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Konstruktionsprinzipien der entwickelten Instrumente zur Kompetenzerfassung

Instrumente zur Erfassung der Kompetenzen von Beratenden im Feld Bildung, Beruf und

3. Konstruktionsprinzipien der entwickelten Instrumente zur Kompetenzerfassung

Aufbauend auf dem skizzierten Kompetenzmodell und dem daraus abgeleite-ten Kompeabgeleite-tenzprofil wurde im Rahmen des Projektes BeQu eine multimetho-dale Vorgehensweise zur empirischen Erfassung der Kompetenzen entwickelt,

Abb. 3: Kompetenzprofil für Beratende in Bildung, Beruf und Beschäftigung

die mehrere Instrumente zur Kompetenzerfassung beinhaltet. Im Folgenden werden zunächst die theoretischen Annahmen beschrieben, die hinter dem Modell stehen. Anschließend werden diese Instrumente vorgestellt.

Ausgehend von den Überlegungen zum Kompetenzbegriff besteht die Anforderung an Instrumente zur Erfassung von Kompetenz, sowohl die Res-sourcen, insbesondere Wissen, als auch die Performanz, also das kompetente beraterische Handeln zu erfassen. Die Verbindung von Wissen und Handeln bleibt dabei in der Regel implizit und muss für die Erfassung durch Reflexion expliziert werden. Daraus ergibt sich für die Erarbeitung von Instrumenten die Anforderung, die drei Aspekte Ressourcen, Handeln und die Reflexion über die situative Begründung des Handelns zu erfassen. Da die einzelnen Instrumente je spezifische Aspekte fokussieren, soll durch deren Kombinati-on eine möglichst umfassende Abdeckung vKombinati-on Beratungskompetenz erreicht werden. Reflexion meint dabei das Überdenken von Erfahrungen, Ereignis-sen und Handlungen im Nachhinein (retrospektive Reflexion) sowie das Be-denken von zukünftigen Handlungen und ihren Folgen (prospektive Refle-xion) (s. Abbildung 4) auf der Grundlage von bestehenden Normen, Werten, Wissens- und Erfahrungsbeständen (vgl. Gillen 2009, S. 108f.). Reflexion als Bewusstheit über die eigenen Kompetenzen und das eigene Tun wird als Ker-nelement von Professionalität aufgefasst (vgl. Combe/Kolbe 2008, S. 859).

Der herausgehobene Stellenwert von Reflexion begründet sich wie folgt:

Wir gehen davon aus, dass professionell Beratende nicht nur kompetent han-deln sollten, sondern auch ein professionelles Gespür sowie eine erhöhte ko-gnitive Wahrnehmungsschärfe für die Qualität des eigenen Handelns benöti-gen (Dörr 2014, S. 18). Die Beratenden sollten in der Lage sein professionelles Handeln auf Basis von (Selbst-)Beobachtungen und dem eigenen theoretischen Wissen differenziert zu beschreiben. Hinzu kommt die erwartete Fähigkeit, den Handlungsprozess auf Basis wissenschaftlicher Theorien und Befunde zu erklären und zu begründen. Nicht zuletzt wird von professionell Handelnden erwartet, die potentiellen Wirkungen des situativen Handelns auf weitere In-teraktionen vorherzusagen und auf dieser Annahme Handlungsalternativen und Handlungsvervollständigungen zu entwickeln. Aus diesem Dreiklang begründet sich die Strukturierung der Instrumente, die (in verschiedenen Va-rianten) sowohl Handlungsbeobachtung als auch Handlungsreflexion und die Vervollständigung von Handeln bzw. die Frage nach Handlungsalternativen beinhalten.

Die einzelnen Instrumente wurden zunächst auf der Basis vorhandener Beispiele aus verschiedenen professionellen Handlungsfeldern konzipiert (Schiersmann/Petersen/Weber 2017, S. 30–42). Berücksichtigt wurden dabei insbesondere die Bildung der Lehrpersonen, die Berufspädagogik, die be-triebliche (Weiter-)Bildung sowie die Beratung. Neben der Berücksichtigung der Funktionalität der Instrumente wurde bei der Entwicklung auch auf die weitere Operationalisierung des Kompetenzprofils auf Basis von

videogra-phierter Beratung und durch die Einbindung von fachkundigen Beratenden geachtet (Schiersmann/Petersen/Weber 2017 S. 47f.). Durch die letztgenann-ten Aktivitäletztgenann-ten entstand in einer Reihe von Experletztgenann-tenworkshops und durch die inhaltsanalytische Auswertung von schriftlichem Beobachtungsmaterial eine strukturierte und validierte Sammlung von Verhaltensmerkmalen, wel-che die einzelnen Indikatoren der prozessbezogenen Beratungskompetenz (s.

Abbildung 3) weiter konkretisiert. Darauf aufbauend wurden die Instrumente in einer Reihe von Anwenderworkshops erprobt und mit den beteiligten Be-ratenden diskutiert und weiterentwickelt.

Ein Selbsteinschätzungsbogen als standardisierter Fragebogen mit vorge-gebenen Kompetenz- und Ressourcenindikatoren dient dazu, dass sich die Beratenden auf der Ebene der Selbstwahrnehmung einstufen und sich so in-dividuell mit den eigenen Kompetenzen und kognitiven Ressourcen ausei-nandersetzen (Schiersmann/Petersen/Weber 2017, S. 49). Den Bezugspunkt dieses Selbsteinschätzungsbogens stellt die bisherige Beratungspraxis dar.

Ebenso kann der Bogen auch zur Fremdeinschätzung (z. B. durch andere Be-ratende oder Vorgesetzte) genutzt werden. Auch können die Selbsteinschät-zungen verschiedener Berater (in einer Organisation) miteinander verglichen werden. Die Ausprägung der Kompetenz wird auf einer Skala von 1 bis 4 do-kumentiert. Eine Auswertung mittels Excel erlaubt eine grafische Darstellung (Spinnennetz) der Ausprägung der Kompetenzen.

Textvignetten, die einen Beratungsfall enthalten, zielen auf die Betrach-tung der Handlungsplanung (Schiersmann/Petersen/Weber 2017, S. 53). Sie werden dazu genutzt, die Beratenden zur Beschreibung situationsspezifischer Analyse- und Handlungsweisen anzuregen. Des Weiteren werden die

Be-Abb. 4: Instrumente zur Erfassung von Handlungsaspekten der Beratungskompetenz

ratenden dazu aufgefordert, auf Grundlage der Fallbeispiele über mögliche Schritte bzw. Handlungsstrategien zur Gestaltung des fiktiven Beratungspro-zesses nachzudenken. Durch das offene Bearbeitungsformat der Textvignette ohne vorgegebene Kategorisierungen oder Antwortformate wird eine Hand-lungsfreiheit während des Bearbeitungsprozesses gewährleistet. So werden Rückschlüsse bezüglich der hier relevanten Aspekte der Beratungskompeten-zen und Wissensstruktur der jeweiligen Person möglich.

Bei der Auswertung wird in einem ersten Schritt geprüft, inwieweit die Beschreibungen der Beratenden, die sie in einem Erfassungsbogen vorge-nommen haben, mit den in einem gesonderten Auswertungsbogen darge-stellten Kompetenzindikatoren bzw. Verhaltensmerkmalen übereinstimmen.

Dazu werden Punkte vergeben. In einem zweiten Schritt wird eine Gesamt-einschätzung der beschriebenen Vorgehensweisen in Bezug auf die jeweili-gen Kompetenzen vorjeweili-genommen. Die Ergebnisse können im Rahmen von kollegialer oder professioneller Supervision reflektiert werden (Schiersmann/

Petersen/Weber 2017, S. 55f.).

Videovignetten ermöglichen eine Beobachtung fremden Beratungshan-delns. Auf der Basis der Handlungswahrnehmung bewerten und reflektieren die Beratenden das wahrgenommene Beratungshandeln einer anderen Person und formulieren ggf. Verbesserungsvorschläge bzw. weitere Handlungsstrate-gien in Bezug auf die Gestaltung der jeweiligen Beratungssituation (Schiers-mann/Petersen/Weber 2017, S. 58). Das Instrument zielt darauf, durch die Bewertung der Einschätzung fremden beraterischen Handelns etwas über die Beratungskompetenzen der Einschätzenden aussagen zu können. Insbe-sondere wird die Wahrnehmungsfähigkeit der Person bzgl. des beraterischen Handelns erfasst und im Abgleich mit Verhaltensmerkmalen, die empirisch gewonnen wurden, bewertet (Schiersmann/Petersen/Weber 2017, S. 58f.).

Mit Hilfe eines leitfadengestützten Sitzungsbogens werden Beratende angeregt, gezielt über ihr kompetentes Handeln zu reflektieren. Basis ist ein selbst durchgeführtes Beratungsgespräch. Die Auswertung und Überprüfung des beraterischen Handelns kann im Abgleich mit möglichen Verhaltenswei-sen und Begründungen für das Handeln gewonnen werden (Schiersmann/

Petersen/Weber 2017, S. 64f.). Auf der Ebene der Handlungsüberprüfung/-be-gründung denken die Beratenden über ihre Kompetenzen in Bezug auf das selbst durchgeführte Beratungsgespräch sowie über das angewandte Fach-wissen, die eingesetzten Methoden und Strategien im jeweiligen Beratungs-prozess nach und dokumentieren diese Überlegungen. Die Reflexion auf der Ebene der Handlungsüberprüfung, insbesondere durch Transparentmachung von Begründungen für das eigene Handeln, soll Aussagen über die Bera-tungskompetenzen erlauben. Die „nachträgliche Begründungsverpflichtung“

(Oevermann 1996, S. 77f.) der professionellen Praxis nach dem Handlungs-vollzug wird hier als wesentliches Merkmal des professionellen Handelns ver-standen und im Instrument genutzt.

Ein weiteres Instrument, das insbesondere die Erfassung der Performanz in den Mittelpunkt rückt, stellt die Beobachtung von vollständigen simulierten oder echten Beratungssituationen dar, die aber nicht zwingend selbst durch-geführt wurden. Hier können Beratungsgespräche durch den Einsatz von Si-mulationsklientel (z. B. in einem Rollenspiel) oder videographierten realen Beratungssituationen anhand eines Beobachtungsbogens dokumentiert und beurteilt werden. Bei dem Beobachtungsbogen handelt es sich, wie bei den vorigen Instrumenten, um eine Zusammenstellung von Kompetenzindikato-ren, die Bewertungen des direkt beobachtbaren Handelns eines Beratenden (Performanz) erfordern. Der jeweilige Handlungsvollzug entwickelt sich – so wird angenommen – aus der Reflexion in der Situation in wechselseitiger Be-ziehung mit den eigenen Deutungen, Handlungsgewohnheiten, Erfahrungen usw. (Schön 1983, S. 67). Welche Handlung in der Situation realisiert wird, entscheidet sich durch „eine reflexive Beziehung auf die in der Situation erleb-te Herausforderung“ (Joas 1996, S. 236).

Die Auswertung der drei letztgenannten Instrumente folgt ähnlichen Prinzipen und vergleichbaren Instrumenten. Grundlage ist jeweils das Kom-petenzprofil für Beratende, das in einem Auswertungsbogen abgebildet ist.

Dieser umfasst sieben Teilkompetenzen zur Gestaltung von Beratungspro-zessen, die jeweils durch Kompetenzindikatoren und Verhaltensmerkmale operationalisiert sind. Diese Auswertungshilfe kann dazu beitragen, die Be-urteilungsbreite sowie den Spielraum für subjektive Beurteilung zu reduzie-ren. Die Bewertung sollte dennoch von erfahrenen und geschulten Personen vorgenommen werden. Die Herausforderung besteht darin, die dargestellten Beobachtungen, Bewertungen und Reflexionen im Kompetenzmodell einzu-ordnen und dabei auch offen zu bleiben für sinnvolle Alternativen, die ggf. in den angebotenen Verhaltensmerkmalen nicht enthalten sind. Das Verfahren besteht aus zwei Schritten. Im ersten Schritt werden die von den Beratenden im jeweiligen Instrument dargestellten Verhaltensweisen (z. B. Handlungs-strategien) sowie die Begründung der Vorgehensweise im Beratungsprozess und die Handlungsoptionen dokumentiert, d. h. dieser Schritt basiert auf dem Abgleich mit den Kompetenzen und Verhaltensmerkmalen des zugrunde ge-legten Modells. Im zweiten Schritt wird auf einer Skala eine Gesamteinschät-zung vorgenommen, inwiefern der jeweilige Beratende die relevanten Kom-petenzen bzw. deren Operationalisierungen erkannt bzw. dargestellt hat. Die Gesamteinschätzung erfolgt auf Basis der vom Beratenden zur Beschreibung genutzten Verhaltensmerkmale und der Begründung der Vorgehensweise bzgl. des jeweiligen Kompetenzaspektes. Hieraus ergibt sich ein differenzier-tes Gesamtergebnis, das z. B. im Gespräch zwischen auswertender Person und den Beratenden besprochen werden kann.