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Ebenso wie Arbeiten über Policy-Netzwerke und Policy-Communities repräsentieren Arbei-ten über Advocacy-Koalitionen wissenschaftliche Anstrengungen, den komplexen Politikfor-mulierungsprozess zu erklären (Schlager, 1995: 243). Für die Erklärung des Policy-Outputs bezieht der Advocacy-Koalitionsansatz sowohl institutionelle Faktoren als auch Faktoren, die den Prozesscharakter der Politikformulierung berücksichtigen, mit ein (Mayntz, 1997: 178f.).

Dabei verbindet er, so Eberg, institutionalistische und konstruktivistische Ansätze miteinan-der. Aus einer idealtypischen Perspektive können die institutionalistischen Elemente des Ad-vocacy-Koalitionsansatzes der Subsystem-Umwelt zugerechnet werden und die konstruktivis-tischen Elemente dem Policy-Subsystem selbst (Eberg, 1997: 22, 233). Allerdings sind Insti-tutionen auch innerhalb des Policy-Subsystems relevant, indem Subsysteme mehrere Ebenen der Staatsorganisation umfassen und Koalitionen die Policy-Arenen wählen, die für die Durchsetzung ihrer Ziele vorteilhaft sind (Schlager, 1999: 249). Eberg charakterisiert den Teil des Advocacy-Koalitionsansatzes, der sich mit dem Policy-Subsystem beschäftigt, als kon-struktivistisch, weil policy-orientiertem Lernen dort eine zentrale Rolle zugesprochen wird.

orientiertes Lernen bildet eine zusätzliche Perspektive für die Analyse von Policy-Wandel (Eberg, 1997: 11, 233). Die Berücksichtigung von policy-orientiertem Lernen ist, so Bennett/Howlett, auf der einen Seite hilfreich für die Erklärung des Politikformulierungspro-zesses, stellt jedoch auf der anderen Seite nur teilweise ein Korrektiv für Ansätze dar, die Po-licy-Wandel als Folge von Macht und Konflikt betrachten. Insbesondere methodologische Probleme verhindern es, policy-orientiertes Lernen isoliert von Policy-Wandel zu beobach-ten17. Wissen und Informationen sollten als weitere Ressourcen betrachtet werden, die die Machtverhältnisse unter den Akteuren beeinflussen (Bennett/Howlett, 1992: 288-291).

Der Advocacy-Koalitionsansatz nimmt an, dass die Akteure rational handeln und versuchen, ihre Ziele zu erreichen, indem sie Informationen und weitere Ressourcen einsetzen (Saba-tier/Jenkins-Smith, 1999: 130). Gemeinsame belief systems leiten dabei das Handeln der Ak-teure und halten Koalitionen zusammen. Sabatier und Jenkins-Smith widersprechen auf der einen Seite der Auffassung, dass diese beiden Funktionen von ökonomischen Eigeninteressen und Organisationsinteressen erfüllt werden, räumen aber auf der anderen Seite ein, dass belief systems und Interessen empirisch nicht voneinander getrennt werden können, da eine Kovari-anz zwischen beiden Faktoren besteht. Der Advocacy-Koalitionsansatz bezieht sich auf belief systems, da sie umfassender und besser nachprüfbar als Interessen sind. Belief systems schlie-ßen Eigeninteressen und Organisationsinteressen mit ein (Sabatier, 1988: 141f.; Jenkins-Smith/Sabatier, 1994: 195). Die Subsumtion von Interessen unter das belief system erzeugt zwei Schwächen des Koalitonsansatzes. Zum einen berücksichtigt der Advocacy-Koalitionsansatz nicht Policy-Wandel, der auf unterschiedliche Interessen von Koalitionsmit-gliedern, die weiterhin ein belief system teilen, zurückzuführen ist. Zum anderen kann der Advocacy-Koalitonsansatz strategisches Handeln nicht erklären, weil das Interesse der

17 „We may only know that learning is taking place because policy change is taking place“ (Bennett/Howlett,

re nicht als eigenständiger handlungsleitender Faktor berücksichtigt wird (Schla-ger/Blomquist, 1996: 661). Allerdings ist der Advocacy-Koalitionsansatz durch die umfas-sende Definition handlungsleitender Faktoren in der Lage, unterschiedliche Motivationen menschlicher Handlungen zu erfassen, und somit den Policy-Prozess relativ genau zu erklären (Schlager, 1995: 255).

Der Advocacy-Koalitionsansatz schließt die handelnden Individuen in die Betrachtung ein, bezieht sich in seinem Kern jedoch auf die Ebene des kollektiven Handelns, indem die Advo-cacy-Koalitionen den zentralen Bestandteil des Ansatzes darstellen (Schlager, 1999: 238).

Während der Advocacy-Koalitionsansatz auf der individuellen Ebene genaue Aussagen über die Struktur und Stabilität von belief systems sowie den Prozess des policy-orientierten Ler-nens macht, werden Phänomene auf der kollektiven Ebene und systematische Verbindungen zwischen den Untersuchungsebenen nur unzureichend berücksichtigt. Es wird weder erklärt, wie Individuen Probleme des kollektiven Handelns überwinden und sich zu einer Advocacy-Koalition zusammenschließen18, noch wie sie ihre Handlungen koordinieren, um gemeinsame Ziele zu verfolgen. Des Weiteren gibt der Advocacy-Koalitonsansatz nicht an, auf welche Weise strukturelle Faktoren das Handeln der Advocacy-Koalitionen beeinflussen und wie belief systems in Policy-Outputs übertragen werden (Schlager, 1995: 246, 260). Wie eng be-lief systems und Policy-Outputs miteinander verbunden sind, hängt von nationalen Institutio-nen ab (Schlager, 1999: 249f.).

Zafonte/Sabatier teilen Schlagers Kritik am Advocacy-Koalitionsansatz, dass ein gemeinsa-mes belief system keine hinreichende Bedingung für koordiniertes Handeln darstellt. Aller-dings betrachten sie nicht wie Schlager eine starke Koordination, sondern eine schwache Ko-ordination als konstitutiv für Advocacy-Koalitionen. Im Gegensatz zu einer starken Koordina-tion, die die Entwicklung, KommunikaKoordina-tion, Akzeptanz und Durchführung eines gemeinsamen Handlungsplans umfasst, bezieht sich eine schwache Koordination auf Akteure, die ihr politi-sches Verhalten gegenseitig beobachten und ihre Handlungen so anpassen, dass sich ihre

1992: 290).

18 Probleme des kollektiven Handelns entstehen, wenn es nicht möglich ist, diejenigen vom Gebrauch eines Gu-tes auszuschließen, die keinen Beitrag zu dem kollektiven Nutzen dieses GuGu-tes leisten. Dabei ist das Ausmaß des Problems des kollektiven Handeln abhängig von der Art des Gutes (Ostrom, 2002: 31). Das Problem des kollek-tiven Handelns geht insbesondere auf die Arbeit von Olson zurück. Danach setzen sich Individuen in großen Gruppen nicht für die Herstellung oder den Schutz eines Kollektivgutes ein, weil sie an dem Nutzen des Gutes auch dann teilhaben, wenn sie die Kosten für die Herstellung oder den Schutz des Gutes nicht tragen (Trittbrett-fahrerproblem). Ein Kollektivgut ist dadurch definiert, dass es niemandem aus der Gruppe vorenthalten werden kann, wenn es von irgendeiner Person konsumiert wird. Das Problem des kollektiven Handelns kann durch se-lektive Anreize oder durch Zwang überwunden werden (Olson, 1968).

tischen Strategien hinsichtlich des gemeinsamen Ziels ergänzen. Akteure koordinieren ihre Handlungen dann, wenn sie zum einen den Policy-Kern des belief systems teilen und zum anderen voneinander abhängig sind. Zafonte/Sabatier stellen für sich überlappende Policy-Subsysteme fest, dass bei Übereinstimmung des Policy-Kerns die Koordination zunimmt, während bei Unterschieden im Policy-Kern das Konfliktniveau steigt. Mit zunehmender funk-tionaler Interdependenz zwischen den Akteuren steigt die Bedeutung von gemeinsamen belief systems für die Erklärung von Koordination und Konflikt unter den Akteuren. Bei fehlender funktionaler Interdependenz besteht dagegen weder die Notwendigkeit für Koordination noch der Grund für Konflikt (Zafonte/Sabatier, 1998: 478-482, 502).

Während die Argumentation von Zafonte/Sabatier auf sich überlappende Policy-Subsysteme begrenzt ist, gehen Fenger/Klok einen Schritt weiter und argumentieren, dass die Interdepen-denz zwischen Akteuren generell einen wichtigen Faktor für das Koalitionsverhalten inner-halb eines Policy-Subsystems darstellt. Sie unterscheiden zwei Arten von Interdependenzen.

Situationen, in denen die Handlung eines Akteurs zur Erreichung der Ziele des anderen Ak-teurs beiträgt, werden symbiotische Interdependenz genannt. Situationen, in denen dagegen die Handlung eines Akteurs die Fähigkeit des anderen Akteurs, sein Ziel zu erreichen, ein-schränkt, werden als kompetitive Interdependenz bezeichnet. Während symbiotische pendenz die Akteure veranlasst, ihre Handlungen zu koordinieren, führt kompetitive Interde-pendenz zu Konflikt unter den Akteuren. Fenger/Klok erwarten weniger Koordinationsprob-leme innerhalb einer Advocacy-Koalition als dies Schlager tut. Nach deren Verständnis be-steht eine symbiotische Interdependenz innerhalb einer Advocacy-Koalition dadurch, dass die Mitglieder der Koalition über unterschiedliche Ressourcen verfügen, die nur durch einen ko-ordinierten Einsatz für alle Mitglieder nutzbringend sind. Diese Vorstellung entspricht der Annahme des Advocacy-Koalitionsansatzes, wonach Ressourcen die Faktoren darstellen, die es Koalitionen ermöglichen, ihre Strategien zu verfolgen (Fenger/Klok, 2001: 160-166).

Die Aggregation einzelner Akteure zu Advocacy-Koalitionen hat Vorteile gegenüber der Konzeption von korporativen Akteuren als zentrale Handlungseinheiten. Während institutio-nalistische Ansätze zahlreiche korporative Akteure auf unterschiedlichen Ebenen der Staats-organisation in die Analyse mit einbeziehen, gelingt es dem Advocacy-Koalitionsansatz, die Anzahl der Akteure innerhalb eines Policy-Subsystems auf zwei bis vier Advocacy-Koalitionen zu reduzieren. Der Advocacy-Koalitionsansatz bezieht jedoch Institutionen in die Analyse ein, indem er berücksichtigt, dass Institutionen Koalitionsmitglieder mit

wesentli-chen Ressourcen ausstatten (Sabatier, 1988: 139f.). Dadurch dass der Advocacy-Koalitionsansatz auf eine systematische Trennung zwischen staatlichen und verbandlichen Akteuren verzichtet, wird er den Besonderheiten der europäischen Politik gerecht (Bandelow, 1999: 45). Im Folgenden wird gezeigt, dass sich der Advocacy-Koalitionsansatz darüber hin-aus für die Analyse der rechtlichen Implementation europäischer Policy-Outputs eignet.