mechanismen zur Virusproteintranslation, während die zelleigene Proteinsynthese unterbleibt [236].

Hier nutzt das Hepatitis C Virus ein ausgeklügeltes System, um die eigene Virusreplikation in der Wirtszelle gewährleisten zu können. Auf molekularbiologischer Ebene ist bis heute nicht vollständig geklärt, welcher Mechanismus verantwortlich ist.

Bekannt ist mittlerweile jedoch, dass das Virusprotein NS5A den zentralen PI3K/Akt/mTOR-Signalweg, speziell das mTOR-Protein, nutzt um die Viruspersistenz aufrecht zu erhalten, indem es die Apoptose der infizierten Wirtszelle hemmt [237].

NS5A knüpft parallel sowohl an FKBP38 (FK506-binding protein 38), welches ein Bindeprotein der FK506-Familie ist, als auch an p85, eine Untereinheit von PI3K [238].

FKBP38 agiert als Teil des mTOR-Signalweges, um Zellwachstum, Zellproliferation und Zelldifferenzierung zu gewährleisten, indem es eine nahrungs- und energieabhängige, antagonistische Bindung mit mTORC1, jedoch nicht mit mTORC2 eingeht [237][239][240][241]. Fu et al. beschreiben eine NS5A-abhängige Aktivierung des mTORC1-Proteins, indem FKBP38 aus dieser Bindung entlassen wird [242]. Sobald mTORC1 aktiviert ist, erhöht sich nachfolgend die Phosphorylierungsrate und die Expression von p70S6K1 und 4E-BP1. 4E-B-Proteine kontrollieren die mRNA-Translation, indem sie mit eIF4G (eukaryotic translation initiation factor 4G) um die Bindung an eIF4E (eukaryotic translation

21 initiation factor 4E) konkurrieren. Das phosphorylierte 4E-BP1 ist nicht mehr in der Lage, an eIF4E zu binden. Somit ist es eIF4E möglich, eine Verbindung mit eIF4G zu knüpfen. Beide bilden zusammen den Translationskomplex eIF4F (eukaryotic translation initiation factor 4F), welcher die Proteintranslation aktiviert und eine ungestörte Virusvermehrung ermöglicht [50][237][243].

Interessanterweise zeigen Ishida et al., dass die mTOR nachgeschaltete Serin/Threonin Kinase PAK1 (p21-ativated kinase 1) in der Steuerung der Virusreplikation mitbeteiligt ist. In etablierten Zellkulturmodellen führte die Phosphorylierung von PAK1 durch p70S6K zur Verminderung der viralen Replikation. Umgekehrt konnte ein Ausschalten („knock-down“) von p70S6K durch Rapamycin und/oder PI3K-Inhibitoren und eine folglich verminderte Phosphorylierung von PAK1 eine gesteigerte HCV-RNA-Rate dokumentieren [244].

Sahin et al. identifizierten p70S6K als möglichen prokanzerogenen Faktor für das HCC. In einer kleinen analytischen immunhistochemischen Studie konnte ein Zusammenhang zwischen HCC-Tumorgröße und -grad, mTOR-Aktivität und der Expression von p70S6K beschrieben werden [245]. Die durch NS5A vermittelte erhöhte Zellproliferation sowie die erhöhte eIF4F-Aktivität verstärkt vermutlich das Risiko für die Tumorentstehungen, insbesondere das des HCV-induzierten HCC`s [243].

Ein weiterer potentieller Angriffspunkt des Hepatitis C Virus ist der Lipidmetabolismus, speziell „lipid droplets“, da der HCV-Lebenszyklus maßgeblich darauf basiert [246].

Lipid droplets sind für den gesamten HCV-Stoffwechsel, inklusive Infektion, Replikation und Zusammenbau neuer Viruspartikel essentiell. Bereits der virale Eintritt in die Wirtszelle geschieht u.a. mittels Endozytose durch Knüpfung an den „Low Density Lipoprotein Receptor“ (LDL-R). Die hieraus entstehenden viralen Lipopartikel (LVP) sind sehr infektiös und unverzichtbar für das Überleben des Virus. Im rER erfolgt die Virustranslation und Replikation mittels Interaktion zwischen zelleigenen und viralen Proteinen sowie supportiv durch Lipide. Lipid droplets befinden sich stets in räumlicher Nähe und werden in das

„membranous web“ des rER eingeflochten, um ihre Lipidmembranen für die Virusreplikation zur Verfügung zu stellen [247]. Die ursächlichen Mechanismen sind noch nicht gänzlich verstanden. Bekannt ist allerdings, dass ein regelrechter Lipidtransport mit funktionsfähigen Transferproteinen und -lipiden die HCV-RNA-Replikation verstärken kann [248].

Nicht zufällig werden nach und während chronischer HCV-Infektionen extrahepatische Stoffwechselstörungen wie z. B. Insulinresistenzen, Diabetes mellitus oder Atherosklerose beschrieben [249].

22 Interessanterweise wird das fragile Gleichgewicht der Lipogenese der Leber maßgeblich durch mTORC1 reguliert. Bekannt ist, dass mTORC1 die Fettsynthese mittels „sterol regulatory element-binding protein“ (SREBP1)-Aktivierung verstärkt und die Lipolyse in lipid droplets beeinflusst. Als Transkriptionsfaktoren aktivieren SREBP`s die Expression von fast allen lipogenen Enzymen [250][251].

Dies bestätigt eine Studie von Wan et al., in welcher weniger SREBP1-Aktivierung nach RAPTOR und folglich mTORC1 „knockdown“ mit reduzierter Lipidsynthese und nachfolgend weniger Triglyceriden und freiem Cholesterol in Mäusen beschrieben werden konnte [252].

Insgesamt konnte nach mTORC1/RAPTOR-Inhibierung durch Rapamycin oder physiologisch durch fehlende Nahrungsaufnahme eine gesteigerte Lipolyse sowie eine Ausschüttung von freien Fettsäuren in den Blutkreislauf detektiert werden. Umgekehrt resultierte aus einer mTORC1-Aktivierung durch beispielsweise viralen Einfluss oder auch physiologisch durch Nahrungsaufnahme die Herstellung und Speicherung von Fetten [253][254][255].

Stoeck et al. beschreiben in infizierten Zellen eine, vermehrt um den Nucleus bestehende, Cholesterol-NS5A Co-lokalisation, welche für die Virusreplikation eine günstige Lipidbereit- stellung gewährleistet [256].

Das Bestreben des Virus ist, soweit bisher verstanden, der Aufbau eines funktionsfähigen Replikationskomplexes mittels des Wirtszellenmaterials, bevorzugt mit Lipidmembranen und deren Bestandteilen. Ein brauchbarer Lipidtransport wird durch verschiedene endosomale und lysosomale Transferproteine gewährleistet. Besteht eine nicht ausreichende Menge an Lipidmaterial, ist auch die Virusreplikation erniedrigt.

In selbiger Studie zeigte eine Inhibition des Steroltransporters Niemann-Pick C1-like Protein 1 (NPC1L1), einen verringerten Lipidtransport zum Virusreplikationsort und eine folglich kleinere Virusmenge [256].

Nicht nur mTORC1, sondern besonders RAPTOR konnte als wichtiges Schlüsselprotein für die Aufrechterhaltung des HCV-Lebenszyklus und des Lipidmetabolismus detektiert werden.

Lee et al. konnten in generierten „Raptor-knockout-Mäusen“ bereits nach 2 Wochen eine gestörte Lipidresorption sehen. Trotz fettreicher Diät erfolgte keine Gewichtszunahme, sondern eher ein Schwund des subcutanen Fettgewebes sowie eine Hepatomegalie, Steatosis hepatis und Insulinresistenz [257]. Das Zusammenspiel des HCV-Lebenszyklus und der Lipogenese könnte womöglich das fehlende Bindeglied zwischen HCV, Lipidmetabolismus und PI3K/Akt/mTOR-Signalweg sein.

23 Interessant könnten diese Beobachtungen auch für weitere virale Erreger, wie z.B. das Cytomegalievirus (CMV), das humane Papillomavirus (HPV), das Epstein-Barr-Virus (EBV) oder das Humane Herpesvirus-8 (HHV-8) sein, da diese ebenfalls über den mTOR-Signalweg agieren [258].

Klinische Studien werden erwartet, denn bereits aktuell zeigt der Einsatz von mTOR-Inhibitoren eine reduzierte Viruslast in HCV-infizierten Patienten und eine gewünschte Immunsuppression nach Lebertransplantation.

Beobachtete Nebenwirkungen wie Hyperlipoproteinämie müssen noch bestätigt werden.

Inwiefern die Lipidsynthese im Detail beeinflusst wird, muss in Langzeitstudien abgewartet werden.