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betrachten muß, um zu pr¨ufen, ob die Gesamtheit aller Bedingungen erf¨ullt ist:

”The whole is at stake in every partial move“ (S.64). Rittel (1984),(1984) versteht Design als einen argumentativen Prozeß, der durch das Wechselspiel der Themen und die kritische Diskussion der Argumente bestimmt wird.

Design kann zur Routine werden, wenn es bekannte Bereiche betrifft oder sich um for-malisierte Prozesse und erfahrene Designer mit gemeinsamem Hintergrund handelt. Dabei werden viele Probleme zu Aufgaben (in der Unterscheidung von Schroda (1999)). Gute und innovative Gruppen machen jedoch den argumentativen Dialog zu ihrem Argumenta-tionsmuster.

Kooperation bedeutet hier das Entstehen einer gemeinsamen Begriffs- und Vorstel-lungswelt, den diskursiven Austausch von Argumenten, das gemeinsame Durchdringen und Verstehen des Problems und die gemeinsame Entwicklung von L¨osungen. Konflikte werden nicht ausgeblendet – die Qualit¨at der Kooperation erweist sich im produktiven Umgang mit ihnen. Qualit¨atskriterien zur Bewertung eines solchen Prozesses k¨onnen in Frageform formuliert werden. Im wesentlichen geht es dabei darum, ob

”gelungene Kom-munikation“ stattfand: Gelang die Perspektivenvermittlung? Entstand ein gemeinsam ge-teiltes Verst¨andnis? Konnte die Gruppe sich auf ein gemeinsames Ziel einigen? Wird das Ergebnis von allen akzeptiert und wurden ihre Sichtweisen zufriedenstellend ber¨ucksichtigt (oder gibt es ein Modellmonopol weniger Teilnehmer)? Kam es zu einer Synergie von Wis-sen und Perspektiven und wurde das Kreativit¨atspotential der Gruppe genutzt? Zeigt die Gruppe Empathie und Vertrauen? Ist f¨ur die Beteiligten nachvollziehbar, wie das Ergebnis entstanden ist?

steht. Die Teilnehmer stehen dabei in enger und synchroner Wechselwirkung. Strukturen sind daher zwar pr¨agend, werden aber immer erst im Vollzug interpretiert, realisiert und laufend re-programmiert. Um zu verstehen, wie Menschen mit Kommunikationssituationen umgehen, muß deren minuti¨oser Verlauf analysiert werden. Systemische Sichtweisen verlie-ren hierdurch nicht ihre Relevanz, da sie die pr¨agenden Struktuverlie-ren und (einschr¨ankenden) Rahmenbedingungen analysieren und beschreiben helfen.

Studien, die sich auf eine Mikroanalyse sach- oder aufgabenbezogener Kommunikation einlassen, zeigen die enge Verflechtung von Sprache und Gestik. Nonverbales Verhalten bildet zusammen mit Sprache und der Umgebung eine gemeinsame Performance, in der eins aufs andere Bezug nimmt und keines der Elemente den Vorrang hat.

Die Geschichte des Kooperationsbegriffs zeigt ein Nebeneinander eines emphatischen, oft als naiv kritisierten Kooperationsverst¨andnisses der Zusammenarbeit homogener, freund-licher Kleingruppen und des

”neutraleren“ ¨okonomischen Modells der Kooperation, das sich als zweckgerichtete, koordinierte Arbeitsteilung umschreiben l¨aßt. Konflikte sind in jeglicher Kooperationsform unvermeidlich und k¨onnen sogar produktiv wirken. Sich auf das ¨okonomische Kooperationsmodell zu beschr¨anken, das Ph¨anomene wie Altruismus und Freundschaft nicht erkl¨aren kann und in seiner Allgemeinheit beinahe nichtssagend wirkt, erschien zu wenig. Die von diesem Modell ausgeblendeten Aspekte kreativer gemeinsamer Arbeit, gemeinsamen und gegenseitigen Lernens und der konstruktiven Symbiose werden am ehesten von Theorien kollaborativen Lernens der

”Wissens-Ko-konstruktion“ und des

”argumentativen Dialogs“ beschrieben.

In Analogie zum konstitutiven Kommunikationsmodell erscheinen Kooperationstheo-rien notwendig, die nicht nur statische Kooperationsstrukturen beschreiben, sondern auch den Prozeß der Kooperation in ihrem genauen Ablauf analysieren helfen. Der letzte Ab-schnitt des Kapitels pr¨azisierte den Kooperationstypus, dessen Unterst¨utzung durch TUIs ich im Rahmen dieser Arbeit in den Mittelpunkt stelle. Dieser Typus kann als kreatives, kooperatives Probleml¨osen verstanden werden, wobei es sich tendenziell um unterdeter-minierte Probleme handelt, f¨ur die weder Vorgehensweise noch genaues Ziel bekannt sind und bei denen Zielkonflikte ein Abw¨agen und Aushandeln verlangen. Hierunter fallen auch Lernsituationen, in denen den Lernenden kein Ablauf der L¨osungsfindung bekannt ist. Die geeignete Kommunikations- oder Kooperationsform f¨ur solche Probleme ist der argumen-tative Diskurs bzw. die Ko-Konstruktion von Wissen.

Die begrifflichen Grundlagen f¨ur die Kernfrage dieser Arbeit sind nun gelegt, sowohl in Bezug auf Tangible User Interfaces, ihre zentralen Charakteristika und die Interaktion mit ihnen, als auch f¨ur die Analyse von Kooperation und Kommunikation. In welcher Weise TUIs Kooperation und Kommunikation unterst¨utzen, l¨aßt sich auf die Frage zur¨uckf¨uhren, welche Rolle Materialit¨at und verk¨orperte Interaktion dabei spielen. Daher befaßt sich das folgende Kapitel mit den positiven Effekten greifbarer Modelle und Medien – die Materialit¨at bieten und verk¨orperte Interaktion erm¨oglichen – auf soziale Interaktion, Kommunikation und Kooperation.

Positive soziale Effekte greifbarer Medien

Eine Integration greifbarer Interaktionsobjekte und digitaler Repr¨asentationen vereint nicht automatisch die Vorteile

”beider Welten“ (vgl. Abschnitt 3.3). Es sind meist et-liche Gestaltungsentscheidungen zu treffen und Designkonflikte zu l¨osen, damit greifbare und digitale Systemanteile in Balance stehen, sich nicht in ihrer Wirkung gegenseitig neu-tralisieren oder gar miteinander konkurrieren. Um solche Entscheidungen zu treffen, ist wichtig zu wissen, welche Eigenschaften real-stofflicher Umgebungen wir beim System-design erhalten wollen. Hier interessieren vor allem solche Eigenschaften, die sich in der kooperativen Nutzung positiv auswirken. Denn: [The]

”design of new digital displays and interfaces risks inadvertently destroying the many valuable ways of doing things because we do not understand how they work“ (Hollan, Hutchins und Kirsh 2000). – Erst wenn wir verstehen, wie bestimmte Mechanismen allt¨aglichen Handelns funktionieren, laufen wir nicht Gefahr, sie unbeabsichtigt und unwissentlich zu zerst¨oren, sondern k¨onnen sie gezielt einsetzen und nutzen.

Dieses Kapitel befaßt sich daher mit den positiven Effekten greifbarer Medien und Mo-delle auf soziale Interaktion, Kommunikation und Kooperation.

”Greifbare Modelle und Medien“ wird dabei bewußt breit interpretiert, da die Untersuchungsfrage sich letztlich auf die Rolle der Materialit¨at von Gegenst¨anden und Umgebungen, sowie die Rolle der leiblichen Interaktion im physikalischen Raum zur¨uckf¨uhren l¨aßt. Ziel des Kapitels ist es, die von verschiedensten Autoren beobachteten und in empirischen Studien festgestellten positiven sozialen Effekte greifbarer Medien zu identifizieren und ein Erkl¨arungsmodell f¨ur diese Wirkungen aufzustellen. Das Erkl¨arungsmodell setzt sich aus mehreren Argumen-tationslinien zusammen, welche jeweils soziale Effekte mit Eigenschaften dieser Medien verkn¨upfen (eine Art Strukturanalyse). Die in die Argumentation eingearbeiteten Theo-rieans¨atze und Ergebnisse empirischer Studien sollen diese als Evidenzen st¨utzen und plausibel machen. Das Vorgehen l¨aßt sich als kompilierende Literaturrecherche verbunden mit einer Systematisierung der Ergebnisse beschreiben.

Diese Recherche erwies sich als relativ aufwendig, da – anders als die Zeichenhaftig-keit – die Materialit¨at von Repr¨asentationen bislang kaum erforscht ist. Zwar finden sich zahlreiche Einzelbefunde, aber so gut wie keine vergleichenden Studien oder gar syste-matisierende Ans¨atze. Daher wurden Quellen aus den unterschiedlichsten Bereichen und

Disziplinen einbezogen sowie auch Studien, die Effekte greifbarer Medien als Randaspekt beobachten und erw¨ahnen. Es ist nicht Aufgabe dieser Arbeit, die zitierten Studien und Berichte kritisch zu diskutieren. Insgesamt ergeben diese eine F¨ulle von Hinweisen aus verschiedensten Anwendungsgebieten, die mit unterschiedlichsten methodischen Ans¨atzen erzielt wurden. Zusammen lassen sich diese als starke Indizien f¨ur die These der

” Koope-rationsf¨orderlichkeit“ greifbarer Medien werten. Die Zusammenf¨uhrung aus verschiedenen Informationsquellen kann methodisch als Form der (Daten-, Untersucher-, Theorien-) Tri-angulation(Flick 2000) interpretiert werden. Kommen Studien verschiedener Beobachter, in verschiedenen Kontexten, auf Grundlage unterschiedlicher theoretischer Hintergr¨unde und mit unterschiedlichen Methoden zu ¨ahnlichen Ergebnissen, so ist die Wahrscheinlich-keit der Korrektheit relativ hoch.

Im Verlauf der Recherche (die Quellen wurden in weiten Teilen in Exzerpten dokumen-tiert) kristallisierten sich die zentralen Argumentationslinien heraus, die jeweils Kategorien sozialer Effekte betreffen (¨ahnliche Beobachtungen von Effekten mit gleichen oder ver-wandten Ursachen). Diese wurden durch sp¨ater aufgefundene Quellen sukzessive erg¨anzt, verfeinert und ausgearbeitet. Die Darstellung im ersten Teil des Kapitels erfolgt entlang dieser Argumentationslinien, erkl¨art und beschreibt also nacheinander die verschiedenen Arten sozialer Effekte. Dann befasse ich mich kurz mit den Vor- und Nachteilen der Inte-gration von stofflichen und digitalen Repr¨asentationen.

Diese Argumentationskette bietet zun¨achst nur ein Erkl¨arungsmodell f¨ur kooperations-unterst¨utzende Effekte greifbarer Medien. Um den Transfer der Argumentation auf TUIs zu erm¨oglichen, ist es formal-systematisch notwendig, zu zeigen, daß TUIs ebenfalls die Eigenschaften besitzen, die die beschriebenen sozialen Effekte bewirken. Dies geschieht im letzten Abschnitt des Kapitels. Im Wesentlichen handelt es sich hierbei um die in Kapitel 3 beschriebenen Interaktionsmerkmale von TUIs, so daß das Erkl¨arungsmodell auf diese ausgeweitet werden kann.