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2.3 Mycoplasma bovis

2.3.2 Klinik

Heute gilt M. bovis als wichtigster Erreger boviner Mykoplasmosen in Europa und Nordamerika. Während in Gebieten mit intensiver Milchviehhaltung vornehmlich die enzootische M. bovis-Mastitis auftritt und erhebliche ökonomische Verluste hervorruft, werden in Gebieten mit kleineren Herden durch M. bovis hauptsächlich Pneumonien und Arthritiden bei Kälbern und Jungrindern hervorgerufen, was ebenfalls zu ökonomischen Verlusten, v.a. bedingt durch die verringerten täglichen Zunahmen, führt. In diesen Fällen ergibt sich der Verdacht auf das Vorliegen einer mykoplasmalen Infektion oft erst durch das Versagen antibiotischer Therapieansätze (PFÜTZNER u. SACHSE 1996).

Die Ursachen für die umfangreichen wirtschaftlichen Einbußen liegen in der häufig seuchenhaften Ausbreitung der Erkrankungen im Bestand. Es kommt zu Milchverlusten und verminderten Tagesgewichtszunahmen, herabgesetzter Fruchtbarkeit und nicht selten zur Merzung oder Krankschlachtung von Tieren. Weiterhin werden aufgrund diagnostischer Schwierigkeiten nicht immer alle Krankheitsträger sicher erkannt und es können, v.a. nach einer Therapie, latent infizierte oder nur vorübergehend bzw. scheinbar erregerfreie Tiere als Quelle für neue Ansteckungen zurückbleiben (BOUGHTON 1979).

Schließlich besteht eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Sekundärinfektionen.

2.3.2.1 Infektionswege

Als generell im Vordergrund stehende Infektionswege sind die galaktogene Infektion des Euters sowie die aerogene Infektion beschrieben worden. Zusätzlich spielen die Deckinfektion sowie die intrauterine Infektion von Kälbern eine gewisse Rolle.

Die M. bovis-Infektion des Euters erfolgt vornehmlich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Melkprozeß, wenn die Zitzenkanäle vorübergehend erweitert sind. Dementsprechend werden für diesen Übertragungsweg in der Hauptsache kontaminierte Melkzeuge und andere Melkhygienemängel als ursächlich angenommen. Die Ausbreitung der Infektion von einem zum anderen Euterviertel erfolgt hämatogen und auf diese Weise können auch weitere Organe besiedelt werden. Für die Übertagung von Tier zu Tier spielen klinisch gesunde Ausscheidertiere sowie Verschmutzungen von Tieren und Liegeflächen ebenfalls eine bedeutsame Rolle (PFÜTZNER u. SACHSE 1996). Es kann dann auch zu einer aerogenen Übertragung via Respirationstrakt mit anschließender Generalisierung und sekundärer Manifestation der Entzündung im Euter kommen (FINCHER 1964;

PFÜTZNER 1984a). Schafe können den Erreger durch Kontakt mit Rindern aufnehmen und sollten somit als mögliches Reservoir in Betracht gezogen werden (BOCKLISCH et al. 1987). Nicht zuletzt kann auch eine iatrogene Übertragung des Erregers von Euter zu Euter stattfinden, wenn bei der intrazisternalen Anwendung von Antibiotika sterile Kautelen außer Acht gelassen werden (PFÜTZNER 1990).

In Bezug auf die durch ihn hervorgerufenen Pneumonien und Pleuritiden ist für M. bovis wie für viele andere Mykoplasmen seine hohe Affinität zu den Epithelzellen des Respirationtraktes von Bedeutung. Die Ausbreitung des Erregers im Bestand erfolgt über direkten Tierkontakt mit Nasensekreten oder via Tröpfcheninfektion. Auch kontaminierte Staubpartikel können als Vektoren dienen. Klinisch gesunde Tiere können den Erreger z.T. über Jahre mit den Nasensekreten ausscheiden (PFÜTZNER u. SACHSE 1996).

Durch M. bovis ausgelöste Arthritiden, treten bei Kühen häufig im Gefolge von Mastitiden, bei Kälbern in Verbindung mit bzw. als Komplikation von bestehenden Bronchopneumonien auf (PFÜTZNER et al. 1980, ADEGBOYE et al. 1996).

STIPKOVITS et al. (1993) berichten über die Koinzidenz mit Meningitiden. Teilweise tritt die Arthritis aber auch eigenständig auf (WENTINK et al. 1987). So wird besonders in Beständen, in denen durch ein bestehendes Problem mit der M. bovis-Mastitis in der Kuhpopulation ein hoher Infektionsdruck auf die Jungtiere ausgeübt wird, das solitäre Vorkommen von Arthritiden beschrieben. In Bezug auf die Alleinmanifestation wird aber auch vermutet, daß vorausgegangene subklinische Infektionen anderer Organsysteme oft unbemerkt bleiben (GOURLAY 1981). Innerhalb eines Bestandes wird die Arthritis durch Rinder verbreitet, die den Erreger auf den Schleimhäuten des Respirationstrakts tragen.

Weniger häufig ist der intrauterine Infektionsweg, in dessen Folge es zum Nachweis des Erregers in abortierten Feten und dem Auftreten der Arthritis bereits am ersten Lebenstag kommen kann (STAHLHEIM und PROCTOR 1976).

Bei der Manifestation von M. bovis-Infektionen im Genitaltrakt wird die Infektion des weiblichen Genitale wahrscheinlich vor allem durch künstliche Befruchtung mit kontaminiertem Sperma hervorgerufen. Auch der natürliche Deckakt stellt einen Übertragungsweg dar. Der Erreger kann dann aszendieren und intrauterin auf den Foetus (GRUNERT et al. 1992) oder post partum durch Milch oder die kontaminierte Umwelt auf das neugeborene Kalb übertragen werden (STAHLHEIM u. PROCTOR 1976). M.

bovis wurde in diesem Zusammenhang auch aus abortierten Rinderfeten isoliert (KAPOOR et al. 1993). Auch das männliche Genitale kann aufsteigend von dem Erreger besiedelt werden.

2.3.2.2 Mastitis

Von allen durch M. bovis hervorgerufenen Krankheiten besitzt die enzootische Mastitis sicher die weltweit größte Bedeutung. Sie kann in allen Laktationsstadien und auch bei trockenstehenden Kühen auftreten, bei denen die Mastitis jedoch zumeist subklinisch verläuft (BAR-MOSHE 1974, RUHNKE et al. 1976, JASPER 1977, BOUGHTON u.

WILSON 1978, ILLING 1979, WEIGT et al. 1981). Die Morbidiät variiert abhängig von der Herdengröße sowie von der Schnelligkeit und Effektivität eingeleiteter Gegenmaßnahmen zwischen 10 und 50 % (PFÜTZNER u. SACHSE 1996).

Ein gehäuftes Auftreten ist laut PFÜTZNER et al. (1981b) jedoch vor und nach dem Abkalben feststellbar. PFÜTZNER u. SACHSE (1996) sahen ein vermehrtes Vorkommen und besonders schwere Verlaufsformen nach der Abkalbung und im Zusammenhang mit Neuausbrüchen der Erkrankung. BAUMGÄRTNER (1999) beschreibt eine Häufung im ersten Drittel der Laktation.

Als prädisponierende Faktoren für eine klinische Erkrankung stellten PFÜTZNER (1990) und BAUMGÄRTNER (1999) hohe Milchleistung, den Verbleib euterkranker Kühe in der Herde, Stallklimamängel, Fütterungsfehler, sozialen Stress, Mängel in der Melktechnik sowie die ausbleibende Quarantäne von Zukaufstieren fest.

EMMERT et al. (1996) sahen in einer bestehenden Mastitis, hervorgerufen durch andere Keime, den hauptsächlich prädisponierenden Faktor für eine Euterinfektion durch M.

bovis und wiesen gleichfalls auf die Bedeutung ungünstiger Klimafaktoren hin. Neben anderen beschreiben GHADERSOHI et al. (1999) ebenfalls das vergesellschaftete Vorkommen von M. bovis mit anderen Mastitiserregern, vermuten aber in diesem Zusammenhang eine Funktion von M. bovis als Wegbereiter für andere Keime.

Die Infektion beginnt meist akut. In diesem Stadium sind z.T. Störungen des Allgemeinbefindens, Temperaturerhöhung und Inappetenz anzutreffen, die eine mögliche hämatogene Streuung der Erreger begünstigen können. Die Mastitis befällt schließlich rasch mehrere oder alle Euterviertel. Es tritt ein dramatisches Absinken der ermelkbaren Milchmenge auf. Die Viertel schwellen ödematös an; eine vermehrte Rötung und Wärme sind aber zumeist nicht feststellbar. Innerhalb weniger Wochen kommt es dann in schweren Fällen zur Induration und Atrophie der betroffenen Viertel, die eine Agalaktie nach sich zieht.

Zur Auslösung der Erkrankung genügen experimentell bereits 70 Kolonie-bildende Einheiten (colony forming units, CFU) des Erregers, was auf seine hohe Eutervirulenz hinweist (BENNETT u. JASPER 1978, 1980). Inkubationszeiten von bis zu mehreren Jahren sind beschrieben worden (PFÜTZNER 1984a). Meistens kommt es aber nach einer Inkubationszeit von zwei bis sechs Tagen zu einem hochgradigen Absinken der Milchleistung (PFÜTZNER u. SACHSE 1996). Auffällig ist die Veränderung der Konsistenz der Milch, die von wässerig und mit Gewebsfetzen durchsetzt über milchig-sämig bis blutig-eitrig reichen kann. Typisch ist eine Phasentrennung mit einer klaren bis

trüben, flüssigen Phase über einem granulierten oder flockigen Sediment. Die Zellzahl in der Milch steigt auf bis zu 50 Millionen Leukozyten je Milliliter an (JASPER et al. 1967, KARBE et al. 1967). Klinisch erkrankte Kühe scheiden zwischen 105 und 108 CFU M.

bovis/ml Milch, Kühe im subklinischen Stadium zwischen 103 bis 106 CFU/ml aus. Es kommt während der Laktationsperiode selten zu einer restitutio ad integrum mit Wiedererreichen der vorherigen Milchleistung. Allerdings wurde auch von Spontanheilungen berichtet (GONZALEZ et al. 1994).

Histologisch können während der akuten Phase eine toxische Schädigung des Alveolarepithels mit vakuolärer Degeneration durch Retention großer Fettropfen in den Zellen und nachfolgender Epitheldegeneration festgestellt werden. Gleichzeitig kommt es zur Füllung der Alveolen mit polymorphkernigen Granulozyten und seröser Flüssigkeit. In der chronischen Phase sieht man eine proliferative interstitielle Entzündung mit interalveolarer Infiltration durch Histiozyten, Lymphozyten, Plasmazellen und Fibroblasten, durch welche faseriges Bindegewebe in den Zwischenalveolarraum eingelagert wird. Es erfolgt eine zunehmende Alveolenatrophie (JASPER 1977, JASPER 1979, SEFFNER u. PFÜTZNER 1980, GROCH 1985, JASPER et al. 1987).

2.3.2.3 Pneumonien

Die M. bovis-Infektion spielt eine wichtige Rolle bei der Kälber- bzw. Rindergrippe.

Hierunter fallen grippeartige Bestandserkrankungen des Rindes, die oft seuchenhaft verlaufen und mit hohen Verlusten einhergehen. Im englischen Sprachraum werden diese unter dem Begriff „bovine respiratory disease“, mit dem wiederum die Bezeichnungen

„enzootic pneumonia“ und „shipping fever“ eng verknüpft sind, zusammengefaßt. In Anlehnung daran wird im weiteren das zu beschreibende Krankheitsbild beim Rind z.T.

als „Enzootische Pneumonie“ bezeichnet. Vor allem nach primären Infektionen mit Viren (PIV 3, BVDV, BHV, BRSV, BCV u.a.) kann eine Infektion mit M. bovis und anderen Bakterien (Pasteurellen, Haemophilus somnus u.a.) zu katarrhalisch-eitrigen Bronchopneumonien führen (BINDER et al. 1990, VAN DONKERSGOED et al. 1993, WENTINK et al. 1994). In diesem Zusammenhang kann M. bovis auch Lungenabszesse verursachen (ADEGBOYE et al. 1995a). In geringerer Prävalenz als bei respiratorisch

erkrankten Rindern konnte M. bovis auch aus klinisch gesunden Tieren isoliert werden (PAL und SINGH 1994). Haltungsbedingte Faktoren begünstigen über eine Resistenzminderung das Haften der Infektion. Experimentell konnte auch M. bovis allein Lungenentzündungen und parallele pathologische Veränderungen auslösen, die klinisch aber nicht feststellbar waren (GOURLAY et al. 1989a). Die Inzidenz der Erkrankung kann bis zu 100 % betragen (PFÜTZNER u. SACHSE 1996). Im typischen Krankheitsfall zeigen sich nach einer Inkubationszeit von zwei bis sechs Tagen erhöhte Körpertemperatur, Freßunlust, seröser bis schleimig-eitriger Nasenausfluß, Tachykardie, Dyspnoe und paroxysmaler, starker Husten. OTTER und FARRER (1997) beschreiben Mischinfektionen des Atmungstrakts unter Beteiligung von M. bovis als Ursache perakuter Todesfälle bei Jungochsen. Histologisch ist die Erkrankung durch mononukleäre Zellinfiltration in das peribronchiale-, das peribronchioläre Gewebe und in die Alveolen gekennzeichnet. Es kommt zu multifokalen Koagulationsnekrosen im Parenchym, in deren Peripherie Entzündungszellen und Erregerkolonien gefunden werden (REILLY et al.

1993, RODRIGUEZ et al. 1996a, 1996b).

2.3.2.4 Arthritiden

Insbesondere bei Kälbern (ROSENBUSCH u. WILLIAMS 1995), in selteneren Fällen auch bei Kühen (HENDERSON u. BALL 1999), kann M. bovis (Poly-)arthritiden auslösen. Die Morbidität beträgt zwischen 10 und 85 % (STAHLHEIM 1976). Die Erkrankung äußert sich durch schwere Lahmheit, schmerzhafte Schwellung der Gelenke und einen Anstieg der Körpertemperatur auf bis zu 41°C. Die Tiere zeigen eine verzögerte Gewichtsentwicklung. Die Synovia in den befallenen Gelenken ist gegenüber der gesunder Gelenke vermehrt, stärker fibrinös und koaguliert rasch nach der Entnahme. Die Gelenkflächen erfahren eine zunehmende Rötung. Klinisch-pathologisch wird das Erscheinungsbild durch Tendovaginitiden, Peritendinitiden und Synovitiden charakterisiert. Histologisch ist eine hochgradige Infiltration von Histiozyten, Lymphozyten und Plasmazellen nachweisbar (CORBOZ et al. 1980). Herdförmige Nekrosen sowie stellenweise starke Fibrinablagerungen kennzeichnen das

Erscheinungsbild des Stratum synoviale in den infizierten Gelenken (THOMAS et al.

1986).

2.3.2.5 Genitalinfektionen

Die Infektion des Genitaltraktes mit M. bovis verusacht beim Bullen Orchitis, Epididymitis, Vesikulitis und eine verminderte Qualität des Samens aufgrund verringerter Spermienkonzentration, -penetrationsfähigkeit und –motilität (EAGLESOME u. GARCIA 1990). M. bovis konnte in Präputialspülproben von Bullen, in frischem sowie tiefgefrorenem Sperma und in Spülungen künstlicher Scheiden nachgewiesen werden (STIPKOWITS et al. 1979, KIRCHHOFF 1982, PFÜTZNER 1984a, KIRCHHOFF u.

BINDER 1986, EDER-ROHM 1996). Aus dem weiblichen Geschlechtsapparat konnte der Erreger mit Hilfe zerviko-vaginaler Tupfer isoliert werden (KUMAR et al. 1988). Als Folge einer Besiedlung des weiblichen oder männlichen Genitale mit M. bovis kann es zu einer Verschlechterung der Fertilisation kommen (EAGLESOME u. GARCIA 1990). Für seropositive Kühe wurde die Verlängerung von Rast- und Zwischenkalbezeiten festgestellt (UHAA et al. 1990). GILBERT u. OETTLE (1990) konnten den Keim neben anderen als Auslöser einer atypischen, granulären Vulvitis bei Färsen ausmachen.

2.3.2.6 Weitere Krankheitsbilder

Weitere durch M. bovis hervorgerufene Krankheitsbilder sind Keratokonjunktivitis (KIRBY u. NICHOLAS 1996), Meningitis (STIPKOVITS et al. 1993) und Otitis media (WALZ et al. 1997). KINDE et al. (1993) beschreiben die ursächliche Beteiligung des Erregers bei einem gruppenhaften Auftreten von Dekubitalabszessen bei Kälbern.

2.3.2.7 Immunantwort

Eine Infektion mit M. bovis führt lediglich zu einer schwachen Immunantwort von begrenzter Dauer (JASPER et al. 1987). Ein zunächst ansteigender Immunglobulin (Ig) M-Spiegel sinkt nach einigen Wochen ab und IgG1-Antikörper dominieren. Dieses Immunglobulin vermittelt die Phagozytose durch Makrophagen. Es wird in dieser

Funktion von opsonisierenden IgG2 sowie IgA-Antikörpern unterstützt. IgG2 vermittelt zudem die Phagozytose durch neutrophile Granulozyten. Durch IgA wird die Adhärenz von M. bovis an das Epithelgewebe gestört; freie Toxine können neutralisiert und die Antigene zur apikalen Seite des Epithels transportiert werden, um sie den Zellen des Immunsystems zu präsentieren (HOWARD u. TAYLOR 1983, HOWARD 1983, HOWARD 1984, HOWARD et al. 1986). Eine zellvermitelte Immunität ist erst etwa sechs Wochen nach der Infektion nachweisbar (BENNETT et al. 1977).

Gegen welche antigenen Strukturen sich die Immunantwort bei M. bovis hauptsächlich richtet wurde jedoch bisher kaum untersucht.