• Keine Ergebnisse gefunden

Klassifizierung der Nutzergruppen

Im Dokument Die strategische Entwicklung (Seite 114-118)

3   Das Stadtquartier als städtisches Element

3.3   Stadtquartiere aus immobilienökonomischer Perspektive

3.3.2   Institutionelle Aspekte des Stadtquartiers

3.3.2.4   Nutzerperspektive

3.3.2.4.1   Klassifizierung der Nutzergruppen

In den Veröffentlichungen zur Stadt- und Quartiersentwicklung werden verschiedene Diffe-renzierungen von Nutzergruppen vorgenommen.473 Innerhalb dieser Arbeit werden im An-schluss vergleichsweise generisch Bewohner, Angestellte und Besucher als Nutzergruppen erläutert und deren Bezug zum Stadtquartier eruiert. Dabei werden die Ansprüche jeweiliger Nutzergruppen an das Quartier und im Umkehrschluss die Bedeutung der jeweiligen Nutzer-gruppe für das Quartier als Ganzes thematisiert sowie abschließend die Struktur der Nut-zungsentscheidung durch die jeweilige Nutzergruppe beleuchtet, um entsprechende ent-scheidungsrelevante Parameter zu identifizieren.474

Aus der Perspektive des Bewohners erfüllt das Quartier die zentralen Funktionen der unmit-telbaren Lebensumwelt. So ist das Quartier sowohl die räumliche Umgebung des Bewoh-ners, in der die Aufgaben und Bedürfnisse der alltäglichen Lebensorganisation verrichtet

470 Dazu zählen insbesondere Mieterqualität, Vermietungsrisiko und damit auch Vermietungsstand, Mieterqua-lität und VolatiMieterqua-lität der Kapitalrückflüsse.

471 Vgl. Jessen (1999), S. 22.

472 Vgl. Beckmann/Tintemann (2004), S. 553. Dabei ist es jedoch bislang unüblich, dass ein Investor das ge-samte Quartier erwirbt. Vielmehr beschränkt sich das Engagement i.d.R. auf einzelne Grundstücke.

473 Vgl. Schelte (1999), S. 133; Juchelka (2006), S. 374; Bertonlini/Spit (1998), S. 213; Pätz/Soehlke (2001), S.

72; Gunßer (2003), S. 6; Silva (1995), S. 109.

474 Diese duale Abhängigkeit wird in Bezug auf Büroimmobilien auch von Dobberstein/Dziomba (2008), S.

398 aufgeworfen. Auf die Bedürfnisse der Nutzer soll jedoch erst weiter unten eingegangen werden.

werden, als auch das soziale Bezugssystem als Grundlage der Identität.475 Daher sind das Quartier, dessen Qualitäten und der jeweilige Zustand insbesondere für Bewohner wichtig.476 Diese persönliche Bedeutung beschreibt STROHMEIER als „ökologische Valenz“ der Nutzer und kann sich auf das gesamte Quartier, jedoch auch auf einzelne materielle, wie verhal-tenswirksame Merkmale beziehen.477 Im Umkehrschluss stellen Bewohner für die Entwick-lung des Quartiers ebenfalls die wohl bedeutendste Gruppe der Quartiersnutzer dar, denn sie bilden einerseits die Basis einer lokalen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen und andererseits die Grundstrukturen für die Entstehung eines sozialen Bezugssystems.478 Somit sind Bewohner besonders zu Beginn der Entwicklung, maßgebliche Image- und Identitäts-stifter der Quartiersentwicklung.479 Ferner sind es jedoch aufgrund ihrer ökologischen Va-lenz ebenfalls die Bewohner, die die nachhaltige Entwicklung des Quartiers beeinflussen und begleiten, weshalb ihnen eine zentrale Bedeutung innerhalb der alltäglichen sozialen Kon-trolle und der langfristigen Entwicklung im Quartier zukommt.480

Eine grundsätzliche Eigenart der Büronutzung stellt die Tatsache dar, dass die Entscheidung eines Unternehmens für einen Standort nur selten von sämtlichen Angestellten gefällt wird.

Die Tatsache, dass das Quartier für den Angestellten gleichzeitig der Arbeitsort ist, impli-ziert, dass die Quartiersnutzung nur zu einem gewissen Teil freiwillig geschieht; durch den Standort des Unternehmens ist es somit quasi unausweichlich, Nutzer des Quartiers zu wer-den.481 Unternehmen und Angestellte nutzen das Quartier somit im Mindestfall als Standort des Arbeitsplatzes, wobei die Nutzung sich in der Regel auf die Zeiten vor, zwischen und nach der Arbeit beschränkt. Folglich reduziert sich der Quartiersnutzen auf die Ausführun-gen des arbeitsnahen Alltags, dennoch spielen diese aus Sicht der Angestellten nicht zuletzt aufgrund einer steigenden Arbeitsbelastung eine wichtige Rolle. So kann insbesondere in Hinblick auf die Aspekte der Erreichbarkeit und Erholungsmöglichkeit eine steigende

475 Vgl. Hesse/Trostorff (2006), S. 188; Bargel/Fauser/Mundt (1983), S. 125-162.

476 Vgl. Hovorka/Redl (1987), S. 114; Weichhart (1990), S. 24.

477 Vgl. Strohmeier (1983), S. 71-73. Dabei wird hier von „Habitatmerkmalen“ gesprochen.

478 Vgl. Weidner (2005), S. 55f.; Carlini et al. (1977), S. 53.

479 Vgl. Tölle (2005), S. 300f.; Schütz/Feldmann (2008), S. 864.

480 Vgl. Wiechers (2005), S. 438-439. Den Grad des Einflusses nennt Strohmeier die „ökologische Potenz“.

Diese impliziert das Ausmaß des materiellen oder auch immateriellen Einflusses auf das Quartiersumfeld und hängt v.a. mit dem Zugang der jeweiligen Gruppe zu Ressourcen und der Motivation der „Investition“

ab. So entsteht ein Zusammenhang zwischen Habitatvalenz und ökologischer Potenz. Vgl. Knötig (1978), S.

23 zitiert nach Strohmeier (1983), S. 73-75. Vgl. auch Bourdieu (1991), S. 32.

481 Gerstner definiert innerhalb seines Bezugsrahmens dabei das Renting Center als die Einheit, welche die Anmietungsentscheidung letztendlich ausführt. Vgl. vertiefend Gerstner (2008), S. 200.

logische Valenz seitens der Unternehmen und ihren Angestellten unterstellt werden.482 Dies äußert sich in einer erschwerten Ansiedelung von Büronutzern, besonders in der Anfangs-phase. „Unternehmen brauchen, mehr noch als Bewohner, eine funktionierende Infrastruktur um sich herum.“483

Aus Sicht des Quartiers haben Unternehmen und deren Angestellte wiederum eine gehobene Bedeutung. Wie in der Erörterung der Vorteile der Nutzungsmischung dargestellt, induziert die Erfüllung alltäglicher Bedürfnisse wie Ernährung, Erholung und Nachfrage verschiede-ner Gebrauchsgüter ein ökonomisch starkes Kundenpotenzial für verschiedene assoziierte Nutzungen.484 Darüber hinaus bergen Angestellte das Potenzial des Aufbaus von Quartiers-zentralität: Sie können das Quartier täglich erleben, weitere Nutzungen abwägen und agieren so als Imagemultiplikator für weitere, potenzielle Quartiersnutzer. Die Unternehmen sind darüber hinaus Identitätsstifter des Quartiers, da sie durch Ansiedlung die Quartiersidentität stärken und außerdem über ihre Zugehörigkeit die Wahrnehmung nach außen prägen.485 Besucher sind hinsichtlich der konkreten Nutzung des Quartiers sicherlich die unterschied-lichste Zielgruppe. Einerseits nutzen sie das Quartier auf verschiedene Art und Weise als Ort der Alltagsorganisation und der Erholung. Im Gegensatz zu Angestellten ist der Besuch je-doch nicht aus externen Zwängen abgeleitet. Vielmehr erledigen Besucher im Quartier die Aufgaben und Bedürfnisse des täglichen Bedarfs und verbringen ausschließlich ihre frei ver-fügbare Zeit im Quartier. Die Nutzung kann dabei zielgerichtet und materiell sein, bspw. zur Besorgung von Gütern des täglichen Bedarfs (Lebensmittel, Reinigung, Post, etc.), besonde-rer Güter (diverse Non-Food-Artikel, Textilien, etc.) oder auch Dienstleistungen (Gastrono-mie, Verwaltung, Gesundheit). Besucher sollten jedoch keineswegs mit „Kunden“ gleichge-setzt werden, da die Nutzung nicht notwendigerweise den Konsum von Gütern oder Dienst-leistungen voraussetzt, sondern auch spontan und immateriell, bspw. durch Kommunikation, Sozialisierung und Selbstdarstellung oder auch nur zur Durchquerung erfolgen kann.486

482 Vgl. Hunziker (2003), S. 11.

483 Pätz/Soehlke (2001), S. 61.

484 Vgl. Lammel (2005), S. 444-445.

485 Bisher wurde räumliche und soziale Identität v.a. auf Quartiersbewohner reduziert, jedoch werden stellen-weise auch Unternehmen und ihre Büroflächen als Identitätsträger im Quartier berücksichtigt. Im Fachter-minus spricht man dabei von „corporate identity“. Zu Corporate Identity generell vgl. Steinmann/Schreyögg (2005), S. 631; Kiessling/Babel (2007), S. 25-27; Birkigt/Stadler/Funck (2002), S. 10-23. In Hinblick auf Büroimmobilien vgl. Pätz/Soehlke (2001), S. 62; Feldmann/Gerstner (2005).

486 Vgl. Weiske (2003), S. 22. Die Vielseitigkeit des Besuchers und die zumindest potenzielle Losgelöstheit werden auch bei Häußermann/Siebel (1987), S. 241 ersichtlich.

Der Besucher ist für das Quartier der wahrscheinlich wichtigste Frequenzbringer im öffentli-chen Raum. Dabei ist er eher ein Nutznießer eines guten Quartiers, trägt aber allein durch Anwesenheit auch maßgeblich dazu bei: Durch das Aufhalten, Verweilen und Besuchen des Quartiers steigen dabei die Möglichkeiten zwischenmenschlicher Kontakte, womit Besucher die Basis von Urbanität und Belebtheit bilden.487 Daneben agiert der Besucher noch mehr als der Angestellte als Multiplikator für weitere, potenzielle Nutzergruppen. Im Umkehrschluss handelt es sich bei den Besuchern jedoch gleichzeitig um eine vergleichsweise kritische Nut-zergruppe: Da die Nutzung sehr variabel und die Intensität der Nutzung kaum bemessbar sind, ist es nur bedingt möglich, die Nutzung im Voraus zu prognostizieren. Erschwert wird dies durch die steigende Attraktivität alternativer Möglichkeiten der Freizeitgestaltung.

HÄUSSERMANN und SIEBEL beschreiben den Besucher des Quartiers daher als „Flaneur“ und stellen fest, dass „dieses flüchtige, ungreifbare Wesen, präsent, aber fremd, nah, aber distan-ziert [...] [ist].“488 So agieren Besucher zumindest in der Anfangsphase nur bedingt als Iden-titätsstifter, sind jedoch aufgrund der Vielfalt ihrer Kontakte ein wichtiger Imagemultiplika-tor.489 Diese verschiedenen Abhängigkeitsverhältnisse schlagen sich gleichzeitig auf die Struktur der Nutzungsentscheidung nieder. Tabelle 4 zeigt die relevanten Entscheidungspa-rameter sowie die Ausprägungen der verschiedenen Nutzergruppen.

Tabelle 4: Entscheidungsstruktur verschiedener Nutzergruppen

Quelle: Eigene Tabelle.

487 Vgl. Steffen/Baumann/Betz (2004), S. 26-27.

488 Häußermann/Siebel (1987), S. 240.

489 Vgl. Hansmann (2004), S. 143, der dabei berücksichtigt, dass die Besucher des Quartiers immer seltener auch Bewohner oder Angestellte sind und sich die Nutzung damit auf den Besuch beschränkt.

Nutzergruppe/ Bedürfnisvielfalt und mal mehr und mal weniger effizienzorientierter sowie einer hohen Reversibilität der Entscheidung durch flexible da sofort reversibel und nahezu ohne Kosten verbunden.

Entscheidungs-träger

zumeist sämtliche entscheidungs-fähige Nutzer beteiligt

oft wenige Entscheider, die für eine hohe Zahl an Nutzern entscheiden

stets individuell und für den Nutzer alleine

Im Dokument Die strategische Entwicklung (Seite 114-118)