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Trotz des hohen Grads der Kompatibilität von europäischer und irischer Umweltpolitik bedarf es der Formulierung eines Gesetzes, das den Politikinhalt der IVU-Richtlinie in irisches Recht umsetzt. Dabei konstituieren die Akteure, die an der Formulierung dieses Gesetzes beteiligt sind, ein Policy-Subsystem. Die Protection of the Environment Bill wurde im Department of the Environment and Local Government geschrieben. Die rechtliche Form wurde in der Abtei-lung des Attorney General ausgearbeitet. Der Attorney General berät die Regierung in Rechtsangelegenheiten und vertritt den Staat in Rechtsverfahren, gehört jedoch selbst nicht der Regierung an. Während der Entstehung des Gesetzesentwurfs fanden Beratungen mit der EPA sowie mit Interessenorganisationen, insbesondere aus der Industrie und der Landwirt-schaft, statt (Antwort Devlin). Ferner sind die im Oireachtas vertretenen Parteien Green Par-ty, Fianna Fáil, Fine Gael, Labour ParPar-ty, Progressive Democrats und Sinn Féin an dem Poli-tikformulierungsprozess, der die IVU-Richtlinie in irisches Recht umsetzt, beteiligt.

Die Akteure innerhalb des Policy-Subsystems, die ein gemeinsames belief system teilen und ihre Handlungen zu einem nicht-trivialen Grad koordinieren, werden, wie in Kapitel 3.1 be-schrieben, zu Advocacy-Koalitionen zusammengefasst. Der Policy-Kern des belief systems der Akteure wird anhand der Debatten im Seanad über die Protection of the Environment Bill dargestellt42. Entscheidend für die Zugehörigkeit zu einer Advocacy-Koalition ist dabei die

42 Da die Protection of the Environment Bill erst im April 2003 an den Dáil weitergeleitet wurde, war es nicht möglich, die Diskussion im Dáil in dieser Abhandlung zu berücksichtigen. Obgleich die Debatten im Seanad sachlicher und konstruktiver und somit weniger konfrontativ als im Dáil geführt werden, lassen sie dennoch das

Auffassung des jeweiligen Akteurs über die Umsetzung der IVU-Richtlinie. Regelungsinhalte der Protection of the Environment Bill, die nicht die rechtliche Implementation der IVU-Richtlinie betreffen, sind hingegen für die Konstitution von Advocacy-Koalitionen nicht rele-vant. Unter den Akteuren des Policy-Subsystems war unstrittig, dass es der Umsetzung der IVU-Richtlinie in irisches Recht bedarf (Antwort Devlin). Der Großteil der Mitglieder des Seanads begrüßte den Gesetzentwurf und insbesondere die Umsetzung der IVU-Richtlinie in irisches Recht wurde über die Parteigrenzen hinweg unterstützt (Seanad Éireann, 2003b, 2003c). Obgleich die Oppositionspartei Fine Gael den Gesetzentwurf ablehnte, befürwortete sie die rechtliche Implementation der IVU-Richtlinie und kritisierte darüber hinaus die Träg-heit, mit der Irland die europäische Umweltpolitik umsetzt (Seanad Éireann, 2003b: 3/27).

Die Hauptauseinandersetzung bei der Diskussion der Protection of the Environment Bill be-traf Neuregelungen im Bereich der Abfallbehandlung (Seanad Éireann, 2003b, 2003c, 2003e).

Sowohl das Abfallaufkommen privater Haushalte als auch die Menge industrieller Abfälle hatte in Irland seit Mitte der achtziger Jahre stark zugenommen. Dennoch bestehen nur weni-ge Versuche, die Entstehung von Abfällen zu vermeiden, und der Großteil der Rückstände wird über Deponien entsorgt. Die EPA forderte deshalb weitere Maßnahmen, um das Abfall-problem zu bekämpfen (Kirby, 2002: 66f.). Um gegen das AbfallAbfall-problem vorzugehen, sieht die Protection of the Environment Bill Änderungen im Waste Management Act aus dem Jahre 1996 vor, die die seitdem gesammelten Erfahrungen berücksichtigen und eine wirksamere Durchsetzung der Vorschriften erreichen sollen. Insbesondere wird die Aufgabe, Programme zur Abfallbehandlung zu erstellen, der lokalen Verwaltung übertragen. Somit wird die Über-prüfung, Veränderung und Ersetzung von Programmen zur Abfallbehandlung, die Gebühren-regelungen einschließen, eine Aufgabe der Exekutive (Seanad Éireann, 2003a). Zuvor waren hierfür die lokalen Parlamente, City Councils und County Councils, verantwortlich. Diese Neuregelung im Bereich der Abfallbehandlung stieß bei den Oppositionsparteien Fine Gael und Labour Party auf heftige Kritik, die die Verschiebung der Zuständigkeit zugunsten der Exekutive als einen Angriff auf die lokale Demokratie werteten. Indem gewählten Lokalpoli-tikerinnen und Lokalpolitikern Einfluss entzogen wird, so die Argumentation der Oppositi-onsparteien, werde eine notwendige politische Dezentralisierung verhindert (Seanad Éireann, 2003e, 2003f). Da jedoch die umstrittenen Neuregelungen im Abfallrecht nicht vorgenommen wurden, um Anforderungen der IVU-Richtlinie zu entsprechen (Antwort Devlin), begründen

belief system der Akteure erkennen, da auch im Seanad die Hauptkonfliktlinie zwischen den politischen Parteien verläuft (Gallagher, 1999: 198-200).

diese Meinungsverschiedenheiten nicht die Zugehörigkeit zu verschiedenen Advocacy-Koalitionen.

Änderungsanträge, die den Teil der Protection of the Environment Bill betrafen, der Erforder-nisse der IVU-Richtlinie in irisches Recht umsetzt, bezogen sich lediglich auf sekundäre As-pekte des Politikinhalts. Mit dem Vorschlag, den Hinweis auf die Kosten, die bei der Ver-wendung der BVT entstehen, an einer Stelle im Gesetzestext zu streichen, sollte eine starke Betonung der Kosten zuungunsten des Schutzes der Umwelt vermieden werden. Dieser An-trag zielte nicht auf eine Änderung des Policy-Kerns, da die Berücksichtigung der Kosten an sich nicht in Frage gestellt wurde. Der Gesetzesentwurf sieht ohnehin vor, bei der Bestim-mung der BVT, die Umstände des ökonomisch sowie des technisch Machbaren zu berück-sichtigen (Seanad Éireann, 2003d). Ferner waren sekundäre Aspekte von dem Änderungsan-trag betroffen, die Größenschwelle für die Genehmigungspflicht von Schweinezuchtbetrieben von 650 Säuen, wie es die Protection of the Environment Bill vorsieht, auf 750 Säue, wie es die IVU-Richtlinie vorschreibt, anzuheben (Seanad Éireann, 2003g). Auch hier war lediglich eine Akzentverschiebung bei der Gewichtung einzelner Aspekte des Problembereichs und nicht der Policy-Kern des Politikinhalts Ziel des Änderungsantrags. Insgesamt bestanden hin-sichtlich des Policy-Kerns der IVU-Richtlinie keine Differenzen unter den Akteuren des Poli-cy-Subsystems.

Da sämtliche Akteure, die an der Formulierung der Protection of the Environment Bill betei-ligt waren (und beteibetei-ligt sind), den Policy-Kern der IVU-Richtlinie teilen, werden sie zu einer Advocacy-Koalition zusammengefasst. Nach dem englischen Ausdruck für IVU wird diese Advocacy-Koalition IPPC-Koalition genannt. Policy-Subsysteme, in denen nur eine Advoca-cy-Koalition besteht, werden als ruhige Policy-Subsysteme bezeichnet, in denen das Kon-fliktniveau gering ist (Sabatier, 1988: 140). Innerhalb eines ruhigen Policy-Subsystems be-steht entweder eine symbiotische oder keine Interdependenz unter den Akteuren. Eine kompe-titive Interdependenz ist nicht möglich, da in diesem Fall mindestens zwei Advocacy-Koalitionen um Ressourcen konkurrieren (vgl. Kap. 3.2). Wenn die Akteure innerhalb des Policy-Subsystems den Policy-Kern ihres belief systems teilen, entsteht bereits bei nicht vor-handener Interdependenz eine schwache Koordination unter den Akteuren (Fenger/Klok, 2001: 161-164)43, die ausreicht, um eine Advocacy-Koalition zu konstituieren (Zafon-te/Sabatier, 1998 : 480). Eine ausreichende Koordination unter den Akteuren und ein

gemein-samer Policy-Kern, der dem Politikinhalt der IVU-Richtlinie gleicht, konstituieren die IPPC-Koalition, die die IVU-Richtlinie in irisches Recht umsetzt.