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Damit europäische Umweltschutzrichtlinien ihre Ziele, die Rechtsangleichung unter den Mit-gliedstaaten sowie den Schutz der natürlichen Umwelt, erreichen, ist es erforderlich, dass die

rechtliche Implementation auch innerhalb der vorgesehenen Frist abgeschlossen wird. Aller-dings ist „[b]ei so gut wie allen Richtlinien [...] die fristgemäße Umsetzung in innerstaatliches Recht die Ausnahme, nicht die Regel“ (Krämer, 1996: 14). Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird die Analyse der rechtlichen Implementation der IVU-Richtlinie auf die Zeit nach Ablauf der Umsetzungsfrist im Oktober 1999 ausgedehnt. Daraus folgt, dass die zuvor ausge-klammerte unabhängige Variable ‚Vertragsverletzungsverfahren‘ wieder in die Untersuchung aufgenommen wird. Ferner wird die fristgerechte Richtlinienumsetzung aus der Definition der abhängigen Variablen gestrichen. Um diese Veränderung anzuzeigen, werden die Ausprägun-gen in Anführungszeichen gesetzt. Demnach ist die rechtliche Implementation „effektiv“, wenn die Richtlinie inhaltlich vollständig und korrekt sowie in der geeigneten Rechtsform in nationales Recht umgesetzt wird. Wenn eine dieser Anforderungen nicht erfüllt ist, ist die rechtliche Implementation „ineffektiv“.

Die Europäische Kommission leitete im November 2000 ein Vertragsverletzungsverfahren wegen fehlerhafter Umsetzung der UVP-Richtlinie und der UVP-Änderungsrichtlinie gegen Deutschland ein. Aufgrund der inhaltlichen Überschneidung und der gemeinsamen Umset-zung der Richtlinien im sog. Artikelgesetz bezog sich das VertragsverletUmset-zungsverfahren auch auf die rechtliche Implementation der Richtlinie. Im August 2001 wurde die IVU-Richtlinie in Deutschland „effektiv“ in nationales Recht umgesetzt. Gegen Irland wurde bis-her kein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet und die rechtliche Implementation bleibt bis zur noch ausstehenden Verabschiedung der Protection of the Environment Bill durch den Dáil

„ineffektiv“. Abbildung 5 zeigt die Ausprägungen der Variablen nach der Verabschiedung des sog. Artikelgesetzes im August 2001.

Abb. 5: Ausprägungen der Variablen nach Verabschiedung des sog. Artikelgesetzes

X1 X2 X3 Y

Grad der

Kompatibilität

effektive Veto-Punkte

Vertragsverlet-zungsverfahren

rechtliche Implementation

Deutschland gering vorhanden eingeleitet „effektiv“

Irland hoch nicht vorhanden nicht eingeleitet „ineffektiv“

Die in Abbildung 5 dargestellten Ausprägungen der Variablen sind der Interpretation anhand einer strikten Auslegung von Mills method of difference nicht zugänglich, weil nicht genü-gend unabhängige Variablen in ihren Ausprägungen über die Fälle hinweg konstant gehalten werden, um die unterschiedliche Ausprägung der abhängigen Variablen erklären zu können.

Allerdings ist eine Interpretation möglich, wenn Mills Methode nur als grobe Richtschnur dient und die theoretischen Annahmen über die Effektivität der rechtlichen Implementation berücksichtigt werden. Weder in Deutschland noch in Irland liegen die Variablen ‚Grad der Kompatibilität‘ und ‚effektive Veto-Punkte‘ in der Ausprägung vor, die aus theoretischer Sicht die Ausprägung der abhängigen Variablen erklären könnte. Lediglich die Variable ‚Ver-tragsverletzungsverfahren‘ bestätigt die theoretischen Annahmen. Während in Deutschland das eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren mit der „effektiven“ rechtlichen Implementati-on korrespImplementati-ondiert, ist in Irland das Ausbleiben eines Vertragsverletzungsverfahrens mit der

„ineffektiven“ rechtlichen Implementation verbunden. Werden die theoretischen Annahmen und die empirischen Ergebnisse zusammengeführt, dann kommt lediglich das Ausbleiben eines Vertragsverletzungsverfahrens für die Erklärung der „ineffektiven“ rechtlichen Imple-mentation in Betracht. Diese Interpretation wird gestützt, wenn die Umsetzung der IVU-Richtlinie in deutsches Recht betrachtet wird. Nach Ablauf der Umsetzungsfrist war die recht-liche Implemetation in Deutschland ineffektiv. Nachdem ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde, wurde die IVU-Richlinie bei konstanter Ausprägung der Variablen ‚Grad der Kompatibilität‘ und ‚effektive Veto-Punkte‘ zumindest noch „effektiv“ in deutsches Recht umgesetzt. Folglich begünstigt die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens die „effek-tive“ rechtliche Implementation.

Im Gegensatz zu der Variablen ‚Vertragsverletzungsverfahren‘, wurde die Wirkung der Vari-ablen ‚Grad der Kompatibilität‘ und ‚effektive Veto-Punkte‘ im Ländervergleich nicht bestä-tigt. Allerdings wurde angenommen, dass ein geringer Grad der Kompatibilität und ein daraus folgender hoher externer Anpassungsdruck zu einer ineffektiven Implementation der IVU-Richtlinie führt. Diese Annahme beruht auf der theoretischen Perspektive des soziologischen Institutionalismus. Aus der Sicht des rationalistischen Institutionalismus führt ein hoher ex-terner Anpassungsdruck dagegen zu einem Wandel nationaler Politikinhalte (Börzel/Risse, 2002: 91-97). Der Wandel nationaler Policies ist eng mit der effektiven rechtlichen Imple-mentation verbunden, weil bei keiner Richtlinie eine vollständige Übereinstimmung von eu-ropäischen und nationalen Politikinhalten besteht (Demmke/Unfried, 2001: 125). Um eine Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, ist deshalb eine Veränderung von Politikinhalten

in den Mitgliedstaaten notwendig. In Deutschland musste das sektoral ausgerichtete Umwelt-recht um Elemente des integrierten Umweltschutzes ergänzt werden und in Irland sind gering-fügige Änderungen im IPC-System erforderlich, obgleich ein hoher Grad der Kompatibilität von irischer und europäischer Umweltpolitik besteht.

Während die Deutung, ein geringer Grad der Kompatibilität begünstige eine ineffektive Implementation, nicht bestätigt werden konnte, wird im Folgenden geprüft, ob ein hoher Grad der Kompatibilität ein Problem für die effektive rechtliche Implementation sein könnte. Dabei wird weiterhin angenommen, dass der Grad der Kompatibilität lediglich einen Erklärungsfak-tor darstellt, der nur zusammen mit anderen FakErklärungsfak-toren das Policy-Output erklärt (Risse et al., 2001: 9). Die These lautet dann, dass die rechtliche Implementation effektiv ist, wenn ein ge-ringer Grad der Kompatibilität vorliegt, aus dem ein hoher externer Anpassungsdruck folgt, und keine effektiven Veto-Punkte vorhanden sind, die die Verabschiedung des Policy-Outputs blockieren. Umgekehrt ist die rechtliche Implementation dann ineffektiv, wenn eine der bei-den Bedingungen nicht gegeben ist. Dieser Interpretation widersprechen die in Abbildung 4 dargestellten Ergebnisse der rechtlichen Implementation in Deutschland und Irland nicht. In beiden Ländern lag lediglich eine der beiden Bedingungen für eine effektive Umsetzung der IVU-Richtlinie vor. Während in Deutschland der Bundesrat als effektiver Veto-Punkt für die ineffektive rechtliche Implementation verantwortlich ist, löste in Irland der hohe Grad der Kompatibilität von europäischer und irischer Umweltpolitik keinen externen Anpassungs-druck aus, der für eine effektive Implementation notwendig gewesen wäre. Die ineffektive Implementation in Irland ist aus dieser Perspektive die Folge des geringen externen Anpas-sungsdrucks.

Der Makro-Vergleich der Politikformulierungsprozesse, die in Deutschland und Irland die IVU-Richtlinie in nationales Recht umsetzten, stützt die Interpretation, dass Probleme der rechtlichen Implementation europäischer Richtlinien dann auftreten, wenn ein hoher Grad der Kompatibilität von europäischer und nationaler Politik vorliegt oder effektive Veto-Punkte bestehen. Nur wenn der Grad der Kompatibilität gering und kein effektiver Veto-Punkt vor-handen ist, werden Richtlinien der EU effektiv in nationales Recht umgesetzt. Im Falle einer ineffektiven Implementation begünstigt ein von der Europäischen Kommission eingeleitetes Vertragsverletzungsverfahren schließlich die „effektive“ rechtliche Implementation. Der Makro-Vergleich weist auf der einen Seite darauf hin, in welche Richtung die unabhängigen Variablen wirken, zeigt jedoch auf der anderen Seite nicht, auf welche Weise sie wirken. Um

letzteres zu untersuchen wird im Folgenden die Wirkung der unabhängigen Variablen auf die Akteure des Policy-Subsystems in den Vergleich einbezogen.