• Keine Ergebnisse gefunden

Herleitung von Konzentrationswerten für Stoffe, die nicht in der AltlV aufgeführt sind

Stoffe, für welche im Anhang 1 der AltlV kein Konzentrationswert aufgeführt ist, sind nach den Vorschriften der Gewässerschutzgesetzgebung zu beurteilen (vgl. Anhang 1 AltlV).

Dabei gelten jedoch für Stoffe, die von belasteten Standorten stammen, die Anforderungen gemäss Ziffer 22 Anhang 2 der Gewässerschutzverordnung nicht im Abstrombereich, in dem der grösste Teil dieser Stoffe abgebaut oder zurückgehalten wird.

Die folgenden toxikologischen Parameter werden nachfolgend kurz erläutert:

ADI: "Acceptable Daily Intake";

RfD: "Reference Dose" und SF: "Slope Factor''.

ADI-Werte

ADI-Werte ("Acceptable Daily Intake") werden auf der Grundlage von Ergebnissen umfang-reicher Tierversuche und toxikologischer Untersuchungen abgeleitet. Sie bezeichnen dieje-nige Menge eines Stoffes, die der Verbraucher täglich aufnehmen könnte, ohne mit einer dadurch ausgelösten gesundheitlichen Schädigung rechnen zu müssen. Die Einheiten des Parameters ADI sind mg Schadstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag (mg·kg-1·d-1), d.h.

je kleiner der ADI-Wert, desto toxischer ist eine Verbindung.

RfD-Werte

Zur Beurteilung der chronischen Wirkung (ausser Krebs, siehe unten) von Stoffen werden so genannte Referenzdosen (RfDs) von der US-EPA abgeleitet. Die RfD ist diejenige tägliche Dosis eines Schadstoffs, die ein Mensch ein Leben lang aufnehmen kann, ohne dass er da-durch nachteilige Wirkungen auf seine Gesundheit zu erwarten hat. Die Einheiten des Para-meters RfD sind mg Schadstoff pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag (mg·kg-1·d-1), d.h. je kleiner der RfD, desto toxischer ist eine Verbindung. RfDs entsprechen für nicht karzinogene Stoffe ADI-Werten.

SF-Werte

Für potentiell krebserregende Stoffe definiert die US-EPA einen so genannten "Slope Fac-tor". Die tägliche Dosis eines Schadstoffs multipliziert mit dem SF-Wert gibt das statistische Risiko, über einen Zeitraum von 70 Jahren an Krebs zu erkranken. Je grösser der SF einer Substanz, desto grösser ist das Risiko bei der gleichen Dosis. Die Einheiten des Parameters SF sind (mg·kg-1·d-1) -1.

Das Krebsrisiko wird in der Regel als "tolerierbar" eingestuft, falls es zwischen 10-6 und 10-4 liegt (d.h. statistisch erkrankt über einen Zeitraum von 70 Jahren eine von einer Million bzw.

eine von 10'000 exponierter Personen an Krebs). Zur Ableitung von Konzentrationswerten gemäss AItlV wird das tolerierbare Krebsrisiko gleich 10-5 gesetzt.

Ableitung von tolerierbaren Konzentrationen

Aufgrund der ADI-, RfD- und SF-Werte können unter Berücksichtigung von Standardexposi-tionsszenarien tolerierbare Konzentrationen für eine langjährige Nutzung des Wassers als Trink- und Duschwasser abgeleitet werden.

Ableitung aus ADI-Werten

Bei Stoffen, für welche ADI-Werte definiert sind, lassen sich die tolerierbaren Konzentratio-nen unter der Annahme einer täglichen Wassereinnahme von 2 L für eiKonzentratio-nen 70 kg schweren Menschen während 70 Jahren ableiten.

Tox-Wert (mg/L) = ADI (mg·kg-1·d-1) · 70 (kg) / 2 (L·d-1)

Diese Ableitung entspricht dem Vorgehen, das vom BAFU bei der Herleitung der Konzentra-tionswerte der AltlV verwendet wurde.

Ableitung aus RfD- und SF-Werten der US-EPA

Aufgrund der RfD- und SF-Werte wurden von der US-EPA so genannte "Preliminary Reme-diation Goals for tap water" (PRGs) abgeleitet. Dabei unterscheidet sich das von der US-EPA gewählte Expositionsszenario in drei Punkten vom Verfahren, das vom BAFU bei der Herleitung der Konzentrationswerte der AltlV verwendet wurde:

die US-EPA berücksichtigt neben der oralen Aufnahme auch die inhalative Aufnahme von Stoffen beim Duschen (d.h. das Verfahren der US-EPA ist in dieser Hinsicht strenger als das Verfahren des BAFU);

bei der Ableitung der PRG-Werte von krebserregenden Stoffen geht die US-EPA von ei-ner 30-jährigen Exposition aus (d.h. das Verfahren der US-EPA ist in dieser Hinsicht we-niger streng als das Verfahren des BAFU);

die US-EPA berücksichtigt neben der Exposition von Erwachsenen auch die Exposition von Kindern (d.h. das Verfahren der US-EPA ist in dieser Hinsicht strenger als das Ver-fahren des BAFU).

Die Unterschiede zwischen dem EPA- und dem BAFU-Expositionsszenarien sind in Anbet-racht der erheblichen Unterschiede zwischen den toxikologischen Referenzparametern je nach Datenquelle (siehe nächster Abschnitt) von untergeordneter Bedeutung.

Chronisch toxische Stoffe:

Tox-Wert (mg/L) = RfD (mg·kg-1·d-1) · 70 (kg) / 2 (L·d-1)

Carcinogene Stoffe:

Tox-Wert (mgL) = 10-5 · 70 (kg) / SF (kg·d·mg-1) / 2 (L·d-1)

Bei sowohl chronisch toxischen als auch carcinogenen Stoffen ist der tiefere der beiden her-geleiteten Tox-Werte aufzuführen.

Vergleich der aus unterschiedlichen Quellen abgeleiteten "Tox-Werte"

Je nach Datenquelle variieren die hergeleiteten Tox-Werte mehr oder weniger stark, wie dies nachfolgend am Beispiel von zwei Stoffen, die in der schweizerischen Landwirtschaft ver-wendet werden und im Grundwasser vorkommen können, illustriert wird.

Metalaxyl: Für diesen Stoff liegen die RfD- und ADI-Werte innerhalb eines Faktors 2. Die abgeleiteten Tox-Werte variieren zwischen 1’050 und 2’100 µg/L und stimmen somit gut überein. Diese beiden Werte können aber nicht direkt mit dem Toleranzwert für Trinkwasser der Verordnung über Fremd- und lnhaltsstoffe in Lebensmitteln (FIV) verglichen werden, da der Wert dieser Verordnung für Trinkwasser nicht toxikologisch abgeleitet ist, sondern vor-sorglich für alle Pestizide gleich 0.1 µg/L gesetzt wurde. Die FIV definiert für andere Le-bensmittel toxikologisch tolerierbare Konzentrationen für Metalaxyl. So dürfen zum Beispiel Trauben bis maximal 2’000 µg/L Metalaxyl enthalten.

Atrazin: Die IARC, eine Unterorganisation der WH0 stuft Atrazin als „possibly carcinogenic to humans" (Group 2B) ein. Entsprechend hat die US-EPA für diesen Stoff neben einem RfD-Wert von 0.035 mg·kg-1·d-1 auch einen Slope Faktor (0.222 kg·d/mg) abgeleitet. Die australi-sche Behörde verwendet für diesen Stoff einen ADI-Wert von 0.005 mg·kg-1·d-1. Der aufgrund

der Daten der US-EPA berechnete Tox-Wert liegt mit 1.6 µg/L ca. einen Faktor 110 unter-halb des aufgrund des australischen ADI-Werts abgeleiteten Tox-Werts (175 µg/L). Zum Vergleich liegt der Toleranzwert der FIV für die Konzentration von Atrazin in Mais bei 100 µg/kg.

Fazit

Wie anhand der obigen Beispiele aufgezeigt, können die Tox-Werte abhängig von der Da-tenquelle erheblich variieren. Die Unterschiede sind besonders gross bei Stoffen, die unter Verdacht stehen, Krebs verursachen zu können.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass die mit RfD- und SF- oder ADI-Werten abgeleiteten tolerierbaren Dosen einen hohen Schutz der empfindlichsten Bevölke-rungsgruppe gewährleisten. Im Vergleich zu diesen Werten wird am Arbeitsplatz eine deutlich stärkere Exposition als tolerierbar eingestuft. So liegt zum Beispiel die Ma-ximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) von Benzol rund einen Faktor 1'000 über dem PRG-Wert für die Umgebungsluft (MAK = 3.2 mg/m3, PRGLuft= 2.3 µg /m3; zum Vergleich liegt die Hintergrundbelastung von Benzol in der Umgebungsluft in der Schweiz zwischen 1 und 5 µg /m3.

Stoffe ohne ADI-, RfD- oder SF-Werte

Bei Stoffen, für welche keine ADI-, RfD- oder SF-Werte definiert sind, sind die entsprechen-den RfD- oder ADI-Werte aus entsprechen-den verfügbaren Toxizitätsdaten unter Anwendung von cherheitsfaktoren (UF) analog dem Vorgehen der US-EPA abzuleiten. Die folgenden Unsi-cherheitsfaktoren werden i.d.R. angewendet:

Toxikologischer Endpunkt UF

NOAELchronisch 100

NOAELsubchronisch 1’000 LOAELsubchronisch 10’000

NOAEL-Werte („No Observed Adverse Effect Level“) sind diejenigen Dosen, bei welchen im Rahmen von chronischen bzw. subchronischen Studien kein negativer Effekt bei den Versuchstieren beobachtet wurde.

LOAEL-Werte („Lowest Observed Adverse Effect Level“) sind die tiefsten Dosen, bei welchen im Rahmen von chroni-schen bzw. subchronichroni-schen Studien ein negativer Effekt bei den Versuchstieren beobachtet wurde.

Wenn für einen Stoff aufgrund unterschiedlicher Toxizitätsdaten unterschiedliche Tox-Werte abgeleitet wurden, wird vorgeschlagen, wie folgt vorzugehen:

Falls die gemessene Konzentration < 0.5 · tiefster Tox-Wert, dann ist der Standort nach Art. 9 AltlV als "nicht sanierungsbedürftig" einzustufen.

Falls die gemessene Konzentration > 0.5 · höchster Tox-Wert, dann ist der Standort nach Art 9 AItIV, Abs. 2b als „sanierungsbedürftig“ einzustufen.

Falls 0.5 · tiefster Tox-Wert < gemessene Konzentration 0.5 · höchster Tox-Wert, dann wird die Toxizität dieses Stoffes eingehender beurteilt.

HERLEITUNG DER INTERVENTIONSWERTE IN DER ALTLASTEN-VERORDNUNG

Gewässer Ziel:

Um im Untergrund das Schadstoffpotential bezüglich Gewässer mit dem Eluatkon-zept beurteilen zu können, ist man auf Interventionswerte für Wasser angewiesen.

Zur Zeit existieren in der Schweiz keine solchen gesetzlich festgelegten Werte. In der Praxis werden oft die Qualitätsziele und die Toleranzwerte des Schweizerischen Le-bensmittelbuches (SLB) für Trinkwasser zur Beurteilung beigezogen. Viele für Altlas-ten typische Substanzen fehlen jedoch im SLB. Für diese Stoffe müssen aus ande-ren Daten Interventionswerte hergeleitet werden. Unser Ansatz berücksichtigt in ers-ter Linie humantoxikologische Grundlagen. Wo diese fehlen, werden ökotoxikologi-sche Erkenntnisse herbeigezogen.

Grundlagen:

SLB Schweizerisches Lebensmittelbuch, Tabelle 27.1 vom April 1988: Beurtei-lungswerte für Trinkwasser.

FIV Verordnung über Fremd- und Inhaltsstoffe in Lebensmitteln vom 26. Juni 1995, Werte bezüglich Trinkwasser.

RfD Reference Dose der USEPA, Version vom 20. Oktober 1995: Die tägliche Dosis eines nicht carcinogenen Schadstoffes, die ein Mensch pro kg Körper-gewicht ein Leben lang aufnehmen kann, ohne dass er dadurch nachteilige Wirkungen auf seine Gesundheit zu erwarten hat. → Je kleiner der Wert, desto toxischer der Stoff.

SF Slope Factor der USEPA, Version vom 20. Oktober 1995: Die tägliche Dosis pro kg Körpergewicht multipliziert mit dem SF ergibt das statistische Risiko für einen Menschen, über einen Zeitraum von 70 Jahren an Krebs zu erkran-ken. → Je grösser der Wert, desto gefährlicher der Stoff.

LD 50 Letal Dose für 50%: Diese Menge Schadstoff pro kg Versuchsorganismus wirkt bei definierter Expositionsdauer für 50% der untersuchten Lebewesen (z.B. Krebse, Bakterien etc.) tödlich. Um davon auf den Menschen bezogene Werte abzuleiten, müssen Sicherheitsfaktoren in der Grössenordnung von 1:1Mio miteinbezogen werden.

EC 50 Effective Concentration bei 50%: Diejenige Konzentration im aquatischen Medium, welche bei 50% der Versuchsorganismen über eine definierte Ex-positionsdauer eine Beeinträchtigung deren Funktion verursacht. Bei der Ab-leitung von Trinkwasserwerten für den Menschen müssen genügend Sicher-heitsfaktoren einfliessen.

NOAEL No Observed Adverse Effect Level TV Tierversuch

E Erwachsene Durchschnittsmenschen

e empfindliche Menschengruppen (Kinder, Alte, Kranke etc.) subchron Einmalige Exposition

chron Dauerexposition

Berechnung der Interventionswerte (IW) mittels toxikologischer Daten:

Den Berechnungen liegt ein Mustermensch mit 70 kg Körpergewicht und einem Trinkwasserkonsum von 2 l/d zu Grunde. Bei den carcinogenen Stoffen wurde von einem akzeptierten Risiko von 10-5 ausgangen (d.h. einer von 100'000 Menschen erkrankt an Krebs, falls sie alle während 70 Jahren täglich 2 l Elulatwasser mit der entsprechenden Schadstoffkonzentration trinken).

lowest effect > no effect

Belastungsdauer Tierversuch

Herleitung des RfDs

Interventionswert

Ausnahmen:

Für die Polychlorierten Biphenyle gilt der Summenparameter (RfD), evt. Auch für Pestizide (SLB).

Der Interventionswert für die aliphatischen Mineralölbestandteile wurde aus der RfD von Hexan abgeleitet. (Relativ häufiger und eher gefährlicher Bestandteil von Mine-ralölen.)

Rundungsregeln:

Werte aus dem SLB oder aus der FIV werden unverändert übernommen.

Die aus toxikologischen Grunddaten berechneten Interventionswerte sollen keine falsche Genauigkeit vortäuschen.

Nach dem Komma wird neben den Nullen nur eine Ziffer geschrieben: 0.392 → 0.4 Werte < 0.1 werden auf 1 oder 5 gerundet: 0.01 → 0.01

0.02 → 0.01 0.03 → 0.01 0.04 → 0.05 0.05 → 0.05 0.06 → 0.05 0.07 → 0.05 0.08 → 0.05 0.09 → 0.1 0.1 → 0.1

Aus organoleptischen Gründen werden keine Interventionswerte grösser als 10 mg/l zugelassen (z.B. Phenol)

Für Stoffe, die schon bei Konzentrationen kleiner als 0.05 µg/l toxisch sind, gilt die Bestimmungsgrenze als Interventionswert (z.B. 1,2-Dibromethan).

Leichtflüchtige Stoffe:

Als leichtflüchtig werden auf der Liste der Interventionswerte diejenigen Stoffe be-zeichnet, die einen Siedepunkt von ≤ 100°C haben. (Vgl. Verdunstungsgeschwindig-keit von Wasser.)

Luft

Als Interventionswerte zur Beurteilung von Luftverunreinigungen gelten die MAK-Werte der SUVA (Maximale Arbeitsplatzkonzentrationswerte), Version Januar 1997.

Falls die untere Explosionsgrenze tiefer ist als der MAK-Wert gilt die Explosionsgren-ze als Interventionswert.