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Eine erste konzeptionelle Ann¨ aherung

zusammenzuf¨uhren und verallgemeinerbare Erkenntnisse zu extrahieren. Hierzu z¨ahlt es, neben einem ¨Uberblick ¨uber Gestaltungsfragen ein klareres Verst¨andnis der Eigenschaf-ten von Tangible Interfaces zu gewinnen und eine Begrifflichkeit zu entwickeln, mit der wir TUIs beschreiben, analysieren und vergleichen k¨onnen. Fragen kooperativer Nutzung stehen in diesem Abschnitt nicht im Vordergrund, werden aber mitgedacht.

Im Folgenden befasse ich mich zun¨achst mit der Bestimmung grundlegender Merkmale und Eigenschaften von Tangible Interfaces als Schnittstellenkonzept, unabh¨angig von kon-kreten Anwendungen, Implementierungen und Realisierung mittels Hardware. In einem ersten Schritt n¨ahere ich mich diesen Merkmalen an, bevor ich einige Ans¨atze detaillier-ter darstelle, die eine pr¨azisere Bestimmung erlauben und f¨ur den Verlauf dieser Arbeit relevant sind. Im Anschluß daran diskutiere ich einige Systeme in Bezug auf diese Be-stimmungsmerkmale. Diese Merkmale k¨onnen als Achsen eines Designraums interpretiert werden, in dessen Zentrum sich TUIs in Reinform befinden. Dieses Vorgehen vertieft das Verst¨andnis der Besonderheiten dieser Systeme und dient zudem als Test der praktischen Anwendbarkeit und des analytischen Nutzens der durch diese Definitions- und Bestim-mungans¨atze zur Verf¨ugung gestellten Begrifflichkeit. Hierauf folgt ein ¨Uberblick ¨uber bis-herige Evaluationsergebnisse und Ans¨atze zu Designempfehlungen. Diese sind zwar h¨aufig auf sehr konkrete Systeme bezogen, liefern aber Anregungen oder verweisen auf generelle Gestaltungsfragen. Eine Sammlung solcher Designthemen im Sinne von Denkanregungen, zu kl¨arenden Fragen oder zu f¨allenden Entscheidungen, Hinweisen auf Trade-Offs, offenen Problemen etc. erm¨oglicht eine systematische Erkundung des Designraums von Tangible Interfaces, sowie eine bewußtere Gestaltung neuer Systeme.

Neben den Tangible User Interfaces z¨ahlen hierzu: Ubiquitous Computing, Augmented Environments, bzw. Augmented Reality, Reactive Rooms und mobile,

”context-aware“

devices.2 Betont werden soll mit dem Begriff des

”tangible Computing“ , daß es sich um materielle Realisierungen von Computerschnittstellen handelt, die eine k¨orperliche, haptische Interaktion erlauben. In diesem Sinne ist auch ein elektronisches WhiteBoard

’tangible‘. Als gemeinsame Merkmale dieser Forschungsrichtungen nennt Dourish (2001, S. 50-53):

- Es gibt keinen singul¨aren Ort der Kontrolle oder Interaktion (keinen Flaschenhals des eingeschr¨ankten Zugriffs). Dar¨uber hinaus verwendet man nicht einzelne Ger¨ate als Ob-jekt der Interaktion (wie die Maus). Ergebnisentscheidend ist vielmehr ein koordiniertes Zusammenspiel verschiedener Ger¨ate und Objekte.

- Es wird keine Sequentialit¨at, keine modale Interaktion erzwungen und keine Reihenfolge der Interaktionen vorgegeben.3

- Beim Entwurf der Artefakte werden gezielt Form-Merkmale eingesetzt, die die geeignete Verwendungsweise nahelegen (Affordances, siehe Abschnitt 3.4.1). Die Systeme bzw.

Gegenst¨ande sollen leicht interpretierbar sein, indem sie ihre kommunikative Funktion an der Oberfl¨ache zeigen.

Als Kernfrage des ¨ubergreifenden Forschungsgebiets

”Tangible Computing“ identifiziert Dourish (2001, S. 158-159) das Verh¨altnis zwischen Handlungen und dem Raum, in dem diese ausgef¨uhrt werden:

Die Konfigurierbarkeit des Raumes erm¨oglicht es, die eigene Umgebung zu arrangie-ren, durch Ver¨andern der materiellen Umgebung auch die dahinterliegende rechnerba-sierte Umgebung an neue Bed¨urfnisse anzupassen. Ein zweiter Aspekt ist das Verh¨alt-nis zwischen K¨orper und Aufgabe. Der Mensch kann seine Position und Orientierung im Raum ver¨andern. Damit kann er sich von Arbeitsgegenst¨anden – bzw. ben¨otigten oder unerw¨unschten Rechnerfunktionen – distanzieren oder sich ihnen n¨ahern. Der K¨orper wird zum Referenzpunkt in der Interaktion mit digitalen Funktionen. Weiterhin ist die Ausnutzung materieller und physischer Einschr¨ankungen oder Zw¨ange(Affordances), das Kommunizieren von Funktion und Benutzungsweise durch die ¨außere Form, ein wichtiger Aspekt des

’Tangible Computing‘.

W¨ahrend Ubiquitous Computing rechnerbasierte F¨ahigkeiten in die Umgebung mensch-licher Arbeit hineinverlegen will, gehe der Ansatz der Tangible Interfaces einen Schritt wei-ter und manifestiere oder verk¨orpere ’Computation‘ (Rechenleistung). Die

”verk¨orperte Interaktion“, die durch diese Ans¨atze m¨oglich wird, f¨ugt bisheriger

”representational

prac-2Erster Trend: die Verteilung von Rechnerleistung auf eine Vielzahl spezialisierter, in der Umgebung verteilter Ger¨ate, die die N¨ahe anderer Ger¨ate registrieren und darauf reagieren, bzw. mit ihrer Umwelt

kommunizieren‘. Context-aware Computing nutzt Aspekte der Nutzungssituation als Steuerungsparameter des Systemverhaltens.

Zweiter Trend: die Erweiterung der Alltagsumwelt mit digitalen, rechnerbasierten F¨ahigkeiten, so daß diese auf ihre Benutzer reagieren kann.

Dritter Trend: Umgebungen zu schaffen, in denen die Interaktion ¨uber materielle Artefakte erfolgt.

(Dourish 2001, S. 15-17)

3R¨aumlich lassen sich parallel Bedeutungsgehalte darstellen, die in einer zeitlichen Darstellung sequen-tialisiert werden m¨ussen (vgl. Taubstummensprache und gesprochene Sprache). Viele Systeme, die sich auf Ubiquitous Computing und Augmented Reality berufen, sich dabei aber an GUI-Interaktionsmustern orientieren und deren modale Interaktionsmuster ¨ubernehmen, verletzen dieses Kriterium.

tice“ die Erkenntnis hinzu, daß Repr¨asentationen ebenfalls Artefakte sind,

”auf“ die man einwirken kann (to act upon), die man hochheben, umarrangieren, sortieren, manipulieren kann Dourish (2001, S.169).

3.1.2 Eine Definition f¨ur ”Graspable User Interfaces“

In seiner Dissertation definierte Fitzmaurice (1996) Graspable User Interfaces als Syste-me, die graphische Repr¨asentationen mit Hilfegreifbarer

”Handles“(Griffe) manipulierbar machen. W¨ahrendBUILD-IT diesen Ansatz weiterverfolgt und dem von Fitzmaurice mit-entwickeltenBricks ¨ahnelt, stellen TUIs eine radikale Weiterentwicklung dieser Idee dar.

Fitzmaurice beschrieb f¨unf grundlegende Merkmale von Graspable User Interfaces und analysierte f¨ur etliche Systeme, inwieweit sie diese erf¨ullen. Hierunter fallen auch etliche Augmented Reality Systeme und

”Physical Props“ (Hinckley et al. 1994). In diesen Zu-ordnungen wird erkennbar, daß diese Merkmalsanalyse wenig auf die Eigenschaften der Greifbarkeit und Kopplung von realen und digitalen Repr¨asentationen eingeht.4

Das zentrale und essentielle Merkmal vonGraspable User Interfacesist das sogenann-te spatial multiplexing, das ich hier als r¨aumliche Verteilung (eigentlich: Vervielfachung)

¨ubersetze.

- R¨aumliches Verteilen meint, daß jede Funktion festen, funktionsbezogenen /Aus-gabeger¨aten zugeordnet ist, die jeweils einen eigenen Platz im Raum einnehmen. Ein-und Ausgabe verteilen sich gleichermaßen im Raum. Dies erm¨oglicht die voneinander unabh¨angige, gleichzeitige und anhaltende Auswahl von Objekten.5

Das r¨aumliche Verteilen ist laut Fitzmaurices experimenteller Untersuchung besonders effektiv, da es einge¨ubte allt¨agliche motorische Bewegungen und die Hand-Auge Koordi-nation ausnutzt. Zudem entf¨allt eine der drei Interaktionsphasen traditioneller graphischer Oberfl¨achen.6 Weitere Merkmale leiten sich weitestgehend hieraus ab:

- dieGleichzeitigkeit (der Benutzung, der Sichtbarkeit der Objekte), - die Verwendung

”starker“, spezifischer Werkzeuge von eindeutiger Form,

- die Verwendungr¨aumlich orientierter bzw. wahrnehmender Ger¨ate (Position, Orientie-rung oder N¨ahe anderer Ger¨ate),

- die r¨aumliche Konfigurierbarkeit und Anordnungsm¨oglichkeit der Arbeitsgegenst¨ande im Arbeitsbereich.

3.1.3

”Physical-Digital Objects“ mit dualer Identit¨at

Gorbet (1998) charakterisierte Tangible Interfaces damit, sie w¨urden das Gef¨uhl erzeu-gen, digitale Informationen direkt mit den H¨anden zu manipulieren. Die

Interaktionsge-4Nur ein einziges Augmented Reality System, bei dem Reparaturanweisungen in eine Brille eingeblendet werden, erf¨ullt danach alle Merkmale hundertprozentig,AlgoBlocks(Suzuki und Kato 1995) dagegen erh¨alt nur mittlere Werte.

5Beim Interagieren ¨uber ein einziges Eingabeger¨at (Maus) muß die Eingabe ¨uber die Zeit verteilt wer-den, obwohl viele Objekte gleichzeitig dargestellt sind – die Interaktionstechniken sind sequentiell und gegenseitig ausschließend.

6(1) Nehme materielles Ger¨at (2) nehme logisches Ger¨at bzw. w¨ahle Funktion mit Ger¨at aus (3) mani-puliere virtuelles Ger¨at. Schritt (1) und (2) sind bei greifbaren Schnittstellen miteinander identisch.

genst¨ande seien zugleich materielle wie digitale Objekte, seien

”physical-digital Objects“

mit einer dualen Identit¨at. Die auf einzelne Objekte beschr¨ankte Beschreibung Gorbets wird von Ullmer und Ishii (2000) (2001) auf Ensembles solcher Objekte erweitert (siehe n¨achster Abschnitt).

Der Designraum der

”physical-digital Objects“ l¨aßt sich nach Gorbet (1998) durch die Prinzipien der Kopplung, der Transparenz und des Mapping beschreiben:

1) Kopplung:Materielle, physische Handlung ist direkt mit digitaler Funktion gekoppelt und erzeugt direktes Feedback. Der Systemmodus kann ge¨andert werden, indem der materielle Zustand manipuliert wird. Umgekehrt ist der Systemmodus am materiellen Zustand erkennbar. ¨Anderung und ¨Uberpr¨ufung beziehen sich auf dieselben Stellen oder Teile des Systems, Input und Output sind ineinander verschr¨ankt. Die Interakti-on findet im eigenen

”K¨orperraum“ (body-space) statt und nicht als ”Fernsteuerung“

f¨ur den Datenraum (data-space), der durch das Fenster des Bildschirms sichtbar ist (vgl. Abb. 3.1 und die ausf¨uhrlichere Diskussion auf S. 79). Diese Punkte betreffen technisches und materielles Design.

2) Transparenz: Transparenz meint eine intuitive, vor-bewußte Interaktion, die keine mentalen Transformationen erfordert (Direktheit). Dies wird u.a. durch das Ausnutzen materieller Affordances und Interaktionsmetaphern erreicht. Dies ist die Ebene des Interaktionsdesigns.

3) Mapping: Die Gestaltung der Objekte suggeriert Bedeutung, Kontext und Umfang (Aggregatstufe) der digitalen Information, auf die sie verweisen. Dabei kann es sich um ikonische wie um abstrakte, symbolische Verweise handeln. Neben der Form spielen Material, Zusammensetzung und Oberfl¨achendekor eine Rolle.

Abb. 3.1: Links: Interaktion als Fernsteuerung des Data-Space. Rechts: Interaktion im Body-Space. (nach (Gorbet 1998))

3.1.4 Kategorisierungen von Systemtypen und Terminologie

Holmquist, Redstr¨om und Ljungstrand (1999) wie auch Ullmer und Ishii (2000) (2001) schlagen eine Terminologie f¨ur verschiedene Verwendungsweisen greifbarer Gegenst¨ande vor. Sie unterscheiden drei funktionale Rollen: Container, Token und Tools. Ullmer und Ishii (2001) verwendet

”Token“ als Oberbegriff f¨ur alle greifbaren, physikalischen

Interak-tionsobjekte, Container und Tools dagegen als Spezialisierungen.7 Ullmer und Ishii (2000) unterscheiden zus¨atzlich zu dieser funktionalen Rolle in Anlehnung an die Semiotik sym-bolhafte, zeichenhafte (index) und ikonische Interaktionsobjekte.8 Holmquist et al. (1999) definieren diese drei Arten als sich wechselseitig ausschließend und verstehen als

”Token“

dagegen nur die Interaktionsobjekte, die relativ fest mit digitalen Daten verkn¨upft sind und deren Inhalt ¨außerlich widerspiegeln. Dies entspricht in ungef¨ahr den

”ikonische To-ken“ bei Ullmer und Ishii (2000).

Token: Das englische Wort

”Token“ hat viele Bedeutungen. Es steht vor allem f¨ur Zeichen jeder Art. U.a. wird es auch f¨ur Andenken, Geschenke oder Gutscheine, Ersatz-objekte, sowie Spielsteine und -figuren verwendet. Diese Doppelbedeutung von

”Zeichen“

(Verweis auf digitale Daten) und

”Spielfigur“ (kleine, greifbare Verk¨orperung) macht den Token-Begriff zu einer attraktiven Bezeichnung f¨ur die materiellen, h¨andisch manipulier-baren Elemente von Tangible Interfaces.

Container: In einigen Systemen werden symbolische Token alsContainer (Beh¨alter) f¨ur andere Medien verwendet. Container k¨onnen frei mit (verschiedenen Typen) digita-ler Information verkn¨upft werden, werden meist vor¨ubergehend benutzt und dienen zum Transport sowie zur Manipulation (z.B. MediaBlocks).

Tools: Token, die rechnerbasierte Operationen und Funktionen repr¨asentieren, sind Tools, also

”Werkzeuge“ (Ullmer und Ishii 2001). Handles, mit denen virtuelle Objekte bewegt und ver¨andert werden, sind nach Holmquist et al. (1999) ebenfalls Tools.

Token haben jeweils innerhalb eines Referenzrahmens Bedeutung, der durch den In-teraktionsraum der Schnittstelle gegeben ist, in dem diese Gegenst¨ande verwendet werden (Ullmer 2002, S.98). Im Falle eines Brettspiels ist das Spielbrett Referenzrahmen (zusam-men mit etwaigen weiteren Spielobjekten, z.B. der Scrabble-Leiste), im Falle von TUIs der Raum der materiellen Schnittstelle (meist interaktive Oberfl¨achen). M¨oglich sind auch an-ders geartete Interaktionsr¨aume (siehe auch den

”Token + Constraint“ Ansatz von Ullmer (2002)).

Da die meisten Autoren

”Token“ im Sinne von Ullmer und Ishii (2001) verwenden, bezeichne ich damit im Folgenden ebenfalls alle greifbaren Interaktionselemente.9 Zudem sollten Klassifizierungen wie Token, Tools, und Container begriffliche Hilfen bieten und kei-ne starren, statischen Klassifizierungen erzwingen. Denn solche Klassifizierungen k¨onkei-nen subjektiv und situationsabh¨angig sein.

Wie sehr die momentane Rolle eines Token von der Situation abh¨angt, macht Dourish’s (2001) Beobachtung der verschiedenen (subjektiven) Bedeutungsebenen von Illuminating Light deutlich. Das Verschieben eines

”Prisma“-Token kann dabei 1) als Verschieben des Objekts als ein Ding (um es beiseite zu r¨aumen oder die Funktionsweise des Systems zu erkunden) interpretiert werden, 2) als Verschieben eines

”Prismas“ (Token als

metaphori-7Der in fr¨uheren Publikationen verwendete

phicon“-Begriff (f¨ur

physical icon“) (Ishii und Ullmer 1997) wurde aufgegeben, weil die Interaktionsobjekte sich von der WIMP-Metaphorik l¨osen sollten und schon die Icons auf Computerbildschirmen nicht ikonischer, sondern meist symbolischer Natur sind (Ullmer 2002, S.97).

8Symbole stehen in einer willk¨urlichen, konventionellen Beziehung zum Bezeichneten. Zeichen (oder Indize) stehen in einer inh¨arenten (Kausal-)Beziehung (Verweis) zum Bezeichneten und sind weder identisch noch willk¨urlich. Icons sind Zeichen, die dem referenzierten Gegenstand ¨ahneln.

9Streng genommen sind daher auch die materialisierten Constraints des Token+Constraint Ansatzes Token.

sches Objekt oder Icon), 3) als bewußte Manipulation des Laserstrahls (Token als Tool), 4) als gezielte Ver¨anderung von Winkelangaben und Pfadl¨angen (System als Tool, Interaktion mit der Welt mathematischer Abstraktion). Zwischen diesen verschiedenen Bedeutungs-ebenen k¨onnen Benutzer frei wechseln, da diese gleichzeitig existieren. Von ihnen h¨angt ab, was jeweils Interaktionsobjekt ist und worauf sich die Aufmerksamkeit und Intention richtet.10

Die sich gegenseitige ausschließende Kategorisierung in Token, Container und Tools, wie sie Holmquist et al. (1999) vornehmen, verlangt eindeutige, unver¨anderliche Zuord-nungen.11Diese Kategorisierung erzeugt indirekt eine Grammatik der Interaktion, bei der Token Subjekte und Tools Verben sind. Ein Forschungsansatz der Gestaltung von TUIs k¨onnte es sein, alle Varianten einer solchen Grammatik durchzuspielen. Ein solcher An-satz geht jedoch nicht von den Anforderungen eines Anwendungsgebietes und der Benutzer aus. Die resultierenden Grammatiken erlauben zudem nur kurze und simple Ausdr¨ucke, die sicher nicht alle m¨oglichen Formen der Interaktion mit TUIs beschreiben. Insbeson-dere w¨aren Effekte nur aus der stereotypen Bewegung des Anwendens eines Tools auf ein Objekt erzielbar, was keine Ausdruckskraft des eigentlichen (manuellen) Interaktions-verhaltens zul¨aßt (die (Djajadiningrat, Overbeeke und Wensveen 2002) einfordern). Im Endeffekt ¨ubertragen solche Ans¨atze Konzepte formaler Programmiersprachen auf die In-teraktion mit TUIs.

Underkoffler und Ishii (1999) schlugen vor, ein kontinuierliches Spektrum der Bedeu-tungen von greifbaren Token zu erkunden, beginnend mit

”Object as Noun“ (w¨ortliche, direkte Repr¨asentation, sog.

”Stand-In“) sowie dem

”Object as Verb“ auf der anderen Seite des Spektrums (spezifische Tools). Zur Mitte hin verlieren diese nach und nach ihre Eigenschaften bzw. Funktionen und werden zu

”Attributen“, bei denen nur wenige Ei-genschaften f¨ur die Auswertung und Interpretation relevant sind, bis nur noch ein pures Objekt, das als generischer Container oder Handle dient, oder ein generisches, frei kon-figurierbares Tool verbleibt. Dieser Ansatz liefert uns ein Vokabular, um Ausdruckskraft und Funktion von Token im Rahmen konkreter Systeme zu beschreiben.

In Bezug auf ganze Systeme unterscheiden Ullmer und Ishii (2001) r¨aumliche Sy-stemans¨atze, relationale und konstruktive Systeme sowie Mischformen:

R¨aumliche Ans¨atze werten die r¨aumliche Anordnung (Abstand, Orientierung, Orts-ver¨anderung) der greifbaren Token aus (z.B.Bricks,BUILD-IT,Urp).

Relationale Ans¨atzeregistrieren die Reihenfolge von Manipulationen, Nachbarschaften oder andere logische Relationen zwischen Ensembles von Token und ¨ubersetzen diese in rechnerbasierte Repr¨asentationen (z.B.MediaBlocks).

Konstruktive Ans¨atze erm¨oglichen es, aus modularen Elementen zusammengesetzte Konstruktionen zu erstellen (Baukastenprinzip). Beispiele hierf¨ur sind die Systeme zum

10Auch bei der Evaluation derEDCund der Reflexion der dabei getroffenen Design-Entscheidungen fiel uns diese M¨oglichkeit des Perspektivenwechsels auf: Ist das Attribut eines Objekts, das ich gerade ¨andern will, mein Interaktionsobjekt oder ist es nur ein Attribut? Dourish meint, daß die verk¨orperte Natur von TUIs eine nahtlose Kombination dieser verschiedenen Ebenen erleichtert.

11Danach kann nur die Anwendung eines Tools auf ein Token eine Auswirkung auf den Tokeninhalt haben. Denkbar w¨are aber auch, daß das Zusammenf¨uhren von Token eine Wirkung auf eines oder beide Token hat, ¨ahnlich einer chemischen Reaktion. Die Kategorisierung ist zudem nicht immer eindeutig. Ein Lastwagen w¨are ein Container f¨ur andere Objekte. Im

realen Leben“ ist der Lastwagen selber gleichzeitig ein eindeutiges, individuelles Objekt, hat also Token-Charakter.

”Intelligent Physical Modelling“ bzw. die

”3D Data-Input Devices“ von Aish (1979), Frazer et al. (1982a) und Anderson et al. (2000) oder auchTriangles.12

Ullmer (2002) unterscheidet ferner: interaktive Oberfl¨achen (weitgehend identisch mit r¨aumlichen Ans¨atzen), wobei auf meist planen Oberfl¨achen mit Token interagiert wird, constructive assembly (¨ahnlich den konstruktiven Systemen), bei denen modulare, ver-kn¨upfbare Elemente zusammenmontiert werden, sowieToken + Constraint Ans¨atze.

Letzere kombinieren zwei Arten von

”physical-digital Objects“: Token und Constraints.

Constraints sind strukturgebende Gegenst¨ande (wie Stapel, Schlitze, Kissen oder Leisten), die die Position eines Token einschr¨anken, dessen Manipulation (Freiheitsgrade) mecha-nisch einschr¨anken und taktile F¨uhrung bieten. Constraints dr¨ucken digitale Syntax aus und erzwingen deren Einhaltung. Token und Constraints zusammen repr¨asentieren mani-pulierbare berechenbare Ausdr¨ucke. Die Interaktion mit Token+Constraints l¨auft in zwei Phasen ab. Zun¨achst assoziert man ein Token mit einem Constraint, indem man es in den Constraint einlegt – das Token wird registriert und identifiziert. Danach kann man es inner-halb des Constraints manipulieren. Constraints erleichtern die Benutzung und technische Interpretation der Interaktion.13 Lassen sich Constraint-Elemente wiederum manipulie-ren, in Relation zueinander arrangieren und ineinander schachteln, so lassen sich damit komplexe Ausdr¨ucke formen. Diesen Ansatz verfolgt Ullmer (2002) in seiner Dissertation.

Beispiele f¨ur den Constraint+Token Ansatz sind neben der Marble Answering Machinedie MediaBlocksundTangible Queries.

Abb. 3.2: Interaktive Oberfl¨achen, Constructive Assembly und Constraint+Token Ansatz typisiert (nach (Ullmer 2002))

Ullmer weist darauf hin, daß diese Einordnungen verschiedene Interaktionsstile be-schreiben, die man bewußt w¨ahlen, aber nicht dogmatisch verfolgen sollte. Vielverspre-chend scheinen Kombinationen. Triangles verwendet das Baukastenprinzip, interpretiert aber auch die Reihenfolge des Zusammensteckens. RUGAMS interpretiert zun¨achst die statische r¨aumliche Anordnung als F¨orderbandanlage, in der Phase des”Programmierens durch Vormachen“ werden dann aber sowohl r¨aumliche, logische wie Abfolge-Relationen ausgewertet. Die Verkn¨upfung von F¨orderb¨andern zu einer Anlage oder auch die Ver-kn¨upfung von Pneumatik-Schaltelementen zu einer Schaltung l¨aßt sich als konstruktiver

12Der Ansatz des Token-Based Access (Holmquist et al. 1999) beschreibt einen weiteren Ansatz, bei dem greifbare Token die Verkn¨upfung und das Zugreifen auf digitale Information erm¨oglichen. Dies schr¨ankt jedoch den Anwendungsbereich stark ein.

13Einzelne Constraints lassen sich auch visuell darstellen, bieten dann aber keine mechanische F¨uhrung.

Der materielle Constraint stellt Affordances zur Verf¨ugung, die m¨ogliche, sinnvolle Aktionen kommunizieren und zugleich den Handlungsspielraum verkleinern. Visuell repr¨asentierte Constraints sind zudem schwerer manipulierbar, so daß das Bilden komplexer Ausdr¨ucke durch Anordnen der Constraints schwerer fiele.

Ansatz auf Basis der r¨aumlichen Anordnung interpretieren.Urp verwendet haupts¨achlich die”r¨aumliche Abbildung“ auf einer interaktiven Oberfl¨ache, nutzt aber auch relationale, constraint-basierte Elemente (z.B. die Uhr).

3.1.5 Gemeinsame Themen

Es lassen sich drei gemeinsame Themen der bisher dargestellten Definitionsans¨atze iden-tifizieren:

- Dourish (2001) bezeichnet das Verh¨altnis zwischen Handlungen und Raumals Kernthe-ma von

”tangible interaction“. Hierunter fallen dieKonfigurierbarkeitdes Raumes sowie das Verh¨altnis von K¨orper und Aufgabe, Aspekte, die Fitzmaurice (1996) als

”r¨aumliche Verteilung“ und r¨aumliche Konfigurierbarkeit anspricht. Auch Gorbet (1998) diskutiert unter

”Body-Space“ (Resultat von Kopplung) die Rolle des K¨orpers als Referenzpunkt in der Interaktion.

- Von allen als Designthema genannt werden ¨außere Form und

”Affordances“ (siehe S. 97 ff.) f¨ur eine intuitive Verst¨andlichkeit der Systeme.

- Die

”r¨aumliche Verteilung“ (Fitzmaurice 1996) entspricht in etwa den ersten beiden Punkten von (Dourish 2001) (kein einzelner Kontroll- und Zugriffsort, keine Sequen-tialisierung) und ¨ahnelt dem Teilthema der spezifischen Kopplung von Artefakten und Funktionen bei Gorbet (1998).