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5 Definition und Klassifikation von Experimenten

5.2 Klassifikation von Experimenten

Zusammenhänge und Gesetzmäßigkeiten können ebenfalls durch Experimente gefes-tigt und vertieft und erneut experimentell bestägefes-tigt werden. Es ist ebenfalls denkbar, Experimente zur Leistungskontrolle zu nutzen.

5.2.3 Lehr- und Lernexperimente klassifiziert nach ihrer Organisations-form

- Lehrerexperiment (Demonstration) - Schülerexperiment

o Experiment in Einzelarbeit o Experiment in Partnerarbeit o Experiment in Gruppenarbeit

Mit Blick auf die Einbeziehung der Beteiligten und deren sozialer Interaktion können Experimente unterschieden werden. In Demonstrationsexperimenten durch die Lehr-kraft werden Objekte und Prozesse bzw. Probleme aus der betrieblichen Praxis durch den Lehrer vorgegeben und von ihm werden die Experimentiereinrichtungen vorberei-tet. Die Lehrkraft führt das Experiment durch. Diese Form des experimentierenden Lernens kann u. U. zielgerichtet und wenig zeitintensiv sein, da die Lehrkraft mit den Voraussetzungen, Abläufen und Ergebnissen des Experiments vertraut ist. Mit dem Demonstrationsexperiment durch die Lehrkraft kann jedoch nur begrenzt berufliche Handlungsfähigkeit entwickelt werden, da die Lernenden nicht unmittelbar in das Expe-rimentiergeschehen einbezogen sind.

Im Rahmen von Schülerexperimenten können Auszubildende selbstständig zu neuen Erkenntnissen gelangen, wodurch Handlungsfähigkeit und problemlösendes Denken entwickelt wird. Beim selbsttätigen Schülerexperiment ist der Lernende von der Hypo-thesenbildung über den Aufbau der Experimentiereinrichtung bis hin zur Durchführung des Experiments allein oder mit Unterstützung tätig. Der Nachteil des selbsttätigen Schülerexperiments besteht jedoch darin, dass dieses sehr zeitaufwändig ist und von der Lehrkraft sehr gründlicher Vorbereitung, Begleitung und Nachbereitung bedarf.

Schülerexperimente können in Einzel-, Partner- oder Gruppenarbeit realisiert werden.

5.2.4 Lehr- und Lernexperimente klassifiziert nach ihrem Wirklichkeitsbe-zug bzw. Abstraktionsgrad

- Realexperimente (gegenständlich)

- Experimente mit Modellen (vergegenständlicht) - Gedankenexperimente (begrifflich abstrakt)

Werden an originalen Objekten und Prozessen neue Erkenntnisse gewonnen, so wird von Realexperimenten gesprochen. Realexperimente können zum einen direkt in der Praxis, z. B. am Arbeitsplatz, durchgeführt werden und zum anderen im Unterricht an realen Objekten und Prozessen aus der Praxis des Bauens. Mit Realexperimenten wird ein Bezug zur Praxis hergestellt, hierbei besteht jedoch die Gefahr, dass das Realex-periment für den Schüler schwer zu durchschauen ist, wenn es nicht unter Berücksich-tigung didaktischer Gesichtspunkte gestaltet wurde (vgl. PAHL 1998, S. 168).

Modellexperimente bieten die Möglichkeit, die Praxis für den Lernenden fassbar zu gestalten. Modellexperimente werden unter didaktischen Gesichtspunkten gestaltet, wobei sie ähnliche Eigenschaften wie die Realität aufweisen. Unter dem Modell wird hierbei ein Ersatzobjekt verstanden, dass die objektive Realität vereinfacht widerspie-gelt oder abbildet. Da Modelle nie die gesamte Realität wiedergeben können, sind im Unterricht die Möglichkeiten und Grenzen der Modelle aufzuzeigen und der Bezug zur Realität bzw. Praxis herzustellen. Das Modellexperiment ist das im Unterricht am meis-ten verwendete Experiment (vgl. PAHL 1998, S. 168; vgl. TOLZIEN 2006).

Mittels Gedankenexperiment können Objekte und Prozesse aus dem Bereich der Rea-lität allein mit geistigen Mitteln nachvollzogen werden. Gedankenexperimente sind sehr realitätsfern, sie erfordern von den Schülern oder Auszubildenden ein hohes Maß an Abstraktionsfähigkeit. Aus diesem Grund werden im Unterricht nur selten neue Er-kenntnisse mit Gedankenexperimenten erarbeitet. Vor allem in der Berufsschule mit ihrer Ausrichtung auf die berufliche Baupraxis sollen Gedankenexperimente unter Be-rücksichtigung der Handlungsorientierung und dem Praxisbezug begrenzt eingesetzt werden (vgl. PAHL 1998, S. 169).

5.2.5 Lehr- und Lernexperimente klassifiziert nach den zu entwickelnden Persönlichkeitsdispositionen

- erkenntnisorientierte Experimente

- anwendungsorientierte Experimente/Trainingsexperimente

Erkenntnisorientierte Experimente dienen der Gewinnung, Aneignung und Vermittlung naturwissenschaftlicher und technischer Erkenntnisse und verfolgen damit ein vorran-gig kognitives Ziel. In anwendungsorientierten Experimenten/ Trainingsexperimenten steht hingegen die Gewinnung und Vermittlung naturwissenschaftlicher oder technolo-gischer Erkenntnisse nicht im Vordergrund, sondern sie zielen darauf ab, berufliche Handlungsfähigkeit zu entwickeln. Bereits bekannte Phänomene und Gesetzmäßigkei-ten werden in eine Anwendung überführt. Kognitive und psychomotorische Aspekte der beruflichen Handlungsfähigkeit werden angesprochen.

Das Experimentieren im Unterricht ist aus unterschiedlicher Sicht und mit Blick auf die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten der Persönlichkeit notwendig. Es kann dem Wissenserwerb dienen. Dieser Aspekt wird in zahlreichen Publikationen herausgestellt.

Der Wissenserwerb beschränkt sich nicht ausschließlich auf die untersuchten Zusam-menhänge, sondern schließt auch Methoden, Verfahren und Mittel der Erkenntnisge-winnung ein. Während des Experimentierens wird abstraktes Wissen mit sinnlichen Erfahrungen verbunden, indem die Lernenden ihre Kenntnisse auf realitätsnahe Situa-tionen anwenden. Dem Lernenden werden unter Umständen Wissensdefizite bewusst.

Dieser Aspekt des Experimentierens tritt dann vorrangig auf, wenn der Lernende „[…]

auch gezwungen ist, Abbild und Realität miteinander zu vergleichen. Daraus resultiert u. a. dass […]“ die Lernenden „[…] im Rahmen ihrer Experimentiertätigkeit verstärkt selbst entwickelte Lösungen im Versuchsaufbau realisieren sollen. Unzulänglichkeiten in den Kenntnissen […] werden dann sofort offenbar“ (TUSCHKE u. a. 1983, S. 95).

Weitere Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung der Lernenden durch das Experimen-tieren – über den Wissenserwerb hinaus – ist die Entwicklung von Schöpfertum.

Schöpfertum setzt die Fähigkeit voraus, Wissen umzustrukturieren und auf neue Situa-tionen anzupassen. Schöpfertum wird vorrangig in selbst gesteuerten Handlungen entwickelt und besonders dann, wenn das Ergebnis der Handlung in Abhängigkeit von der voran gegangenen Handlung steht (vgl. TUSCHKE u. a. 1983, S. 96). Das Experi-mentieren bietet erzieherische Potenzen. In dieser Hinsicht wird auf die aktivitätsför-dernde Rolle des Experimentierens verwiesen. Durch das selbstständige Experimentie-ren können Grundhaltungen wie Gewissenhaftigkeit, Sorgfalt und Disziplin entwickelt werden. Es ist auch aus dieser Sicht besonders wichtig, das Anforderungsniveau an

das Leistungsniveau der Lernenden anzupassen. Letztlich sollen die motivationalen Aspekte des Experimentierens betont werden. Erfolgserlebnisse stellen sich ein, wenn der Lernende eine Leistung vollbracht hat. Dabei ist allerdings zu beachten, dass nur, wenn der Lernende eine für ihn wirklich anspruchvolle Leistung erbracht hat, das Emp-finden eines Erfolgserlebnisses gegeben ist (vgl. TUSCHKE u. a. 1983, S. 96). Die selbstständige Tätigkeit der Lernenden, verbunden mit Erfolgsaussichten, ist entschei-dend für die Motivation und Initiierung von Lernprozessen.