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Die Eigenschaften der nationalen Umweltpolitik bestimmen das unterschiedliche Ausmaß des Umsetzungsbedarfs europäischer Richtlinien in den Mitgliedstaaten. Der Umsetzungsbedarf fällt umso größer aus, je geringer der Grad der Kompatibilität von europäischer und nationaler Umweltpolitik ist. Um die IVU-Richtlinie in deutsches Recht umzusetzen, sieht das sog. Arti-kelgesetz auf bundesgesetzlicher Ebene Äderungen im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG), im Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie im Kreislaufwirtschafts- und

32 Ordnungsrechtliche Policy-Instrumente wurden aus unterschiedlichen Perspektiven heraus kritisiert. Cre-mer/Fisahn nennen vier Quellen der Kritik: die Technikkritik der Umweltbewegung; die Grenzen klassischer Wirtschaftstheorie, die Eingriffe des Staates rechtfertigt; die wahrgenommene Ineffektivität staatlicher Regulie-rungen und die Sorge um die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands in globalisierten Märkten (Cremer/Fisahn, 1998: 57).

setz (KrW-/AbfG) vor. Ferner sind Änderungen in untergesetzlichen Regelwerken, der 4. und 9. Bundesimmissionsschutzverordnung (BImSchV) erforderlich (BMU, 2001: 5). Der Lö-wenanteil der rechtlichen Implementation der IVU-Richtlinie entfällt dabei auf die Änderung des BImSchG (Bader, 2002: 80). Obgleich das BImSchG medienübergreifende Elemente ent-hält, werden die Anforderungen der IVU-Richtlinie hinsichtlich des integrierten Umwelt-schutzes nicht erfüllt (Dolde, 1997: 316). Der Zweck des BImSchG zielt nicht auf den Schutz der Umwelt insgesamt, sondern betrachtet die Umwelt als die Summe isolierter Schutzgüter.

Ferner sind die im Zusammenhang mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie zentralen Begriffe der schädlichen Umwelteinwirkung und der Emission für einen integrierten Umweltschutz zu eng gefasst. Insbesondere bleibt der Begriff des Stands der Technik durch seine sektorale Ausrichtung hinter den Anforderungen eines integrierten Umweltschutzes zurück, obgleich er insofern schutzintensiver als die beste verfügbare Technik ist, als er in geringerem Maße öko-nomische Erwägungen zulässt (Dolde, 1997: 315f.; Bader, 2002: 80-87). Um die von der IVU-Richtlinie vorgeschriebene Festlegung medienübergreifender Emissionsgrenzwerte zu erreichen, sind Änderungen im untergesetzlichen Regelwerk erforderlich (BMU, 2001: 5;

Bader, 2002: 89, 91).

Die Umsetzung der IVU-Richtlinie in deutsches Recht betrifft darüber hinaus auch die Art und Weise der Genehmigungserteilung, da sowohl im Bereich der Öffentlichkeitsbeteiligung als auch der Genehmigungserfordernisse die Regelungen im deutschen Umweltrecht nicht die Anforderungen der IVU-Richtlinie erfüllen (Bader, 2002: 97-100). Auf der einen Seite geht das im BImSchG enthaltenen Öffentlichkeitsverfahren mit Erörterungstermin über die Anfor-derung der IVU-Richtlinie hinaus, die lediglich eine öffentliche Bekanntmachung und Bereit-haltung der Unterlagen vorsieht. Nur bei geringer dimensionierten Anlagen mit niedrigerem Auswirkungspotential ist kein Erörterungstermin vorgesehen und wird deshalb der IVU-Richtlinie nicht entsprochen (Schmidt-Preuß, 2000: 115-117). Auf der anderen Seite ist das Öffentlichkeitsverfahren nicht integrativ, da es in ein immissionsschutzrechtliches und ein wasserrechtliches Verfahren aufgeteilt ist. Die fehlende Integration zeichnet auch das Geneh-migungsverfahren aus. Obgleich dem integrierten Umweltschutz eine Konzentration der Ge-nehmigungsentscheidung in einer Behörde entspricht, schreibt die IVU-Richtlinie lediglich eine hinreichende Koordination der Verfahren unter den Behörden vor. Diese Koordination wird jedoch vom deutschen Umweltrecht nicht gewährleistet. Schließlich umfasst der An-wendungsbereich des BImSchG nicht sämtliche Anlagen, die nach Anhang I der IVU-Richtlinie einer Genehmigung bedürfen. Ob jedoch die Genehmigung in einer gebundenen

Entscheidung, die das BImSchG vorsieht, oder in einer Ermessensentscheidung, die dem in-tegrierten Ansatz eher gerecht wird, getroffen werden soll, lässt der Wortlaut der IVU-Richtlinie offen (Bader, 2002: 95-100).

Neben den Unterschieden zwischen dem Inhalt der IVU-Richtlinie und dem deutschen Um-weltrecht bestehen auch Gemeinsamkeiten. Die IVU-Richtlinie sowie das BImSchG verfol-gen ein emissionsorientiertes Konzept, das mit Umweltqualitätsnormen kombiniert wird (Ba-der, 2002: 78). Darüber hinaus ist die Anlagengenehmigung das zentrale Policy-Instrument sowohl der IVU-Richtlinie als auch des deutschen Umweltrechts. Die Genehmigung von In-dustrieanlagen nimmt im deutschen Umweltschutz traditionell eine zentrale Stellung ein (Steinberg, 1995: 212). Der Grundpflichtenkatalog des Art. 3 IVU-Richtlinie, der die Geneh-migungsvoraussetzungen für den Anlagenbetrieb festschreibt, wurde unter der deutschen Ratspräsidentschaft formuliert und weist eine große Ähnlichkeit mit § 5 Abs. 1 BImSchG auf.

Allein die Pflicht zur effizienten Energieverwendung wurde neu in die Richtlinie aufgenom-men (Dolde, 1997: 314-316).

Für den Grad der Kompatibilität zwischen der IVU-Richtlinie und der deutschen Umweltpoli-tik ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Auf der einen Seite besteht hinsichtlich der Policy-Instrumente ein hoher Grad an Kompatibilität. Sowohl die IVU-Richtlinie als auch das BImSchG orientieren sich an Emissionen und verfolgen den Schutz der Umwelt im Wesentli-chen mit Hilfe des ordnungsrechtliWesentli-chen Policy-Instruments der Anlagengenehmigung. Bei der Festlegung der Emissionsgrenzwerte durch den Stand der Technik und der Beteiligung der Öffentlichkeit durch den Erörterungstermin geht das deutsche Umweltrecht sogar über die europäischen Regelungen hinaus, was nach Art. 174 EG-Vertrag allerdings keinen Anpas-sungsbedarf auslöst. Wesentlicher AnpasAnpas-sungsbedarf tritt auch nicht dadurch ein, dass Anla-gen durch die IVU-Richtlinie neu in das Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG aufge-nommen werden, da hiervon nur ein geringer Teil der Anlagen betroffen ist (Interview Scheel). Auf der anderen Seite sind sowohl die Policy-Instrumente als auch das Genehmi-gungsverfahren selbst nicht im Sinne eines integrierten Umweltschutzes gestaltet, wie ihn die IVU-Richtlinie vorschreibt. Der deutschen Umweltpolitik fehlt eine medienübergreifende Betrachtungsweise, die den Kern des integrierten Umweltschutzes darstellt. Folglich besteht aufgrund des geringen Grads der Kompatibilität hinsichtlich des Problemlösungsansatzes ein hoher externer Anpassungsdruck, der auf das Policy-Subsystem wirkt. Inwiefern sich dieser

externe Anpassungsdruck auch auf die Akteure auswirkt, die mit der Umsetzung der IVU-Richtlinie befasst sind, wird im Folgenden dargelegt.