• Keine Ergebnisse gefunden

(Fortsetzung des Berichtes im Jahresberichts 2002, S. 141)

Das Gewerbeaufsichtsamt hatte ein Fuhrunternehmen aufgefordert, für mehrere Monate Diagrammscheiben einzusenden. Vor Absendung an das Amt wurden die Kartons mit den gesammelten Unterlagen von einer Urlaubsrückkehrerin aus Versehen in den Altpa-piercontainer entsorgt. Daraufhin sollte das Unternehmen laufend bis Ende 2002 die Dia-grammscheiben beim Gewerbeaufsichtsamt abliefern.

Die Auswertung der rund 4.000 Schaublätter des Unternehmens ergab 2.073 Verstöße gegen die Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Gegen 33 Fahrer wurden Verwarnungen und Bußgelder in einem Umfang von über 9.000 Euro verhängt. In den Anhörverfahren hatten die Fahrer zwar eine Mitschuld eingeräumt, aber auch auf die Notwendigkeit hin-gewiesen, dass der Arbeitgeber oftmals auf die Wünsche der verladenden Wirtschaft ein-gehen müsse, um die Aufträge nicht zu gefährden. Ansonsten wurde darauf verwiesen, dass der Arbeitgeber nicht belehre und Gespräche über eventuell festgestellte Verstöße nicht stattfinden. Aus diesen Gründen wurden alle Sanktionen gegen die Fahrer auf ein Zehntel der laut Bußgeldkatalog zu erhebenden Geldbuße begrenzt. 32 Entscheidungen sind unanfechtbar und bis auf 2 Ratenzahler beglichen; ein Einspruch wurde an die Staatsanwaltschaft abgegeben.

Im Anhörverfahren gegen den Geschäftsführer des Unternehmens wurde das Angebot des Gewerbeaufsichtsamtes wahrgenommen und die Angelegenheit mündlich erörtert.

Obwohl in den letzten drei Jahren mehr als 100 Verfahren gegen Verantwortliche und Fahrer der Firma durchgeführt wurden, war der Inhaber der Firma über die Anzahl und die Schwere der Verstöße entsetzt. Er gab ohne weiteres zu, nicht mit der erforderlichen Sorgfalt und im nötigen Umfang die Arbeitszeitnachweise kontrolliert zu haben, und zwar sowohl auf Vollständigkeit als auch auf Einhaltung der formellen und materiellen Vor-schriften. Auch wurde eingeräumt, weder Belehrungen noch Fortbildungen der Fahrer in ausreichendem Maße durchgeführt zu haben.

Die Anhörung hat zu folgendem Ergebnis geführt:

Dem Geschäftsführer wurde mitgeteilt, dass die Bußgeldberechnung aufgrund der Auswertung der Diagrammscheiben und bei Berücksichtigung von Vorsatz einen Gesamtbetrag von rund 370.000 € ergeben hat.

Neben vielen materiellen Verstößen z.B. gegen die tägliche Lenkzeit und die tägli-che Ruhezeit sei insbesondere aufgefallen, dass einige Fahrer unter Einsatz von

krimineller Energie immer wieder versucht hätten, durch Manipulation an den Dia-grammscheiben Verstöße zu vertuschen.

Es hätten Diagrammscheiben in Höhe von mehreren Tausend Kilometern gefehlt sowie seien Ruhezeiten durch Fahren mit im Beifahrerfach eingelegter Diagramm-scheibe vorgetäuscht worden.

Der Ausdruck der Bußgeldberechnung wurde ausgehändigt.

Sodann wurde seitens des Gewerbeaufsichtsamtes ein Vorschlag zu einer pro-zessökonomischen und für beide Seiten akzeptablen Beendigung des Verfahrens gemacht.: Danach könne das bei den Fahrern angewandte Prinzip (wegen Fahr-lässigkeit = 50% und davon wegen besonderer Gründe 1/10 des Regelbetrages) auch auf die Firma bzw. den Verantwortlichen übertragen werden, wenn die Firma dem Gewerbeaufsichtsamt glaubhaft versichert, dass sie eine Reihe von organi-satorischen Maßnahmen ergreift, die ein ernsthaftes Bemühen darstellen um die Verstöße in der bisherigen Häufigkeit und Schwere für die Zukunft weitgehend zu unterbinden.

Der Unternehmer sagte zu, sofort die im einzelnen erörterten und festgelegten Maßnahmen zu ergreifen und das Gewerbeaufsichtsamt danach binnen einer Wo-che schriftlich über die Umsetzung zu unterrichten.

Der Geschäftsführer legte außerdem die Bilanzen der letzten Jahre für die beiden Firmen Fuhrbetrieb und Befrachtung vor, aus denen die Verluste hervorgehen. Um die Verluste der Firma gering zu halten, habe er in den letzten Jahren aus seinem Privatvermögen zusätzliche Einlagen erbracht. Auch für dieses Jahr hoffe man, den bisher sich abzeichnenden Verlust in Höhe von 50.000 € in den letzten Mona-ten mindern zu können.

Unter Beachtung dieses Sachverhaltes und bei erfolgter Durchführung der zuge-sagten betrieblichen Maßnahmen wurde ein Bußgeld an den Geschäftsführer in Höhe von 15.000 €, zahlbar in monatlichen Raten in Höhe von 1.000 € vereinbart.

Wenige Tage später ging folgender Brief beim Gewerbeaufsichtsamt ein:

"...in der Anlage erhalten Sie die besprochenen schriftlichen Maßnahmen, die wir in unserem Betrieb vornehmen werden.

Vorab aber möchten wir uns bei Ihnen bedanken, für Ihr Verständnis und Ihre au-ßerordentliche Menschlichkeit, die Sie uns entgegengebracht haben.

Wir nehmen Bezug auf unser persönliches Gespräch im Gewerbeaufsichtsamt und möchten hierzu unsere gemeinsam erarbeiteten Maßnahmen zur Verbesserung der lückenlosen Kontrollen und Informationen für die Kraftfahrer unterbreiten:

In der 44. KW werden wir mit unseren Disponenten ein ausführliches Gespräch führen, d.h. ihnen uneingeschränkt den Sachverhalt schildern, den wir von Ihnen erfahren haben. Gemeinsam werden wir sinnvolle Maßnahmen entwickeln.

Jeder Kraftfahrer erhält einen Brief mit konkreten Aussagen über die Verstöße ge-gen die Lenk- und Ruhezeiten und es wird für jeden Kraftfahrer ein Termin zur per-sönlichen Besprechung mit dem Geschäftsführer gemacht, um nochmals sehr de-tailliert über die Pflichten und Verantwortung eines Kraftfahrers zu sprechen und ü-ber die Konsequenzen in der Zukunft bei Nichteinhaltung. Ihre Merkblätter üü-ber den Umgang mit Tachoscheiben und Lenkzeiten werden Grundlage dieser Ge-spräche sein.

Im neuen Jahr ist eine Fahrerschulung beabsichtigt (Berufsgenossenschaft, Be-triebsarzt, Sicherheitsbeauftragter, MAN), in die wir nach Absprache mit Ihnen eine Schulung von Ihrer Seite einbinden werden.

Frau B. und Frau R. werden ebenfalls nach Absprache mit Ihnen eine Schulung in Ihrem Hause machen, um das richtige Lesen von Tachoscheiben zu lernen. Jede Tachoscheibe wird in der Zukunft mit einer Auswertscheibe kontrolliert und gege-benenfalls durch den Geschäftsführer persönlich bei Nichteinhaltung der Lenkzei-ten beanstandet, um konkrete Maßnahmen einzuleiLenkzei-ten.

Durch diese Maßnahmen versprechen wir uns einen Erfolg, so dass in der Zukunft unsere Kraftfahrer und Disponenten klare Vereinbarungen geben und einhalten können.

Wir danken Ihnen für Ihre Mithilfe, um diese Probleme lösen zu können.“

Der Bußgeldbescheid ist inzwischen unanfechtbar und die erste Rate pünktlich bezahlt.

Die hier festgelegte Geldbuße von 15.000 € mag in Anbetracht der zahlreichen z. T. auch schwerwiegenden Verstöße und des erfolgten hohen Verwaltungsaufwandes gering er-scheinen. Es ist jedoch zu bedenken, dass dem überprüften Betrieb durch die in diesem besonderen Einzelfall erfolgte Vorgehensweise der Vereinbarung zur Durchführung dau-erhaft zu erfüllender organisatorischer Maßnahmen unter gleichzeitiger erheblicher Ver-ringerung der nach Bußgeldkatalog zu zahlenden Geldbuße, eine Chance eingeräumt wird, nicht nur zu einem gesetzeskonformen Verhalten zu kommen, sondern möglicher-weise auf Dauer Arbeitsplätze zu sichern.

Unter Beachtung der Tatsache, dass die Firma genau weiß, dass eine spätere Kontrolle auf Einhaltung der Zusagen durch die Gewerbeaufsicht durchgeführt und sie bei festge-stellten neuen Verstößen nicht mehr so glimpflich davon kommen wird, ist die getroffene Entscheidung auch gegenüber dem Rechnungshof zu verantworten.

Ansprechpartner: Herr Flömer; Gewerbeaufsichtsamt Bremen