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KONJUNKTUREN DER DENUNZIATION

1 VERBANDSMITGLIEDER UND NETZWERKER

2.2 KONJUNKTUREN DER DENUNZIATION

In einer ersten Analyse der Denunziationsmeldungen wird gefragt, inwiefern die Denunziationskonjunkturen in einem Zusammenhang mit dem zeithis-torischen Kontext standen und ob die vom SVV gemeldeten «Delikte» oder Beobachtungen eine gesetzliche Grundlage hatten. Denn bestehende Gesetze konnten, wie die Denunziationsforscherin Stéphanie Abke schreibt, ein

95 Archiv der Aargauischen Vaterländischen Vereinigung, Depositum im Staatsarchiv Aargau, StAAG, Depotnummer DEP-0019, ZwA 1990.0069. Auskunft Andreas Thürer, 12. August 2015.

96 Tätigkeitsbericht des SVV, 1. November 1936 – 31. Oktober 1937, BAR#J2.11#1000/1406#38*.

97 Geschäftsbericht des SVV über das Jahr 1942, in: ebd.

98 Ebd. Vgl. auch: «Wie bis anhin ergab sich aus der systematischen Durchsicht der Presse sowie aus den eingehenden Originalberichten, Druckschriften etc. immer wieder das Gesamtbild der politischen Erscheinungen mit ihren Hintergründen.», Geschäftsbericht des SVV vom 1. Oktober 1939 – 30. September 1940, in: ebd.

fallstor» für Denunziationen bieten.99 Der SVV nutzte die Denunziationen aber auch, um neue Gesetze anzuregen, insbesondere um die Dringlichkeit eines KPS-Verbotes zu untermauern. Nebst Gesetzen konnten politische Er-eignisse respektive deren Interpretation die Aufmerksamkeit auf mögliche Probleme lenken und insofern ebenfalls zu mehr Denunziationen führen.

Nach ersten Einsätzen bei der Gründung der KPS trat der 1919 gegründete Nachrichtendienst wieder in den Hintergrund, wurde jedoch in den folgenden Jahren ausgebaut und anlässlich der Ereignisse vom 9. November 1932 in Genf, bei denen Rekruten das Feuer auf die Menge eröffneten und 13 Personen töte-ten, erstmals grossflächig eingesetzt.100 Bereits am 6. Dezember 1932 konnte der SVV der Bundesanwaltschaft eine Liste mit den Namen von 40 Kommu-nisten zustellen, die bei den sogenannten Genfer Unruhen angeblich «eine wichtige Rolle»101 gespielt hatten. Dieser «gute Meldedienst des SVV bei den Genferereignissen»102 überzeugte gemäss Aussagen des damaligen General-stabschefs Roost die Behörden von den Qualitäten des SVV-Nachrichtendiens-tes und stand am Anfang einer systematischen Zusammenarbeit des SVV mit den Bundesbehörden in den 1930er und 1940er Jahren.

Eine Verteilkurve über die analysierten 215 Denunziationsmeldungen aus dem Zeitraum von 1930 bis 1948 ergibt eine grobe «Denunziationskonjunk-tur». Diese Kurve weist drei Peaks auf, die symptomatisch sind und sich wohl ähnlich auch abzeichnen würden, wenn man mehr Meldungen in die Analyse einbeziehen würde. Ein erster deutlicher Anstieg der Anzahl von Denunziatio-nen fand in den Jahren 1932/33 statt, ein zweiter, weniger starker 1936 und ein dritter schliesslich 1939/40. Diese Jahreszahlen korrelieren mit Ereignissen, die wohl zu einem Anstieg des Denunziationsverhaltens führten: Nach den

«Genfer Unruhen» 1932 und kurz darauf der nationalsozialistischen «Macht-ergreifung» 1933, nach Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges 1936 sowie nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 und während des anschlie-ssenden Versuchs, ein KPS-Verbot zu erreichen, machte der SVV die meisten Denunziationsmeldungen. All diese Ereignisse waren gekoppelt an legislative Massnahmen. Sowohl die Ereignisse, respektive die zeitgenössische Deutung und Interpretation dieser Ereignisse, als auch die Gesetze konnten eine

99 Abke 2003, S. 87.

100 Vgl. zu den Ereignissen in Genf im November 1932: Kapitel 1.4, S. 115–116 sowie Zeller 1990, S. 159–165.

101 SVV: Meldung an Bundesanwaltschaft, 6. 12. 1932, BAR#E4320B#1990/270#21*.

102 Huber, Arnold: Protokollnotizen über die Besprechung auf der Generalstabsabteilung vom 23. Oktober 1934, BAR#J2.11#1000/1406#103*.

matorische Grundlage für die Denunziationen bieten. 1941 kam es schliesslich zu einem markanten Abfall an Denunziationsmeldungen, der einerseits mit einer Auseinandersetzung zwischen dem SVV und dem Pressebüro der Armee im Jahr 1941 zu tun hatte, andererseits damit zusammenhing, dass während des Zweiten Weltkrieges immer weniger Personen für den Nachrichtendienst zur Verfügung standen und entsprechend weniger Meldungen gemacht wur-den.

1933 – jüdische und politische Flüchtlinge in der Schweiz

Nach der nationalsozialistischen «Machtergreifung» 1933, die mit einer ge-waltsamen Verfolgung der politischen Opposition und der Juden einherging, suchten zahlreiche Flüchtlinge in den umliegenden Staaten Schutz. Die Flücht-lingspolitik der Schweiz war damals der Ausländerpolitik untergeordnet, und die Schweiz verfügte über kein Asylgesetz, das einen individuellen Rechtsan-spruch auf Asyl begründet hätte. Im Frühling 1933 definierten die Behörden den Begriff des «politischen Flüchtlings» in engster Weise und hielten an ihrer Definition bis 1944 fest: Ein «politischer Flüchtling» musste wegen seiner politischen Tätigkeit persönlich gefährdet sein und dies lückenlos nachweisen können. Die Verfolgung der Juden wurde ausdrücklich nicht als politische Verfolgung definiert, und Kommunisten galten als asylunwürdig.

0 5 10 15 20 25 30 35 40

1930 1931 1932 1933 1934 1935 1936 1937 1938 1939 1940 1941 1942 1943 1944 1945 1946 1947 1948 Anzahl Denunziationsmeldungen

Abb. 7: Verteilung der Denunziationsmeldungen 1930–1948 (Total: 215).

Faktisch erhielten deshalb nur einige wenige politisches Asyl, etwa Beamte, sozialdemokratische Politiker und Gewerkschafter sowie Schriftsteller oder andere Personen, die im öffentlichen Leben Deutschlands eine Rolle gespielt hatten.103 Insgesamt gewährte die Schweiz von 1933 bis 1945 nur 644 Personen politisches Asyl.104 Die meisten der nach 1933 in die Schweiz gelangten Men-schen unterstanden stattdessen dem 1934 in Kraft getretenen «Bundesgesetz über den Aufenthalt und die Niederlassung von Ausländern» (ANAG).105 In rechtlicher Hinsicht galten sie nicht als Flüchtlinge, sondern als Ausländer.

Das ANAG regelte Aufenthalt und Niederlassung von Ausländern und ermög-lichte es den Behörden, die dauerhafte Niederlassung von Ausländern zu ver-hindern, ihren Aufenthalt zu kontrollieren und zeitlich zu beschränken und den Ausländeranteil letztlich über die Zulassung zu regulieren. Über das ANAG wurden weiter auch die geografische Mobilität und die Redefreiheit und politische Aktivitäten eingeschränkt. Die fremdenpolizeiliche Arbeitsbewilli-gung wurde an arbeitsmarktliche BedinArbeitsbewilli-gungen geknüpft und erlaubte so eine flexible Rekrutierung von ausländischen Arbeitskräften.106 1937 erliess der Bundesrat ein striktes Arbeitsverbot für Flüchtlinge, was zur Folge hatte, dass diese keine Aufenthaltsbewilligung mehr erhalten konnten und die Schweiz damit zum «Transitland» wurde, das nur noch für einen vorübergehenden Aufenthalt in Frage kommen konnte.107

Ab 1939 bildete ein auf das Notrecht abgestützter Bundesratsbeschluss vom 17. Oktober 1939 über eine Änderung der fremdenpolizeilichen Regelung zu-sammen mit dem ANAG die rechtliche Grundlage für die Flüchtlingspolitik:

Mit diesem Bundesratsbeschluss wurden die Kantone angewiesen, Ausländer, die rechtswidrig in die Schweiz kamen, in das Land, aus dem ihre Ausreise erfolgt war, zurückzuweisen, mit Ausnahme von Deserteuren sowie der von der Bundesanwaltschaft anerkannten politischen Flüchtlinge.108 Als während des Zweiten Weltkrieges die Ausreise für Flüchtlinge kaum mehr möglich war, schuf der Bundesrat den nunmehr auch rechtlichen Status des Emigranten:

103 UEK 2001, S. 32–36; Wichers 1994, S. 303–307.

104 Schulz 2012, S. 67–68; Gast 1997, S. 331.

105 Bundesgesetz vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (ANAG), BS 1 121. Das ANAG trat am 1. Januar 1934 in Kraft. Davor lagen die Kompetenzen zur Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen bei den Kantonen, die Eidgenössische Fremdenpolizei konnte jedoch die Erwerbstätigkeit oder die bleibende Aufenthaltsbewilligung regeln. Politische Ak-tivität war Ausländern aber auch bereits vor Inkrafttreten des ANAG nicht erlaubt. Arlettaz/

Arlettaz 1998, S. 344.

106 Senn 2017, S. 464; D’Amato 2001, S. 204; Studer 2008a, S. 99; Vuilleumier 1992, S. 66, S. 92.

107 Tanner 2015, S. 239; vgl. auch: UEK 2002, S. 109.

108 Ludwig 1957, S. 170.

Personen, die vor dem 1. August 1942 eingereist und im Besitz einer sogenann-ten Toleranzbewilligung eines Kantons waren, wurden als «Emigransogenann-ten» be-zeichnet. Personen, die nach dem 1. August 1942 ohne behördliche Bewilligung die Grenze überquert hatten und nicht wieder ausgeschafft worden waren, wurden als «(Zivil-)Flüchtlinge» bezeichnet, unterstanden direkt der eidge-nössischen Polizeiabteilung und wurden interniert.109

Die gesetzlichen Grundlagen der Flüchtlingspolitik prägten auch die Denun-ziationsmeldungen des SVV zu jüdischen und kommunistischen Flüchtlingen.

So widerspiegelt sich die Vorstellung, dass es sich bei den kommunistischen Flüchtlingen nicht um «politische» und damit legitime Flüchtlinge handelt, auch in den Meldungen des SVV. Dies zeigt etwa folgendes Beispiel: Der SVV übermittelte der Bundesanwaltschaft im Oktober 1933 einen Bericht einer seiner Vertrauenspersonen, der festhielt, dass «in Zürich seit Monaten eine Zunahme der ‹politischen Flüchtlinge› aus Deutschland» zu beobachten sei,

«die sich unter Berufung darauf, dass sie ihre Heimat aus politischen Gründen haben verlassen müssen, um Gewährung von Asyl nachsuchen.» Allein aus dieser kurzen Einleitung, in der «politischer Flüchtling» in Anführungszei-chen gesetzt wurde, wird deutlich, dass eine Flucht aus politisAnführungszei-chen Gründen aus Sicht des Vertrauensmanns einerseits nicht plausibel, anderseits auch kein Grund für Asylgewährung sei. Doch der Vertrauensmann wurde noch deutlicher: «Was nützen alle Abwehrreaktionen, wenn haufenweise solchen Gesindels in Zürich schmerzlos Unterschlupf erhält, und man diese sang- und klanglos als ‹politische Flüchtlinge› anerkennt.»110 Aus Sicht der Vertrauens-person und auch aus Sicht des SVV, der diese Meldung unverändert an die Behörden weiterleitete, waren die geflohenen Kommunisten selbst für ihre Si-tuation verantwortlich, weswegen ihnen kein Asyl gewährt werden dürfe. Um diese Aussage zu unterstreichen, meldete der SVV im gleichen Schreiben eine Marie Walter, die «in allen politischen Kreisen und Zirkeln, Versammlungen usw. verkehren und ihre ‹Ratschläge› und ihre Erfahrungen aus Deutschland den Kommunisten zur Verfügung stellen [würde].» Die Meldung schloss mit den Worten: «[E]s ist ein Hohn, dass unsere obersten Behörden derart

109 In Abgrenzung vom damaligen Sprachgebrauch wird in dieser Arbeit generell von Flüchtlingen gesprochen und die zeithistorisch willkürlich gesetzte Unterscheidung zwischen «Emigran-ten» und «Flüchtlingen» nicht weitergeführt. Vgl. auch: UEK 2001, S. 34.

110 SVV: Meldung an Bundesanwaltschaft, 4. 10. 1933, BAR#E4320B#1990/270#21*. Dass es sich hier um Kommunisten und nicht um Juden handelt, geht aus dem Kontext der Meldung hervor.

sichtig sind und die gefährlichsten deutschen Kommunisten in Zürich tolerie-ren lassen und ihnen ein Asyl gewähtolerie-ren.»111

Die Denunziation von Flüchtlingen entsprach in erster Linie sicherlich den Aufmerksamkeitskonjunkturen und öffentlichen Debatten zur Flüchtlingspo-litik. Gleichzeitig konnten Gesetze wie das ANAG die Denunziationsmeldun-gen strukturieren und ihnen eine rechtliche Grundlage verleihen. Durch die bestehenden Gesetze konnte der SVV Delikte wie Arbeitstätigkeit oder politi-sche Aktivität anzeigen, die – wie noch zu zeigen sein wird – auch polizeilich verfolgt wurden.

1936 – Schweizer Freiwillige im Spanischen Bürgerkrieg

Der zweite Peak fand 1936 mit dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkrieges statt. Dieser ist somit ein weiteres Beispiel dafür, dass es in der Folge von politischen Ereignissen und neu entstandenen Gesetzen zu einem Anstieg von Denunziationen kommen konnte. Der Spanische Bürgerkrieg, der im Juli 1936 mit dem Armeeputsch ausbrach, wurde zeitgenössisch vor allem als

«Kampf zwischen Diktatur und Demokratie» gedeutet, bei dem es aus Sicht der Linken möglich schien, den rasanten Aufstieg des Faschismus zu stop-pen.112 Auch bürgerliche Kreise teilten die Deutung als «Klassenkonflikt». Sie sahen in der Volksfront Frente popular, die sich den putschenden Generälen gegenüberstellte, jedoch «die Pläne des Marxismus verwirklicht», wie es etwa in einer SVV-Leitungssitzung hiess.113 Entgegen der Heterogenität der Gruppe wurden die Schweizer Spanienfreiwilligen in bürgerlichen Kreisen denn auch fast ausschliesslich als Kommunisten wahrgenommen.114 In diesem Zusam-menhang ist auch der Anstieg der Denunziationen des SVV zu verorten: Der SVV war überzeugt, dass alle Spanienfreiwilligen für den kommunistischen Umsturz aktiv waren, und denunzierte die Spanienfreiwilligen entsprechend als Kommunisten.

Die Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg wurde vom Bundesrat gesetz-lich verboten: Wer zur Teilnahme am Bürgerkrieg nach Spanien ausreiste oder die Ausreise auch nur plante, konnte per Bundesratsbeschluss vom 14. August 1936 mit bis zu sechs Monaten Gefängnis oder einer Busse von bis zu 10 000 Franken bestraft werden. Auch Versammlungen oder Umzüge, die eine der

111 Ebd.

112 Kuhn 2010, S. 3.

113 Leitung des SVV: Protokoll der Sitzung vom 12. September 1936, 14. 9. 1936, BAR#J2.11#1000/

1406#34*.

114 Hug 2007, S. 175.

beiden Kriegsparteien unterstützten, waren untersagt. Ebenso die Ausfuhr von Waffen und Munition.115 Der Roten Hilfe, welche die Republikaner im Spanischen Bürgerkrieg unterstützte, wurde ausserdem im November 1936 mit dem «Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen gegen kommunisti-sche Umtriebe in der Schweiz» vom 3. November116 die Ausübung politischer Aktivitäten untersagt.117 Trotz der Verbote gab es in der Schweiz gegen 800

«Spanienfahrer», von denen einige auch durch den SVV-Nachrichtendienst überwacht wurden.

Diese Gesetze boten dabei teilweise eine Grundlage für die Denunziatio-nen. Der SVV wies die Bundesanwaltschaft beispielsweise mehrmals auf das Mitglied der KP-Sektion St. Gallen, Walter Wagner, hin. Dieser sei zusammen mit drei weiteren Genossen von St. Gallen über Paris nach Spanien gereist und habe dabei «die Spezialzüge zur Pariser Weltausstellung» benutzt, so lautete beispielsweise eine Meldung von Juni 1937.118 Auch der bekannte Zürcher Kommunist und Spanienfreiwillige Otto Brunner war Gegenstand mehrerer Meldungen.119 Er wurde vom SVV unter anderem verdächtigt, sich einen Mo-nat in Moskau aufgehalten und dort «Instruktionen bezüglich den Feindselig-keiten in Spanien» entgegengenommen zu haben. Danach sei Brunner wieder nach Barcelona gereist, «von wo aus er die Werbung von Freiwilligen aus der Schweiz besorgt» habe,120 was nach den Gesetzen von 1936 verboten war.

Auch hier hatten die Denunziationen durch die bestehenden Gesetze also eine rechtliche Grundlage. Dennoch sind die Denunziationen nicht ausschliesslich mit den Gesetzen, sondern auch mit der antikommunistischen Haltung des Verbandes zu erklären. Der SVV denunzierte die Spanienfreiwilligen nicht aufgrund der Gesetze, sondern weil er sie als kommunistische Kämpfer wahr-nahm. Den Gesetzen kam jedoch eine legitimierende Funktion für die Tätig-keit des Denunzierens und Überwachens zu. Dies galt auch für die späteren Denunziationen von Schweizer Kommunisten, für die es teilweise ebenfalls strafrechtliche Grundlagen gab.

115 Ebd., S. 166; Chronik des Jahres 1936, in: Gewerkschaftliche Rundschau für die Schweiz. Mo-natsschrift des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes 29 (1937), Heft 1: Richtlinien für eine neue Politik, S. 31–35, S. 32.

116 BRB betr. Massnahmen gegen kommunistische Umtriebe in der Schweiz vom 3. 11. 1936, AS 52, S. 819–820.

117 UEK 2001, S. 83.

118 SVV: Meldung an Bundesanwaltschaft, 28.  6. 1937, BAR#E4320B#1990/270#21*; vgl. auch:

SVV: Meldung an Bundesanwaltschaft: Bericht über die Hauptversammlung des «Arbeiter-, Schwimm- und Sportvereins», St. Gallen, 27. 1. 1939, BAR#E4320B#1974/47#359*.

119 Vgl. das Dossier von Otto Brunner, BAR#E4320B#1975/40#199*.

120 Meldung des SVV, 21. 1. 1937, BAR#E4320B#1990/270#21*.

1936–1940 – Vorbereitungen zum Verbot der KPS

Der erwähnte «Bundesratsbeschluss betreffend Massnahmen gegen kommu-nistische Umtriebe in der Schweiz»121 stellte das erste Gesetz dar, das in der Schweiz kommunistische Aktivitäten122 auch für Schweizer verbot und eine gesetzliche Grundlage für die Denunziation von Schweizer Kommunisten und Kommunistinnen bieten konnte. Im Kontext dieses Bundesratsbeschlusses vom 3. November 1936 sind Meldungen des SVV zu Auftritten von Kommunis-ten an Versammlungen zu sehen, wie etwa jene zum KommunisKommunis-ten Schwarz, der an einer Arbeitslosenversammlung in Zürich zu Demonstrationen aufge-rufen haben soll.123 Ab 1936 folgten eine Reihe weiterer, antikommunistischer Gesetze, die schliesslich 1940 im Verbot der KPS kulminierten.124 Wie noch zu zeigen sein wird, wusste der SVV von den Vorbereitungen des Verbotes der KPS und versuchte dieses mittels Eingaben an den Bundesrat und anderen Aktivitäten voranzutreiben.125 Auch mit seinen Denunziationsmeldungen ver-suchte der SVV die Behörden von der Notwendigkeit eines Verbotes der KPS zu überzeugen, und so ist ein weiterer Anstieg von Denunziationsmeldungen kurz vor dem Verbot der KPS in den Jahren 1939/40 zu beobachten. Dabei mel-dete der SVV beispielsweise, dass sich die KPS auf ein Verbot vorbereite und deshalb das Aktionszentrum im Geheimen von Zürich nach Winterthur zum Primarlehrer und Kommunisten Heinrich Gerteis verlege.126

121 BRB betr. Massnahmen gegen kommunistische Umtriebe in der Schweiz vom 3. 11. 1936, AS 52, S. 819–820.

122 Der BRB betr. Ausschluss der Kommunisten aus der Bundesverwaltung vom 2. 12. 1932, AS 48, S. 780–781, war zwar ebenfalls gegen Kommunisten gerichtet, schränkte jedoch nicht konkret eine kommunistische Aktivität ein, sondern verbot es Bundesbeamten, Mitglied der KPS zu sein.

123 SVV: Meldung an Bundesanwaltschaft, 8. 3. 1937, BAR#E4320B#1990/270#21*.

124 BRB betr. Massnahmen gegen staatsgefährliches Propagandamaterial vom 27. Mai 1938, AS 54, S. 249–250; BRB betr. Massnahmen gegen staatsgefährliche Umtriebe und zum Schutze der De-mokratie vom 5. Dezember 1938, AS 54, S. 856–858; BRB betr. das Verbot der staatsgefährlichen Propaganda in der Armee vom 4. Dezember 1939, AS 55, S. 1461–1462; BRB über die Kontrolle der politischen Versammlungen vom 9. Juli 1940, AS 56 II, S. 1171–1172; BRB über Massnahmen gegen kommunistische und anarchistische Tätigkeit vom 6. August 1940, AS 56 II, S. 1336–1337;

BRB betr. die Auflösung der Kommunistischen Partei der Schweiz vom 26. November 1940, AS 56 II, S. 1861. Auf einzelne dieser Gesetze wird im 3. Kapitel noch genauer eingegangen.

125 Vgl. Kapitel 3.3.

126 Meldung des SVV, 2. 4. 1940, BAR#E4320B#1975/40#303*.

1941 – Abbruch der nachrichtendienstlichen Zusammenarbeit

Nach 1941 gingen die Nachrichtendienstmeldungen deutlich zurück. Dies kann vor allem auf zwei Gründe zurückgeführt werden. Zum einen war es dem SVV-Nachrichtendienst nicht mehr möglich, während des Zweiten Weltkrie-ges zuverlässige Beobachtungen zu machen. Die Mobilmachung betraf den SVV insofern, als etliche seiner Mitarbeiter in den Militärdienst einberufen wurden und für die Dienste des SVV nicht mehr oder nur sehr eingeschränkt zur Verfügung standen. Die Schliessung des Werkdienstes war eine Folge davon. Auch die Arbeit des Nachrichtendienstes war davon betroffen, die Meldungen des SVV waren für die Bundesbehörden zunehmend schlechter zu verwerten. Dem SVV selbst war die Problematik der unzuverlässigen Mel-dungen bewusst. Nachdem sich eine durch das Armeekommando überprüfte SVV-Meldung als Falschmeldung entpuppt hatte, schrieb der SVV-Nachrich-tendienstsekretär an den Verfasser der Meldung eine Rüge: Der Verband dürfe

«nicht in den Verdacht kommen, dass wir selbst von unsern Gewährsleuten falsche Meldungen erhalten.»127

Ein zweiter Grund für den fast vollständigen Abbruch der nachrichten-dienstlichen Zusammenarbeit kann in einem Konflikt zwischen dem SVV und dem Pressebüro der Armee im Jahr 1941 gefunden werden. Dieser hatte seine Ursache in einem Artikel in der Schweizer Illustrierten, in dem angeblich ein Bild des bekannten Fotografen Theo Frey, das einen Soldaten mit Stahlhelm darstellte, abgedruckt war.128 Der SVV erkannte im Porträtierten den von ihm mehrmals denunzierten Kommunisten und Spanienfahrer Walter Wagner und befand diesen als unwürdig, in einer Zeitschrift abgebildet zu werden.

Er beschwerte sich daraufhin beim Verlag Ringier & Co. über die Bildwahl. Die Bebilderung des Artikels ausgerechnet durch Walter Wagner war – dies erga-ben die Abklärungen des eerga-benfalls aktiv gewordenen Armeekommandos129 – tatsächlich ein Missgeschick: Weder der Fotograf noch die Pressezensur hatten im abgebildeten Soldaten den Spanienfahrer erkannt. Für den Chef

127 Brief von SVV an Thélin, J. A., 6. 9. 1941, BAR#J2.11#1000/1406#141*.

128 Sowohl der SVV wie auch Roger Masson sprechen von der Nr. 13 der Schweizer Illustrierten aus dem Jahr 1941 (vgl. z. B. Brief von Masson, Roger an SVV, 2. 6. 1941, BAR#E4320B#1990/270#21*).

In dieser Nummer sind zwar Bilder von Theo Frey abgebildet, jedoch kein Soldat mit Stahlhelm, auch nicht in den Nummern davor oder danach. Hingegen ist in der Zürcher Illustrierten, Bd. 17 (1941), Nr. 1, S. 4, ein Bild von Soldaten mit Stahlhelm abgedruckt, das möglicherweise von Theo Frey stammt. Frey machte mehrere Bildreportagen für die Zürcher Illustrierte. Möglicherweise kam es hier zu einer Verwechslung der Zeitschriften, da beide Zeitschriften 1941 beim Ringier Verlag verlegt wurden und die Klage entsprechend «am richtigen Ort» deponiert wurde.

129 Brief von Masson, Roger an SVV, 2. 6. 1941, BAR#E4320B#1990/270#21*.

des Pressebüros der Armee, Hauptmann Schmid, war jedoch nicht dieses Missgeschick der wahre Skandal, sondern vielmehr die Beschwerde des SVV beim Verlag und dessen Artikel in der Verbandszeitschrift. In einem Brief warf er dem SVV «Gesinnungs-Schnüffelei» vor.130 Auf diesen Vorwurf reagierte der SVV wiederum mit einem knapp vierseitigen Brief an General Guisan, in welchem er eine Beschwerde über Hauptmann Schmid einreichte.131 Zudem schrieb er am selben Tag an die Bundesanwaltschaft und erinnerte diese daran, dass er «jahrelang in uneigennütziger Weise, wohl aber mit grossen finan-ziellen und persönlichen Opfern mit Ihnen im N.-D. gearbeitet» und dabei geglaubt habe, «den Behörden ihre Aufgaben zu erleichtern». Zugleich stellte er die Bedingung auf, dass er bis zu einer «zufriedenstellenden Erledigung der Angelegenheit» keine weiteren Meldungen aus dem Nachrichtendienst an

«irgendwelche behördliche Instanzen» mehr schicken werde, und verlangte von der Bundesanwaltschaft, dass diese sich für den SVV einsetze.132 Die Bun-desanwaltschaft wandte sich sogleich an General Guisan und bat darum, dem Verband die gewünschte Genugtuung zu geben, da ihr «die Zusammenarbeit mit dem Vaterländischen Verband auf dem Gebiete der Bekämpfung der links- und rechtsextremistischen Gefahr sehr wertvoll ist».133 Trotz dieser deutlichen Worte zugunsten des Verbandes blieb der Brief der Bundesanwaltschaft ohne Folgen und die vom SVV erwartete Satisfaktion blieb aus – Oberst Masson gab dem SVV stattdessen bekannt, dass seiner Beschwerde gegen Hauptmann Schmid keine Folge geleistet würde.134 Diese an sich kleine Episode in der Verbandsgeschichte hatte zur Folge, dass der SVV nur noch vereinzelte

«irgendwelche behördliche Instanzen» mehr schicken werde, und verlangte von der Bundesanwaltschaft, dass diese sich für den SVV einsetze.132 Die Bun-desanwaltschaft wandte sich sogleich an General Guisan und bat darum, dem Verband die gewünschte Genugtuung zu geben, da ihr «die Zusammenarbeit mit dem Vaterländischen Verband auf dem Gebiete der Bekämpfung der links- und rechtsextremistischen Gefahr sehr wertvoll ist».133 Trotz dieser deutlichen Worte zugunsten des Verbandes blieb der Brief der Bundesanwaltschaft ohne Folgen und die vom SVV erwartete Satisfaktion blieb aus – Oberst Masson gab dem SVV stattdessen bekannt, dass seiner Beschwerde gegen Hauptmann Schmid keine Folge geleistet würde.134 Diese an sich kleine Episode in der Verbandsgeschichte hatte zur Folge, dass der SVV nur noch vereinzelte