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Kontrolle des innerbetrieblichen Arbeitsschutzsystems in der Metallbranche

Dr.-Ing. Bernhard Räbel, Dipl.-Phys. Klaus Machlitt, LAV, Dezernat 57 Gewerbeaufsicht Süd (Halle/Saale)

Eine Arbeitsschutzgesetzgebung, die mehr und mehr nur noch Schutzziele gesetzlich vorgibt, verlangt von der Arbeitsschutzbehörde schrittweise abzugehen von der mängelorientierten Revision, bei der Einzelmängel im Unternehmen festgestellt werden, die Mängelbeseitigung gefordert wird und der Weg dorthin ggf. im Rahmen der Beratungspflicht aufgezeigt wird. Letzteres kommt einer Bekämpfung der Symptome statt der Ursachen gleich, weil die durch eine unzureichende Arbeitsschutzorganisation des Betriebes bedingten, immer wieder auftreten-den Mängel im Arbeitsschutz weitgehend fortbestehen. Sollen nachhaltige Verbesserungen zur Gewährleistung der Schutzziele erreicht werden, muss das Gesamtsystem der innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation geprüft und ertüchtigt werden. Das aber erfordert eine Änderung der Besichtigungsstrategie hin zu mehr Systemkontrolle, einschließlich der Entwicklung und Anwendung eines Bewertungsmaßstabes hierfür.

Um diesem Ziel näher zu kommen, wurden in den Jahren 2001 bis 2003 mit einer neuen Besichtigungs-und Beratungsstrategie 199 Kleinbetriebe der Metall- Besichtigungs-und Elektrobranche mit etwa 10 – 20 Beschäftigten im Aufsichtsbereich des Dezernates Gewerbeaufsicht Süd überprüft und, um die Wirksamkeit der neuen Methode zu ermitteln, 64 davon nachkontrolliert.

Die Verteilung der 199 Betriebe auf zusammengefasste Branchengruppen stellt sich wie folgt dar:

35% Herstellung von Metallerzeugnissen und Maschinen 26% Kfz-Handwerk

20% Herstellung von Elektroanlagen und Geräten 19% Bauinstallation

Die Kontrollstrategie war so angelegt, dass die Ergebnisse einer üblichen mängelorientierten Regelrevision einschließlich der Kontrolle betrieblicher Dokumente als Indikator für die Funktionsfähigkeit der innerbetrieblichen Arbeitsschutzorganisation verwendet werden konnten. Die Erkenntnisse wurden anschließend mit der Unternehmerin/Geschäftsführerin bzw. dem Unternehmer/Geschäftsführer in einem persönlichen Gespräch ausgewertet. Soweit wie möglich wurde dabei auf ein ordnungsrechtliches Vorgehen verzichtet und dafür qualifizierte Beratung, Hilfe und Motivation in den Mittelpunkt gestellt. Im Rahmen der Schwerpunktaktion wurde auch geprüft, ob Betriebe, die bereits nach einem Arbeitsschutzmanagementsystem, einem Qualitätsmanagement-system oder einen UmweltschutzmanagementQualitätsmanagement-system zertifiziert waren, besser bei der Kontrolle abschneiden.

Die innerbetriebliche Arbeitsschutzorganisation wurde anhand einer Checkliste nach folgenden 11 Kriterien bewertet:

1. Arbeitsschutz als ein Unternehmensziel

2. Vorbehaltsaufgaben des Arbeitgebers im Arbeitsschutz 3. Pflichtenübertragung im Arbeitsschutz

4. Organisatorische Festlegungen und Weisungen 5. Mittelbereitstellung für den Arbeitsschutz

6. Mitwirkung der Beschäftigten/des Betriebsrates

7. Beurteilung der Arbeitsbedingungen/Gefährdungsbeurteilung 8. Erfassung und Auswertung von Unfällen

9. Bestellung einer Fachkraft für Arbeitssicherheit 10. Bestellung einer Betriebsärztin/eines Betriebsarztes 11. Unterweisung der Beschäftigten

Alle vorgelegten Unterlagen und Darlegungen des Unternehmers waren im Zusammenhang mit den Besichtigungsergebnissen zu sehen. Insbesondere war zu berücksichtigen, ob Unterlagen nur formal und zum Zweck der Vorlage bereitgehalten wurden oder ob damit tatsächlich gearbeitet wurde.

Die o.g. Kriterien mussten im Zusammenhang gesehen werden und Verfahrensabläufe (Überprüfungen, Überwachung bzw. Auditierung, Korrektur bei Abweichungen vom Sollzustand, Rapportsystem und Verantwortlichkeiten zur Mängelabstellung) waren besonders zu beachten.

Rechtsgrundlagen dafür, dass der Arbeitgeber für eine geeignete Organisation im Arbeitsschutz zu sorgen hat, sind insbesondere das Arbeitsschutzgesetz und das Arbeitssicherheitsgesetz. Die darüber hinaus-gehende, freiwillige Erklärung des Unternehmers, den Arbeitsschutz als wichtigen, den reibungslosen und störungsfreien Arbeitsablauf gewährleistenden und damit kostensenkenden Faktor zum Unternehmens-ziel zu erklären, ist hilfreich. Das um so mehr, als gerade im Kleinbetrieb viel, wenn nicht alles von der Haltung der Chefin/des Chefs abhängig ist.

Die Gesamteinschätzung der Arbeitsschutzorganisation erfolgte in einer fünfstelligen Skalierung (Bewertungsindex)

-2 Arbeits- und Gesundheitsschutz hat keine ausreichende Bedeutung im Unternehmen.

Arbeitsschutzorganisation fehlt oder ist stark mangelbehaftet.

-1 Im Arbeits- und Gesundheitsschutz werden nur die gesetzlichen Anforderungen in einzelnen Teilgebieten erfüllt. Die Arbeitsschutzorganisation muss verbessert werden.

0 Im Arbeits- und Gesundheitsschutz werden die gesetzlichen Anforderungen grundsätzlich erfüllt. Die Arbeitsschutzorganisation genügt grundsätzlich den Anforderungen.

1 Arbeits- und Gesundheitsschutz ist ein Bestandteil der Unternehmensstrategie. Zu bestimm-ten Elemenbestimm-ten besteht Nachholbedarf bzw. auf Teilgebiebestimm-ten wird mehr als der Gesetzgeber fordert getan.

2 Arbeits- und Gesundheitsschutz ist aktiver Bestandteil der Unternehmensstrategie.

Abb. 2.1 zeigt zusammengefasst über alle 199 Betriebe die Häufigkeitsverteilung des Bewertungsindex.

Bemerkenswert ist, dass in 21% der Betriebe der Arbeits- und Gesundheitsschutz aktiver Bestandteil der Unternehmensstrategie war und in 43% nur bei bestimmten Teilgebieten Nachkontrollbedarf bestand. In 13%

aller kontrollierten Kleinbetriebe war der Arbeits- und Gesundheitsschutz nicht organisiert oder stark mangelhaft.

Abb. 2.1 Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation 0%

10%

20%

30%

40%

50%

2 1 0 -1 -2

Bewertungsindex

Gesamteinschätzung Arbeitsschutzorganisation/-management

Ebenfalls als Gesamtergebnis ist im Abb. 2.2 der unterschiedliche Erfüllungsstand der einzelnen Kriterien der Arbeitsschutzorganisation dargestellt. Wider Erwarten ist z. B. die Mittelbereitstellung für den Arbeitsschutz kein Problem, wohl aber die häufig fehlende Gefährdungsbeurteilung als Grundlage für Arbeitsschutzmaßnahmen. Es ergeben sich klare Hinweise, wo vorzugsweise bei der Verbesserung der Arbeitsschutzorganisation anzusetzen ist.

Der Zusammenhang zwischen dem Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation und der bei der Besichtigung festgestellten Mängelhäufigkeit ist im Abb. 2.3 dargestellt.

Abb. 2.3 Mängelhäufigkeit und Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation

24 4 9 5

9 13 17 46

2 10

8 27

1

21 3

0%

25%

50%

75%

100%

2 1 0 -1 -2

>= 3 Mängel

2 Mängel

1 Mangel

0 Mängel

Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation

Verteilung der Betriebe nach Mängelgruppen

Ø 1 Mangel Ø 3 Mängel Ø 3 Mängel Ø 6 Mängel Ø 14 Mängel

0% 25% 50% 75% 100%

Mittelbereitstellung Unterw eisung Unfallausw ertung Mitw irkung der Beschäftigten Organisation Sifa bestellt Aufgaben des Unternehm ers im AS Pflichtenübertragung Betriebsarzt bestellt AS als Unternehm ensziel Gefährdungsbeurteilung

nicht erfüllt erfüllt

Abb. 2.2 Erfüllungsstand einzelner Kriterien der Arbeitsschutzorganisation

Die bei der Vor-Ort-Kontrolle ermittelte Mängelhäufigkeit ist also ein praktikabler Indikator für die Funktionsfähigkeit der Arbeitsschutzorganisation im Betrieb. Bei den registrierten Mängeln handelt es sich um technische, formale und organisatorische Mängel, die etwa gleich häufig festgestellt werden konnten.

Das Gespräch mit der Unternehmerin bzw. Geschäftsführerin bzw. dem Unternehmer bzw. Geschäftsfüh-rer war zentrales Element der Schwerpunktaktion. Die Darstellung der Organisationsdefizite als wesent-liche Ursache der festgestellten Arbeitsschutzmängel in Verbindung mit qualifizierter Beratung, wie z. B.

der Arbeitsschutz in die Verantwortungsstruktur und die betrieblichen Abläufe integriert werden kann, wurde von den Unternehmen als außerordentlich hilfreich empfunden. Auch eine unerwartet positive Reaktion der Handwerkskammer Halle kann hier vermerkt werden. Hilfsmittel aller Art, auch und gerade die Formblätter aus der LASI-Broschüre LV 22 „Arbeitsschutzmanagementsysteme – Handlungshilfe zur freiwilligen Einführung und Anwendung von Arbeitsschutzmanagementsystemen für kleine und mittlere Unternehmen“, wurden von den Unternehmen gern angenommen.

Wie oben gezeigt, war bei 21% der revidierten Unternehmen der Arbeits- und Gesundheitsschutz aktiver Bestandteil der Unternehmensstrategie. Ursache dafür ist u.a. der Druck der Auftraggeber aus z. B. der chemischen Industrie, die nur Dienstleister mit zertifiziertem Arbeitsschutzmanagmentsystem Sicher-heits-Certifikat-Contraktoren SCC beauftragen. Aber auch Zertifizierungen im Qualitätsmanagement (QM) oder im Umweltschutzmanagement (UM) sind von Bedeutung. Von den 199 Betrieben konnten 27%

ein zertifiziertes Managementsystem vorweisen.

Abb. 2.4 zeigt, bezogen auf den Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation, das prozentuale Verhältnis von zertifizierten und nicht zertifizierten Unternehmen. Während Betriebe mit dem schlechtes-ten Bewertungsindex kein Managementsystem eingeführt hatschlechtes-ten, waren 76% der Betriebe mit dem besschlechtes-ten Bewertungsindex der Arbeitsschutzorganisation bereits zertifiziert.

Es zeigt sich, dass jede Art von im Betrieb installierten Managementsystem (SCC, QM, UM) sich positiv auf die Organisation des Arbeitsschutzes und damit auf die Mängelhäufigkeit auswirkt. Insoweit muss ein Interesse daran bestehen, Unternehmen tatkräftig bei der Optimierung betrieblicher Abläufe im Arbeits-schutz oder bei der Implementierung von ArbeitsArbeits-schutzaspekten in Managementsysteme zu beraten.

Dieser Weg verspricht längerfristig mehr Erfolg als allein auf ordnungsrechtliche Maßnahmen zu setzen.

32 10

32 53

9 38

2

20 3

0%

25%

50%

75%

100%

2 1 0 -1 -2

zertifizie rte Unterne hmen nicht zertifizierte Unte rnehmen

Abb. 2.4 Anteil zertifizierter Unternehmen bezogen auf den Bewertungsindex

Bewertungsindex Arbeitsschutzorganisation

7 17 15

7 8 25

8 15 44

3 7 43

0% 25% 50% 75% 100%

Bauinstallation (Elektro, HSL) Herstellung von Elektroanlagen und

Geräten Herstellung von Metallerzeugnissen,

Maschinen, … Kfz-Handwerk

[-1 + -2] [0] [1 + 2]

Abb. 2.5 zeigt die Bewertung der Arbeitsschutzorganisation unterteilt nach den o.g. Branchengruppen. Die wesentlich bessere Quote im Kfz-Handwerk korreliert mit dem hohen Anteil zertifizierter Unternehmen in dieser Branche.

Im Ergebnis der Betriebsbesichtigung, der Einsichtnahme in Unterlagen und des Unternehmergespräches wurde in 25% aller Fälle erreicht, dass die Unternehmerin/der Unternehmer spontan von sich aus erklärte, die betriebliche Arbeitsschutzorganisation verbessern zu wollen und dazu konkrete Vorstellungen entwickel-te und vorlegentwickel-te. In 75% der Fälle wurden über Revisionsschreiben Anforderungen zur Beseitigung von Mängeln, insbesondere Organisationsmängeln, gestellt. Ordnungsverfügungen waren nicht erforderlich.

Abb. 2.5 Zusammengefasste Bewertung nach Branchengruppen Bewertungsindex

Abb. 2.6 Entwicklung der Bewertung der Arbeitsschutzorganisation im Vergleich Erstbewertung zu Nachkontrolle nach Branchengruppen

2 5 16

4 10

4 12

2 6 4

0% 25% 50% 75% 100%

Herstellung von Metallerzeugnissen,

Maschinen, … Herstellung von Elektroanlagen und

Geräten Bauinstallation

(Elektro, HSL) Kfz-Handwerk

Zurücksetzung der Bewertung keine Änderung der Bewertung Erhöhung der Bewertung

Die Verbesserung der Arbeitsschutzorganisation ist ein Organisationsentwicklungsprozess. Deshalb ist es mit einem einmaligen Anstoß nicht getan, sondern er erfordert Beobachtung und Begleitung über einen längeren Zeitraum. Mittels Nachkontrollen wurde überprüft, ob sich Verbesserungen, ablesbar am Bewertungsindex, zeigen oder nicht.

Die Ergebnisse der bisher durchgeführten 64 Nachkontrollen sind in den Abb. 2.6 und 2.7 dargestellt. Bei der Nachkontrolle wurden dieselben Grundsätze beachtet und Methoden angewandt wie bei der Erstbesichtigung, um die Vergleichbarkeit zu gewährleisten. 75% der nachkontrollierten Unternehmen hatten Erstbewertungen von –2 bis 0 und 25% eine Bewertung von +1 oder +2.

Über alle Branchengruppen, d. h. für alle 64 Nachkontrollen insgesamt ist die Änderung der Qualität der Arbeitsschutzorganisation in Abb. 2.7 dargestellt.

Fazit

Es ist möglich, Betriebsbesuche – Revision und Beratung – so zu gestalten, dass sie mit unerheblich größerem Zeitaufwand als eine Regelrevision zu einer Bewertung des Niveaus des innerbetrieblichen Arbeitsschutzsystems und, bei entsprechenden Vereinbarungen mit den Unternehmen, anfänglicher behördlicher Begleitung im Sinne des Beratungsauftrages nach § 21 Abs. 3 ArbSchG und Nachkontrollen zu dessen wesentlicher Verbesserung führen.

Wie dargestellt begleitete Unternehmen brauchen dann nur mit reduzierter Frequenz wiederholt beauf-sichtigt werden. Bei dieser Beaufsichtigung ist dann die Vor-Ort-Kontrolle, die Bestimmung der Wirksam-keit des innerbetrieblichen Arbeitsschutzes vorrangig vor der Papierkontrolle.

Der Aufwand für diese Einheit von Kontrolle, Beratung und Begleitung ist noch zu vertreten und führt im Gegensatz zu anderen Modellen behördlicher Systemkontrolle nicht zu einer Konzentration auf nur wenige Unternehmen und dafür sehr tiefgehende Prüfungen ihres innerbetrieblichen Arbeitsschutzsystems.

Bei Festlegen von Prioritäten für den Einsatz behördlicher Leistungskraft ist es berechtigt, jene Unterneh-men nicht vornanzustellen, die über ein zertifiziertes Arbeitsschutz-, Qualitäts- oder Umweltschutz-managementsystem verfügen.

2 9

16 40

27

11

16

4 3

0 5 10 15 20 25 30 35 40

2 1 0 -1 -2

nach

Erstbesichtigung

nach

Nachkontrolle

Abb. 2.7 Änderung der Qualität der Arbeitsschutzorganisation im Vergleich Erstbewertung und Nachkontrolle