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Konzepte für die Entsorgung – Vergleich der geologischen Tiefenlagerung mit alternativen

Das Konzept der geologischen Tiefenlagerung in der Schweiz basiert auf dem Prinzip der Rückholbar-keit aus dem Konzept der EKRA (vgl. Kap.1.4). Zwei von der EKRA geprüfte, aber verworfene alterna-tive Konzepte werden folgend ausgeführt und weitere solche konzeptuell angetönt.

2.1.1 Oberflächennahe Endlagerung

Bei der oberflächennahen Endlagerung werden radioaktive Abfälle in im Tagebau errichtete Gruben von einigen Metern Tiefe eingebracht, welche optional mit künstlich errichteten Barrieren im Unter-grund versehen sein können. Über die Abfälle wird eine mehrere Meter mächtige Abdeckung aus dem abgetragenen natürlichen Umgebungsmaterial und/oder anderen geeigneten Materialien aufgebracht.

Weitere Systeme zur Abdichtung wie beispielsweise Kunststofffolien sind denkbar. Die Abdeckung soll einerseits die radioaktive Strahlung abschirmen, dient umgekehrt aber auch dem Schutz der Abfälle vor der Witterung sowie vor Eingriffen und Einflüssen durch Mensch und Natur. Ferner ist zu beach-ten, dass oberflächennahe Lager aufgrund ihrer Auslegung eine relative grosse Landfläche für sich in Anspruch nehmen. Auch nach der Einlagerung ist über eine lange Zeit eine Überwachung notwendig und die durch das Lager beanspruchte Fläche kann während dieser Zeit von einigen hundert Jahren nur eingeschränkt genutzt werden.

Alternativ zur dieser Lagerauslegung mit von der Erdoberfläche aus angelegten Gruben sind auch La-gerräume in oberflächennah ausgebrochenen Kavernen denkbar. Diese haben typischerweise eine Tiefenlage von einigen Zehnermetern unter Terrain. In Abgrenzung zu einem geologischen Tiefenla-ger kommt bei einem oberflächennahen LaTiefenla-ger dem umschliessenden Gestein resp. der Überdeckung keine über sehr lange Zeiträume wirksame Barrieren- und Erosionsschutzwirkung zu.

Aufgrund der oben genannten technischen Rahmenbedingungen und dem Umstand, dass ein ober-flächennahes Lager auch bei sorgfältiger Wahl seines Standorts immer dem Risiko von Naturkatastro-phen und menschlichen Eingriffen ausgesetzt ist, bietet sich dieses Lagerkonzept vorwiegend für SMA mit kurzen Halbwertszeiten an. Solche Lager sind in verschiedenen Ländern in Betrieb: u. a. in Eng-land, Spanien, Frankreich, Japan und den USA; oberflächennahe Kavernen in Finnland und Schwe-den. In den Kavernen werden auch kurzlebige mittelaktive Abfälle eingelagert. Die EKRA sprach sich in ihrem Schlussbericht gegen die oberflächennahe Lagerung aus, da sie die Langzeitsicherheit nicht

35 Ein Überblick über die in anderen Ländern verfolgten Lagerkonzepte bietet beispielsweise das Kapitel 3.1.1 im Entsorgungs-programm 2016 (NTB 16-01).

2.1 Konzepte für die Entsorgung – Vergleich der geologischen Tiefenlagerung mit alternativen Lösungsansätzen

gewährleistet sah. In der Schweizer Gesetzgebung wurden an der Erdoberfläche gelegene langfristige Abfalllager bewusst nicht vorgesehen, da diese eine Überwachung durch den Menschen bedingen.

2.1.2 Einlagerung in tiefen Bohrlöchern

Ein anderes, alternatives Lagerkonzept ist die Einlagerung der Abfälle in tiefen Bohrlöchern. Wie das in der Schweiz verfolgte Konzept der geologischen Tiefenlagerung beruht die Bohrlocheinlagerung auf dem dauerhaften Einschluss der radioaktiven Abfälle in einem Gesteinskörper in grosser Tiefe unter der Erdoberfläche, wo die eingelagerten radioaktiven Abfälle sich im Sinne einer passiven Sicherheit selber überlassen werden können. Aktuell wird das Konzept z. B. in den USA für die Entsorgung von HAA evaluiert. Ein Referenzkonzept36 sieht dort beispielsweise ca. 5000 m tiefe Bohrlöcher vor, in de-ren untede-ren Abschnitten Abfälle über eine Strecke von ca. 2000 m eingebracht werden könnten. Darü-ber folgt eine ca. 3000 m umfassende versiegelte und verfüllte Strecke. In einem solchen Bohrloch mit einem Durchmesser von ca. 34 cm könnten somit gemäss den Autoren der Studie bis zu 400 mit hochaktiven radioaktiven Abfällen gefüllte Endlagerbehälter mit je einer Länge von knapp 5 m eingela-gert werden.

Als Wirtgestein böte sich in der Schweiz aufgrund seiner Tiefenlage primär das kristalline Grundge-birge an. Dessen Lage in 3 bis 5 km Tiefe birgt aber grosse Ungewissheiten bzgl. Exploration und da-mit auch bzgl. der Voraussagbarkeit, wie sich ein solches Endlagersystem verhalten würde.

Auch Tongesteine könnten, wie im Schweizer Tiefenlagerkonzept, als Wirtgestein dienen. Letztere ha-ben aber naturgemäss meist nur eine geringe vertikale Ausdehnung, sodass die Einlagerungsstrecke pro Bohrloch sehr kurz würde.

Das Gefährdungsbild für die Umwelt ist nach erfolgter Einlagerung vergleichbar mit jenem des Schweizer Tiefenlagerkonzepts, denn auch hier wird die Strahlenbelastung an der Oberfläche auf-grund der grossen Tiefe und der langen Ausbreitungswege vernachlässigbar gering und in ihrem Ma-ximum zeitlich stark verzögert. Die Auslegung und die resultierende Rückhaltewirkung der techni-schen Barrieren ist jedoch von höherer Ungewissheit begleitet: So können die Behälter aufgrund des beschränkten Bohrlochdurchmessers weniger massiv gebaut werden und eine allfällige Verfüllung mit einer Bentonitlage kann vergleichsweise nur dünn ausgebildet werden.

Das ENSI hält fest, dass die Nachteile des Konzeptes der Einlagerung in tiefen Bohrlöchern die Vor-teile überwiegen und dass z. B. das von der Schweizer Gesetzgebung geforderte Konzept der gestaf-felten technischen Mehrfachbarrieren bei der Bohrlochversenkung nach heutigem Stand von Wissen-schaft und Technik nicht erfüllt ist.37 Eine Intervention bei Störungen während der Einlagerung der Behälter in grösserer Tiefe ist schwierig bis unmöglich. Ebenso ist die in der Schweiz gesetzlich gefor-derte Rückholbarkeit der Abfälle fraglich und zum aktuellen Zeitpunkt technisch nicht nachgewiesen.

Die Bohrlochversenkung wurde von der EKRA nicht vertieft diskutiert, ebenso geht das KEG explizit vom Verbringen der radioaktiven Abfälle in Stollen oder Kavernen aus.38

Da für das Schweizer Abfallinventar von einer grösseren Anzahl an Bohrlöchern ausgegangen werden muss, ist von einer lang anhaltenden und flächenintensiven Beeinträchtigung auszugehen. Die Eig-nung der Methode für den dicht besiedelten Raum der Schweiz erscheint somit fraglich.39 Durch die grosse Anzahl von Bohrlöchern steigt überdies das Risiko des Schaffens vertikaler, hydraulischer Kurzschlüsse zwischen verschiedenen hydrologischen Niveaus im geologischen Untergrund. Ebenso

könnte die künftige, anderweitige Nutzung des Untergrundes grossflächig eingeschränkt werden. Zu-sätzlich zu den Bohrstellen wäre bei jedem Bohrstandort auch eine Logistik-Infrastruktur nötig (ähnlich einer Oberflächenanlage zu einem bergmännisch gebauten Tiefenlager), welche allen Sicherheitsan-sprüchen genügen müsste, wie etwa die sichere Handhabung der Behälter an der Oberfläche oder die Sicherheit bei Einwirkungen von aussen (z. B. ein Flugzeugabsturz).

2.1.3 Weitere Konzepte zur Entsorgung radioaktiver Abfälle

In der Geschichte der nuklearen Entsorgung wurden in der Schweiz und international verschiedene Konzepte der Entsorgung geprüft oder umgesetzt. Nachfolgend wird eine Zusammenstellung solcher aktuell nicht mehr verfolgten Entsorgungskonzepte widergegeben:

i. Endlagerung in Oberflächenlagern ii. Entsorgung im Weltraum

iii. Meeresversenkung (Meeresboden) iv. Versenkung in Subduktionszonen

v. Geologische Tiefenlagerung im Meeresgrund vi. Versenkung in Eisschilden

vii. Selbstverschmelzung in Tiefengesteinen

viii. Injektion in geologische Schichten (flüssige Abfälle)40

Diese Methoden wurden aus technischen, Sicherheits- oder Kostengründen nicht umgesetzt (i, ii, vii) oder weil sie aufgrund internationaler Übereinkommen nicht zulässig sind (iii–vi). Die Injektion von flüssigen Abfällen (viii) wurde früher von Russland und den USA betrieben. Die Meeresversenkung von schwach- und mittelaktiven Abfällen wurde von einer Reihe von Ländern praktiziert, darunter auch von der Schweiz. So wurden zwischen 1969 und 1982 5341 Tonnen radioaktive Abfälle (SMA) aus der Schweiz an drei Standorten im Atlantik versenkt. 1985 wurde diese Methode durch ein internatio-nales Moratorium41 untersagt. Der Bundesrat beschloss 1992 definitiv, keine radioaktiven Abfälle mehr im Meer zu entsorgen.

In verschiedenen internationalen Forschungsprojekten wird zurzeit untersucht, inwiefern die Methode der Partitionierung und Transmutation zur Reduktion von radioaktiven Abfällen beitragen kann. Dabei sollen langlebige Radionuklide in kurzlebige Nuklide mit kürzerer Halbwertszeit umgewandelt werden, womit letztendlich der Platzbedarf für ein geologisches Tiefenlager (oder eine andere Lagerform) re-duziert werden könnte. Das ENSI weist in einem Faktenblatt42 darauf hin, dass die grosstechnische Machbarkeit des Verfahrens noch nicht demonstriert wurde und dass die Methode zudem nicht für alle Radionuklide anwendbar ist. In jedem Fall verbleiben hochaktive sowie schwach- und mittelaktive Ab-fälle, welche in geologischen Tiefenlagern entsorgt werden müssten. Weiter müsste ein geschlosse-ner Brennstoffkreislauf mit entsprechenden Reaktortypen und weitere grosse kerntechnische Anlagen eingerichtet werden. Insofern stellt die Transmutation eine Weiterführung der Nutzung der Kernener-gie mit neuen TechnoloKernener-gien und Anlagen dar.

40 Basis: Radioactive Waste Management – Appendix 2: Storage and Disposal Options, World Nuclear Association, www.world-nuclear.org/information-library/nuclear-fuel-cycle/nuclear-wastes/appendices/radioactive-waste-management-appendix-2-storage-an.aspx; Stand Januar 2016.

41 Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das Versenken von Abfällen und anderen Stoffe vom 29. Dezember 1972; SR 0.814.287.

42 Ersetzt Transmutation die Tiefenlagerung radioaktiver Abfälle?

(static.ensi.ch/1364463179/ensi_faktenblatt_transmutation_final.pdf)